Protocol of the Session on November 16, 2000

[Beifall bei der SPD]

Sie haben beschlossen, heute die Entscheidung über das Krankenhausunternehmens-Gesetz mit der Aktuellen Stunde zum Thema „soziale Verantwortung und ökonomische Vernunft – das neue Gesundheitsunternehmen als Chance für Berlin“ zu verbinden. Dies gibt mir Gelegenheit, unsere Reformbemühungen in einem größeren Zusammenhang darzustellen. Es spricht mir aus dem Herzen, dass neue Gesundheitsunternehmen als Chance für Berlin zu begreifen. Damit signalisiert die Politik in

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Frau Sen Schöttler

dieser Stadt, dass wir mit Zuversicht und Selbstbewusstsein ein neues Kapitel in der Berliner Krankenhausgeschichte aufschlagen. [Beifall bei der SPD]

Viele Berlinerinnen und Berliner haben den Prozess der Vorbereitung in den letzten Wochen und Monaten verfolgt und erkannt, aber auch anerkannt, dass wir unsere Entscheidungen wohlüberlegt fällen, dass wir die Beteiligte und Expertinnen und Experten umfassend in den Prozess aktiv einbezogen haben, dass wir die für richtig erkannte Richtung trotz polemischer Äußerungen beibehalten und dass wir zügig und kompetent die gestellten Aufgaben gelöst haben. Ein solch breit angelegter Erörterungs- und Informationsprozess, wie wir ihn bei der Gründung der GmbH praktiziert haben, schafft Vertrauen. Die Menschen sehen, dass wir Politikerinnen und Politiker zielgerichtet und mit Augenmaß, aber gleichzeitig mit Kraft und Engagement unsere Vorhaben Wirklichkeit werden lassen.

[Zuruf des Abg. Berger (Grüne)]

Für die Berlinerinnen und Berliner ist es von großer Bedeutung, dass sie eine leistungsfähige und zukunftssichere Gesundheitsversorgung und gleichzeitig stabile Krankenkassenbeiträge erwarten können. Sie können uns vertrauen, dass wir den richtigen Weg gehen. Wenn die Beschäftigten bereit sind, einschneidende Veränderungen nicht nur mitzutragen, sondern auch aktiv mitzugestalten, dürfen auch die Berlinerinnen und Berliner sicher sein, dass das auf den Weg gebrachte neue Unternehmen unsere Krankenversorgung verbessert und zukunftsfähig macht.

[Beifall bei der SPD]

Die Menschen spüren, dass sie bekommen, was sie von uns, von der Politik, erwarten dürfen: die richtigen zukunftsorientierten Rahmenbedingungen für leistungsfähige Medizin, für eine dem Menschen zugewandte Pflege, durchschaubare und zielgerichtete Abläufe im Krankenhaus, ein kompetentes Management, orientierende Beratung für Patienten und ihre Angehörigen, aber auch und selbstverständlich moderne Technik. Wir stabilisieren die zehn städtischen Krankenhäuser an ihren Standorten und entwickeln sie zum Rückgrat der regionalen Gesundheitsversorgung. Das gelingt uns, wenn wir die medizinische Entwicklung frühzeitig aufgreifen und in den Krankenhäusern in alltägliche Praxis umsetzen, die gesetzlichen Vorhaben heute bereits zum Gegenstand der grundsätzlichen Planung machen, die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung in die Krankenhauskonzepte einbeziehen und die wirtschaftlichen Faktoren innerhalb und außerhalb der Krankenhäuser nicht ignorieren.

Mit dem neuen Unternehmen wird eine solide Grundlage geschaffen, damit die bekannte Qualität und Versorgung in den städtischen Krankenhäusern fortentwickelt werden kann. Wir brauchen den Verbund, die Vernetzung mit dem ambulanten Bereich, mit der Pflege und nicht zuletzt mit Maßnahmen der Prävention und der Rehabilitation. Gleichzeitig benötigen wir eine klare strategische Ausrichtung des Unternehmens, um im schärfer werdenden Wettbewerb bestehen und die Zukunft meistern zu können. Deshalb werden wir, wenn Sie heute dem Gesetz zustimmen, das Netzwerk Gesundheit in Berlin, das Unternehmen NetGe Kliniken für Berlin GmbH, übrigens im hundertprozentigem Eigentum des Landes Berlin aus der Taufe heben.

