Wenn es allerdings so ist, dass mein Kollege Schruoffeneger eine Kleine Anfrage stellt zur Charite´ und zu den Doppelstrukturen, die es dort gibt beim Virchow-Klinikum und dem Standort Mitte, und er dann eine Antwort vom Senat erhält, wir selber antworten nicht, aber wir haben einmal in der Charite´ gefragt, und die Charite´ hat uns geschrieben: Das ist leider so, das kann auch nicht anders sein, da ist der Status quo so richtig, da sind keine Veränderungen möglich, und das in der derzeitigen Debatte – und der Senat sich dazu überhaupt nicht äußert und keine Stellung dazu nimmt, sondern das einfach unbesprochen, uninterpretiert und unkommentiert überreicht, dann ist auch hier ein Punkt, wo der Senat seinen Beitrag zu dieser Strukturdebatte nicht geleistet hat, diesen versagt hat. Und da sehe ich auch ein deutliches Versagen des Senats.
Ja! – Ich wünsche der Expertenkommission nichtsdestotrotz eine erfolgreiche Arbeit. Und ich möchte es noch einmal ganz deutlich wiederholen in Richtung Koalition, insbesondere in Richtung der SPD: Wir und die 300 000 Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, die bisher unterschrieben haben, werden den Prozess weiter begleiten, werden weiter hellhörig sein und werden eine schlichte Schließung des UKBF nicht hinnehmen. interjection: [Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]
Frau Paus! Nur kurz zu Ihrer Bemerkung zur Totalblockade durch die CDU-Fraktion: Ich darf Sie erinnern, im vergangenen Sommer waren es die Grünen, nämlich Frau Goehler und der damalige Beauftragte für Wissenschaft, Herr Köppl, die beide unglücklich waren – und das hat sie im Wissenschaftsausschuss zugegeben –, dass die SPD aus der Hochschulmedizin 145 Millionen erpressen wollte und erst nachträglich eine Expertenkommission dazu eingesetzt hat. Sie geben doch zu, dass das eigentlich sinnvollerweise umgekehrt geschehen müsste: erst die Beratung, dann der Beschluss oder eben nicht der Beschluss? Es war demnach keine Totalblokkade, sondern es war die CDU zusammen mit der SPD in der großen Koalition, die damals noch die Hochschulverträge unterschriftsreif der rot-grünen Koalition hinterlassen hat, ohne die Einsparung 145 Millionen in der Medizin, die von Wowereit gefordert wurden.
Ähnlich ist es natürlich auch jetzt. Wir sind froh und dankbar, dass sich Herr Wowereit nach vielen Wochen der öffentlichen Diskussion um diesen irren Beschluss, das UKBF herabzustufen, wenigstens bereit erklärt hat, diese Expertenkommission einzusetzen.
Insofern kann, glaube ich, nicht von Totalblockade die Rede sein und schon gar nicht davon, Herr Hoff, dass wir keine konstruktiven Vorschläge machten. Ich erinnere an die Diskussionen, die wir in einer vorherigen Sitzung an dieser Stelle geführt haben. Es ist uns lediglich darum getan, die Zusammensetzung dieser Kommission in einem, auch von Ihnen monierten Punkt, nämlich in Bezug auf die Ex-Haushaltssenatorin aus Hamburg zu kritisieren. Das ist die Hauptkritik. Aber auch wir erwarten, dass die Kommission bessere Vorschläge macht als die Politik. – Vielen Dank!
Frau Grütters! Nur eine kurze Reaktion. Es macht sich da schon der Unterschied fest. Der Unterschied ist eben, Rot-Grün hat die Hochschulverträge, zwar mit einer Änderung und einer schmerzhaften Absenkung in der Hochschulmedizin, verabschiedet mit dem Auftrag, eine Expertenkommission einzurichten.
Und Schwarz-Rot hat es eben nicht hinbekommen, nach langer, langer Beratung, die Hochschulverträge überhaupt zu verabschieden. Das ist genau der Unterschied.
