Protocol of the Session on November 14, 2002

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Ratzmann! Unsere ursprüngliche Situation war, eine Vorlage zu machen, die Bewegungsspielräume für die Länder ermöglicht, unter dem Gesichtspunkt einer Haushaltsnotlage oder von Schwierigkeiten der Haushaltskonsolidierung. Mit dieser Grundidee ist der Regierende Bürgermeister auch in die Ministerpräsidentenkonferenz gegangen, hat aber dort gemerkt, dass ein darüber hinausgehendes Interesse der anderen Bundesländer besteht, gewisse Differenzierungen zu ermöglichen. Das gehört übrigens auch zu dem, was im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz mit Föderalismusdiskussion wieder neu diskutiert werden soll. Die Ministerpräsidenten und der Bund wollen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es gibt, eventuell die Länder wieder stärker an der Gesetzgebung unmittelbar zu beteiligen und nicht alles zentral auf Bundesebene zu regeln. Dazu gehört ausdrücklich eine Neuüberlegung zur Besoldung und Versorgung der Beamten des öffentlichen Dienstes. Insofern hat die Berliner Initiative offene Türen eingelaufen, weil auch die anderen Bundesländer durchaus bereit sind, hierüber zu diskutieren. Dass es dazu gekommen ist, dass wir jetzt eine Gesamtöffnungsklausel haben, hängt wesentlich mit dem Nichtergebnis der Solidarpaktgespräche zusammen. Das muss man so nüchtern sagen. Wir hatten bei den Gewerkschaften dafür geworben: Lasst uns eine auf Berlin zugeschnittene Öffnungsklausel gemeinsam bei den Bundesinstitutionen und den Bundesgewerkschaften vertreten – und da ist uns harsch gesagt worden: Darüber kann man nicht reden. – Daraufhin haben wir gesagt: Wir versuchen es allein. – Das Überraschende ist, dass uns alle Bundesländer unterstützen. Ich kann nur sagen: Niemand darf sich wundern, wenn seinem Antrag entsprochen wird – auch auf Seiten der Gewerkschaften.

Frau Dr. Klotz hat das Wort zu einer Nachfrage!

Herr Senator Körting! Wie hat sich die Tatsache, dass eine solche Bundesratsinitiative gestartet wurde, auf die Solidarpaktgespräche mit dem Deutschen Beamtenbund ausgewirkt, der anders als Verdi den Kern des Senatsangebots zu einem Solidarpakt nicht abgelehnt, sondern durchaus angenommen hat?

Herr Senator Dr. Körting!

Für die Gespräche auch mit dem Deutschen Beamtenbund kann das nur hilfreich sein, weil das, was wir mit der Bundesratsinitiative erreichen wollen, vom Beamtenbund selber akzeptiert wird und der natürlich auch weiß, dass das nur mit einer Öffnungsklausel im Besoldungsrecht des Bundes funktioniert. Insofern hat sich das durchaus nicht negativ auf die Gespräche mit dem Beamtenbund ausgewirkt. Auch der Beamtenbund hätte lieber eine ausschließliche Berliner Lösung gesehen, sozusagen eine Notlösung Berlins im Besoldungsrecht. Ich muss allerdings der Gerechtigkeit halber sagen, dass der Beamtenbund zu einem früheren Zeitpunkt auch strikt gesagt hat, dass so etwas mit ihm nicht zu machen sei. Erst in der letzten Phase ist er eingeschwenkt und hat gesagt: Er trägt das mit. – Wir sind für jeden dankbar, der einschwenkt.

Danke schön, Herr Senator Dr. Körting! – Es gibt keine weiteren Nachfragen.

Nunmehr erhält die Frau Abgeordnete Jantzen das Wort zu einer Mündlichen Anfrage über

Konfuse Verhältnisse in der Berliner Kältehilfe mit fatalen Folgen für obdachlose Menschen

Ich frage den Senat:

1. Wie will der Senat sicherstellen, dass in diesem Winter trotz der drastischen Kürzungen für die Bezirke ein qualitativ ausreichendes Schlaf- und Betreuungsangebot für Obdachlose in Kältehilfeeinrichtungen wie Nachtcafés und Notübernachtungen zur Verfügung steht?

