Protocol of the Session on September 26, 2002

[Heiterkeit bei den Grünen]

Einmal abgesehen davon, dass es nachgerade absurd ist zu behaupten, das Berliner Haushaltsdefizit sei Resultat einer wohlerwogenen Strategie des Senats zur Bekämpfung der aktuellen Wirtschaftsflaute – so kann man den in der Verfassung garantierten Anspruch Berlins auf Hilfen der bundesstaatlichen Gemeinschaft, um aus der in über zehn Jahren großer Koalition aufgetürmten Schuldenfalle herauszukommen, auch dementieren! Mit diesem Dementi, mit diesem Widerspruch zur Haushaltsnotlage der Stadt, richtet der Senat schweren Schaden für die Stadt an.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wie dieser Schaden abzuwenden ist, darüber möchten wir hier und heute dringend mit Ihnen diskutieren. Deshalb bitten wir Sie: Stimmen Sie unserem Themenvorschlag zu! – Danke!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Eßer! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über den Vorschlag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Ersteres war die Mehrheit. Enthaltungen? – Dann ist diese Aktuelle Stunde so beschlossen. Die anderen Anträge haben damit ihre Erledigung gefunden. Ich werde die Aktuelle Stunde nach der Fragestunde und nach der Spontanen Fragestunde als lfd. Nr. 2 aufrufen und – wie der Ältestenrat bereits vorsorglich vorgeschlagen hat – mit der lfd. Nr. 9 verbinden.

Ich weise Sie auf die vorliegende K o n s e n s l i s t e und auf das Ve r z e i c h n i s der eingegangenen D r i n g l i c h k e i t e n hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagungsordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wieder jeweils an entsprechender Stelle der Tagesordnung entschieden.

Folgend e M i t g l i e d e r d e s S e n a t s haben sich für ihre teilweise A b w e s e n h e i t v o n u n s e r e r h e u t i g e n S i t z u n g entschuldigt: Frau Bürgermeisterin Schubert wird ab 19.00 Uhr abwesend sein, um zur Generalversammlung der Vereinigung der Hauptstädte Europas in Lissabon zu reisen. Senator Strieder wird ab 19.30 Uhr abwesend sein, um bei dem Airportforum am Flughafen Tempelhof zugegen zu sein.

Der Kollege Hillenberg hat mir einen Brief geschrieben. Er bittet um die Erlaubnis zur Abgabe einer Erklärung entsprechend § 66 der Geschäftsordnung. – Herr Kollege Hillenberg, es wird am Ende der Sitzung, nach der Tagesordnung, Gelegenheit dafür sein.

[Unruhe – Zurufe von der CDU]

(A) (C)

(B) (D)

Präsident Momper

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Ich weise vorab darauf hin, dass entsprechend der Anmeldung der Mündlichen Anfragen der Fraktion der FDP an der vierten Stelle die M ü n d l i c h e A n f r a g e N r. 9 aufgerufen wird. Die Mündliche Anfrage Nr. 4 wird dann an neunter Stelle behandelt.

Ich bitte um Entschuldigung, dass sich in die schriftliche Vorlage der Mündlichen Anfragen ein Schreibfehler eingeschlichen hat. In der Mündlichen Anfrage Nr. 1 handelt es sich um die M i n i e r m o t t e – auch wenn sie bedauerlicherweise Kastanienblätter befällt u n d m i n i m i e r t.

Als erster hat der Abgeordnete Buchholz von der Fraktion der SPD das Wort mit einer Mündlichen Anfrage zu

Miniermottenbefall in den Griff bekommen

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! Die Motte soll minimiert werden, aber sie baut Minen. Daher kommt auch das Wort „Miniermotte“. – Ich frage den Senat:

1. Welche Maßnahmen hat der Senat bislang unternommen, um den Befall der Kastanien durch die Miniermotte einzudämmen, wie viele Bäume sind im Stadtgebiet davon betroffen, und sind weitere Aktionen zur Vorbeugung, Bekämpfung bzw. Eindämmung geplant?

2. Teilt der Senat meine Auffassung, dass angesichts des Ausmaßes eine zeitlich befristete Fortsetzung der kostenlosen und ordnungsgemäßen Einsammlung von Laub auch von Privatgrundstücken durch die Bezirksämter bzw. die Berliner Stadtreinigungsbetriebe sinnvoll wäre?

Zur Beantwortung – Herr Senator Strieder! – Bitte schön, Herr Strieder!

