Stefanie Schulze
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat zu diesem wichtigen Thema, nämlich Modernisierung der Berliner Sozialämter, zwei Anträge eingebracht, die einen elementaren Zusammenhang haben. Je besser die Organisationsstruktur, der Personaleinsatz und die Beratungskompetenz, desto größer werden wahrscheinlich die Erfolge sein, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In Berlin war es aus unserer Sicht bisher nicht ersichtlich, dass in Landesverantwortung sowohl an einer modernen Organisationsstruktur in der Sozialhilfegewährung als auch an einer Evaluierung der unterschiedlichen praktizierten Modelle zur Integration der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in den Arbeitsmarkt gearbeitet wurde. Auf Nachfragen im Parlament und in den Ausschüssen wurden immer die bezirkliche Zuständigkeit und die Selbstverantwortung betont. Die wollen wir mit unseren Anträgen ausdrücklich nicht untergraben – im Gegenteil! Aber es scheint uns geboten, in Anbetracht der Entwicklung der Sozialhilfeausgaben, in Anbetracht der Entwicklung der Sozialhilfedichte in einigen Bezirken der Stadt, in Anbetracht der Personengruppen, die Sozialhilfe erhalten, und in Anbetracht der Entwicklung der einzelnen Leistungsbereiche innerhalb der Sozialhilfe, beispielsweise der Zahlen zur Hilfe zum Lebensunterhalt, aus gesamtstädtischer Sicht und in Verantwortung der Sozialverwaltung konzeptionelle Vorleistungen zu erwarten und auch zu fordern.
Frau Schöttler, Sie haben in einer Presseerklärung vor drei Tagen mitgeteilt – und das noch rechtzeitig vor der Parlamentssitzung heute –, dass Sie – um mit Ihren Worten zu sprechen – ein ganzes Maßnahmenbündel oder einen Strauß von Maßnahmen geschnürt haben, um gezielte Integrationsberatung in den Sozialämtern durchzuführen, intensive Kooperation zwischen Arbeits- und Sozialämtern in Berlin anzukurbeln und konkrete Angebote für Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen. Damit dürften Ihnen unsere Anträge nur gelegen kommen. Sie wären vielleicht sogar in der Lage, vor dem von uns erwarteten Termin 30. Juni diese Konzepte konkret auf den Tisch zu legen. Wir begrüßen ausdrücklich Ihren Ansatz und würden uns auf eine kooperative Zusammenarbeit mit Ihnen freuen, weil wir meinen, der Wandel ist in der Stadt dringend geboten. Herr Kurth und andere haben das mehrfach angemerkt, der Vergleich der Sozialhilfedaten ist durchaus ein Vergleich, der in der Stadt gemacht werden muss. Dazu ist eine solide, unaufgeregte und konstruktive Debatte erforderlich. Deshalb beauftragen wir Sie, legen Sie die Tatsachen auf den Tisch, die Sie damit meinen, wenn Sie einen Strauß von Maßnahmen gebündelt haben. Beschreiben Sie konkret und genau, wie das aussehen soll, damit das Ganze nicht nur ein von Ihnen geliebtes Wortspiel bleibt.
Fakt ist, dass die Sozialämter in Berlin in den letzten Jahren zunehmend Gegenstand öffentlichen Interesses geworden sind, meist in Negativschlagzeilen wie: Kostenexplosion, Sprengsatz kommunaler Haushalte, überfüllte Flure. – Weiteres möchte ich nicht hinzufügen. Der Alltag der in den Sozialämtern Arbeitenden macht den Handlungsbedarf noch deutlicher. Die Arbeit in den Sozialämtern ist für die, die dorthin kommen, schwierig geworden und für die, die dort arbeiten, umso mehr. Es darf nicht als Strafe empfunden werden, in einem Sozialamt zu arbeiten, und schon gar nicht, in ein Sozialamt gehen zu müssen. Der Einsatz von Wachschutz und Videokamera dürfte der falsche Weg sein. Ich denke, da stimmen Sie auch mit mir überein.
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In der Beantwortung der Kleinen Anfrage von Herrn Brauner verweisen Sie sowohl auf Modellprojekte im Rahmen der Experimentierklausel als auch auf den Einsatz von Fallmanagern. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, und den unterstützen wir. Lassen Sie uns also mit unseren Anträgen sorgfältig umgehen, sie in den Ausschüssen beraten und gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen, die aus den richtigen Analysen auch richtige Schlüsse zulassen. In dieser Richtung sind unsere Anträge gemeint. Änderungen der Organisationsstrukturen der Berliner Verwaltung in den Sozialämtern sind möglich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort wollen das auch, sie wollen an diesem Problem mitarbeiten. Sie können sicher sein, dass ein Großteil der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger gespannt ist auf Ihre Vorstellung von Modellen der Integration eben dieser Menschen, weil sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden wollen und nicht länger von öffentlicher Hilfe leben möchten.
All dies ist ein erster Schritt, den Sie jetzt tun sollten. Sie haben die Partner dazu, die das mit Ihnen gemeinsam gestalten wollen, damit nicht in ein oder zwei Jahren, oder vielleicht schon zur nächsten Haushaltsberatung, wie es Herr Kurth angekündigt hat, in diesem Bereich größere Einsparungen zu erwarten sind, die letztlich die falschen Menschen treffen. – Danke schön!
Ja, Herr Borghorst, auch nach dem herzlichen Beifall von uns wünschen wir Ihnen ein glückliches Händchen für das, was Sie jetzt vorhaben; hoffentlich glücklicher als das, was hier in Berlin vielleicht gebraucht würde.
