Danke schön! Das waren genau 10 Minuten. – Das Wort für den Senat hat nunmehr der zuständige Senator, Herr Strieder, verbunden mit der herzlichen Bitte, sich an die vereinbarte Redezeit von 15 Minuten zu halten. Aber wie wir Sie kennen, tun Sie das ohnehin. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, an den Anfang unserer heutigen Debatte gehört, dass wir doch einen Moment lang innehalten und der Toten der Flutkatastrophe gedenken, dass wir zum
Ausdruck bringen, dass unser aller Mitgefühl und unsere Solidarität den vielen, vielen Menschen gilt, die alles verloren haben, was sie sich zum Teil ein Leben lang aufgebaut haben. Wer einen derartigen Schicksalsschlag überstehen muss, der soll wissen, dass die Berlinerinnen und Berliner nicht abseits stehen, sondern auch weiterhin bei der Beseitigung der Flutschäden helfen werden.
Unser Dank gilt der Bundeswehr, den Männern und Frauen der Berliner Polizei, der Feuerwehr, dem THW, den Männern und Frauen der Hilfsorganisationen, der Stadtreinigung und der Forsten, die jetzt dabei sind, die Schäden in den Katastrophengebieten zu beheben. Auf diese sympathischen Botschafter Berlins sind wir stolz.
Die genaue Schadenshöhe steht noch nicht fest. Fest steht aber, dass Deutschland wirtschaftlich stark genug ist, die Folgen dieser Katastrophe zu bewältigen. Der Aufbau Ost darf keinen dauerhaften Rückschlag erleiden. Die Bewältigung der jetzt vor uns liegenden Aufgaben ist eine nationale Anstrengung wert. Wir sind der Bundesregierung für ihr entschlossenes und unbürokratisches Handeln dankbar. Wir begrüßen, dass die Bundesregierung 500 Millionen $ als Soforthilfe bereitstellte, als die ersten Schäden sichtbar wurden, und dass es gelungen ist, die ersten Auszahlungen schon 24 Stunden später zu leisten. Das hat materielle Not gelindert, aber es war vor allem auch ein wichtiges Zeichen der Ermutigung.
Der Senat begrüßt die Entscheidung der Bundesregierung für einen Aufbaupakt zur Beseitigung der Flutschäden. Dieser Aufbaupakt hat ein Volumen von insgesamt 9,8 Milliarden $. 7,1 Milliarden $ kommen aus dem Aufbauhilfefonds, 0,5 Millionen $ bereits gestartete Soforthilfe, bis zu 1 Milliarde $ für die Wiederherstellung der Bundesfernstraßen, der Schienen- und Wasserwege durch Umschichtungen im Bundesverkehrshaushalt, ca. 1,2 Milliarden $ in Aussicht gestellt EU-Strukturfondsmittel. Diese Mittel werden anderen Projekten nicht entzogen, sondern zusätzlich zur Verfügung gestellt. An diesem Aufbaupakt sind Bund, Länder und Gemeinden beteiligt, auch Berlin; Länder und Gemeinden mit 3,6 Milliarden $.
Wir unterstützen die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben, die zweite Stufe der Steuerreform auszusetzen und die Mehreinnahmen für die Flutopfer und die Flutschäden zu verwenden. Schnelle, unbürokratische Hilfe ist angesagt, ohne dass jetzt weitere Schulden gemacht werden und die Beseitigung der Katastrophe auf die kommenden Generationen verlagert wird. Was die Betroffenen jetzt brauchen, ist nicht Unsicherheit, sondern Sicherheit, nur so kann neues Vertrauen in die Zukunft entstehen.
Wenn wir über die Folgen der Flutkatastrophe reden, dann können wir nicht über die Ursachen schweigen. Naturkatastrophen, Wetterkatastrophen werden letztlich von Menschen gemacht, auch wenn es stimmt: Unwetter hat es immer wieder gegeben. Nach Aussagen der europäischen Versicherungswirtschaft aber haben sich seit den 50er Jahren die Unwetter mehr als vervierfacht. Die Schadenssumme ist sogar um 1 450 Prozent gestiegen. Also nicht der Umstand des Unwetters, sondern die Häufungen mahnen uns zum Umsteuern. Es ist Zeit, dass alle, aber wirklich alle in dieser Gesellschaft Nachhaltigkeit als politischen Auftrag begreifen.
Auch und gerade für eine so international verflochtene Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Alternative zur ökologischen Modernisierung. Und insofern sind die Anstrengungen der Bundesregierung in den letzten vier Jahren, den ökologischen Strukturwandel zu beschleunigen, ein Ausdruck dringender politischer Notwendigkeit. Es geht nicht
darum, die Ökologie gegen die Ökonomie auszuspielen, das Gegenteil ist der Fall. Ohne Ökologie wird es bald keine gesicherte Ökonomie mehr geben. Das ist die Situation, vor der wir stehen.