Herr Präsident! Herr Angeordneter! Meine Damen und Herren! Seit 1998 ist der Befall der weiß blühenden Rosskastanie durch die Kastanienminiermotte in Berlin festgestellt worden. Es gibt kein in Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel zur chemischen Bekämpfung. Die einzige – auch vom Pflanzenschutzamt empfohlene – Methode zur Eindämmung des Befalls ist die Sammlung und professionelle Kompostierung des Laubs, in dem die Puppen der Miniermotte sonst den Winter überdauern und aus dem im Frühjahr die neue Generation der Motten wieder ausschlüpft. Im Rahmen dieser Kompostierung müssen 55 hC erreicht werden, bzw. es muss eine mindestens 10 cm starke Erdschicht oder eine luftdichte Folie aufgebracht werden, um die Mottenpuppen abzutöten.

Betroffen sind ca. 21 000 Kastanien auf öffentlichem Straßenland. Eine gesicherte Zahl über die weiteren in den Forsten, in öffentlichen Grünflächen sowie in Gärten befindlichen Kastanien existiert zur Zeit nicht, aber es erscheint plausibel, von einer Zahl von insgesamt 60 000 weiß blühenden Rosskastanien in Berlin zu sprechen.

Der Senat hat die Initiative ergriffen, um mit den Berliner Stadtreinigungsbetrieben und den bezirklichen Gartenbauämtern gemeinsam für Ende Oktober, Anfang November stadtweite Laubsammelaktionen vorzubereiten, zu denen die Bürgerinnen und Bürger und auch Institutionen wie Schulen und Wohnungsunternehmen aufgerufen werden, sich bei der Laubbeseitigung zu beteiligen. Der Termin wird abschließend nach Empfehlung des Pflanzenschutzamtes entsprechend der Witterung bekannt gegeben. Die Laubsammelaktionen, die wir in diesem Jahr star

ten, werden auch in den Folgejahren erforderlich sein, wenn eine dauerhafte eindämmende Wirkung erzielt werden soll; denn auch wenn wir in Berlin im Frühjahr dank der ergriffenen Maßnahmen nur einen geringen Befall haben, wird es im nächsten Herbst durch den Zuzug von Motten aus den umliegenden Wäldern wahrscheinlich wieder Handlungsbedarf geben.

Der Senat begrüßt ausdrücklich das große bürgerschaftliche Engagement für die Berliner Kastanien, das sichtbar geworden ist. Auf Einladung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat ein runder Tisch getagt und die Problematik mit Vertretern der Stadtreinigung, der Bezirke und der Wohnungsunternehmen erörtert, um ein effizientes gebündeltes Vorgehen zu gewährleisten.

Es werden folgende Maßnahmen ergriffen werden: Zunächst wird das Laub der 21 000 Kastanien an den Straßen durch die BSR entsorgt werden – und zwar besonders sorgfältig. Die BSR hat darüber hinaus, auch in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, eine zentrale Hotline installiert. Dort können Bürgerinnen und Bürger, Initiativen und alle Einrichtungen, die planen, sich an den Sammelaktionen zu beteiligen, mit der BSR die jeweils adäquate Entsorgung des gesammelten Laubes vereinbaren. Das kann im Einzelfall die kostenlose Bereitstellung von Laubsäcken bedeuten, aber auch die Vereinbarung eines Abholtermins für größere Haufen durch die BSR-Fahrzeuge. Wer als einzelner Bürger das Laub auf seinem Privatgrundstück sicher entsorgen will, kann dies über die Biotonne tun oder über die Eigenkompostierung bei entsprechender Erdabdeckung.

Viele Bürgerinnen und Bürger möchten aber auch etwas für die Kastanien in ihren Parks und Grünanlagen tun. Freiwillige Laubsammler können sich an die bezirklichen Grünämter wenden, die die Aktivitäten mit Schwerpunkt Ende Oktober/Anfang November koordinieren und bündeln. Wir werden das mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsaktion begleiten und auch die Schulen in solche Laubsammelaktionen mit einbeziehen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Over (PDS)]

Es gibt Kontakt mit dem Landesschulamt. Das Landesschulamt wird den Schulen empfehle,n sich im Rahmen eines Wandertages an diesen Laubsammelaktionen zu beteiligen.

