Protocol of the Session on March 9, 2000

Herr Senator Böger!

Frau Abgeordnete! Ich will noch einmal betonen: Der Senat hat nicht in der Hand und wird sich das auch nie anmaßen, über ein Gesetzgebungsverfahren dieses Hohen Hauses zu beschließen. Nach meinem Kenntnisstand ist das Gesetzgebungsverfahren kürzlich mit einer Anhörung im Schulausschuss, in dem Sie auch sind, begonnen worden. Ich betone noch einmal, von Hektik oder nicht sorgfältiger Beratung kann keine Rede sein.

Zum anderen ist es in der Tat notwendig, diese Gesetzesnovelle vorzuziehen, weil gegenwärtig der Übergang in die Oberschulen in den Schulen und von den Eltern entschieden und besprochen wird und weil es – ich habe es schon gesagt – mehrere Gerichtsentscheide gibt, wonach die bisherigen Regelungen, die sich auf Verordnungen und Anordnungen exekutiver Art gestützt haben, nicht ausreichend sind.

Ich will gern die Gelegenheit nutzen, diesen Gesetzestext klarzumachen, weil dort – nicht absichtlich, aber vielleicht zufällig – Verwirrung gestiftet wird. Der Gesetzestext bezieht sich nur auf den Fall, dass die Zahl der Anmeldungen für eine Oberschule deren Aufnahmekapazität überschreitet. Wir sind im Übrigen mit dem Stadtstaat und der vielfältigen Struktur unseres Bildungssystems in der glücklichen Lage, dass es eine Fülle verschieden gearteter und gerichteter Oberschulen im Land Berlin gibt. Sollte aber der Fall eintreten, dass mehr Aufnahme begehrt wird, als Plätze zur Verfügung stehen, wird als erstes Kriterium die Sprachenfolge gewählt, die erste und zweite Fremdsprache. Als zweites Kriterium wird die Fortsetzung einer bereits in der Grundschule begonnenen Ausbildung an einer Schule mit musik- und sportbetonten Zügen, als drittes Kriterium das Grundschulgutachten und als viertes Kriterium die Erreichbarkeit der Schule von der Hauptwohnung gewählt. Darüber hinaus wird festgehalten, dass die Kriterien von zwei bis vier erst dann anzuwenden sind, nachdem noch einmal eine Fallgruppe von höchstens 10 % der Plätze nach sozialen Aspekten vergeben werden. Man kann hier nicht davon ausgehen, dass der Elternwille eingeschränkt wird. Es ist vielmehr der Versuch einer klaren Regelung für den Fall, dass sich mehr anmelden, als Plätze vorhanden sind.

Es wäre im Übrigen auch bildungspolitisch gut, wenn sich die eine oder andere Oberschule darüber Gedanken machen würde, warum nicht bei ihr die Zahl der Anmeldung größer ist. Wir werden in der Zukunft ohnehin zu einer noch stärkeren Profilbildung einzelner Schulen kommen und auch den Wettbewerbsgedanken berücksichtigen müssen. Das ist auch ein Thema für die Bildungspolitik, wenn eine Schule beständig etwas anbietet, das nicht nachgefragt wird.

Vielen Dank, Herr Senator Böger! – Frau Abgeordnete, Sie haben eine weitere Nachfrage?

Herr Senator! Habe ich Sie richtig verstanden, dass der neue Kriterienkatalog bereits in diesem Jahr Anwendung finden soll? Halten Sie dies nicht für einen Eingriff in laufende Verfahren? Gegenwärtig finden gerade diese Anmeldungen an den Oberschulen statt. Die umstrittenen Grundschulgutachten sind unter völlig anderen Voraussetzungen entstanden.

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Gegenwärtig finden in der Tat die Überlegungen bei den Eltern und deren Kindern statt, welche weiterführende Oberschule besucht werden soll.

(A) (C)

(B) (D)

Bm Böger

Der Gesetzgeber möchte offensichtlich, dass es bei diesem Prozess im Fall einer größeren Anmeldungs- als Platzzahl und im Fall von Streiffragen eine Rechtsklarheit eintritt. Das ist ganz offensichtlich der Wille. Darüber hinaus möchte ich noch darauf hinweisen, dass mein Haus die Qualität und Leistungskraft der Berliner sechsjährigen Grundschule und der dort unterrichtenden Lehrer höher einschätzt, als Sie dies gegenwärtig getan haben. Ich glaube auch, dass deshalb die Grundschulgutachten von sehr hoher Qualität und Aussagekraft sind.