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! In Vorbereitung auf die heutige Diskussion habe ich mir noch mal die Protokolle der Haushaltsberatung vom 7. Dezember 2000 hier im Haus angesehen. Das ist richtig spannend vor dem Hintergrund der heutigen Diskussion, die wir hier führen, soziale Schieflage in der Stadt; und Frau Dunger-Löper, wenn Sie das mit Nein beantworten, dann verstehe ich Ihre Fraktion nicht mehr. Aber ich erlaube mir an der Stelle einmal, Herrn Kaczmarek zu zitieren. Ich hatte vorhin bei Ihrer Rede den Eindruck, Sie haben fast die Textbausteine von Ihrer Rede am 7. Dezember wiederverwendet, deshalb zitiere ich sie mal in der Vollständigkeit. Herr Kaczmarek sagte gleich am Anfang seiner Haushaltsrede:
Konsolidierung ist kein Selbstzweck. Wir tun das nicht zur Freude einiger Haushälter, sondern wir tun das, um in Zukunft noch Politik in dieser Stadt machen zu können.
Eben! –
Wir werden jeden Tag 12 Millionen DM Zinsen zahlen. Das ist vielleicht eine abstrakte Zahl, aber man muss sich nur einmal vor Augen führen, was man mit dieser Summe anderes machen könnte. Sparen ist nicht unsozial, sondern im Gegenteil eine soziale Tat.
Herrn Kurth fiel dabei ein, doch gleich mal darauf zu verweisen, dass die Sozialhilfeempfänger in Bremen weniger Geld bekommen als in Berlin und dass dort offensichtlich noch ein Konsolidierungsbeitrag zu holen wäre.
Herr Kurth, wir sind auch für eine Änderung, eine Modernisierung der Sozialhilfegewährung im Land Berlin, aber sicherlich nicht so, wie Sie sich das vorstellen. Und liest man weiter im Protokoll dieser Haushaltsberatung, dann ruft Herr Wowereit „Bravo“ zu dem, was Sie gesagt haben. Ich würde heute Herrn Wowereit schon ganz gern mal fragen, ob er das damals ironisch gemeint hat oder nicht. – 11 Millionen DM, Herr Kaczmarek, sind in der Tat eine abstrakte Zahl. Aber etwas mehr, nämlich genau 12,5 Millionen DM haben die Ostbezirke zur Finanzierung ihrer sozialen Infrastruktur für ein ganzes Jahr erhalten. Das klingt für manche nach sehr viel, andere rechnen aber lieber mit kleineren Summen. Man soll zwar hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber Ihre Rechnung, die Sie vorhin noch mal aufgemacht haben, verleitet mich zu diesem Vergleich und lässt mich noch einiges hinzufügen, um hier auch einmal die Frage der Verhältnismäßigkeit wieder auf den Tisch zu bringen. Gestern hat mir ein freier Träger erzählt, er könne mit den Bezügen von Herrn Landowsky nach seinem so genannten freiwilligen Rücktritt von seinem Vorstandsposten – die Zahl ist heute hier mehrfach genannt worden, nämlich über 700 000 DM – 10 Stellen und Miete für ein ganzes Jahr für ein Projekt benachteiligter Jugendlicher finanzieren.
Diese Zahlenverhältnisse können die Leute in der Stadt schon eher verstehen, Herr Kaczmarek. Und das sollten Sie mal Ihren Freunden in der Partei auch sagen. – Oder rechnen wir mal weiter. Die Zahl können wir weiter vorführen. Beim Rücktritt von vier Vorstandsmitgliedern und der weiteren möglichen Honorierung für ein Jahr, wie das bei Herrn Landowsky der Fall sein soll, kommen wir auf rund 2,5 Millionen DM.
Das ist etwa die Zuweisung, die ein Bezirk wie LichtenbergHohenschönhausen für die Finanzierung der sozialen Infrastruktur für ein ganzes Jahr bekommt. Daraus soll eine ganze Menge finanziert werden. Hören Sie mal ruhig zu, was daraus finanziert
werden soll. Daraus sollen Projekte der Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Senioren- und Jugendpolitik finanziert werden, Freizeitangebote für Senioren, Bildungsangebote, Versorgung von Wohnungslosen, Angebote für behinderte Menschen, Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Diese Aufzählung könnte ich weiterführen.
Und wenn Sie hier den Einwurf machen: „Spenden Sie doch Ihre Diäten!“, dann sollten Sie mal schauen, was Sie mit Ihren Diäten machen und wie sozial Sie sich verhalten und was Herr Landowsky vielleicht mit diesem Geld vorhat.
Ja, es war ja klar, dass Sie an der Stelle gleich schreien würden, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat und dass eine Haushaltssperre aus ganz anderen Gründen notwendig gewesen wäre. Disziplinieren Sie sich doch auch mal!
Und im Übrigen, ich zitiere noch mal Ihren Herrn Kaczmarek aus seiner Haushaltsrede; dort hat er gesagt:
Wir kurieren nicht nur an Symptomen, sondern wir ändern Strukturen.
Prima, Herr Kaczmarek! Das wollen wir auch, da waren wir einer Meinung. Doch nehmen Sie sich hier mal beim Wort und regeln Sie mit der Haushaltssperre Ausnahmeregelungen. Das, was Herr Kurth vorhin angeboten hat, ist ja schon ein Weg in die richtige Richtung. Eröffnen Sie Korridore, damit das Geld auch bei den Projekten ankommt, für die es gedacht ist und für die Ihre Leute auch in der Fraktion, in den Ausschüssen gestritten haben. Hätten Sie sich mal angehört, wofür Ihre Sozialpolitiker dort gestritten haben. Und es war ein konstruktiver Streit, und an der Stelle waren wir uns einig, dass es nicht sein kann, dass dieses Geld der Konsolidierung, der Haushaltssperre zum Opfer fällt und die Projekte dabei über den Jordan gehen.