Und der gleiche Punkt ist eben jetzt auch wieder: Es gab die Debatte um die Schließung des UKBF, und dann hat die CDU eben gesagt, da geht gar nichts, und wir haben gesagt, wir brauchen die Expertenkommission, wir brauchen ein unabhängiges Gremium. Das macht Politikfähigkeit und Politikunfähigkeit aus.
Achter Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR 2001
Hierzu ist nach der Vorbesprechung im Ältestenrat eine Besprechung von bis zu 5 Minuten pro Fraktion vorgesehen. – Ich erteile zunächst für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Hillenberg das Wort! – Nun aber etwas zügiger, Sie sind doch sonst immer als ganz Sportlicher bekannt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den achten Tätigkeitsbericht anguckt – und wir haben vor gar nicht allzu langer Zeit über den siebten erst gesprochen –, dann weiß man, wie schnelllebig die Zeit ist. Und die Probleme, die wir im achten wie auch im siebten finden, sind ja fast identisch. Noch einmal zu Ausgangspunkt zurück: Wir können ja froh sein, dass wir überhaupt einen achten Tätigkeitsbericht haben. Denn es ist uns ja gelungen, und darin bestand parteiübergreifend Einigkeit, dass wir das Mandat des Landesbeauftragten für eine weitere Legislaturperiode verlängern, weil wir es auch, und das sage ich ganz bewusst, parteiübergreifend für wichtig empfanden, dass seine Arbeit hier fortgeführt wird.
Allerdings, und das erlauben Sie mir auch, hier ganz kurz einzuwerfen, ist dieses parteiübergreifende außerhalb dieses Hauses nicht ganz so überzeugend, denn man hört hier und da schon Stimmen, man sollte doch irgendwann doch einmal einen Schlussstrich machen, so nach 10, 12 Jahren. Bemerkenswert ist, dass wir alle erwartet hätten, dass diejenigen, die das sagen, die Damen und Herren sind, die mit uns hier in einer Koalition stehen, aber nein, mitnichten. Es sind genau diejenigen, die überhaupt nicht in diesem System gelebt haben und die gar nicht die Erfahrungen gemacht haben, wie wir, die aus diesem System kommen. Und das finde ich schon etwas befremdlich, dass sich gerade solche Spitzenpolitiker, egal von welcher Partei, zu diesem Thema diesbezüglich äußern.
Wenn man also diesen Bericht liest, dann ist doch einiges Erschütterndes darin. Von den verschiedenen Einzelschicksalen ist mir das des 12-jährigen Mädchens besonders nahegegangen, wo die Eltern einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Sie sind dann für drei Jahre in Bautzen eingesperrt worden, wurden später freigekauft. Was dieses Mädchen erlebt hat, die dann Abends erst einmal gar nicht wusste, was mit den Eltern wird! Sie ist dann mit ihrem Bruder, der ein paar Jahre älter war – zum Glück, dann musste sie nicht in ein Heim –, nach Hause gekommen, die Stasi hat dort getobt wie die Hottentotten, hat die Wohnung, die Schränke wie Vandalen zerwühlt. Was dieses Mädchen erlebt hat! Später sind die Eltern freigekauft worden, und sie selber wusste gar nicht, ob sie mitfahren durfte, was dann sechs Wochen später passiert ist. – Ich glaube, wir können uns gar nicht in ihre Lage versetzen. Aber dass das für ihre Psyche einen Knick bedeutet, dass man auch traumatische Erlebnisse ein Leben lang behält und auch gesundheitliche Schäden davonträgt, das ist mit Sicherheit nachvollziehbar.
Deshalb macht es mich, wie in dem Bericht erwähnt, doch schon ein bisschen betroffen, dass, wenn Menschen mit genau diesen traumatischen Erkrankungen, die man von solchen Erfahrungen davonträgt, einen Antrag stellen auf Entschädigung oder Rentenansprüche, 95 Prozent dieser Anträge abgelehnt werden. Das ist dann schon sehr befremdlich. Da stellt sich mir die Frage: Wie setzt sich dieses Gremium zusammen, das über solche Anträge entscheidet? – Ich glaube, die Antwort werden wir uns alle selbst geben können. Ich glaube nicht, dass es mehrheitlich Leute sind, die in irgendeiner Form persönliche Erfahrungen damit gemacht haben, sondern – das bezieht sich wieder auf den ersten Teil meiner Rede – es werden Leute sein, die damit nicht allzu viel zu tun hatten.