2. Was gedenkt der Senat zu tun, um eine weite Verbreitung der vom Kältehilfetelefon im PeterFrank-Heim zu erstellenden Liste der bereitgestellten Kältehilfeangebote – z. B. auch über die Tagespresse und Obdachlosenzeitungen – sicherzustellen?

Frau Senatorin KnakeWerner, bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Abgeordnete Jantzen! Zunächst kann ich von konfusen Verhältnissen in der Kältehilfe noch nichts feststellen. Ich nehme deshalb an, dass das nicht zu Lasten der Betroffenen geht. Einer ersten Übersicht über die Angebote zur Kältehilfe zufolge und auch nach Rücksprache mit verschiedenen Wohlfahrtsverbänden gibt es im Moment überhaupt keinen Anlass, anzunehmen, dass die Kapazitäten der Kältehilfe geringer ausfallen werden. Deshalb geht der Senat davon aus, dass wir auch in diesem Winter ausreichend Plätze zur Verfügung stellen können und dass gewährleistet ist, dass jede und jeder, die oder der einen Schlafplatz sucht, untergebracht werden kann. Die Liste über die Kältehilfeangebote, die schon seit einigen Jahren vom so genannten Kältehilfetelefon im PeterFrank-Haus erstellt wird, ist zurzeit allerdings noch nicht ganz vollständig, weil noch täglich Träger Meldungen über Angebote der Kältehilfe nachliefern. Die Kältehilfe ist ja erst jetzt angelaufen und wird deshalb täglich aktualisiert. Diese gesamtstädtische Liste enthält mehr als die Angebote der Kältehilfe. Darin sind auch die Tagesstättenangebote für Wohnungslose, Nacht- und Notunterkünfte und auch die Angebote für die medizinische und zahnmedizinische Versorgung enthalten. Diese Liste wird, wenn sie abgeschlossen ist, im Internet veröffentlicht und ständig aktualisiert. Damit ist eine bessere Koordination im Land Berlin beabsichtigt. Mit dieser Veröffentlichung wird das Informationsbedürfnis der Tagespresse, der Obdachlosenzeitungen, der BVG, der S-Bahn und teilweise der Betroffenen selbst abgedeckt.

Darüber hinaus werden die AG Leben mit Obdachlosen und das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg – aus Spendenmitteln finanziert – eine Papierform erstellen, die dann an die Tagespresse verschickt und den Trägern, die keinen unmittelbaren Zugang zum Internet haben, zur Verfügung gestellt wird. Wir gehen davon aus, dass mit dieser Angebotsübersicht eine ausreichende Information gewährleistet ist, sodass alle, die eine solche Hilfe benötigen, diese auch erhalten.

Danke schön, Frau Dr. Knake-Werner! – Die Kollegin Jantzen hat eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Präsident! Ich habe angesichts der Meldungen aus den Bezirken, sie nähmen ins nächste Jahr ein Defizit mit und ihre finanzielle Situation werde nicht besser, Nachfragen: Sehen Sie eine Verantwortung beim Senat, die Bezirke so auszustatten, dass sie auch für das nächste

Jahr die Kältehilfe und andere niedrigschwellige Angebote für andere Betroffenengruppen aufrechterhalten können? Wie nehmen Sie diese Verantwortung wahr?

Frau Senatorin, bitte!

Zunächst einmal liegt die Verantwortung für die Angebote bei den Bezirken. Das wissen Sie. Darüber hinaus ist mir bewusst, dass die finanzielle Situation der Bezirke äußerst prekär ist und dass sie sehr darum kämpfen, das, was sie als Leistungen erbringen wollen und müssen, finanzieren zu können. Darüber werden wir zu gegebener Zeit noch einmal reden müssen.

Wir nehmen unsere Verantwortung bezüglich dieses Punktes in der Form wahr, dass wir am 20. November bei der Staatssekretärin für Soziales eine Zusammenkunft mit den zuständigen Bezirksstadträten haben. Dann werden wir diese Fragen diskutieren. Das ist beispielsweise auch die Frage, wie es besser als bisher gelingen kann, die besonders belasteten Bezirke, nämlich die Innenstadtbezirke und die Bezirke mit besonders problematischer Sozialstruktur, in Form eines Solidarprinzips durch Umverteilungen zu entlasten.