Zu den Bezirken: Es werden bei Haushaltssperren nur Ausgaben zugelassen, die unbedingt notwendig sind zur Betriebsaufrechterhaltung und zur Gefahrenabwehr. Sicherlich wird man aus jahrelanger Erfahrung in den Bezirksverwaltungen und auch in den Landesverwaltungen erfinderisch sein mit der Auslegung dieser Regelung. Aber die Sinnhaftigkeit solcher rigorosen Sperren ist häufig kontraproduktiv, das wissen Sie auch, z. B., wenn Eltern und Jugendliche, die mit Eigeninitiative ihre Kita, den Klassenraum oder ihren Klub renovieren wollen, die Farbe dafür nicht kriegen, weil die unter Haushaltssperre fällt, denn das ist nicht notwendig zur Betriebsaufrechterhaltung und zur Gefahrenabwehr. Solche Beispiele könnten wir ohne Ende fortsetzen. Wenn Sie bürgerschaftliches Engagement und Bürgersinn auf diese Weise fördern wollen, dann kippen Sie das Kind mit dem Bade aus, und dann sollten Sie Ihre Reden noch mal überdenken.
Ich komme zum Ende. – Wir fordern sinnvolle Regelungen, strukturelle Haushaltssperren und keine Sperren nach dem Rasenmäherprinzip.
Herr Kaczmarek, zum Schluss noch mal zu Ihnen. Vielleicht können Sie noch einmal zuhören. Sie sagten zum Abschluss Ihrer Rede:
Die finanzielle Krise ist aber auch eine Chance zur Neugestaltung.
Sie sollten dabei auf die Risiken verweisen. Herr Kurth hat einige hier genannt. Herr Kurth, das sind nicht alle Risiken. Und das, was Sie im Vermögensausschuss und im Hauptausschuss schon benannt haben, sollten Sie auch der anderen Öffentlichkeit mit konkreten Zahlen belegen. Natürlich ist es immer besser, Chancen zu verkaufen als Risiken. Risiken sind aber kalkulierbar. Das wissen Sie als Finanzsenator. Deshalb sollten Sie diese Risiken kalkulieren. Das ist immer noch besser, als das Land in Kata
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strophen und Desaster hineinlaufen zu lassen. Benennen Sie deshalb diese Risiken, bevor das Land in seiner Finanzplanung in einem Desaster enden wird. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich frage den Senat:
1. Mit welchen Verhandlungspositionen geht das Land Berlin in die Beratung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag zum Altersvermögensgesetz?
2. Welche finanziellen Auswirkungen für das Land Berlin erwartet der Senat, wenn die Artikel 6 – Änderung des Einkommensteuergesetzes – und 8 a – Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – GsiG – in der jetzigen Fassung des Altersvermögensgesetzes in Kraft treten?
Frau Senatorin! Wir können Ihre Position nicht so richtig nachvollziehen, dass Sie dem Haus hier nicht kundtun wollen, mit welcher Verhandlungsposition das Land Berlin in den Vermittlungsausschuss des Bundesrats geht, zumal der Regierende Bürgermeister dazu schon Stellung genommen hat und das in der Presse auch publik geworden ist. Es hat erhebliche finanzielle Auswirkungen auch für das Land. Deshalb frage ich Sie noch mal in der Zusatzfrage: Wie hoch schätzt denn der Senat den Anteil Berlins an den in dem Gesetz prognostizierten Steuermindereinnahmen für die Länder und Gemeinden ein? Hält er die vorgenommene Schätzung des Gesetzgebers für realistisch? Oder kommen aus Ihrer Sicht aufgrund dieser Schätzung denn nicht höhere Ausfälle als bisher erwartet auf das Land zu, was wiederum erhebliche finanzielle Konsequenzen hat?
Ihre Antworten machen deutlich, dass es eine ziemlich schwierige und komplexe Problematik ist. Wir werden uns sicherlich auch hier noch darüber unterhalten müssen, wenn die konkreten Finanzauswirkungen für das Land deutlich werden. Und dass sich der Bundesrat jetzt Zeit lässt, ist ja auch nachvollziehbar. Deshalb frage ich Sie in einer weiteren Zusatzfrage: Welche Institutionen sollen denn aus Ihrer Sicht im Land Berlin dann damit betraut werden, die Grundsicherung zu sichern?
Ich frage Herrn Diepgen als zuständigen Senator für diese Angelegenheit, die eben besprochen wurde: Wie lange braucht die Verwaltung, um Anträge der Sozial- und Gesundheitsverwaltung und der Ärzte der Bonhoeffer-Nervenklinik zu bearbeiten, dass betreffende kranke Leute vom Krankenhaus in den Maßregelvollzug überführt werden wenn die medizinische Indikation einen Aufenthalt in einer Klinik nicht rechtfertigen?.
Ich habe eine eindeutige Frage an Herrn Diepgen gestellt. Ich denke, er ist dafür zuständig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schöttler! Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Die gönnen wir Ihnen am heutigen Tag. Doch die Kuh ist nicht vom Eis.
Wir haben heute schon einmal von Kühen gesprochen. Im Land Berlin muss man den Eindruck haben, dass sich eine ganze Kuhherde auf dem Eis befindet. Ehe Sie die Kuh vom Eis bekommen,
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die Kuh auf die Wiese kommt, dort auch noch Gras frisst und letztlich noch Milch gibt, werden Sie noch eine Menge zu tun haben. Ich denke, Sie müssen ganz schön aufpassen, dass die Kuh vorher nicht stirbt.