Vielen Dank, Herr Senator Böger! Die dritte Nachfrage hat der Abgeordnete Schlede von der CDU-Fraktion!

Herr Senator! Trifft es zu, dass mit dem qualifizierten Gutachten als Kriterium jetzt vor allen Dingen das absolut unpädagogische Losverfahren beendet wird und dass es im Höchstmaß eine Schülerschaft von 1 % bis 2 % betrifft, weil die Masse der Schüler selbstverständlich empfehlungsgerecht den entsprechenden Oberschulzweig besucht?

Herr Senator Böger! Sie haben das Wort zur Beantwortung!

Herr Abgeordneter Schlede! Sie haben in allen Ihren Annahmen vollkommen Recht. Es betrifft in der Tat eine sehr geringe Zahl von Schülern. Ich gebe Ihnen auch ausdrücklich Recht, dass das schlechteste Prinzip ein Losverfahren wäre. Das kann man beim Lotto üben, nicht aber beim Übergang zur Oberschule.

Vielen Dank, Herr Senator Böger! Die letzte Nachfrage hat der Abgeordnete Nolte von der SPD-Fraktion!

Herr Senator! Haben Sie den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen auch so verstanden, dass die Härtefallregelung oder die Auswahl nach sozialen Kriterien beispielsweise die bisherige Geschwisterregelung einschließt, dass Geschwisterkinder bevorzugt werden können, bevor das Grundschulgutachten greift?

Herr Senator Böger!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Nolte! Ich habe den Gesetzestext genauso wie Sie verstanden.

Das war eine kurze, aber treffende Aussage.

Wir kommen nun zur 4. Mündlichen Frage des Abgeordneten Berger der Fraktion der Grünen über

Unfälle und Tod auf Berlins Straßen

Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Welches sind aus Sicht des Senats die Gründe dafür, dass Zahl und Ausmaß der Straßenverkehrsunfälle in Berlin stark angestiegen sind, nämlich die Unfälle von Januar bis November 1999 gegenüber 1998 um 8 %, die Zahl der Getöteten sogar mit 96 Unfalltoten um 26 %?

2. Welche vorbeugenden Maßnahmen will der Senat in der Verkehrspolitik treffen, um diesem höchst beunruhigenden Anstieg der Unfälle und der Unfalltoten entgegenzuwirken?

Die Frage wird von Senator Strieder beantwortet!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Berger! Es trifft zu, dass in Berlin im Jahr 1999 sowohl die Gesamtzahl der Unfälle als auch die Zahl der bei Unfällen getöteten Personen gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist. Der Anstieg der Gesamtzahl der Verkehrsunfälle in Berlin um 7,5 % liegt leider über dem bundesweiten Trend mit einem Anstieg von 6,4 %. Besorgnis erregend ist ganz besonders die Zahl von 103 bei Verkehrsunfällen Getöteten im Jahr 1999. Wir hatten im Jahr 1998 85 Tote, 1997 87 Tote, während wir im Jahr 1996 120 Tote hatten. Wir hatten von 1996 auf 1997 und 1998 einen erfreulichen Rückgang, in 1999 aber wieder einen deutlichen Anstieg.

Wir haben den Polizeipräsidenten gebeten, eine außerordentlich gründliche Analyse vorzunehmen, um die Gründe für den Anstieg zu erforschen und zugleich auch im Einzelnen Aufschluss darüber zu erhalten, mit welchen Maßnahmen dieser erschreckenden Entwicklung entgegengewirkt werden kann. So viel kann ich jetzt schon sagen: Zum einen sind insbesondere Fußgänger betroffen, vor allem ältere Menschen über 65 Jahre. Sie sind unverhältnismäßig häufig in Unfälle verwickelt. Wir müssen mehr für die Sicherheit von Fußgängern in der Stadt tun. Zum anderen ist davon auszugehen, dass überhöhte Geschwindigkeit eine wesentliche Ursache für Tote und Schwerverletzte bei Unfällen ist. Die regelmäßigen Geschwindigkeitskontrollen müssen nicht nur fortgesetzt, sondern nach Möglichkeit noch verstärkt werden. Ein dritter wesentlicher Bereich sind die Unfälle bei motorisierten Zweiradfahrern. Das hat meines Erachtens nach etwas mit Verkehrserziehung zu tun, um die wir uns auch bemühen werden.