Ein weiterer Punkt – ich glaube, dieser stellt die Berechtigung des Landesbeauftragten und seiner Arbeit dar – ist die politische Bildung. Dazu erlauben Sie mir den lakonischen Hinweis, den ich schon vergangenes Jahr gemacht habe: Wir alle wissen, dass dieses Thema gerade auch in der Schulbildung einen breiten Raum einnehmen sollte. Es handelt sich um einen Teil der
Geschichte, über den wir wie über andere geschichtliche Passagen der deutschen Geschichte unterrichten sollten. Es ist ein ganz wichtiger Teil mit allen seinen Schattenseiten und positiven Seiten. Aber um das vermitteln zu können, bedarf es einer gewissen Bildung. Da finde ich das Angebot, das gemacht wird, gut. Ich finde es aber nicht gut, dass Nachmittagsveranstaltungen von Lehrern nicht angenommen werden, weil sie offensichtlich auf Grund des Schulstresses am Vormittag so entkräftet sind, dass sie nicht teilnehmen können. Das befremdet mich. Wenn der Landesbeauftragte jedoch Ganztagsseminare vorschlägt, werden diese von Lehrern hervorragend besucht. Dabei stellt sich mir die Frage, was in dieser Zeit mit den Schülern passiert, die eigentlich Unterricht haben sollten. Über den Willen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, sollte man einmal nachdenken. Das muss nicht unbedingt während der Arbeitszeit geschehen. Es gibt auch Ferien und Sonnabende. Auch dann könnten solche Veranstaltungen angeboten werden. Ich glaube aber nicht, dass es uns mit diesem Appell gelingt, die Lehrer davon zu überzeugen, sich außerhalb ihrer Tätigkeit damit zu beschäftigen und etwas dazuzulernen.
Ich würde Sie gerne davon überzeugen, dass Ihre fünf Minuten beendet sind. Bitte schauen Sie auf die Uhr!
Ich habe das schon geahnt, aber gestatten Sie mir noch einen letzten Satz. – Der letzte Satz, der im Bericht unter „Ausblick“ steht, fasst alles zusammen, was ich bisher sagte. Erlauben Sie mir, diesen zur Erinnerung vorzulesen, denn es geht darum, dass die Antragsfrist für Rehabilitierung – die noch einmal verlängert wurde – im Jahr 2003 wieder ausläuft:
Es wäre für mich unerträglich, wenn 12 oder 14 Jahre nach Beendigung der SED-Diktatur zwar ein Schlussstrich gezogen wird, soweit es Funktionsträger und Täter der überwundenen Diktatur betrifft, jenen aber, die durch ihren aufrechten Gang, durch Zivilcourage, durch ihre demokratische Gesinnung und durch den Einsatz für Bürger- und Menschenrechte Schaden genommen haben, eine äquivalente Anerkennung im Weg eines gerechten Schadensausgleichs verwehrt bliebe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich froh, dass wir aus guter Tradition über die Arbeit des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sprechen. Es handelt sich schließlich schon um den achten Bericht. Damit wird uns nicht nur die enorme hier zu würdigende Arbeit des Landesbeauftragten deutlich, sondern sie gestattet uns auch, immer ein Stück Zeitreise in die deutsche Geschichte mit ihren vielen noch immer schmerzenden Wunden zu unternehmen. Das ist – wenn man so will – ein Teil Erinnerungsarbeit von uns Deutschen.