Vor allem wünschen wir Ihnen ein glückliches Händchen bei der Personalauswahl, die Sie für den Verlust von Herrn Dr. Schröder treffen müssen. An der Stelle, Herr Dr. Schröder, unser ausdrücklicher Dank! Sie haben für Berlin in kurzer Zeit eine Menge getan. Wir haben Sie als Partner geschätzt. Wir hoffen, dass Frau Schöttler einen würdigen Nachfolger für Sie findet.
Dass die PDS der GmbH-Lösung näher steht als der im Ausschuss von Herrn Dr. Köppl und ursprünglich auch von Herrn Dr. Meier vorgeschlagenen Holding-Lösung ist wohl klar – und nicht nur als kleinerem Übel. Wir wollten ursprünglich die Anstalt des öffentlichen Rechts wie in Hamburg, aber nicht mit den gleichen Fehlern, die in Hamburg gemacht wurden. Im Prozess der Suche nach einem geeigneten Weg hat sich die Koalition für die GmbH entschieden. Das akzeptieren wir. Als Oppositionspartei begleiten wir aber weiterhin den Weg der Umsetzung, und das auf unsere Art und Weise, die Sie kennen, Frau Schöttler: kritisch, nachhaltig und an mancher Stelle vielleicht auch etwas renitent. Sie werden sich an Ihren erklärten Zielen messen lassen müssen, die Sie heute noch einmal hier vorgetragen haben. Wir vertreten die Auffassung, dass die Ziele, die im ViEW-Projekt vorgestellt wurden, konzeptionell so richtig sind – so viel dezentral wie möglich, so viel zentral wie nötig. Das ist der richtige Ansatz. Wir werden sehen, wie weit Sie diesen durchhalten können. Das hängt auch entscheidend von Ihrer Personalauswahl ab.
Die Koordinierungsdaten sind nach unserer Meinung für die Gründung nicht in Ordnung, die finanziellen Rahmenbedingungen nicht und auch nicht das Personalkonzept in Gänze. Wir schätzen diese Ausgangssituation – ähnlich wie Herr Dr. Köppl – als äußerst problematisch ein. Drei Punkte aus meiner Sicht zur Begründung:
1. In den letzten Tagen hat Ihr Staatssekretär, Herr Dr. Schröder, im Unterausschuss „Vermögen“ und auch im Hauptausschuss sehr oft betont, dass der Schlüssel zum Erfolg die schnelle Veräußerung der an die GmbH übertragenen Grundstücke sei. Das ist richtig, Herr Dr. Schröder! Nur so werden sie an das Geld kommen, das sie dringend brauchen. Sie haben erklärt, die Bankverbindlichkeiten betrügen zum Abschluss des Jahres 2000 180 Millionen DM, die Grunderwerbsteuer rund 60 Millionen DM, vielleicht – wenn wir Glück hätten – 40 Millionen DM. Die Bilanzverluste zum Jahresende – Herr Dr. Köppl sagte es auch bereits – betrügen 50 Millionen. Aus meiner Sicht müssen sie hier sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen, um nicht zu sagen, eine Menge Grundstücke verkaufen. Was passiert dann mit dem Netzwerk Gesundheit, das Sie zusammengestrickt haben? – Wir von der PDS-Fraktion hoffen, es bekommt nicht allzu große Löcher.
Ihre Begründung war passend zu Ihrem Konzept. Sie sagten, die Krankenhausflächen ließen sich sehr schnell reduzieren, weil sie durch intensivere medizinische Versorgung der Patienten die Liegezeiten verringern könnten. Das können wir uns vorstellen. Die medizinischen Leistungen zu konzentrieren, können wir uns auch vorstellen. Und auch die „Häuser zusammenzurücken“ können wir uns vorstellen. Bei diesem Finanzkonzept werden Sie in diese Richtung arbeiten müssen. A b e r : Wenn nur die Ökonomie der Ratgeber für die Therapie kranker Menschen im Land Berlin sein soll, wäre das ein schlechter Ratgeber. Heute erstmals, in dieser Aktuellen Stunde, die Sie beantragt haben, steht bei Ihnen der Patient im Mittelpunkt. Während der gesamten im Ausschuss geführten Debatten ist das von Ihnen nicht betont worden. Die Gutachter, die wir zu einer Anhörung eingeladen
2. Ein Knackpunkt wird Ihr Personalüberleitungskonzept sein. Gut finden wir, dass Sie erklären, es gebe keine betriebsbedingten Kündigungen bis 2004. 2001 haben Sie noch Glück, Frau Schöttler! Das Geld, das Sie 2000 nicht gebraucht haben, können Sie 2001 dazu verwenden, die angedachten 1 000 Stellen zu reduzieren. 2002 bis 2004 – das können Sie alle nachlesen – wollen Sie weiterhin 750 Vollzeitkräfte abbauen. Die 22,5 Millionen DM dazu fehlen. Wie wollen Sie diesen Betrag aufbringen? Insgesamt werden also 1 750 Krankenhausbeschäftigte in den Überhang gehen. Diese müssen Sie mitfinanzieren, wenn Sie nicht betriebsbedingt kündigen oder – wie Herr Dr. Schröder vorschlägt – ein intensives Personalmanagement entwickeln und umsetzen wollen. Auch dafür werden Sie das Geld noch aufbringen müssen.