[Beifall bei der SPD]

In dem gesundheitspolitischen Kontext ist eine weitere wesentliche Orientierung für unsere Entscheidung, dass wir die solidarische Krankenversorgung erhalten wollen. Hierzu müssen wir die Krankenkassenbeiträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für Arbeitgeber stabil halten. Dies erfordert, dass wir mit den Finanzmitteln für die Gesundheitsversorgung so effektiv wie irgend möglich umgehen. Da die Investitionen maßgeblich die Betriebskosten beeinflussen, wird die Finanzierung der Krankenhausinvestitionen auf eine neue Grundlage zu stellen sein, mit der die Krankenhäuser gefordert sind, die eigenen Investitionen in immer stärkerem Maße aus eigener Kraft zu finanzieren.

Die städtischen Krankenhäuser können dies nur leisten, wenn sie zu einem Einheitsunternehmen zusammengeschlossen worden sind. Der Senat hat zur Absicherung der ökonomischen Basis alle Grundstücke in das Unternehmen eingebracht. Dem Vorhaben haben der Unterausschuss Vermögen und der Hauptausschuss in ihrer gestrigen Sitzung zugestimmt. Dem inhaltlichen Konzept hat der Gesundheitsausschuss bereits vorige Woche zugestimmt.

Die Krankenhausleistungen werden ab dem Jahr 2003 auf einer völlig neuen Basis abgerechnet. Der Bundesgesetzgeber hat die Einführung von DRGs – Fallpauschalen – beschlossen. Das führt zu einschneidenden Veränderungen in allen Krankenhäusern. Bisher sind die städtischen Krankenhäuser wie viele andere auch auf diese Umsteuerung nicht ausreichend vorbereitet. Wenn wir jetzt nicht beginnen umzusteuern, wird dies zu einem entscheidenden Nachteil für einige Häuser werden. Das neue Entgeltsystem wird in umwälzender Weise für Transparenz sorgen. Aufwand, Kosten und Qualität werden deutlich sichtbar abgebildet, bewertet und zu vergleichen sein. Die Preise werden vereinheitlicht. Damit rückt ganz klar die Prozessqualität der stationären Behandlung in den Mittelpunkt des Interesses. Die Effizienz des Prozesses wird zum entscheidenden Gestaltungsfaktor des Krankenhauses der Zukunft. Nur das Krankenhaus der Zukunft, das sich hierauf rechtzeitig einstellt, ist ein Krankenhaus mit Zukunft.

Ich kann es auch anders sagen, Sie wissen alle aus eigener Erfahrung oder aus Gesprächen mit Freunden und Bekannten, dass im Prinzip vergleichbare Behandlungsleistungen in unterschiedlichen Krankenhäusern unterschiedliche Kosten verursachen, das heißt unterschiedlich teuer sind. Genau an diesem Punkt werden gravierende Veränderungen stattfinden, die zu mehr medizinischer Effizienz, aber auch zu höherer Wirtschaftlichkeit führen. In diesem Reformprojekt der Verbesserung von Transparenz, Prozessqualität und Effizienz wollen und müssen die städtischen Krankenhäuser in Berlin in dem Einheitsunternehmen an die Spitze geführt werden. Der heute leider noch bestehende zu große Abstand zum Bundesdurchschnitt muss in den nächsten drei Jahren überwunden werden.

Bei all dem ist und bleibt richtig: Wir werden darauf zu achten haben, dass unsere Krankenhäuser auch in Zukunft Ort der Zuversicht und der Zwischenmenschlichkeit bleiben. Dort wird auch weiterhin diagnostiziert, operiert und therapiert, dort werden Kinder geboren, Kranke gepflegt, Patienten und Angehörigen Trost und Zuversicht vermittelt. Dort wird auch abgerechnet und gebucht, dort wird Essen ausgeteilt und für eine ordentliche Unterbringung von Patientinnen und Patienten gesorgt. Deshalb sind die Menschen, die dort arbeiten, für das Ergebnis der Tätigkeit von so großer Bedeutung. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern, aber auch die Gewerkschaften ÖTV und DAG haben unbeirrt von den Turbulenzen der letzten Wochen zu unserem Reformvorhaben gestanden, sie vertrauen auf die gesetzliche Basis, die dieses Hohe Haus heute beschließen soll. Wenn die Beschäftigten und die Gewerkschaften in dem breit angelegten Entwicklungsprozess für das neue Unternehmen auch Vertrauen in die eigene Kraft geschöpft haben, dann haben sich unsere Vorbereitungen bereits in einem ersten Schritt gelohnt. Die Beschäftigten trauen sich heute zu, die neuen, großen Herausforderungen zu schultern, weil sie wissen, dass die Rechnung stimmt.

