Protocol of the Session on May 16, 2002

Sie haben dennoch in letzter Zeit Erfolge gehabt. Wenn die Ansiedlung von SAP und Universal z. B. eine Entwicklung weiter in die Aufwärtsrichtung einleiten soll, dann ist das der Opposition genauso recht wie der Regierung.

Politik, kann man sich überlegen: Was kann sie überhaupt tun? – Sie kann bekanntlich in der Wirtschaft nicht alles, sondern Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht. Und erst recht unter dem Gesichtspunkt knapper Haushaltsmittel ist es schwierig. Es gibt aber auch Dinge, die gibt es umsonst. Das Wichtigste für jede Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik ist, dass man auf Stärken aufsetzen kann, die am Standort bereits vorhanden sind. Da hat das DIW bezogen auf die Attraktivität Berlins für die Medienszene speziell nicht nur auf die Hauptstadtfunktion Berlins und die vorhandenen kreativen Arbeitskräfte hingewiesen, sondern um es mit der saloppen Art des DIW-Experten, Herrn Seufert, zu sagen, auf die Tatsache, dass „sie schräge Vögel aus dem Kultursektor hat“. Und Tim Renner, der Chef von Universal Music, hat das noch sehr viel deutlicher gesagt. Er sagte, an die rechte Seite dieses Hauses gerichtet:

Mit der Auferstehung Berlins in preußischer Tradition hat es zum Glück nicht geklappt. Die Stadt hat dadurch nur gewonnen. Kreative Intellektuelle sehen das sehr positiv.

Und er schloss an:

Aber die Kultur wird hier nur wieder aufblühen, wenn es der Stadt gelingt, ihre zahlreichen Freiräume zu erhalten und sie nicht mit deutscher Gründlichkeit zu Tode zu reglementieren.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der PDS]

Ich sage das gerade an die Adresse der rechten Seite, weil das, was Sie immer so stört an der Stadt, das Unaufgeräumte, das Unordentliche und das wenig Gelackte, was wir wiederum als Bewahrer alternativer Lebensweisen und Freiräume heftig schützen, ist gerade, wie Sie sehen, für moderne, kreative Wirtschaftszweige ein Standortfaktor ersten Ranges, der obendrein weitgehend umsonst zu haben ist.

Und nun, Herr Bürgermeister, ich sagte: weitgehend, weil auch diese grassroots in der Stadt – in Maßen jedenfalls – gepflegt sein wollen. Und ich glaube nicht, dass sich dieser Standortfaktor erhalten lässt oder gar verbessert, wenn man, wie im Haushalt 2002/2003 geschehen, ausgerechnet die Mittel für die freie Kulturarbeit, also für die Off-Szene, drastisch beschneidet. Ich glaube auch aus der Beobachtung von Jahrzehnten, dass bei der Entstehung dieses Umfelds die Förderung in den Altbauquartieren, die Förderung von Selbsthilfe und von Genossenschaften eine große Rolle gespielt haben, die zum Teil im Haushalt auf Null gesetzt sind.

Und ich denke, Frau Lötzsch, das freie Radio, das Sie erwähnt haben, gehört auch dazu, weil das ein solches Experimentierfeld ist, wo sich auch Talente herausbilden. Ich finde es schon enttäuschend, dass eine sehr feste Vereinbarung, die in der Ampelkoalitionsvereinbarung noch drin war, ein freies Radio zu fördern und einzurichten, bei Ihnen der schwammigen Formulierung gewichen ist, dass „eine Förderung wünschenswert“ wäre. Und aus der Rede von Herrn Zimmermann, der sich auch darauf bezog, weiß ich, das wird eine never-ending story. Auf diese Art und Weise, wie Sie es machen, wird ein freies Radio nicht kommen. Dies ist in dem Zusammenhang schlecht.

Ich erwähne auch noch einen weiteren Punkt. Es ist eben gesagt worden, man brauche gut ausgebildete Arbeitskräfte. Auch dort ist es nicht in Ordnung, dass sich die Mittel für die Deutsche Film- und Fernsehakademie im Haushalt meiner Ansicht nach äußerst verknappt haben. Sie holt gerade solche jungen Leute in die Stadt und bildet sie hier aus. Aus manchen wird sehr viel. Viele sind bekannt geworden, andere weniger. Das ist aber so, wenn man Talentausbildung und -förderung über eine Filmschule betreibt.