3. Wir finden es nicht gut, dass Sie der Empfehlung des Rechnungshofes nicht folgen wollten, das Prüfungsrecht des Rechnungshofes nach § 4 Landeshaushaltsordnung sicherzustellen – aus Sicht der GmbH nachvollziehbar, aber aus Sicht des Landes nicht. Hier stecken Sie in der Klemme, Frau Schöttler; diese Klemme müssen Sie selbst auflösen. Soziale Verantwortung und ökonomische Vernunft – das ist ein hehrer Wunsch. Wir hoffen, Sie bekommen das hin, dass die Stadt diese Verantwortung und die ökonomische Vernunft auch zu spüren bekommt. Wir begleiten Sie in diesem Prozess, Frau Schöttler, dessen können Sie sicher sein. Aber Ihr Konzept in Gänze finden wir – so wie Sie es heute vorgestellt und vor allem verteidigt haben – als Reformbemühung so nicht gut. Wir werden ihm auch nicht zustimmen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage zu Integrationschancen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Land Berlin ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das wert ist, in diesem Haus besprochen zu werden. Die PDS-Fraktion hat den Senat nach konkreten Vorstellungen und Konzepten zur Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gefragt. Die Antwort liegt vor. Warum bestehen wir trotzdem in der heutigen Plenarsitzung auf einer Erörterung? – Das Land Berlin hat in den letzten zehn Jahren nach den gesetzlich geregelten Länderquoten rund 30 000 Spätaussiedler aufgenommen. Neben den Berliner Neubürgern, die auf dem Wege des geregelten Spätaussiedlereinreiseverfahrens eingereist sind, gibt es aber im Land Berlin zahlreiche andere Neuberliner, die auf anderen Wegen mit diesen Spätaussiedlern nach Berlin gekommen sind. Auf dem Wege der Familienzusammenführung sind nach Schätzungen ca. 60 000 weitere Neubürger nach Berlin gekommen. Statistisch werden sie nicht erfasst, weil sie nicht über Marienfelde einreisen. Die Gemeinde der Neuberliner wächst ständig. Auch in künftigen Jahren haben wir mit einem ständigen Zuwachs zu rechnen. Diese Gemeinde der Neuberliner verteilt sich nicht gleichmäßig über die gesamte Stadt, sondern die Neubürger von Berlin wählen bevorzugt Bezirke im Ostteil der Stadt wie Marzahn und Hohenschönhausen. Die Wahl der Wohnung ist eine freie Entscheidung dieser Neuberliner. Es entsteht aus unserer Sicht so etwas wie ethnische Kolonien in diesen Bezirken. Es gibt sie, die senkrecht stehenden Dörfer oder Hochhäuser und die langen Straßenzüge, wo man sich untereinander kennt, wo man Russisch spricht und wo man nach Kasachstan schreibt und wohin die, die noch nachkommen wollen, auch gerne ziehen möchten.
Die Bezirke freuen sich in der Regel über Neubürger, zumal diese viele Kinder mitbringen. Es gibt aber auch Mitbürger, die dann solche Meinungen äußern wie die folgende: Ich muss doch hier noch sagen dürfen, sagt einer, dass die Aussiedler in Marzahn ständig provokant Russisch sprechen, in ihrer alten Heimat sprachen sie doch Deutsch. Wo bleibt denn da der Grund, warum sie überhaupt hergekommen sind? – Es gibt auch die rechten Jugendlichen, die gelegentlich durch die Wohngebiete ziehen und Parolen wie „Zick-zack, Russenpack!“ skandieren. Die Zahl der nicht Deutsch sprechenden Jugendlichen unter den Neubürgern wächst. Auf der anderen Seite haben mancherorts die Hilfen zur Ausländerintegration oder – hier korrekterweise – Aussiedlerintegration von zahlreichen Vereinen einen Boom an Aktivitäten hervorgebracht, mit dem die neue Zielgruppe regelrecht umworben wird.
Was ist der Grund dafür? Die Möglichkeit der Fördertöpfe oder das tatsächliche Angebot an Integration? – Damit ist allein aus dem bisher Gesagten die Spannbreite der Problematik des Zuwachses dieser Neubürger in Berlin gegeben und unsere Begründung für die Notwendigkeit einer Diskussion dazu abzuleiten.
Gestatten Sie mir in diesem Rahmen einige Ausführungen und grundsätzliche Bemerkungen zu den vorab gegebenen schriftlichen Antworten des Senats auf unsere Anfrage.
Bei der Anzahl der Aussiedler, die Sie benennen, gehen Sie lediglich von der Zahl aus, die über das Länderkontingent nach
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Berlin gekommen ist. Hinsichtlich der Problemlagen und den angefragten Integrationskonzepten und Modellen ist die Anzahl derer, um die es geht, wesentlich größer. Sie verweisen sicherlich zu Recht darauf, dass die Aussiedler rechtlich der einheimischen Bevölkerung gleichgestellt sind. Aber die Anzahl als auch die rechtliche Stellung ist in der gesamten Bevölkerung wesentlich differenzierter zu betrachten. Davon ausgehend, bezeichnen Sie in der Antwort zu unserer Großen Anfrage die Eingliederungsinstrumentarien als gut und ausreichend. Sie begrüßen die Bemühungen der Bundesregierung und wollen selbstverständlich alle Änderung für eine wirkungsvolle Eingliederung sorgfältig prüfen und betonen letztendlich damit: Es gibt aus Ihrer Sicht keine Integrationsdefizite und eigentlich keinen Handlungsbedarf.
Dieser selbstgenügsamen Einschätzung können wir uns als PDS-Fraktion nicht anschließen.