Vielen Dank, Herr Senator Strieder! – Herr Berger, Sie haben eine Nachfrage!

Herr Senator! Weil wir gemeinsam der Ansicht sind, dass der Anstieg sehr erschreckend ist, bin ich über Ihre Antwort sehr unzufrieden und frage Sie deshalb noch einmal konkret als Verkehrssenator – darauf richtete sich auch die zweite Frage, weniger auf die des Innensenators: Ist Ihnen bekannt, dass sich bei einer Einführung eines Tempolimits auf 30 km/h in einer Straße die Zahl der tödlich verlaufenden Verkehrsunfälle – vielleicht nicht die Zahl der Verkehrsunfälle an sich, aber die der Toten – um – so lauten Expertenschätzungen – das 8fache verringert? Wäre das nicht ein Anlass, um die Zahl der Tempo-30-Zonen in Berlin insbesondere auch auf Hauptverkehrsstraßen sehr deutlich zu erhöhen?

Herr Senator Strieder!

Ich muss Sie darüber aufklären, dass bereits 70 % des Straßennetzes von Berlin Tempo-30-Zonen sind. Das bedeutet, dass wir in der Ausweitung dieser Tempo-30-Zonen kein Allheilmittel sehen können. Sie haben aber Recht, wenn Sie meinen, dass es sinnvoll sei, an besonderen Gefahrenstellen zu Geschwindigkeitsbeschränkungen zu kommen und Lichtsignalanlagen zu installieren. Das ist auch das, was wir machen. Ich habe veranlasst, dass wir noch einmal ein Programm zur Schulwegsicherung auflegen. Wir haben im Hauptausschuss bereits darüber gesprochen, welche Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung stehen, um Lichtsignalanlagen zur Schulwegsicherung einzuführen. Das ist sicherlich ein Programm, das wir durchziehen werden.

Herr Senator, da ich – wie Sie sich denken können – mit dieser etwas vagen Antwort unzufrieden bin, aber die Diskussion über Tempo 30 hier nicht wiederholen will, möchte ich die Frage etwas anders stellen. Können Sie bestätigen – ich denke, Sie haben eben auch getan –, dass in Berlin glücklicherweise die Zahl der getöteten Autofahrer sogar gesunken ist, die der Fußgänger und der Radfahrer aber massiv gestiegen ist? – Sie haben das Problem Fußgängerschutz erwähnt, sich um die Ausweitung der Tempo-30-Zonen gedrückt. Wie

(A) (C)

(B) (D)

wollen Sie als Verkehrssenator den wirksamen Schutz gerade der Schwächsten im Straßenverkehr, also der Fußgänger und Radfahrer, besser gewährleisten?

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter! Ich habe Ihre Frage so verstanden, dass Sie mit meinen ersten beiden Antworten doch sehr zufrieden waren, indem Sie mich zitiert haben, indem Sie sagten, ich hätte gesagt, Fußgänger und Zweiradfahrer seien besonders betroffen, und um deren Verkehrssicherheit müssten wir uns bemühen, und wir müssen die Verkehrsgeschwindigkeit in der Stadt reduzieren. Das Einzige, was uns unterscheidet, ist, dass ich nicht der Auffassung bin, dass wir eine Allgemeinverfügung über Tempo 30 in der Stadt erlassen sollten, sondern dass wir uns die Gefahrenstellen, an denen man so etwas einführt, genau anschauen. – Vielen Dank!

Die dritte Nachfrage kommt vom Abgeordneten Wieland!

