Protocol of the Session on September 26, 2002

Selbstverständlich wollen wir diese Frage beantworten. Sie sehen, Herr Kollege Schmidt, der Senat arbeitet persönlich. Und der Innensenator hat sich mit seinen 68 Vorschlägen sehr verdient gemacht. Ich sehe sogar noch weiteren Entrümpelungsbedarf in den Vorschriften der Berliner Bürokratie. Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir nicht, wenn wir sozial schützen wollen und deswegen staatliche Rahmenbedingungen aufstellen, vom Schutz zur

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Sen Strieder

Bevormundung kommen. Wir sind in vielen Bereichen in Berlin leider zu Bevormundung gekommen. Das muss jetzt zügig entrümpelt werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Doering (PDS)]

Danke schön! – Eine weitere Nachfrage der Frau Kollegin Oesterheld. – Bitte schön, Frau Kollegin Oesterheld, Sie haben das Wort!

Herr Strieder! Ich möchte von Ihnen wissen, welche Chancen Sie jetzt einer Bundesratsinitiative zur Veränderung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung geben, wo dieser Antrag sogar von der CDU hier im Parlament gestellt wurde.

[Dr. Zotl (PDS): Was? – Donnerwetter!]

Herr Senator Strieder – bitte!

Frau Abgeordnete! Die Verbesserung des sozialen Mietrechts ist in der Vergangenheit häufig an der CDU gescheitert. Das ist wohl wahr. Aber bei der Zweckentfremdungsverbotsverordnung, das müssen wir sehen, haben andere Länder andere Interessen. Unser Problem ist es, dass wir Stadt und Land zugleich sind. Die anderen Länder behalten sich gerne vor, das für einzelne Städte insgesamt zu genehmigen und den Städten einen geringen Spielraum zu geben, um einzelne Gemeindeteile mit einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung auszustatten. Das heißt, ich befürchte, dass es in den Regierungen der Länder eine geringe Bereitschaft gibt, den großen Städten einen größeren Spielraum für die Entscheidung ihrer Angelegenheiten zu geben. Aber es ist natürlich notwendig, weil sich kleine Orte und große Städte, ländliche Regionen und Metropolenregionen wie Berlin deutlich unterscheiden. Natürlich wäre es sinnvoll, wir hätten dort mehr Befugnisse.

Danke schön, Herr Senator! – Es gibt eine weitere Nachfrage des Kollegen von Lüdeke. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben gleich das Wort!

Welche Chancen räumt der Senat der Nichtzulassungsbeschwerde ein? Welche Kosten kommen dadurch auf Berlin zu?

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter! Die Kosten einer Nichtzulassungsbeschwerde halten sich in so engen Grenzen und sind so niedrig, dass selbst der überforderte Landeshaushalt Berlins in der Lage ist, sie zu tragen. Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, deswegen wage ich keine Prognose für den Ausgang dieses Verfahrens.

Danke schön, Herr Senator!

Dann rufe ich auf die Mündliche Frage Nr. 5 des Abgeordneten Ratzmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Rückführungsabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien

Bitte schön, Herr Ratzmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Auswirkungen hat das am 16. September 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der

Bundesrepublik Jugoslawien vereinbarte neue Rückführungsabkommen auf die Situation in Berlin mit einer Duldung lebenden Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, insbesondere die der Roma, und wie viele sind jetzt akut von Abschiebung betroffen?

2. Welche Maßnahmen hat der Senat in der Vergangenheit unternommen, um die seit mindestens 1995 in Berlin lebenden 7 300 Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Bundesrepublik Jugoslawien und deren Familien, insbesondere die hier lebenden Roma, zu integrieren und Aufenthaltstitel gewähren zu können, und welche Maßnahmen wird er ergreifen, um im Hinblick auf den Beschluss des Innenausschusses vom 9. September 2002 zur Drucksache 15/353 „Bleiberechtsregelung für Roma“ und die historische Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Roma, ihnen Verbleib zu ermöglichen?

Der Senator für Inneres, Herr Dr. Körting, hat das Wort zur Beantwortung – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Kollege Ratzmann!