[Dr. Lindner (FDP): Jetzt reicht es aber! Das ist eine Wahlkampagne! – Borgis (CDU): Das ist ja wohl albern! – Gelächter des Abg. Cramer (Grüne)]
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren gute Grundlagen geschaffen, die natürlichen Ressourcen zu bewahren. Mit dem Nationalen Klimaschutzprogramm sollen die Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % verringert werden. Die Energiewende ist eingeleitet, hin zu mehr Energieeffizienz, Energiesparen und erneuerbaren Energien. Beispiele dafür sind das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das 100 000Dächer-Solarstrom-Programm, die Energiesparverordnung oder das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz. Auch die Ökosteuer dient dem schonenden Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Weniger Verbrauch von fossilen Brennstoffen bedeutet mehr Klimaschutz.
Die Ökologisierung der Landwirtschaft ist eingeleitet. Das ist nicht nur gut für die Verbraucher, sondern auch für das Klimasystem insgesamt. Die Lkw-Maut, die Förderung der Bahn und das Atomausstiegsgesetz, um das sich Minister Trittin besonders verdient gemacht hat, sind der richtige Ansatz zur Verwirklichung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Bei der Nutzung der Windenergie sind wir inzwischen Weltmeister. Die Wachstumsraten der Solartechnologien sind enorm. Der grüne Strom nahm in zwei Jahren um über 50 % zu.
In diesem Zusammenhang ist dem von der Bundesregierung eingesetzten Rat für nachhaltige Entwicklung zu danken. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie beruht im Wesentlichen auf seiner Arbeit.
Eine Metropole wie Berlin kann sich aus der Pflicht, eine nachhaltige Politik zu betreiben, nicht verabschieden, und das tun wir auch nicht. Wir haben in Berlin das einmalige Geschenk der Wiedervereinigung auch zur ökologischen Modernisierung der Stadt genutzt.
Herr Niedergesäß! Dass diese Zukunftsthemen Ihnen nicht so gut liegen, haben Sie hier so oft unter Beweis gestellt: Das ist nicht mehr nötig.
In Berlin ist der Primärenergieverbrauch von 1990 bis heute um 8,4 % zurückgegangen. 15 % CO2-Einsparung sind realisiert. Energetisch optimiert wurden in diesem Zeitraum 600 000 Wohnungen. Die Heizungsumstellung und die Wärmedämmung haben dazu geführt, dass es jährlich 750 000 Tonnen weniger Kohlendioxidemissionen gibt. In Berlin gibt es derzeit – –
Was das mit der Flut zu tun hat? – Auf diese Frage aus Ihren Reihen habe ich gewartet. Darauf habe ich wirklich gewartet, es überrascht mich überhaupt nicht.
würden Sie davon etwas wissen. Es ist keine wissenschaftliche Erklärung, die man nicht begreifen könnte. Ich möchte Ihnen das gern erläutern:
Durch die Erwärmung der Erde steigt mehr Regenwasser über den Ozeanen auf, und irgendwann regnet es ab. Die Frage betrifft nicht nur die Menge, sondern auch die Häufigkeit. Das hat etwas damit zu tun, ob der so genannte Treibhauseffekt in dieser Welt immer weiter wächst oder nicht. Das Fürchterliche ist doch, dass die Ergebnisse, die wir heute in der Umwelt haben, das Produkt aus den 60er Jahren ist. Das, was in den 80er und 90er Jahren dazu gekommen ist, erleben wir heute überhaupt noch nicht. Um so notwendiger ist es, dass wir drastisch umsteuern, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich als Abgeordneter des Berliner Parlaments mit dieser Frage wenigstens ein bisschen auseinandersetzen würden.
Ich weiß, dass es Ihnen peinlich ist, dass in 16 Jahren nichts passiert ist. Da haben Sie genug Zeit für Taten gehabt. Jetzt ist es Zeit, umzusteuern und nicht zu reden.
[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Schwätzer! – Niedergesäß (CDU): Das ist demagogisch! – Weitere Zurufe von der CDU]
In Berlin gibt es mittlerweile über 800 Photovoltaik-Anlagen. Der Bestand hat sich gegenüber den letzten sechs Jahren verachtfacht. Wir haben in der Stadt 3 000 solarthermische Anlagen vorwiegend auf Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Gesamtkollektorfläche liegt bei 30 000 qm. Schwefeldioxid konnten wir seit 1987 um 88 % reduzieren, die Stickoxide um 82 %.