Wir erwarten, dass die Ärztinnen und Ärzte in diesem Prozess vorangehen.

[Beifall bei der SPD]

Sie werden alle in ein mitbestimmtes Unternehmen überwechseln, wo sie die Hälfte des Aufsichtsrates zu wählen haben und nach dem Betriebsverfassungs- und dem Mitbestimmungsgesetz eine starke betriebliche, aber auch eine unternehmerische Mitbestimmung ausüben werden. Damit wächst auch ihre Verantwortung, ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens auch in Zukunft zu leisten. Dass sie dies tun werden, ist für mich keine Frage.

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Frau Sen Schöttler

Durch den Personalüberleitungsvertrag wird ein Übergang der rund 17 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verhältnis 1:1 gewährleistet. Das heißt, alle erworbenen Rechte der Beschäftigten bleiben erhalten. Ferner tritt das neue Unternehmen der Beschäftigungssicherungsvereinbarung vom Dezember 1999 bei, in dem betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.

So wichtig für die Beschäftigten die soziale Sicherung ist, so deutlich haben sie aber auch erkannt, dass mit der heutigen Weichenstellung die einzig wirkliche Basis für zukunftsfähige Arbeitsplätze und die Erhaltung der Standorte gelegt wird. Die Arbeit der Häuser muss auf eine solide Grundlage gestellt werden.

Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. In den Ausschüssen ist das Gesetz sorgfältig in allen Teilen diskutiert worden. Ein wichtiges Thema auch in der öffentlichen Diskussion war das Verhältnis von Geschäftsführung und Krankenhausleitung. Die wünschenswerten und erforderlichen ausgewogenen Kompetenzverteilungen zwischen den einzelnen Ebenen sind im Gesetz klar geregelt. Der Senat begrüßt es, dass die Balance durch die Koalitionsfraktionen des Abgeordnetenhauses sehr fein austariert worden ist. Das Motto ist: So viel zentral wie nötig, so viel dezentral wie möglich.

Wir schlagen ein neues Blatt in der Krankenhausgeschichte auf. Wir stehen in der praktischen Umsetzung aber erst am Anfang. Wir haben uns viel vorgenommen, weil vieles zu bewältigen ist, und werden dies auch Zug um Zug mit Ruhe und Gelassenheit, aber mit klarer Zielorientierung und mit einem kühlen Kopf umsetzen. Der bisherige Prozess mit der breiten Zustimmung der Beschäftigten, der Krankenkassen, der Wirtschaft und der wesentlichen Teile der Fachöffentlichkeit bestärkt mich in meinem Zutrauen. NetGE, das Gesundheitsunternehmen, ist eine Chance für Berlin, aber nicht nur für Berlin, sondern weit darüber hinaus.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen, die am Prozess mitgewirkt haben, ganz herzlich bedanken. Dieser Dank schließt ausdrücklich den Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung ein, die an manchen Stellen scheinbar Unmögliches möglich gemacht haben. – Ganz herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der Kurs ist abgesteckt, die Segel sind gesetzt. Ich bitte Sie nochmals um Zustimmung zu dem in Rede stehenden Gesetzentwurf, damit die städtischen Krankenhäuser in dem neuen Schiff Einheitsunternehmen ihre Fahrt mit voller Kraft aufnehmen können. Wir sind gut vorbereitet für die Zukunft. – Herzlichen Dank! [Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Senatorin Schöttler! – Wir kommen nun zur zweiten Runde der Fraktionen. Es beginnt erneut die Fraktion der SPD. Wiederum ist Frau Helbig dran. – Frau Helbig, Sie haben noch 14 Minuten. Wir haben Ihnen die 5 Minuten gutgeschrieben. Wenn Sie kürzer sprechen, um so besser!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir müssen die Sitzung nicht durch Reden verlängern, wenn es nicht nötig ist.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Aber einige Ausführungen meiner Kollegen und der Kollegin Simon haben mich dazu veranlasst, noch einmal nach vorn zu gehen.

