Es geht darum, die zwangsweise Überprüfung durch Mehrheitsbeschluss der politischen Konkurrenten entwertet dieses ganze transparente und öffentliche Verfahren. Man kann da immer unterschiedlicher Meinung sein.
Ein letztes Wort noch zu der hier angesprochenen Frage der Neuwahl des Wirtschaftssenators. Es wurde davon gesprochen, dass es sich um eine Lex Gysi handele. Ich sage dazu, dass der Birthler-Bericht am 31. vorlag – wir haben damals über dieses Verfahren gestritten –, aber der Bericht sagt aus, was heute dort steht. Ich kann deshalb nicht verstehen, weshalb man jetzt darüber streitet, so wie es Herr Braun von der CDU-Fraktion getan hat, und danach verlangt, dass der Angeschuldigte den Gegenbeweis vorlegen muss. Solange wir uns in dieser Debatte befinden, wird die Debatte über die Zusammenarbeit mit dem MfS und generell mit Geheimdiensten und die Frage der Aufarbeitung der Geschichte der DDR nicht in das Fahrwasser kommen, das Sie selbst eingefordert haben. Ich kann Ihnen in vielem zustimmen, aber auf diesem Wege kommen wir auf gar keinen Fall dorthin. – Ich danke!
Danke schön, Herr Kollege Dr. Nelken! – Für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Hahn das Wort. – Bitte schön, Herr Hahn!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen legen uns hier einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes vor. Wir begrüßen das, wenn auch mit Einschränkungen. Doch dazu komme ich gleich. Dass diese Initiative notwendig ist, beweist die Einlassung von Ihnen, Herr Nelken, die Sie zu dem Thema geliefert haben. interjection: [Beifall bei der FDP und der CDU]
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, solche Regelungen öffneten dem Denunziantenwesen Tür und Tor.
Mit keinem Wort sind Sie eben darauf eingegangen, dass in Ihrer Fraktion bereits in der 12. Legislaturperiode Abgeordnete saßen, die der Mitarbeit der Stasi überführt waren und die die Fraktion nicht verlassen haben. Die haben bis zum Ende der Legislaturperiode hier gesessen. Das haben Sie geduldet, und dazu haben Sie hier keinen Ton gesagt.
Wenn man es sich auf diese Art und Weise leicht machen will, wie Sie das tun, dann werden Sie das Vertrauen der Bürger endgültig verspielen. Darauf kann man einige Hoffnungen setzen.
Ich wollte zunächst noch auf die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – des Senats eingehen, die uns heute hereingereicht worden ist. Sie werden verstehen, dass nach diesem Vorlauf, uns die lapidare Mitteilung, dass hier nichts Bedenkliches vorliege, nicht überzeugt.
Wir verlangen, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden. Allein die Bildung dieses Senats war ein politischer Tabubruch. Deshalb ist es gerade dieser Senat, der als erstes aufgerufen ist, alle Überprüfungsergebnisse öffentlich bekannt zu machen und das Abgeordnetenhaus, dessen Vertrauen der Senat besitzen muss,
zu unterrichten. Es liegt im Übrigen neben der Sache, wenn in dieser Mitteilung auf Artikel 58 der Verfassung von Berlin Bezug genommen wird. Dieser Artikel gibt gar nicht her, dass der Regierende Bürgermeister zuständig für die Überprüfung der Senatoren ist. Dort wird lediglich festgestellt, dass der Regierende Bürgermeister die Einhaltung der Richtlinien der Regierungspolitik überwacht und Einsicht in alle Amtsgeschäfte nehmen kann. Artikel 57 der Berliner Verfassung besagt hingegen, dass die Senatoren des Vertrauens des Abgeordnetenhauses bedürfen. Zu diesem Vertrauen gehört die Kenntnis, ob jemand Mitarbeiter der Stasi war – inoffiziell oder offiziell. Das ist eine ganz entscheidende Frage.
Nun komme ich zu dem freien Mandat, Herr Benneter, das Sie als der vorgeschlagenen Regelung entgegenstehend angeführt haben. Der Kollege Braun hat bereits darauf hingewiesen: Das verträgt sich offensichtlich bei Ihnen ganz nahtlos damit, dass Ihre Partei sonst ständig den gläsernen Abgeordneten verlangt, dass Ihre Partei nach Verhaltensregeln für Abgeordnete ruft und einfordert, dass Abhängigkeiten offengelegt werden. Genau darauf aber zielt die Gesetzesinitiative der Grünen. Sie wollen eben wissen, wie es um die politische Biographie der Mitglieder dieses Hauses bestellt ist. Sie wollen wissen, ob ein Abgeordneter früher Teil eines Unterdrückungsapparates war, darum geht es im Kern bei dieser Sache. Es ist die Kernfrage, ob ein Abgeordneter Teil des Unterdrückungsapparates des SED war und ob er das bis zum heutigen Tage verheimlicht.
