Protocol of the Session on May 30, 2002

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Nicht so überheblich! – Dr. Lindner (FDP): Ich wollte nicht die Verhandlungen führen! – Schruoffeneger (Grüne): Aber ihr auch nicht! Das ist doch das Problem!]

Kommen wir einmal zu den Berichten! Es ist doch völlig übersichtlich, dass Sie die Verhandlungsdispositionen der Koalition nicht bekommen werden. Punkt! – Um dann damit durch diese Stadt zu ziehen und zu sagen, was alles nicht zu machen ist.

[Dr. Steffel (CDU): Sind Sie arrogant!]

Ja, das würden Sie auch nicht tun! Wir sind doch hier nicht in einem Streichelzoo, sondern wir reden hier einmal Klartext.

[Zuruf des Abg. Dr. Steffel (CDU)]

Kollege Steffel! Was würde Ihnen das nützen? Sie würden doch nur durch diese Stadt spazieren und sagen, was Sie alles nicht wollen.

[Dr. Lindner (FDP): Sie wollen nicht über betriebsbedingte Kündigungen sprechen! – Weitere Zurufe]

Kollege Lindner! Und Sie haben einen Vorschlag gemacht – über den haben wir schon des öfteren geredet –, nämlich betriebsbedingte Kündigungen.

[Dr. Lindner (FDP): Sie haben Angst davor!]

Ich kann mich noch an einen Beitrag des Kollegen Zimmer erinnern, der im Unterschied zu heute sehr gut drauf war und Ihnen erklärt hat, warum das mit den betriebsbedingten Kündigungen nicht funktioniert. Und so oft Sie darüber reden wollen, wird sich ein Kollege in diesem Abgeordnetenhaus finden, der es Ihnen noch einmal erklärt. Wenn Sie es auf der nächsten Hauptausschusssitzung machen, erkläre ich mich jetzt schon bereit, diese Funktion dieses Mal zu übernehmen.

[Dr. Lindner (FDP): Und warum kann es der Senator nicht erklären?]

Nun zu Ihrer These, wir gingen nicht auf die Vorschläge der Opposition ein, Kollege Lindner, die ich abschließend noch behandeln möchte:

[Dr. Lindner (FDP): Sie wollen noch nicht einmal Berichte haben!]

Wissen Sie, es gibt Oppositionsparteien, die arbeiten fleißig mit Berichten, und es gibt Oppositionsparteien, die sich auch dann, wenn sie die Berichte nicht bekommen, etwas einfallen lassen.

[Heiterkeit bei der PDS]

Darauf pflegen wir dann auch der Sache und dem Inhalt dieser Anträge nach zu reagieren. Ich nehme für mich in Anspruch, dass wir hier für die Koalition sehr dezidiert auf die Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingegangen sind, die nicht in

das Klagelied: „Ohne dass uns Sarrazin mal einen Zettel zukommen lässt, sind wir nicht handlungsfähig!“ eingestimmt haben. Das kann man ja auch gar nicht glauben, obwohl Sie jetzt nichts unterlassen haben, um genau diesen Eindruck zu erwecken: Ohne dass uns Herr Sarrazin ein paar Zettel gibt, können wir nichts machen. – Die Grünen haben Vorschläge unterbreitet. Wir haben gesagt: Gut! Reden wir darüber! – Ich weiß nicht, worüber Sie sich aufregen – außer, dass Sie offensichtlich keine Vorschläge haben.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Wort hat nun – wie bereits zweimal angekündigt – Herr Schruoffeneger. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rede gern als Letzter in diesen Runden, weil man dann die gute Chance hat, auf die Vorrednerinnen und Vorredner einzugehen. Damit habe ich heute ein Problem, Frau Spranger, denn ich muss mir überlegen, ob ich auf Ihre Rede eingehe oder auf den Inhalt der Gesetze, die hier zur Diskussion stehen. Das macht es mir etwas schwierig, denn all das, was Sie uns erzählt haben, was Sie denn noch so tun und machen könnten – z. B. über das LISUM nachdenken –, das steht leider nicht in Ihrem Gesetzentwurf. Sie denken noch, aber irgendwann müssen Sie auch einmal handeln und aufhören zu denken.