Frau Jantzen hat noch eine Nachfrage. – Bitte schön!

Sie haben schon auf die besonders belasteten Bezirke hingewiesen. Halten Sie es für erforderlich, in diesem Bereich eine Art Mindestausstattung festzulegen, weil es eine gesamtstädtische Aufgabe ist? Bezirke, die am äußeren Rand liegen und weniger belastet sind, weil sie weniger Obdachlose haben, dürften sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.

Frau Senatorin!

Ich denke, das wird Gegenstand eines solchen Gesprächs sein. Deshalb haben wir es auch anberaumt. Wir wollen in diesem Gespräch eine koordinierende Aufgabe wahrnehmen, obwohl zunächst die Bezirke verantwortlich sind. Nach den aktuellen Meldungen gibt es, mit einer Ausnahme, bisher keinen Hinweis darauf, dass die anderen Bezirke ihren Aufgaben nicht nachkommen werden. Nach meinen Informationen wird all das, was die Bezirke im laufenden Jahr anbieten, auch nächstes Jahr realisiert.

Danke Frau Senatorin! – Frau Abgeordnete Herrmann, Sie haben das Wort!

Frau Senatorin, besteht für ältere Obdachlose, die krank sind, die Möglichkeit, in Pflegeheime eingewiesen zu werden?

Frau Senatorin, bitte!

Die ursprüngliche Frage bezog sich auf die Kältehilfe. Darüber hinaus gibt es noch unterschiedlich finanzierte Angebote der Wohnungslosenhilfe nach § 72 und 93 BSHG. Das ermöglicht den Übergang in Einrichtungen, die den Betroffenen das anbieten, was für sie am besten ist.

Was die gesundheitliche Versorgung angeht, haben wir im Moment für Obdachlose ein Angebot mit ärztlicher und zahnärztlicher Versorgung. Neuerdings gibt es in der Lehrter Straße auf Grund des großen Engagements zweier Ärzte, die sich der traditionellen chinesischen Medizin verschrieben haben, ein zusätzliches Angebot für dort stationär aufgenommene Obdachlose. Damit wurde ein weiterer Schritt in Richtung einer vernünftigen Versorgung der Betroffenen gemacht.

Frau Herrmann, bitte!

Wer bezahlt die Leistungen, die die Obdachlosen nach § 72 und § 93 BSHG in Anspruch nehmen? Geht das aus den Senatskassen oder den Bezirkskassen?

Frau Senatorin!

Sie wissen, dass das Mittel der Bezirke sind, da es sich um Bereiche handelt, für die die Verantwortung auf die Bezirke abgeschichtet wurde. Wir beide wissen, dass es dort ziemlich klemmt. Darüber sind wir in ernsthaften Verhandlungen mit den Trägern dieser Einrichtungen. Ich denke, dass wir zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Im Zusammenhang mit der Ausstattung der Bezirke werden wir auch darüber reden. Es gibt eine Unterfinanzierung der Bezirke. Das wissen wir. Die gibt es aber nicht erst seit diesem Jahr, sondern seit 1995, seit die Bezirke mit einer Globalsumme ausgestattet wurden. Sie wissen, dass wir in diesem Jahr bei der Zuweisung erstmals von Ist-Zahlen des Vorjahres ausgegangen sind. Insofern ist die Situation anders. Aber an dem Fakt, dass wir gegenwärtig ein ernsthaftes finanzielles Problem in den Bezirken haben, ändert das wenig.

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Da der Kollege Radebold zurückgezo

gen hat, hat der Kollege Zimmermann das Wort zu einer Anfrage über:

Freizügigkeit und Aufenthaltsgenehmigungen für EU-Bürger

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie ist nach Kenntnis des Senats die derzeitige Verwaltungspraxis in Bezug auf die Einreise und den Aufenthalt von EU-Bürgerinnen und Bürgern in der Berliner Ausländerbehörde vor dem Hintergrund der geltenden Freizügigkeitsregelungen auf EUEbene?

2. Sieht der Senat Möglichkeiten, das Verwaltungsverfahren zur Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für EU-Bürgerinnen und -Bürger zu erleichtern, insbesondere in Bezug auf Wartezeiten?