Nach unserer Auffassung legt die vorgelegte Antwort des Senats nur folgenden Schluss zu: Das Land Berlin verfügt über keine wirkliche, der Situation angemessene Idee und kein Konzept für eine Aussiedlerintegration in dieser Stadt.
Das heißt vor allem: Berlin hat keine Ideen und keine konkreten Vorschläge, nicht einmal eine Analyse eines tatsächlichen Integrationsbedarfs, die Grundlagen einer zielgerichteten Verwendung der zahlreichen Mittel der EU, des Bundes und des Landes sein könnten. Die Förderung von freien Trägern, die Hilfsangebote für Spätaussiedler anbieten, ist bei der Förderpraxis dieses Landes nicht an den Problemen dieser Bevölkerungsgruppe orientiert, sondern an den Finanztöpfen, die diese Förderungsgruppe offensichtlich für viele eröffnet hat.
Es macht keinen Sinn, die Augen vor dieser Realität zu verschließen. Auch das russische Sprichwort „wsjo budjet“ – für die, die kein Russisch in der Schule hatten: das heißt: „Alles wird gut!“ – wird an dieser Stelle nicht helfen. Die Neubürger sind mit einer großen Erwartungshaltung nach Berlin gekommen. Es gibt unter ihnen einen Deutschlandmythos, den man beachten muss.
Einer dieser Neubürger hat das wie folgt beschrieben:
Ich dachte wie viele andere, Deutschland ist ein Märchenland. Im Fernsehen habe ich eine Sendung gesehen über neue Technologien in Deutschland, ein Wundertopf, der alleine kochen, braten und backen konnte.
Für manch einen von Ihnen mag das naiv erscheinen, aber weiter schreibt er:
Das Erste, was wir in Deutschland getan haben: Wir sind zum Arbeitsamt gegangen und haben gesagt, dass egal wir unbedingt arbeiten möchten. Man hat uns angelächelt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Durchsetzung und Verwirklichung der Gleichbehandlung und tatsächlichen Integration von Spätausssiedlerinnen und Spätaussiedlern und deren Angehörigen in unserer Gemeinschaft geht es aus unserer Sicht nicht allein um die Herstellung eines rechtlichen Zustandes samt Fördermöglichkeiten, sondern in erster Linie um die beidseitige Sichtweise der jeweiligen, um die es geht. Diese Integration in Berlin verläuft problematisch. Sie verläuft nicht nach dem Plan der Bundesregierung und auch des Berliner Senats. Die wesentlichen Knackpunkte sind:
−Defizit in der Sprachkompetenz und damit verbundene schlechte Integrationschancen,
−eine zunehmende Zahl von Jugendlichen, die hier nicht Fuß fassen und sich verweigern,
−eine hohe Arbeitslosigkeit unter den Neubürgern durch nicht vorhandene Anerkennung ihrer Qualifikation,
−Förderprogramme, die bezogen auf diese Problemlage offensichtlich nicht sehr effizient sind.
In der Erwartung, in den folgenden Ausführungen, die der Senat zu dieser Großen Anfrage noch machen wird, etwas konkreter die konzeptionellen Vorstellungen, Überlegungen des Senats kennenzulernen, bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, dass fast alle in diesem Raum der Meinung sind, dass wir in diesem Bereich überhaupt keine Probleme haben.
Die von Frau Schöttler vorgetragene Rede, die man als Sonntagsrede bezeichnen kann, schummelt sich an der tatsächlichen Situation vorbei. Frau Schöttler, die Realität ist eine andere. Die Realität in Marzahn, Lichtenberg, Hohenschönhausen und anderen östlichen Bezirken ist in der Tat eine andere. Das, was Sie wünschen, ist nicht Realität. Ihre Wünsche können wir nur unterstützen, aber das, was Sie dort vorfinden, ist inzwischen etwas anderes. Ihre Integrationswünsche und Ihre Integrationskonzepte sind dort nicht aufgegangen. Das muss man in dieser Stadt zur Kenntnis nehmen, analysieren und vor allem konzeptionell so bearbeiten, dass daraus ein Konzept wird, das sich an den tatsächlichen Problemen dieser Menschen orientiert, die nach Berlin gekommen sind.
Was meinen wir damit konkret? – Wir können nicht davon ausgehen, dass die Aussiedlerinnen und Aussiedler und deren Familienangehörige, die nach Berlin kommen, qua Pass sofort Deutsche sind. Sie erleben den deutschen Alltag völlig anders. Sie sind nach dem Verständnis ihrer eigenen Mitbürger, die um sie herum wohnen, eben keine Deutschen, sondern sie werden als Russen wahrgenommen und haben zunehmend die Probleme von Migrantinnen und Migranten anderer Nationalitäten in dieser Stadt. Ein Integrationskonzept muss dem Rechnung tragen.
Eingliederungshilfen – gemessen an den offiziellen Zuzugszahlen, die ständig reduziert werden, wodurch auch der finanzielle Anteil an diesen Förderungsmöglichkeiten reduziert wird –
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Dazu gehört die Sprachkompetenz als entscheidende Voraussetzung.