Das Sammeln des Laubs in den Parks ist notwendig, im Gegensatz zu früher, früher hat man das Laub in den Parks einfach verrotten lassen. Jetzt müssen wir das Laub der Kastanien aus den Parks herausholen. Wir haben mit der Sozialverwaltung vereinbart, dass dafür 600 bis 800 Sozialhilfeempfänger im Rahmen der zusätzlichen gemeinnützigen Arbeit den Bezirken zur Verfügung gestellt werden. Ich finde, es ist ein wichtiges Zeichen, dass der Bürgersinn da zum Ausdruck kommt. Wir gehen davon aus – wir wissen, dass die Berlinerinnen und Berliner dabei mithelfen werden –, dass in den Grünanlagen durch die Bezirksämter das Laub beseitigt werden kann. Der Senat freut sich sehr über die Unterstützung, die dieses bürgerschaftliche Engagement ausmacht. Wir gehen davon aus, dass wir in diesem und den nächsten Jahren mit Hilfe der Berlinerinnen und Berliner dort zu einer großen Aktion Gemeinsinn „Rettet unsere Kastanien“ kommen werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Abgeordneten Buchholz – bitte schön!

Herr Senator! Eine Nachfrage zur Entsorgung des Kastanienlaubs, in dem bekanntlich die Larven dieser Kastanienmotten nisten und sich vergrößern. Es gibt viele Institutionen und Experten, die im Gegensatz zum Pflanzenschutzamt Berlin empfehlen, das Laub zu verbrennen, da dies die einzig wirklich dauerhafte Bekämpfung ist. Weshalb unterstützt die Senatsverwaltung nicht den Entsorgungsweg, das Laub komplett zu verbrennen?

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter! Die Verbrennung ist keineswegs ausgeschlossen. Die Berliner Stadtreinigung verfügt auch über Verbrennungsanlagen. Gleichwohl, in dem Moment in dem wir professionelle Kompostieranlagen haben, ist gewährleistet, dass 55 hC entstehen. Das ist die Temperatur, bei der die Larven abgetötet werden.

Ich versichere Ihnen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Berliner Pflanzenschutzamtes zu den besten Profis gehören, die es in Städten gibt und die mit den heimischen Pflanzen umgehen können. Wir sind uns sehr sicher, dass das eine ganz wesentliche Methode ist. Auf der anderen Seite haben wir für die Privatgärten die Abdeckung mit mindestens 10 Zentimetern Erde empfohlen.

Hat der Kollege Buchholz eine weitere Nachfrage? – Dann erhält er das Wort!

Herr Senator! Diese eindeutige Haltung will ich jetzt einmal zur Kenntnis nehmen. In vielen anderen Bundesländern setzt man vorsichtshalber nur auf die Verbrennung. Dafür gibt es sicher gute Gründe. Wie kommt es, dass offensichtlich nur das Berliner Pflanzenschutzamt der Meinung ist, dass die Verbrennung nicht notwendig ist und alle anderen dies vorsichtshalber doch tun? Wenn man überlegt, dass der Kompost aus Großkompostierungsanlagen anschließend auf Brandenburger Felder verbracht oder an Berliner Haushalte verteilt wird, dann verteilt man damit bewusst die Mottenlarven. Das ist ein Risiko, dass wir in der Stadt Berlin nicht eingehen sollten.

[Beifall des Abg. Over (PDS)]

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter! Sie können davon ausgehen, dass wir kein Risiko eingehen. Wir sind uns sicher, dass dieser Entsorgungsweg vernünftig und zukunftsfähig ist. Man muss dazu sagen, dass allein der Hinweis, in anderen Ländern werde anders verfahren, noch kein Argument ist. Es gibt kaum eine Großstadt, die über eine so technisch hochwertige Kompostieranlage verfügt wie Berlin. Wir reden nicht über einen kleinen Haufen im Garten, sondern wir reden über eine technische Anlage zur Kompostierung, wo die Schadstoffe auch weitgehend eliminiert werden. In den Kompostieranlagen der Stadtreinigung werden diese mindestens 55 hC bei weitem erreicht. Sie werden dauerhaft und sicher erreicht, sodass es überhaupt kein Problem gibt. Es muss nicht immer alles mit der Technik des Verbrennens gemacht werden, es gibt andere Möglichkeiten. Es kommt nicht darauf an, dass das Laub nicht weiter verwertet werden kann, sondern es kommt darauf an, dass die Puppen tatsächlich absterben. Das ist bei der Temperatur von 55 hC gewährleistet. Deswegen ist die Kompostierung in einer hochtechnischen Anlage auch ein sinnvoller Weg.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Eine weitere Nachfrage der Frau Abgeordneten Hinz, die jetzt das Wort hat – bitte!

Danke schön! Herr Senator! Sind seit Bekanntwerden dieses Problems eine Vielzahl von Neuanpflanzungen vorgenommen worden? Wird es aus Ihrem Haus die Empfehlung an die Bezirke geben, in der nächsten Zeit Neuanpflanzungen nicht vorzunehmen?