Herr Senator, was halten Sie angesichts dieser bedrückenden Zahlen, die Sie uns bestätigt haben, von dem Vorschlag Ihres Kollegen Werthebach, bei Verkehrssündern, insbesondere auch bei Menschen, die das Tempo nicht einhalten, etwas nachgiebiger zu sein, zu ermahnen, nicht gleich zu kassieren? – Womit ihn die „BZ“ dann gleich zur Spitze der Anti-Abzockerbewegung erklärt hat. Kann das sein, dass das karnevalsbedingt war, weil er hier als Rheinländer in Berlin am Rosenmontag etwas unterzuckert war, oder haben Sie eine Erklärung dafür, warum ein Innensenator just einen solchen Vorschlag macht?

Herr Senator Strieder!

Herr Abgeordneter Wieland! Auch wenn Sie heute Geburtstag haben, kann ich nicht annehmen, dass der Kollege Werthebach zu irgendeiner Zeit jemals unterzuckert gewesen ist. Sondern der Kollege Werthebach hat, weil wir im Senat darüber geredet haben, deutlich gemacht, dass er sich zu einem bestimmten Sachverhalt geäußert hat. Wenn Sie sich angucken, wie die Verkehrsunfälle in der Stadt auch zeitlich verteilt sind, werden Sie feststellen, dass es bestimmte Nachtzeiten gibt und bestimmte Örtlichkeiten, an denen das Gefährdungspotential außergewöhnlich gering ist. Just an solchen Orten und zu solchen Zeiten findet – für uns alle überraschend – die eine oder andere Polizeikontrolle statt. Wenn das in der Faschingszeit – wie Sie das wohl gerade anregen wollten – mit Alkoholkontrollen einhergeht, ist das eine löbliche Angelegenheit. Wenn das aber nur so gemacht wird, weil die Bereitschaft gerade nichts anderes zu tun hat, dann scheint es uns nicht so richtig sinnvoll zu sein. Richtig ist allerdings – und das hat, wie ich es verstanden habe, Herr Werthebach auch nie bestritten –, Polizeikontrollen, die der Verkehrssicherheit und der Verkehrserziehung der Verkehrsteilnehmer gelten, werden weiterhin durchgeführt, und Verkehrsregelverstöße wie Geschwindigkeitsübertretungen werden auch weiterhin geahndet.

Vielen Dank, Herr Senator Strieder! – Die letzte Nachfrage hat die Abgeordnete Matuschek von der PDS-Fraktion.

Herr Strieder, abgesehen davon, dass Sie, bevor Sie Verkehrssenator wurden, sich schon einmal öffentlich dazu bekannten, Tempo 30 in der Stadt generell anzuordnen, möchte ich Sie in einer anderen Richtung fragen: Die 70 % der Straßen mit Tempo-30-Anordnung sind offenbar nicht flächendeckend zu kontrollieren, was die Einhaltung der Geschwindigkeit angeht. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass man zu anderen unkonventionellen Maßnahmen in den Bezirken kommen könnte? – Z. B. wieder Blumenkübel oder

ähnliche bauliche Vorhaltemaßnahmen, damit die Geschwindigkeit von den Autofahrern gar nicht übertreten werden kann, denn Sie wissen wie wir, dass in einer Tempo-30-Straße die Durchschnittsgeschwindigkeit weit über 30 km/h liegt.

Herr Senator Strieder zur Beantwortung!

Frau Matuschek! Ich bin mir nicht ganz sicher, wo Sie die Blumenkübel aufstellen wollen. Das könnte zu einer Erhöhung der Unfallgefahr führen, wie Sie die Frage formuliert haben, wenn man mit über 30 km/h auf so einen Blumenkübel auffährt. Im Ernst – so unkonventionell sollte es nicht sein, sondern wir sollten schon versuchen, Schulwegsicherheit zu gewährleisten, d. h. Autofahrer für bestimmte Strecken zu sensibilisieren, Kinder zu erziehen, sich im Straßenverkehr vernünftig zu verhalten, und uns immer bewusst sein, dass wir mit jeder Entscheidung in der Verkehrspolitik, selbst mit jeder Ampelschaltung, eine Werteentscheidung treffen. Das ist die entscheidende Frage, um die es dabei geht. Dem wird sich die Verkehrspolitik stellen.

Damit ist die vierte Mündliche Anfrage erschöpfend beantwortet.

Die fünfte Mündliche Anfrage über