Herr Kollege Hahn! Ist Ihnen klar, wenn es um die Verbesserung der Verhaltensregeln geht, dass auch hier immer nur das freiwillige Mittun von allen Abgeordneten gefragt ist und keine Sanktionen aus dem Nichteinhalten der Verhaltensregeln folgen? Die Verhaltensregeln kann dann jeder nur selbst treffen, auch nur freiwillig.
Herr Benneter! Dann wiederhole ich das noch einmal, was der Kollege Ratzmann dazu gesagt hat. Es geht nicht um Sanktionen. Auch in diesem Gesetzentwurf ist keine Sanktion enthalten. Niemand kann durch einen Beschluss dieses Hauses verwiesen werden, der hier durch ein freies Mandat hineingewählt worden ist. Aber die Öffentlichkeit muss über eine Stasi-Mitarbeit informiert werden, das ist das, was wir verlangen. Das muss für das gesamte Haus – für alle seine Mitglieder – gelten,
das insbesondere deshalb, weil wir seit nunmehr zwölf Jahren erleben, dass sich vornehmlich eine Fraktion dem zu entziehen sucht und immer wieder mit fadenscheinigen Begründungen genau das auch durchführt.
Im Übrigen, Herr Benneter, werden Sie sich daran gewöhnen müssen: Sollten Sie tatsächlich in den Bundestag gewählt werden, werden Sie mit einer solchen Regelung konfrontiert werden.
Jetzt möchte ich noch zum Gesetzentwurf selbst kommen, weil wir damit auch einige Probleme haben, u. a. auch, Herr Ratzmann, mit der Einbeziehung der anderen Geheimdienste. Ich sage Ihnen dazu, das ist nicht praktikabel. Wie wollen Sie denn die Informationen kriegen? – Vielleicht können Sie noch den Verfassungsschutz anschreiben und fragen: Ist unter unseren Abgeordneten jemand, der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ist? – Es kann sogar sein, dass der Verfassungsschutz noch Antwort gibt, beim BND bin ich nicht mehr so sicher. Aber ganz sicher bin ich mir, dass Sie die Auskünfte von fremden Geheimdiensten nicht bekommen werden. Insofern ist das Ganze nichtig. Das können wir gar nicht praktizieren. Dabei hätte es natürlich einigen Charme, auch über derartige Arbeitsverhältnisse etwas zu wissen. Das gebe ich zu. Beim Verfassungsschutz kann man das Thema ja einmal aufgreifen. Ich weiß nicht, wo der überall seine Leute hat. [Gelächter bei der PDS – Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]
Aber z. B. wäre zu diskutieren, Herr Ratzmann, was das für ein Skandal in diesem Land ist, dass offensichtlich diese Minipartei NPD von so vielen Agenten durchsetzt ist, dass man sich schon fragen muss, ob das Ganze nicht ein Produkt der Verfassungsschützer ist. [Beifall bei der FDP]
Diese Frage kann man aufwerfen. Grundsätzlich ist es gar nicht so neben der Sache, aber sie hat hier keinen Platz in dieser Debatte.
Was mich an Ihrem konkreten Antrag stört, ist die Gleichsetzung der Geheimdienste – die Sie nicht wollen – das haben Sie ausdrücklich gesagt –, aber es bleibt doch in der Konsequenz so, wenn wir den Entwurf lesen. Das ist das, was nicht geht. Die Stasi – ich wiederhole mich da – war Teil des Unterdrückungsapparates der SED. Da waren Leute, die konkret unterdrückt haben. Die sich hieran beteiligt haben, die sind eben nicht gleichzusetzen mit üblichen Geheimdienstmitarbeitern. Deswegen überzeugt Ihre Begründung auch nicht, wo Sie auf die besondere Vertraulichkeit oder Verschwiegenheit der Abgeordneten verweisen. Die Abgeordneten zeichnen sich durch viel aus, aber Verschwiegenheit ist nun nicht unbedingt das hervorstechende Merkmal eines Abgeordneten.
Insofern bleiben wir dabei, was hier entscheidend und zentral an diesem Gesetzesvorhaben ist, dass wir damit verhindern wollen, dass Abgeordnete bis heute ihre Beteiligung an einem Unterdrückungssystem verheimlichen können.
Wir hoffen, dass der Entwurf im Ausschuss noch verbessert werden kann. Die Intention ist richtig, die Begründung in Teilen neben der Sache. Das können wir verschmerzen. Die Einbeziehung der anderen Geheimdienste ist nicht praktikabel, aber im Grundsatz stimmen wir zu und werden Sie bei dieser Gesetzesänderung unterstützen, denn wir wollen, dass in diesem Haus endlich Klarheit, Transparenz und Sauberkeit herrschen in Bezug auf die unsägliche Vergangenheit der Unterdrückung in unserem Land. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Hahn! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 15/697, die Überweisung an den Rechtsausschuss. Widerspruch höre ich nicht. Dann ist das so beschlossen. Die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – Drucksache 15/652 ist damit auch im Plenum besprochen.
Zur Abberufung des Generalstaatsanwalts bei dem Landgericht ist geheime Abstimmung mit verdeckten Stimmzetteln angesagt. Ich weise darauf hin, dass im Gesetz –