Lassen Sie mich ein Letztes hinzufügen: Als PDS sind wir der Meinung – sicherlich auch bedingt durch unseren direkten Zugang und unsere persönliche Wahrnehmung in den Bezirken, die ich genannt habe –, dass die Kenntnisse über die Geschichte und die Gründe der Einwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und deren Angehörigen zu wenig bekannt sind. Man beschäftigt sich weder in der Schule noch auf kommunaler oder Landesebene mit den tatsächlichen Gründen. Man erwägt das Für und Wider nicht und baut damit ein Stück realitätsferne Wahrnehmung der eigentlichen Gründe auf, die diese Menschen nach Deutschland gebracht haben. Hier haben wir gemeinsam die Aufgabe, Aufklärungsarbeit darüber zu leisten, warum diese Leute gekommen sind. Das sind wir ihnen schuldig. Wir haben sie gemeinsam hier willkommen geheißen. – Danke schön, Frau Schöttler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schöttler! Frau Schöttler, Politik ist bei Ihnen wohl die Kunst, aus richtigen Informationen die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Lassen Sie mich das an zwei Beispielen aus Ihrem Zuständigkeitsbereich erläutern, einmal dem Bereich Sozialpolitik, zum zweiten der Krankenhauspolitik.
Zur Sozialpolitik: Ihr Einstieg in die Finanzierung der sozialen Infrastruktur der Stadt für das Jahr 2000 war bereits der Ausstieg aus all den Zielen der Koalitionsvereinbarung zur Entwicklung der sozialen Stadt Berlin. Frau Schöttler, Sie haben nicht gekämpft! Sie haben jetzt schon resigniert. Sie akzeptieren, dass für Ihr Ressort nicht mehr Geld vorhanden sein soll. Sie sind mit den sozialpolitischen und gesundheitlichen Themen dieser Stadt ausgebremst worden. Sie wissen und die ganze Stadt weiß es auch:
der Koalition sind die Prestigeprojekte nach wie vor mehr an das Herz gewachsen als der soziale Friede in der Stadt als die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen Arm und Reich, Alt und Jung, Krank und Gesund.
Sie tragen die Verantwortung für eine Millionenmetropole und nicht für Kleinkleckersdorf. Die sozialen Probleme in der Stadt nehmen zu und nicht ab. Ihnen fehlt es neben einer soliden Finanzierung für Ihren Bereich aus unserer Sicht vor allem an Ideen, die sozialen Themen der Stadt wirklich anzupacken. Damit
wir nicht falsch verstanden werden: Das ist nicht nur vordergründig eine Frage des Geldes. Das ist politische Bewegungslosigkeit im Sozialressort, Hängen an alten Strukturen in dieser Stadt, Ideenlosigkeit und fehlender Mut zu neuen Wegen, die Organisation und die Finanzierung der sozialen Arbeit auf sichere Füße zu stellen.
In Ihrem Haushalt steht als Fußnote fast auf jeder Seite: Weniger zur Konsolidierung des Haushalts. – Sie sparen überall ein bisschen, aber im Zuwendungsbereich mit einschneidenden Wirkungen, obwohl der gemessen an ihrem Gesamthaushalt gerade einmal fünf Prozent beträgt, dort sparen Sie am meisten. Frau Schöttler, Sie kommen aus unserer Sicht mit dieser Tour auf Dauer nicht durch. Sie müssen Farbe bekennen und vor der Öffentlichkeit erklären, wovon Sie sich künftig verabschieden wollen und worauf sich die Menschen in der Sozialpolitik einzustellen haben. Durchmogeln nach dem Motto: Augen zu und durch, jedem ein bisschen weniger, das tut keinem weh –, werden wir nicht mehr akzeptieren – und die Menschen in dieser Stadt auch nicht.
Wir fordern von Ihnen ganz konkret die Umsetzung einer Sozialberichterstattung, gekoppelt an eine bedarfsorientierte Sozialplanung. Die Ausgleichung und Ausstattung einer sozialen Infrastruktur der Bezirke, wobei Sie erst einmal erklären müssen, was Sie unter sozialen Grundstandards verstehen, was Sie mit „bedarfsorientiert“ meinen und was Sie unter „Versorgungsgerechtigkeit“ verstehen.
Frau Schöttler! Noch in diesem Jahr, nämlich während der Planungen zum Haushalt 2001 müssen Sie die Katze aus dem Sack lassen. Ihre in der Öffentlichkeit nicht spürbare Gegenwehr gegenüber den Konsolidierungsforderungen von Finanzsenator Kurth und den anderen Senatsmitgliedern lassen für uns die Frage offen: Wessen Interessen vertreten Sie eigentlich in dieser Stadt als Sozialdemokratin?
Ende vergangener Woche habe Sie den neuen Sozialstrukturatlas der interessierten Öffentlichkeit vorgelegt, ein solides Werk von knapp 250 Seiten, wissenschaftlich fundiert begleitet. In den Kernaussagen und im Trend gleichen sich die Aussagen mit denen des Jahres 1997. Die soziale Differenzierung in der Stadt nimmt zu, die Kluft zwischen Arm und Reich ebenso. Die Sozialdaten benachteiligter Stadtteile und Stadtgebiete mit hoher Arbeitslosigkeit, hohem Anteil an Sozialbedürftigen ist auch gleich geblieben, in einigen Teilen sogar gewachsen. Die Quintessenz – und das wissen auch Sie –, der Entwicklungstrend ist nicht neu, es hat sich nur ausdifferenziert, aber Gegenstrategien sind nicht in Sicht. Sie lasses es laufen, wie es läuft.
Ihr Haushalt ist, wie auch die anderen Teilhaushalte, nicht solide aufgestellt. Sie rechnen mit Geldern aus der EU. Sollten diese aber nicht in der geplanten Höhe kommen, ist das löchrige Netz der sozialen Projekte dieser Stadt nur noch ein Strick. Da ist Tauziehen angesagt. Die Servicegesellschaften mögen noch auf Ihrer Seite stehen, die Mehrzahl der vielen anderen sozialen Projekte in der Stadt wohl aber schon längst nicht mehr. Und das werden Sie zu spüren bekommen. Herr Böger hat es in seinem Ressort schon gemerkt.