Als zweiter Punkt ist hier zu Recht gesagt worden: Es ist vorangegangen in einer anderen Frage, die für den Standort sehr wichtig ist, denn jene Städte, die vor uns sind – München, Hamburg, Köln –, zeigen eben auch, dass sie vor allem eine große und mächtige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt im Rücken haben. Deswegen haben wir uns seit Jahren den Mund fusselig geredet, den Weg zur Fusion der beiden kleinen Anstalten SFB und ORB zu gehen. Wir sind dankbar dafür, dass die große Koalition beendet ist und damit die Blockadepolitik der CDU in dieser Frage beendet ist und wir diese Sache bekommen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Insofern hat der Herr Regierende Bürgermeister Wowereit Recht, man braucht nicht mehr über das Ob zu reden, nur noch über das Wie. Zum Wie finde ich aber schon zwei mögliche Anmerkungen, von denen ich nicht mehr glaube, dass Sie sie einarbeiten, obwohl sie dringend notwendig sind. Das eine hat Frau Ströver gesagt. Ich halte es für falsch, dass Sie den Verwaltungsrat als eigenes Gremium neben dem Rundfunkrat in Berlin-Brandenburg einführen – auch aus meiner Erfahrung im Rundfunkrat. Sie bekommen da ein lahmes Akklamations- und Begleitgremium, jedenfalls kein lebendiges Gremium, weil Sie dem Rundfunkrat das Recht und die Möglichkeit, die er neben der Wahl des Intendanten hat, nehmen, den Haushalt zu verabschieden. Die gesamten Finanzangelegenheiten, über die man eine Anstalt steuern kann – das ist hier auch im Parlament so –, nehmen Sie aus dem Rundfunkrat heraus und geben sie dem erlauchten kleinen Kreis des Verwaltungsrats. Damit machen Sie diese Anstalt unlebendiger, als sie sein muss. Gerade in dieser Frage hat es zwischen dem SFB, der noch die alte Rundfunkratsverfassung hatte, und dem ORB, wo im Rundfunkrat immer treue Gefolgschaft zum Intendanten angesagt war, signifikante Unterschiede gegeben. Sie stellen eine Weiche in Richtung des falschen Vorbilds.

(A) (C)

(B) (D)

Genauso ist die Kritik des DGB daran berechtigt, wie Sie die Personalvertretung regeln wollen.

[Beifall bei den Grünen]

Sie können meiner Ansicht nach keine Politik machen, die Mitbestimmungsrechte abbaut, indem Sie auf das Bundespersonalvertretungsrecht gehen, sondern das Minimum müsste sein, dass das entsprechende Personalvertretungsgesetz am Sitz der Anstalt gilt. [Frau Dr. Klotz (Grüne): Und das Landesgleichstellungsgesetz!]

Ja, das verschwindet dabei alles! – Und Herr Lindner sagt, das sei alles Verfettung oder so. Ja gut, dann müssen Sie Änderungsanträge zum Landespersonalvertretungsgesetz machen, und dann werden wir hier darüber beraten, aber wir sollten nicht über Umwege beim SFB ein Sonderrecht für die dort Beschäftigten schaffen. [Beifall bei den Grünen]

Ich möchte noch eine weitere Anregung loswerden, nachdem Sie einen seit Jahren von uns geäußerten Vorschlag angenommen haben, nämlich die Mittel beim Filmboard von 7,5 Millionen $ auf die von Anfang an vereinbarten 10 Millionen $ zu steigern. Weil Sie, Herr Regierender Bürgermeister, so stolz sagten, dann werde es, wenn Brandenburg das auch mache, volle 20 Millionen $ für das Filmboard geben, will ich anmerken, die gibt es dann zum ersten Mal in der Geschichte des Filmboards, obwohl das von Anfang an vereinbart war. Ich finde es gut, dass Sie diesem Vorschlag gefolgt sind. Sie sollten sich dann aber auch einen anderen Vorschlag von uns überlegen, nämlich die IBB zu veranlassen, die schon in Brandenburg erprobten Filmfonds aufzulegen, womit nicht Steuersparmodelle gemeint sind, sondern Portfolios, in denen risikoärmere und risikostarke Filmproduktionen mit Produzenten gebündelt werden, so dass man sich dort mit Risikokapital beteiligt, insgesamt aber eine Struktur hat, die nicht so riskant ist wie ein einzelnes Filmprojekt. Das ist etwas, was die Brandenburger seit Jahren machen, was die Fachleute in der IBB immer gerne wollten, woran sie von der Spitze aber offenbar mehr oder weniger gehindert wurden. Das wäre ein gutes Ergänzungsinstrument, insbesondere im kommerziellen Bereich der Filmförderung.