[Heiterkeit – Ritzmann (FDP): Man kann auch beides! – Weitere Zurufe von der PDS]

Nachdem man gedacht hat, muss man handeln. Aber gut: Aufhören, n u r zu denken! – Sagen wir es so, Herr Wolf!

Frau Spranger! Wenn Sie uns heute ankündigen, Sie würden auch noch eine pauschale Minderausgabe im Landesschulamt anbringen, dann ist das das genaue Gegenteil von strukturellen Entscheidungen und einem Haushaltsentlastungsgesetz, weil Sie dort wiederum Pauschalen verhängen.

[Dr. Flemming (SPD): Nein!]

Genau das ist Ihr Handeln: Das ist der Rasenmäher, das sind die Pauschalen, aber das sind nicht die strukturellen Maßnahmen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Du verstehst doch davon nichts! – Heiterkeit]

Na, ich verstehe davon nichts, und Herr Böger versteht vielleicht von manchen anderen Sachen manchmal nichts. Das kann ja alles passieren.

Herr Krüger, wenn Sie sagen: „Wir stehen hier alle in der Verantwortung.“, dann haben Sie Recht, aber Sie haben eine Regierungserklärung.

[Krüger (PDS): Ich?! – Ich habe keine Regierungserklärung abgegeben! – Benneter (SPD): Er ist ganz erschrocken! – Heiterkeit]

Als Koalition! Sie haben einen Koalitionsvertrag, und damit sind auch Sie in der Verantwortung. – Wenn ich mir aber vor Augen führe, was ich in einigen Diskussionsveranstaltungen der letzten Wochen erlebt habe, habe ich den Eindruck, dass die Opposition und insbesondere wir die Letzten sind, die überhaupt noch versuchen, Verständnis für Sparnotwendigkeiten im Land Berlin zu wecken. Wenn ich sehe, was Fachabgeordnete der beiden Koalitionsparteien auf den verschiedenen Podien dem Publikum erklären – wie fürchterlich diese Beschlüsse seien und dass man sie dringend ändern müsse –,

[Dr. Flemming (SPD): Abgeordnete sind auch nur Menschen!]

muss ich feststellen: So kann man die Verantwortung, in der wir gemeinsam stehen, Herr Krüger, nicht wahrnehmen, sondern dann müssen Sie einmal dafür sorgen, dass Ihre Partei und Ihr Senat mit einer Stimme spricht. Dann kann man vielleicht auch wieder Verantwortung wahrnehmen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es gibt den alten Spruch: Was lange währt, wird endlich gut! – Dieses Haushaltsentlastungsgesetz hat wahrlich lange auf sich warten lassen – sechs Wochen Verspätung –, aber gut geworden ist es leider nicht. Sie haben selber in der Begründung dieses Gesetzes als haushaltsmäßige Auswirkung dieses Gesetzes eine Summe von 80 Millionen $ beziffert. Wenn man dann nachrechnet, stellt man fest: 73 Millionen $ dieser 80 Millionen $ finden sich im Bereich der Kindertagesstätten und der Schulen wieder, also in der Bildungspolitik. Das ist Ihr Wahlkampfschwerpunkt Bildung: Es ist der Schwerpunkt der Sparmaßnahmen, aber nicht der Schwerpunkt für diese beiden Politikbereiche. Wer nach der Diskussion um die PISA-Studie so handelt, geht an den Notwendigkeiten in der Stadt vorbei.