Bitte schön, Herr Senator Dr. Körting!

Herr Abgeordneter Zimmermann! Die Einreise sowie der Aufenthalt von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern sind gegenwärtig in den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes EWG sowie der Freizügigkeitsverordnung EG geregelt. Danach bedürfen EU-Bürgerinnen und EUBürger für die Einreise in das Bundesgebiet keines Visums. Sie bedürfen aber noch einer für einen Daueraufenthalt notwendigen Aufenthaltserlaubnis EG, die von ihnen, anders als bei anderen, nach der Einreise eingeholt werden kann. Hierzu müssen sie nach heutiger Praxis beim Landeseinwohneramt vorsprechen.

Um das Verwaltungsverfahren für diesen mit Blick auf die Freizügigkeitsregelung bevorrechtigten Personenkreis zu erleichtern und um notwendige Wartezeiten zu minimieren, ist bisher schon veranlasst worden, dass die Bearbeitung der Aufenthaltsangelegenheiten für Bürgerinnen und Bürger aus EU-Staaten in einem gesonderten Sachgebiet erfolgt. Das passiert seit Jahren.

Am 1. Januar 2003 tritt das Gesetz zur Steuerung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern – Zuwanderungsgesetz vom 20. Juni 2002 – in Kraft, wenn das Bundesverfassungsgericht nicht im laufenden Verfahren das Inkrafttreten des Gesetzes hinausschiebt oder das Gesetz nicht für verfassungsmäßig zustandegekommen erklärt. Wenn das Gesetz, so wie es im Bundesgesetzblatt steht, zum 1. Januar 2003 in Kraft tritt, löst das in Artikel 2 des Gesetzes enthaltende neue Gesetz – Freizügigkeitsgesetz EU – die bisher geltenden Vorschriften ab. Danach erhalten freizügigkeitsbe

rechtigte Ausländerinnen und Ausländer künftig keine Aufenthaltserlaubnis mehr. Ihnen wird lediglich eine gebührenfreie Bescheinigung über den Aufenthalt ausgestellt, die rein deklaratorischen Charakter hat. Die zur Ausstellung der Bescheinigung notwendigen Angaben können im Rahmen der melderechtlichen Anmeldung gegenüber der Meldebehörde gemacht werden, die diese Angaben zur Erstellung von Bescheinigungen an die Ausländerbehörde weiterleitet. Es ist bei uns in Berlin vorgesehen, dass die Ausländerbehörde die Bescheinigung der EUBürgerinnen bzw. dem EU-Bürger schließlich auf dem Postweg zustellt. Damit entfällt die Notwendigkeit einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde. Mit der Anmeldung bei der Meldebehörde wird der EUBürger und die EU-Bürgerin alles getan haben, was erforderlich ist.

Herr Kollege Zimmermann hat eine Nachfrage. – Bitte!

Herr Senator! Sehen Sie denn für den Fall, dass das Zuwanderungsgesetz nicht in Kraft treten sollte – falls das Bundesverfassungsgericht hier wider Erwarten anders entscheiden sollte –, andere Möglichkeiten, dieses Verfahren unter Umständen auch ohne Geltung dieses neuen Gesetzes zu verkürzen?

Herr Senator Dr. Körting!

Wir haben die geltende Rechtslage, dass im Moment auch EUBürger eine Aufenthaltserlaubnis brauchen. Wir werden, wenn das eintreten würde, was Sie als Menetekel an die Wand malen, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz stoppen würde, in erster Linie mit dem Bund darüber zu reden haben, ob man nicht schnellstmöglich doch zu einem Zuwanderungsgesetz kommt. Zweitens werden wir zu prüfen haben, ob man das jetzt vorgesehene Verfahren nicht auch melderechtlich im Vorgriff darauf machen kann. Diese Prüfung ist aber noch nicht in die Wege geleitet. Im Moment gehe ich noch davon aus, dass das Gesetz, so wie es im Bundesgesetzblatt steht, auch hoffentlich kommen und in Kraft treten wird.

Danke schön, Herr Dr. Körting! – Es gibt keine weitere Nachfrage des Kollegen Zimmermann, aber des Kollegen Mutlu. – Bitte!