Protocol of the Session on January 16, 2003

Noch schlimmer aber ist, dass Sie aus dem Urteil nichts gelernt haben. Statt in Demut die gerichtliche Argumentation zu akzeptieren, versteigen Sie sich nach der Urteilsfindung in die Feststellung, Frauen seien doch die besseren Juristen, nur weil zwei Richterinnen Ihre Rechtsauffassung mit einem Minderheitsvotum bestätigen.

[Unruhe bei der PDS und den Grünen]

Hören Sie zu! – Dies zeigt, dass Sie der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Respekt gegenüberstehen

icher sein!

Man könnte viel dazu sagen, dass die Situation im Bundesrat – wir haben heute Mittag schon darüber diskutiert; sie haben es sich nicht nehmen lassen, auch zur Fernsehzeit das Thema aufzugreifen – eben nicht eindeutig geregelt war und dass der Präsident in dieser Situation beim Verhalten von Herrn Schönbohm entscheiden musste. Was heißt denn das, „Herr Präsident, Sie kennen meine Meinung“? Entweder hat man eine Meinung, dann kann man sie auch äußern, oder man hat keine Meinung, dann muss man eben ruhig sein.

In einer solchen Situation muss der Bundesratspräsident reagieren und sehen, wie er damit umgeht. Sie haben es selbst angesprochen. Durch das Minderheitsvotum des Verfassungsgerichts haben wir es erlebt, dass es eben nicht so eindeutig ist, wie mit dieser Frage zu verfahren ist.

und stellt sowohl eine bodenlose Diskriminierung der männlichen Richter als auch des gesamten Rechts dar.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Unruhe bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Auch heute in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Wambach haben Sie nicht ansatzweise zum Ausdruck gebracht, dass Sie Ihr Fehlverhalten bedauern. Im Gegenteil: Sie schoben es noch auf den Bundesratsdirektor Oschatz und teilten mit, er habe es in einem Vermerk so empfohlen. Dieser hat aber in einem Interview mit der „Welt“ wörtlich ausgeführt – ich zitiere wieder mit der Genehmigung der Frau Präsidentin:

Wenn Herr Wowereit sich nach dem Vermerk gerichtet hätte, hätte es das Verfahren in Karlsruhe nicht gegeben. Ich

gemeint ist Herr Oschatz –

hatte ausgeführt, dass bei gesplitteter Stimmabgabe Stimmen ungültig sind.

Herr Regierender Bürgermeister, wir werden uns den Vermerk selbst und Ihre heutigen Ausführungen sehr genau ansehen. Wenn Sie heute das Parlament getäuscht haben sollten, wird die Luft sehr dünn. Das garantieren wir Ihnen!

[Dr. Flemming (SPD): Aha!]

Ich bin mir im Klaren darüber, dass Sie heute wohl mit den Stimmen der Koalition und wahrscheinlich auch mit den Stimmen der Grünen diesen Antrag erfolgreich abwehren werden. Dennoch möchte ich ein Wort an diese Kollegen in diesem Haus wenden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich komme zum Ende. – Sie stimmen heute nicht über die Berechtigung des Zuwanderungsgesetzes an sich ab, sondern über die Missbilligung eines offenen Verfassungsbruchs. Gehen Sie in sich und machen Sie sich mit einem Nein nicht gemein mit einem klaren ausgeurteilten Rechtsbruch. Zeigen Sie in der Abstimmung, dass Ihnen die Verfassung wichtiger ist als die Tagespolitik. Aber egal, wie die Abstimmung letztlich ausgeht, eines werden Sie, Herr Wowereit, in Ihrem politischen Leben nicht mehr los: den Ruf des Verfassungsbrechers! – Ich danke dem hohen Haus!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Herr Müller. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gram! Ich weiß, in welch angespannter Erwartung Sie dort sitzen, weil Sie wissen wollen, wie sich die SPD-Fraktion verhalten wird. Ich werde es gleich vorneweg sagen: Wir werden Ihrem albernen Missbilligungsantrag nicht zustimmen. Da können Sie ganz s

[Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das ist eigentlich gar nicht die Frage, ob man solch einem Show-Antrag zustimmt. Die Frage ist eher, ob man sich wirklich mit Ihnen darüber noch auf eine Diskussion einlassen muss. Es ist völlig absurd, was Sie hier tun und vorschlagen. Dass wir in einem Berliner Landesparlament den Regierenden Bürgermeister dafür missbilligen, was er auf einer ganz anderen politischen Ebene aus seiner Tätigkeit als Bundesratspräsident getan hat, ist völlig absurd. Das werden wir natürlich auch nicht mitmachen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann von der CDU?