[Beifall bei den Grünen]

Jetzt läuft mir die Zeit weg, sonst hätte ich gerne noch etwas zu der Situation bei der Infrastruktur gesagt, aber ich muss noch auf Ihren roten Teppich eingehen. Das DIW hat gesagt, es herrsche in Berlin ein Wirrwarr. Das wurde auch durch die Berufung von Herrn Schiphorst nicht beseitigt. Das Konzept, das Sie genannt haben, er sei für die Vernetzung der New Economy, für Multimedia, Filmbranche und Ansiedlungsprojekte, also gewissermaßen für alles irgendwo zuständig, das darf man doch noch kritisieren. Frau Ströver darf das auch, selbst wenn der Mann für einen Euro arbeitet. Es geht auch mehr um die Konstruktion, die von vornherein wieder auf diese schädliche Konkurrenz innerhalb der verschiedenen Förderinstitutionen hinausgelaufen ist, die Herr Gysi in seinem Hause zum Leidwesen in vielen Bereichen kennt. Anders als die FDP es gesagt hat, bin ich der Meinung, man kann auch mit der Doppelzuständigkeit im Senat leben. Die muss kein Beinbruch sein, wenn man zu einer klaren Arbeitsteilung zwischen der Senatskanzlei und der Wirtschaftsverwaltung, zwischen dem Medienbüro und dem Projekt Zukunft kommt. Wenn man eine klare Arbeitsteilung macht – ich schlage Ihnen das vor – nach dem Motto: In der Senatskanzlei wird hauptsächlich die traditionelle Medienpolitik gemacht, und die anderen machen die neuen Medien und IT – dann kommt man hier auch zu einer klaren Struktur, in der die Ansprechpartner klar sind und dieses Gegeneinander beseitigt wird.

Ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen!

Ja, ich komme bei dieser Sache zum Ende, möchte aber noch sagen, was man inhaltlich damit erreicht. Sie haben richtig gesagt, Herr Schiphorst kenne die Globalplayer.

Projekt Zukunft und Wirtschaftsverwaltung haben sich aber vor allem durch eine konsequente Mittelstandsorientierung ausgezeichnet. Die gibt es bei dem Medienbüro so nicht. Die ist aber bei dieser Vernetzung der Existenzgründer und der neuen IT- und Multimediafirmen vielleicht am wichtigsten, um die endogenen Kräfte in der Stadt zu stärken. Deshalb schlage ich Ihnen vor, hören Sie auf, im Senat gegeneinander zu arbeiten und als Renommeefrage zu behandeln, wer was machen darf, sondern machen Sie eine Arbeitsteilung, wie wir sie vorgeschlagen haben. Das kostet nichts, und Sie haben einen echten Fortschritt in der Förderung des Mediensektors erreicht. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die SPDFraktion hat nun Frau Abgeordnete Lange das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vieles ist zur Medienlandschaft Berlin gesagt worden. Ich will mich deswegen auf die Fusion beschränken. Da können wir uns glücklich schätzen, dass wir mit der Fusion von ORB und SFB wegweisende Gestaltungsmöglichkeiten haben. Eine gemeinsame Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg ist ein Integrationsfaktor. Sie hilft uns, eine gemeinsame Identität zu entwickeln, und kann die Wege für ein gemeinsames Land Berlin-Brandenburg ebenen. Wir brauchen diese gemeinsame Sendeanstalt, um das Zusammenwachsen der Region zu befördern. Und was das Beste ist: Wir können in einem Bereich politisch aktiv sein und gestalten, der uns, das Land Berlin, nichts kostet. Ich bin sicher, die Meisten von Ihnen wissen, dass die Sender sich ausschließlich über Gebühren finanzieren, das heißt, unser maroder Landeshaushalt muss nicht einen einzigen Euro dazugeben.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Der Entwurf des Fusionsstaatsvertrages liegt nun vor. Ich spreche der Senatskanzlei hier ausdrücklich Anerkennung für den Entwurf dieses Vertrages aus –