Zu 1: Das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien vereinbarte neue Rückführungsabkommen hat Auswirkungen zunächst nur auf die ausreisepflichtigen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien mit Ausnahme des Kosovo. Das Abkommen hat insoweit Auswirkungen auf alle Geduldeten, sofern die Duldung lediglich wegen fehlender Rückführungsmöglichkeiten erteilt wurde. Das betrifft etwa 7 000 Personen, die wir als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien hier haben, die keinen Aufenthaltstitel haben, sondern nur geduldet wurden, weil bisher eine Rückführung nicht möglich war.

Ausländer aus der Bundesrepublik Jugoslawien, deren Aufenthalt aus anderen Gründen, beispielsweise wegen Vorliegens eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses – Krankheit oder Ähnliches –, geduldet wird, werden selbstverständlich so lange nicht zurückgeführt, wie das Abschiebungshindernis weiter besteht.

Zu 2: Hinsichtlich getroffener Bleiberechtsregelungen für Ausländer aus der Bundesrepublik Jugoslawien einschließlich des Kosovo sowie für Ausländer aus Bosnien-Herzegowina verweise ich auf den Beschluss der Innenministerkonferenz vom 10. Mai 2001. Dort haben wir eine Regelung getroffen – eine so genannte Erwerbstätigenregelung – für diejenigen, die hier schon zwei Jahre beschäftigt waren und eine Arbeitsstelle hatten. Ihnen wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, hier zu bleiben. Dies ist in Berlin dann auch mit Weisung an das Landeseinwohneramt umgesetzt worden.

Für langjährig in Deutschland lebende Roma gibt es keine Bleiberechtsregelung auf Bundesebene. Hierzu wäre eine Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 32 Ausländergesetz erforderlich. Eine solche Anordnung bedarf zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit der Einvernehmenserklärung des Bundesministeriums des Inneren. Die Wahrung der Bundeseinheitlichkeit setzt weiterhin die Abstimmung mit den übrigen Innenministern und Innensenatoren der Länder voraus. Wir wollen für Altfälle eine solche Abstimmung und die Einvernehmenserklärung des Bundesministeriums des Inneren herbeiführen. Und ich werde das deshalb in der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder im Dezember dieses Jahres zur Sprache bringen, um eine Bleiberechtsregelung für langjährig hier schon lebende Roma zu erwirken.

Wir haben eine Sonderregelung getroffen. Es gibt ein Programm der Europäischen Union zur „Förderung der Selbstorganisation für Roma und Sinti durch Beschäftigung und Existenzsicherung als Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf dem Arbeitsmarkt“ – das ist der von der Europäischen Union gewählte Titel. Für Teilnehmer an diesem Förderprogramm habe ich mit Weisung vom 12. Juli 2002 entschieden, dass deren Abschiebung aus humanitären Gründen

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Sen Dr. Körting

gemäß § 54 Ausländergesetz für sechs Monate ausgesetzt wird, um ihnen die Teilnahme an dem Projekt bzw. den Beginn der Teilnahme an dem Projekt zu ermöglichen. Ich weise aber darauf hin, dass alle solchen humanitären Entscheidungen entsprechend der Weisung der Innenminister nicht für bestimmte Straftäter gelten, bei denen Straftatbestände mit 50 Tagessätzen überschritten sind. Wir haben auch diese Regelung entsprechend begrenzt auf diejenigen, bei denen keine Straftaten vorliegen, oder solche, deren Urteil unterhalb von 50 Tagessätzen liegt.

Bei allen Bleiberechtsregelungen der Zukunft muss dann allerdings auch klar gesagt werden: Eine Bleiberechtsregelung für andere wird es in der Innenministerkonferenz – wenn es dazu eine einhellige Meinung gibt – auch nur geben, wenn bestimmte weitere Bedingungen erfüllt sind. Das betrifft zum einen die Straffreiheit und zum anderen die Sicherung des Lebensunterhalts der betroffenen Personen.

Die Verfahrensregelungen sind im neuen Zuwanderungsgesetz – in § 23 des ab 1. Januar 2003 geltenden Aufenthaltsgesetzes – inhaltlich gleich geregelt. Auch nach den neuen Vorschriften setzt eine Gruppenregelung – also eine Bleiberechtsregelung – die Einvernehmenserklärung des Bundesministeriums des Innern zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit voraus.