Dass wir erinnern, tut Not – nicht nur, weil sich heute mehr denn je Menschen finden, die das alte System verklären, es rechtfertigen, wo es keine Rechtfertigung für jede Art von Menschenrechtsverletzung geben kann, sondern weil wir uns auch heute der Tatsache bewusst werden müssen, was die Vergangenheit noch heute für uns bedeutet, welche Auswirkungen sie heute hat und wie sie unser Leben beeinflusst. Ein Blick in die Vergangenheit lässt uns die Gegenwart erst richtig bewerten. Dass wir erinnern, tut auch deshalb Not, weil die Täter von gestern mit einer zuweilen skrupellosen Verachtung ihre Haltung und ihre Verbrechen rechtfertigen.
Wir alle kennen den Fall eines Generalmajors, der vor kurzem in der „Jungen Welt“ in einem Interview im Jargon der alten DDR Menschen mit Schädlingen gleichsetzte – politische Häftlinge seien Schädlinge. Welche Achtung vor der Würde eines Menschen steckt hinter dieser – bis heute nicht einmal von der Berliner Generalstaatsanwaltschaft gerügten – Aussage? Und was steckt dahinter, wenn der Berliner Generalstaatsanwalt sagt, das sei eine geschützte Meinungsäußerung? – Dies schmerzt um so mehr die Opfer von einst, da viele von ihnen zu den Verlierern der Gesellschaft zählen.
Es fehlt bis heute ein angemessener Ausgleich für erlittenes Unrecht – sei es als Häftling oder als Verfolgter im Beruf. Im Rentenrecht. Es fehlt bis heute eine Gleichstellung von Opfern mit Menschen, die nicht verfolgt wurden. Es fehlt bis heute eine Regelung für die verfolgten Schüler. Auch von der Mehrheit dieses Hauses war einmal eine Regelung in Form einer Ehrenpension angedacht. Wir hatten beschlossen, dass es eine Ehrenpension in Höhe von 1 400 DM geben sollte. Das war der Auftrag an den Bundesgesetzgeber. Er ist von der rot-grünen Regierung leider – entgegen der Versprechen – nicht umgesetzt worden. Ein weiterer Versuch von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag vor ca. zwei Jahren, eine Ehrenpension in Höhe von 800 DM – als Kompromissvorschlag – durchzusetzen, wurde von der rot-grünen Mehrheit auch abgelehnt.
Die rot-grüne Regierung wird sich daran messen lassen müssen, welche Versprechen sie vor der Wahl gegeben und welche sie eingehalten hat. Wenn ich das sage, dann nicht deshalb, weil ich Rot-Grün kritisieren will, sondern ich spreche auch im Namen der vielen Verfolgtenverbände, denen diese Versprechen auch schriftlich gegeben wurden. Auch die CDU – ich hoffe, sie wird die Regierung auf Bundesebene übernehmen – wird sich daran messen lassen müssen. Auch sie wird das, was sie jetzt gegenüber den Verfolgten und Verfolgtenverbänden sagt, in die Tat umsetzen müssen. Ansonsten bin ich der Erste, der kommt und sagt: Das habt ihr versprochen. Jetzt müsst ihr es einhalten! – Wir werden das auch bei einer neuen Regierung kritisieren.
Abschließend will ich auf ein weiteres düsteres Kapitel Deutscher Geschichte zurückkommen, nämlich auf die Situation der zivildeportieren Frauen. Bis heute gibt es keine vernünftige Regelung für jene Mädchen und Frauen, die in der Nachkriegszeit nach Russland verschleppt wurden – in russische, meist sibirische Arbeitslager, in die Bergwerke und in die Wälder zum Holzfällen. Bis heute gibt es keinen vernünftigen Ausgleich, keine angemessene Entschädigung, und es scheint, als schäme sich unser Land für das Schicksal dieser Frauen – jenes Land, das jede andere Völkerrechtswidrigkeit zu Recht anprangert, aber die Leiden von hunderttausender Unschuldiger ignoriert. Hier dürfen wir nicht vergessen. Hier muss dringend gehandelt werden.
Ich danke der Behörde für Ihre Arbeit, die auch auf dieses Schicksal noch einmal hingewiesen hat, auch wenn sie selbst keine Lösung weiß.