[Beifall bei der SPD und der PDS – Ah! bei der CDU]

auch dafür, dass die Kritikpunkte, die in die Diskussion einflossen, Gehör fanden und zum großen Teil aufgenommen wurden bzw. noch in der Diskussion sind. Wir wollen weder einen amputierten Sender noch einen amputierten Rundfunkrat. Was ist uns stattdessen wichtig? – Wir wollen mit diesem Vertrag Staatsferne und Rundfunkfreiheit dokumentieren. Die Politik hat nicht in die Programmgestaltung hineinzureden, sondern im Gegenteil die journalistische Freiheit zu gewährleisten. Deshalb unterstützen wir die Forderung nach Verankerung eines Redakteurstatuts. Und was Herr Lindner von der FDP-Fraktion als „verfettete Strukturen“ bezeichnet hat, das ist für uns in den wesentlichen Punkten wie Personalplanung, Kündigungen, Befristung von Arbeitsverträgen und Mitbestimmung Sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade wir müssen dafür sorgen, dass Mitbestimmungsrechte nicht nur eingehalten, sondern auch verankert werden. Die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern muss in der neuen Sendeanstalt fortgesetzt werden.

[Beifall bei der PDS]

Ich persönlich würde hier das Berliner Gleichstellungsgesetz vorziehen, das vorschreibt, dass Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, zu bevorzugen sind. Und, um noch einmal einen anderen Punkt anzusprechen: Wussten Sie, dass es nicht eine einzige Intendantin in der Bundesrepublik gibt?

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Ich persönlich könnte mir eine Frau in dieser Position sehr gut für den neuen Sender vorstellen.

In die niveaulose parteipolitische Debatte um den Intendanten will ich mich aber jetzt nicht einmischen. Stattdessen will ich über kulturelle und künstlerische Kompetenz sprechen: Der öffentliche Rundfunk als einer der größten Arbeitgeber für Kultur muss ein deutliches kulturelles Profil haben. Die kulturelle Vielfalt der Region und die besondere integrative Kraft der Kultur sind

die Pfründe, mit denen der Rundfunk Berlin-Brandenburg wuchern kann. Deswegen wollen wir im Rundfunkrat kulturelle Kompetenz vertreten sehen. Wir wollen damit den Weg ebnen für ein originelles, spannendes und dem Bildungsanspruch gerecht werdendes Programm, was ja die originäre Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen ist. Denkbar wären da Vertreter der verschiedenen Sparten wie Musik, Film, bildende Kunst etc.

Und weil hier auch so viel von Wirtschaftlichkeit geredet wurde, geht es auch noch um die bedarfsgerechte Finanzierung. Die bedarfsgerechte Verteilung der Gebühren könnte mehr Geld in die Programmgestaltung und Beschäftigung bringen. Zum Vergleich: Anfang der 90er Jahre hatte der SFB aus dem Finanzausgleich noch 90 Millionen DM. Jetzt sind es nur noch 10 Millionen. Das Ganze nur, weil Anfang der 90er die Herren Stoiber und Biedenkopf beschlossen haben, die kleinen Anstalten durch Umverteilung des Finanzausgleichs auszutrocknen. Hier muss dringend verhandelt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen nicht unbedingt gelobt werden. Aber wir sind dabei, unsere Hausaufgaben zu machen. Wir setzen alles daran, dass die Fusion im nächsten Jahr klappt und die Sender zu einer modernen Anstalt zusammenwachsen. Wir wollen ganz im Sinne unserer Koalitionsvereinbarung handeln, nämlich durch die Zusammenführung eine zukunftsfähige, finanzstarke, neue Anstalt entstehen lassen, die im Konzert der ARD nicht die zweite Geige spielt. Aber während wir uns dafür einsetzen, dass sich die Politik zurückhält, legt die Brandenburger CDU gewaltige Stolpersteine aus.

[Niedergesäß (CDU): Na, na!]

Auf unappetitliche, direkt unanständige Art und Weise wird hier versucht, Machtansprüche durchzusetzen und damit das Prinzip der Staatsferne in Frage zu stellen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Niedergesäß (CDU): Die wollen den Rotfunk auflösen!]

Dieses Geschacher um parteipolitische Macht schadet der Fusion! Hier wird doch klar, dass die Gefahr einer parteipolitischen Dominanz nicht von Rot-Rot ausgeht, sondern eindeutig von der Brandenburger CDU.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Niedergesäß (CDU): Ist ja lächerlich, was Sie sagen!]

Deswegen müssen Staatsferne und Rundfunkfreiheit vertraglich festgelegt werden,

[Bravo! und Beifall des Abg. Niedergesäß (CDU)]

auch für den Fall, dass politische Mehrheiten wechseln. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der PDS]