Herr Ratzmann hat eine Nachfrage und erhält dazu jetzt das Wort. – Bitte!

Herr Senator! Können Sie sich erklären, warum in Berlin im Gegensatz zu den übrigen Bundesländern die Ausnutzung der von Ihnen zitierten Regelungen, dass mit einer Arbeitsaufnahme bzw. Arbeitserlaubnis hier Aufenthaltstitel gewährt würden, so gering ausgefallen ist? – Die Anzahl der erteilten Aufenthaltstitel in den anderen Bundesländern überschreitet prozentual deren Anzahl in Berlin um ein Vielfaches.

Herr Senator Dr. Körting!

Das ist zu erklären. Der Beschluss der Innenministerkonferenz vom Mai vorigen Jahres hat Folgendes gesagt: Bei Bürgerkriegsflüchtlingen, die schon eine bestimmte Zeit hier sind, hier gearbeitet haben und eine Arbeitsstelle haben – sich also damit den Lebensunterhalt selber finanziert haben –, sind wir bereit, ihnen Aufenthaltstitel zu geben. – Das war der Beschluss der Innenministerkonferenz. In Berlin ist die Umsetzung dieses Beschlusses aus tatsächlichen Gründen schwierig gewesen, denn aufgrund der Arbeitsmarktsituation in Berlin vor 2001 – wie übrigens auch nach 2001 – und der relativ hohen Arbeitslosigkeit haben das Arbeitsamt und auch die Innenverwaltung vorher nur in sehr wenigen Fällen einer Arbeitsaufnahme zugestimmt, so dass die Zahl derjenigen, die eine zweijährige Arbeitspraxis gehabt haben, bei dem betroffenen Personenkreis sehr gering ist. Insofern konnte das in Berlin nicht in dem Maße ausgenutzt werden wie in anderen Ländern bzw. Städten, wo die Arbeitsmarktsituation günstiger ist als in Berlin.

Das Wort hat nun der Abgeordnete Gaebler zu seiner Mündlichen Anfrage über

Null Informationen zum Nulltarif

Ich frage den Senat:

1. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Aktion der kostenlosen Benutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin am vergangenen Sonntag eine gute Aktion war?

2. Teilt der Senat meine Auffassung, dass bei besserer Bekanntmachung der kostenlosen Benutzung der Verkehrsmittel an diesem Sonntag durch die betreffenden Verkehrsunternehmen BVG und S-Bahn diese Aktion noch mehr Erfolg gehabt hätte?

Das Wort hat Herr Senator Strieder. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Zunächst einmal finde ich es gut, dass BVG und S-Bahn sich an der Aktion „In die Stadt ohne mein Auto!“ im Rahmen der europäischen Woche der Mobilität beteiligt und ihr Angebot allen Bürgerinnen und Bürgern kostenlos zur Verfügung gestellt haben. Ich hatte dies bei BVG und S-Bahn vor einigen Monaten angeregt, um eine Aktion für den Imagegewinn dieser beiden Unternehmen und damit für den öffentlichen Personennahverkehr zu initiieren. Ich bedauere außerordentlich, dass die Entscheidungen innerhalb der Unternehmen so kurzfristig gefallen sind, dass es leider nicht zu einer Kommunikation, einem Zusammenhang, einer Aktion, einer richtigen Werbemaßnahme und zu etwas, wovon die ganze Stadt getroffen wird und wo sie die Möglichkeit hat, sich auf diesen Tag einzustellen, gekommen ist. Trotzdem sollten wir sagen: Das war ein richtiger und guter Ansatzpunkt von BVG und S-Bahn, der zur Werbung neuer Kunden ausgebaut werden sollte.

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Doering (PDS)]

Herr Gaebler hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Gibt es schon eine Einschätzung, wie viele Fahrgäste trotz des Angebots unentgeltlicher Nutzung einfach wegen der fehlenden Information an den Fahrkartenautomaten Fahrgeld bezahlt haben? Was geschieht mit diesen Einnahmen, die eigentlich zusätzlich erzielt worden sind?

Herr Senator Strieder – bitte schön!