Ich möchte zunächst auf die Fragen eingehen, warum Buch und Moabit nicht in dem neuen Krankenhausbetrieb enthalten sind. Es ist in der Diskussion im Ausschuss schon deutlich geworden, dass Entscheidungen für die beiden Krankenhäuser keine sachgerechten Entscheidungen wären. Das Krankenhaus

Buch mit seinem immens hohen Personalüberhang, mit einem sehr hohen Investitionsbedarf und den besonderen Schwierigkeiten auf Grund der Struktur und der örtlichen Lage in diesen Krankenhausbetrieb aufzunehmen, hätte eine derartige ökonomische Belastung bedeutet, dass dies für die künftige GmbH nicht zu schultern gewesen wäre. Daher sind wir der Auffassung, dass es der weitaus vernünftigere Weg ist, parallel dazu die Suche nach einem Investor für das Krankenhaus Buch weiter zu betreiben.

Das Krankenhaus Moabit geht vom Netz. Das ist nach der Umsetzung des Krankenhausplans beschlossene Sache. Auch hier ist es sachgerecht. In dieser Phase, wo das Klageverfahren anhängig ist und eine ungeklärte, schwebende Rechtssituation vorhanden ist, sollte die GmbH, die wir gründen wollen, nicht durch eine zusätzliche Belastung von Moabit her befrachtet werden.

Frau Simon, Sie wissen sehr wohl, dass es aus Gründen des Bettenüberangebots notwendig war, diese Entscheidung zu treffen. Schmerzlich ist es in jedem Fall, wenn Einrichtungen geschlossen werden müssen. Aber wenn wir konsequent die Zahl der Betten in Berlin herunterfahren wollen, war diese Entscheidung richtig.

Noch einmal zu den Ausführungen des Kollegen Meier, der uns etwas Geschichtsklitterung vorgeworfen hat: Es ist sicherlich richtig, dass die Diskussion in Berlin bereits seit Jahren geführt wird. Aber man muss doch wohl feststellen, dass es erst der Senatorin der SPD gelungen ist, mit der nötigen Beharrlichkeit die Umsetzung in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen. [Beifall bei der SPD]

Herr Kollege Köppl! Ich schätze Sie eigentlich sehr, aber ich finde es unverantwortlich, welches Horrorszenario Sie heute gemalt haben. Wenn wir uns einmal ansehen, welche öffentliche Signalwirkung unsere Redebeiträge hier haben, finde ich es unverantwortlich, wie Sie mit den Gefühlen und Erwartungen insbesondere der Beschäftigten in den städtischen Krankenhäusern in Ihrem Redebeitrag umgehen.

[Beifall bei der SPD]

Sie haben sowohl in Bezug auf die ökonomischen Voraussetzungen als auch in Bezug auf die Binnenstruktur des künftigen Betriebes ein Szenario gemalt, das durch die tatsächlichen Erwartungen, die wir alle an den neuen Betrieb haben, in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Ich möchte die Einzelheiten nicht wiederholen; ich denke, ich habe in meinem ersten Redebeitrag ausreichend deutlich gemacht, dass der Weg, den wir hier beschreiten, die Probleme der städtischen Krankenhäuser zu lösen, der durchaus richtige Weg ist. So zu tun, als sei es ausschließlich die Verantwortung des Senats in den letzten Jahren, dass die städtischen Krankenhäuser in diese Situation gekommen sind, in der sie sich befinden, ist schlichtweg falsch. Das wissen Sie nur zu gut. Sie machen mit diesen Aussagen Stimmung gegen den Gesetzentwurf, den die Koalition heute beschließen will.

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Helbig! – Für die Fraktion der PDS hat jetzt Frau Dr. Schulze das Wort. – Sie haben noch 6 Minuten Redezeit!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schöttler! Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Die gönnen wir Ihnen am heutigen Tag. Doch die Kuh ist nicht vom Eis.

[Zurufe]

Wir haben heute schon einmal von Kühen gesprochen. Im Land Berlin muss man den Eindruck haben, dass sich eine ganze Kuhherde auf dem Eis befindet. Ehe Sie die Kuh vom Eis bekommen,

die Kuh auf die Wiese kommt, dort auch noch Gras frisst und letztlich noch Milch gibt, werden Sie noch eine Menge zu tun haben. Ich denke, Sie müssen ganz schön aufpassen, dass die Kuh vorher nicht stirbt.