Nein! – Das Entscheidende ist, dass jeder merkt, worum es hier eigentlich geht. Es geht nicht um die juristische Überprüfung, um das Verfahren, um das, was im Bundesrat geschehen ist. Es geht Ihnen schon gar nicht um das Gesetz. Es geht Ihnen darum, dass Sie nach jedem Strohhalm greifen, der Ihnen die Chance bieten, den Regierenden Bürgermeister im Parlament herabzusetzen. Genau darum geht es Ihnen und nicht um mehr oder weniger!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Es geht Ihnen auch um diesen Auftritt, den Sie haben wollen. Sie möchten gar nicht zum Inhalt reden, so wie Herr Steffel heute Vormittag, der über alles Mögliche mit hochrotem Kopf gesprochen hat, nur nicht zu dem Thema, um das es hier eigentlich ging. So stehen Sie jetzt hier mit geheuchelter Betroffenheit wie ein Giftzwerg und reden über alles Mögliche,

[Beifall bei der SPD und der PDS]

aber eben nicht über den eigentlichen Skandal, dass Sie mit hämischer Freude verfolgen, wie dieses Gesetz nicht abgestimmt werden konnte und leider vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hat, obwohl es so wahnsinnig wichtig für die Bundesrepublik und auch für Berlin gewesen wäre. Das ist der eigentliche Punkt, über den man hätte reden müssen!

Gerade Sie, Herr Gram! Sie sollten das Protokoll abwarten. Dort kann man alles nachlesen. Dann bin ich auch gern bereit, etwas zu rügen, was ich so nicht gehört habe – was ich mir beim Abgeordneten Müller auch gar nicht vorstellen kann. – Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Ritzmann das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte den Eindruck haben, wir hätten hier wieder ein Theater, nur fehlen die Zuschauer. – Herr Kollege Müller! Sie haben ausgeführt, dass wir nicht kritikberechtigt seien, weil der Regierende Bürgermeister als Bundesratspräsident agiert habe. Das ist eine sehr formalistische Herangehensweise. Herr Wowereit war dort nicht als Klaus Wowereit; er wurde Amtierender Bundesratspräsident, weil er Regierender Bürgermeister von Berlin ist und nicht, weil er eine andere Funktion ausübt.

Zweitens fand ich sehr spannend, Herr Müller, dass Sie über das Thema argumentiert haben. Sie haben gesagt, das Thema sei so wichtig. Das ist richtig. Sie haben gesagt, dass Deutschland da neue Gesetze brauche und dass vieles in diesem Gesetz richtig sei. Auch das stimmt. Aber das hat nichts damit zu tun, dass das Verhalten des Bundesratspräsidenten Wowereit von uns zu kritisieren ist, vielleicht sogar in dem Maße, dass wir ihn missbilligen. Also auch hier keine rechtliche Argumentation, sondern eine politische. Aber um diese geht es heute gerade nicht. Theater wollen wir nämlich heute nicht spielen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Es geht nämlich darum, dass die Zuwanderung gesteuert, begrenzt werden soll. Es geht um Integration von Ausländern. Es geht darum, diese Integration zu verbessern. Es geht um straffere Asylverfahren. Es geht um humanitären Flüchtlingsschutz. Es geht darum, sich auch auf Bevölkerungsrückgang und wirtschaftliche Notwendigkeit für Zuwanderung einzustellen. Alle anderen wichtigen großen gesellschaftlichen Gruppen in unserer Bundesrepublik haben das erkannt – die Kirchen, der DGB, die Arbeitgeberverbände –, nur die CDU hat an der Stelle bloc

[Wegner (CDU): Und die Menschen in der Stadt!]

Der Gipfel, Herr Gram, ist, dass Sie sagen – Sie haben es auch im Antrag formuliert –, Klaus Wowereit habe eindeutig Partei- über Staatsinteressen gestellt. Da kann man nur lachen! Was haben denn dann eigentlich Herr Müller und Herr Stoiber im Bundesrat getan,

[Niedergesäß (CDU): Das war etwas ganz anderes!]

die aus reiner Wahltaktik Theater gespielt haben? Sie haben es hinterher auch zugegeben, sie haben dieses Gesetz abgelehnt, mit einstudierter Empörung.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Aber es war nicht einmal Staatstheater, sondern Provinztheater à la Berliner CDU, was wir dort erlebt haben. Das haben auch alle, die das mitverfolgt haben, entsprechend bewertet.

Sie haben nicht begriffen, worum es hier wirklich geht und wie wichtig diese geregelte Zuwanderung für eine Stadt wie Berlin ist. Sie haben wieder einmal mit dem Verhalten Ihrer Kollegen im Bundesrat und mit Ihrem Verhalten, mit diesem Antrag, bewiesen, dass Sie nicht politikfähig sind, auch nicht in solch einer wichtigen Zukunftsfrage.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Ich wurde gerade darauf aufmerksam gemacht, dass hier die Bezeichnung „Giftzwerg“ moniert wurde. Ich habe gehört, dass der Abgeordnete Müller Herrn Gram nicht direkt mit diesem Begriff bezeichnet, sondern gesagt hat, er stehe da „wie ein Giftzwerg“.

[Heiterkeit bei der PDS]

Das ist nicht kritikwürdig.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Zurufe von der CDU]

Das werden wir dann dem Protokoll entnehmen. Dort können Sie es noch einmal nachlesen.