Neben einer unterentwickelten sozialen Infrastruktur stehen die Projekte im Zuwendungsbereich der freien Träger mit ihrer Finanzierungspolitik nicht nur vor einer schwierigen Finanzsituation, sondern sie haben einen erheblichen Substanzverlust in der Qualität ihrer Arbeit hinzunehmen. Sie leben von der Hand in den Mund – und das seit Jahren.
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Frau Schöttler, Sie haben mit Ach und Krach, auch unter dem Druck aller Fraktionen, den Telebus finanziert,
da brauchten Sie Druck und zwar von allen Fraktionen –, die Nachbarschafts- und Stadtteilzentren zum Teil finanziert – deren Zukunft ist nach wie vor offen –, die Seniorenarbeit zum Teil auch finanziert. Aber darüber hinausgehende Einsichten in die Notwendigkeit der Finanzierung der sozialen Struktur, der Netze in dieser Stadt, haben Sie noch nicht überzeugend darstellen können. Auch die Fraktion der CDU und der SPD werden lernen müssen, dass Druck von den Projekten dieser Stadt ausgehen wird, wenn hier nicht endlich ein Konzept vorgelegt wird, das solide diese für den sozialen Frieden in der Stadt notwendigen Projekte sichert.
Frau Schöttler, Sie werden künftig die Projekte evaluieren müssen. Sie werden Schwerpunkte in Ihrem Bereich vorgeben müssen. Sie werden die Strukturen überarbeiten müssen, um sich in Ihrem Senat überhaupt noch durchsetzen zu können. Sie sind dort – mit Verlaub – das schwächste Kettenglied, und Sie werden daran gemessen werden, wie Sie sich für die sozialen Projekte und Belange in dieser Stadt einsetzen werden.
Das wird auch deutlich im zweiten Schwerpunkt, in der Krankenhauspolitik. Hier hat man den Eindruck, dass Chaostheoretiker am Werk gewesen sind. Aber diese hätten wohl zum Schluss ein anderes Konzept vorgelegt.
Die Krankenhausplanung in dieser Stadt ist ein Synonym für Chaosplanung. Der Krankenhausplan orientierte sich nicht an seiner eigentlichen Aufgabe – an einer humanen und bedarfsgerechten stationären Versorgung der Menschen in dieser Stadt. Er unterliegt – und das wissen alle – dem Diktat eines mit den Krankenkassen ausgehandelten Budgets und Beitragssenkungsvereinbarungskomplott, das dazu beiträgt, dass die Krankenhäuser zu Lasten der Patienten und der Menschen in dieser Stadt ausgeblutet werden. Die PDS hat diesen Versuch, den Sie gestartet haben, Krankenhausplanung als Instrument der Sanierung der Berliner Krankenkassen misszuverstehen, von Anfang an kritisiert und zurückgewiesen. Sie haben jetzt den Salat und den täglichen Druck auszubaden. Mit den Folgen einer solchen Politik werden Sie konfrontiert. Planungsunsicherheit, wie Sie das in der Krankenhauspolitik vorgelegt haben und wie wir das ganz speziell für das Klinikum Buch erleben, spiegelt sich auch in den anderen Kliniken dieser Stadt wider. Moabit, Zehlendorf, das Max-Bürger-Zentrum, die Franz-Volhard- und die Robert-RössleKlinik sind Namen, die in dieser Stadt für Chaosplanung in der Krankenhauspolitik jedem Bürger und jeder Bürgerin schon bekannt sind.
Neben dieser Chaosplanung, die Sie im Krankenhausbereich vorgelegt haben, haben Sie auch eine Chaosplanung im Personalkonzept vorgelegt. Hier stimmt die Finanzierung nicht. Es gibt erhebliche Risiken in dieser Finanzierung. Das wissen Sie, und das weiß auch die Koalition. Die geplanten Maßnahmen des Personalabbaus: allein im Jahr 2000 144 Millionen DM. 44 Millionen DM davon sind vom Senat untersetzt. Der Rest fehlt dem Haushalt. Das Prinzip Hoffnung soll hier eingestellt werden. Wir hoffen, Sie werden mit diesem Prinzip scheitern, damit endlich eine klare Politik auf den Tisch kommt.
Das Gleiche gilt für den Bettenabbau: 2 640 Betten abzubauen, ist in diesem Jahr nicht zu schaffen – es sei denn, Sie übersetzen das damit, dass Sie sich den Interessen von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern dieser Stadt widersetzen wollen. Das sind Unwägbarkeiten, die sich in der Folge durch Ihren Haushaltsentwurf ziehen; das sind die fehlenden Konzepte für den Einsatz der Bundesmittel; das sind die fehlenden Konzepte für den Einsatz der entsprechenden Baumittel, die Sie nicht untersetzen konnten. Wir haben im Hauptausschuss und im Unterausschuss Krankenhaus eine Politik der Schadensbegrenzung betrieben, um den Schaden für die Stadt Berlin abzuwehren, der durch diese Planung entstanden ist.
Frau Schöttler, gestehen Sie sich zukünftig in dem Planansatz für Ihren Haushaltsplan 2001 selbst mehr Mut zu, um die wirklichen Probleme in dieser Stadt anzupacken. Das Chaos in der Krankenhausplanung und Ihr Chaos in der Sozialplanung waren kein guter Einstieg. Tun Sie sich das nicht an und dieser Stadt auch nicht. Trotz allem wünsche ich Ihnen: Kopf hoch, Frau Schöttler, und nicht die Hände; das kann sich die Stadt nicht leisten!