[Beifall bei den Grünen]

Ich persönlich, Herr Böger, finde es schon etwas peinlich, dass Sie eine Woche, nachdem Sie diesen Entwurf vorgelegt haben – mit 73 Millionen $ Kürzungen im Bildungsbereich –, sich dafür feiern lassen, dass Sie 15 zusätzliche Stellen für Schulpsychologen schaffen. Ich sage Ihnen: Das, was Sie mit diesen Kürzungen im Bildungsbereich anrichten, werden 15 Psychologen nicht wieder ausbügeln können.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir wollen deshalb die schlimmen Kürzungen, die Sie im Bereich der Kindertagesstätten und der Schulen in freier Trägerschaft gemacht haben, zurücknehmen und haben ein eigenes Paket von Haushaltsentlastungsvorschlägen in mittlerweile insgesamt fünf Gesetzentwürfen und einem Änderungsantrag vorgelegt. Das hat bei den Einsparungen ein Gesamtvolumen von rund 100 Millionen $ im Jahr 2003 – also 20 Millionen $ mehr als der Senatsentwurf. Einen Teil davon nutzen wir, um die Verschlechterung bei der Kita – das ist die Verschlechterung des Leitungsanteils und die Vergrößerung der Hortgröße – und die Zuschussreduzierung bei den freien Trägern der Schulen zurückzunehmen.

Wenn Sie vorhin sagten, bei den freien Trägern der Schulen seien es nur 2 % pro Jahr, dann sagen Sie hier bewusst nicht so ganz die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen! Denn zusätzlich zu diesen 2 % pauschaler Kürzung kürzen Sie ja auch die Reinigungspauschale. Insgesamt sind es dann 5,8 %.

Wir nehmen auch die Schließung von fünf Bädern zurück, denn wir halten es für absurd, Bäder zu schließen, wenn die gleiche oder eine höhere Sparsumme durch Rationalisierungsinvestitionen z. B. in den Energieversorgungsanlagen erbracht werden könnten.

[Beifall bei den Grünen – Beifall des Abg. Rabbach (CDU)]

Ebenso wollen wir die pauschalen Minderausgaben – da sind wir wieder bei den Pauschalen – im Kulturbereich zurücknehmen, denn wir glauben, dass es ein Standortvorteil dieser Stadt ist, dass wir ein ausgeprägtes, gutes Kulturleben haben. Dieses wollen wir nicht weiter zerstören.

[Beifall bei den Grünen]

Wir setzen in diesen Haushaltsdebatten Schwerpunkte in der Sozialpolitik. Wir werden den Bereich „Arbeit statt Sozialhilfe“ stärken, und wir werden versuchen, diverse Projekte und ehrenamtliche Strukturen, die Sie mit Ihren Kürzungsvorschlägen zerstören, wieder mit finanziellen Unterstützungen auszustatten und damit zu sichern. Denn die Stadt braucht ehrenamtliche Strukturen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich will jetzt nicht weiter auf die Details der Gesetzentwürfe eingehen – das können wir in den Ausschüssen machen –, sondern noch einige Sätze zur Philosophie sagen. In dieser Hinsicht, Herr Sarrazin und Herr Krüger, glauben wir, dass die Philosophie Ihres Entwurfs eine falsche ist. Es ist eine Philosophie, die nur auf Sparen beruht, die aber nicht die Frage stellt, wie die Stadt zukunftsfähig wird und welche Perspektiven die Stadt hat. Sparen und Perspektiventwicklung müssen zusammengehören, sonst geht das nicht gut in dieser Stadt.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Zu dieser Perspektiventwicklung gehört auch, dass man sich realistische Ziele setzt. Deswegen sagen wir ganz klar – und Sie, Herr Krüger, haben dieses Bekenntnis ja noch einmal gefordert: Auch wir wollen diese Konsolidierung. Wir reden aber hier von einer Jahresplanung bis zum Jahr 2009 und setzen nicht das unrealistische Ziel des Jahres 2006, weil es nicht machbar ist. Das haben Sie schon in dem Haushaltsentwurf 2002/2003 gesehen. Sie haben Ihre eigenen Vorgaben im Bereich der Sachausgaben um 50 % verfehlt, und Sie werden sie auch im Bereich des Personals um 50 % verfehlen. Man muss sich realistische Ziele setzen, und 2009 ist ein solcher realistischer Punkt.