Protocol of the Session on November 16, 2000

[Sen Branoner: Lange Frage – lange Antwort!]

Der Fragesteller hat das Wort für eine kurze Zusatzfrage.

Herr Senator! Die Messe hat offensichtlich dem Senat einen ganzen Wunschkatalog vorgelegt. Man fragt sich dann schon, was dort eigentlich in den letzten Jahren ausgebaut worden ist. Können Sie bestätigen, dass unter dem Finanzierungsbedarf von 680 Millionen DM etwa 200 Millionen DM für eine neue Halle vorgesehen sind, weil die Messe der Meinung ist, sich ansonsten nicht für ein Presse- und Fernsehzentrum für die Fußballweltmeisterschaft bewerben zu können? Ich erinnere daran, dass in den letzten Jahren durch Vorfinanzierungen bereits über 1 Milliarde DM für neue Hallen ausgegeben worden ist.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaebler! Es sind über 2 Milliarden DM für die baulichen Maßnahmen der Messe ausgegeben worden.

[Gaebler (SPD): Noch schlimmer!]

742 Millionen DM sind der Finanzierungsanteil von 2001 bis 2005. Das ist nicht „noch schlimmer“, sondern war letztlich auch eine Entscheidung des Parlaments, bei den Messebauten zu investieren, um zu erreichen, dass die Messe mit dann 180 000 qm Nutzflächen in die vordere Spitze der nationalen und internationalen Angebote – vor allem in Europa – im Messeund Kongressgeschäft stoßen kann. Das war mit Sicherheit eine richtige Entscheidung. Man könnte unter Umständen darüber nachdenken, ob es richtig war, einen so umfänglichen städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen und die Messehallen mit diesem Standard zu bauen. Dies ist aber eine sehr rückwärts gewandte Frage, und man sollte sich jetzt eher auf die Zukunft besinnen.

Das in der Messe erarbeitete Gesamtkonzept – das ist kein „Wunschkatalog“, auch wenn wir kurz vor Weihnachten sind – hat sich daran orientiert, welche Möglichkeiten wir durch das Kerngeschäft der Messe auf der einen Seite mit den vorhandenen Produkten haben – die sind nicht auf alle Zeiten fortgeschrieben, denn wer weiß schon, ob es in 5 oder in 10 Jahren noch eine Grüne Woche oder eine ITB oder eine Funkausstellung in dieser Art und Weise gibt; das gibt jedes Jahr Kämpfe um Inhalt und Konzepte und um Teilnehmer – und welche Nischen es überhaupt dort gibt. Der Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie, neue Medien, ist nach meiner Auffassung der richtige. Und dafür benötigen wir auch bauliche Antworten und eine Infrastruktur. Die Infrastruktur auf dem Gelände in Bezug auf IT ist überhaupt nicht ausreichend und ist innerhalb dieser 680 Millionen DM enthalten.

Ihre ganz speziellen Frage, ob eine Halle für ein Presse- und Fernsehzentrum zur Fußball-WM 2006 notwendig sei, wird nicht von Ihnen gestellt worden sein, um eine Bewerbung an sich in Frage zu stellen. Sicherlich werden auch Sie nachvollziehen können, dass es mehr als Sinn macht, dass wir uns um den Austragungsort und das entsprechende Medienzentrum in Deutschland bewerben. Das hat die Messe Berlin getan. Die Flächenanforderungen auf der einen Seite und die Zeitanforderungen auf der anderen Seite, nämlich zwischen 35 000 bis 40 000 qm Nutzfläche für rund 18 000 bis 20 000 Journalisten – unabhängig von der Frage, woher die alle kommen – für einen Zeitraum bis zu anderthalb Jahren würde bedeuten, dass wir das ICC und eine ganze Halle für einen langen Zeitraum nicht für anderes Geschäft verwenden könnten, wo wir allerdings heute bereits zum Teil vertraglich gebunden ist. Wir sind auf alle Hallenkapazitäten angewiesen und werden deshalb nicht die Chance haben, über einen so langen Zeitraum uns einfach von einer Halle zu trennen, sie zur Verfügung zu stellen und medial aufzubauen. Eine der neuen Hallen wäre für diesen Zweck ohnehin nicht geeignet, weil ganz andere, flexible Grundrisse benötigt werden. Diese in Rede stehende Halle soll nicht nur für die WM-Austragung gebaut werden, sondern als medial hervorragend ausgestattete Halle als Kernstück für das neue Messegeschäft und neue Akquisitionen genutzt werden können. Sie stellt insofern lediglich eine Anfangs- oder Zwischennutzung für die FußballWM 2006 dar.

Ich habe auch von dem Vorschlag gehört, man sollte aus der Erfahrung von Sydney überlegen, mehrere alte, über die Stadt verteilte Hallen oder Büro- bzw. Gewerbestandorte heranziehen. Ich halte nichts von einer solchen Konzeption, weil die Journalisten in der Regel eine Konzentration an einem Punkt benötigen. Der Kick einer neuen Messehalle ist es auch, durch die direkte S-Bahnverbindung vom Messegelände zum Olympia-Stadion in nur 4 Minuten die Journalisten in einem Shuttlebetrieb hin- und hertransportieren zu können. Das bietet die Einmaligkeit der Konzeption im Gegensatz zu Städten wie Frankfurt, Düsseldorf, Köln und München, die sich ebenfalls um das Medienzentrum bewerben. Deswegen halte ich diese Investition für richtig.

(A) (C)

(B) (D)

Eine weitere Zusatzfrage durch den Fragesteller – bitte sehr!

Herr Senator! Es drängt sich schon der Eindruck auf, dass bei den anderen Hallenneubauten gewisse Versäumnisse bei der Ausstattung festzustellen sind.

Ich halte es schon für einen ziemlichen Wunschzettel, der von der Messe vorgelegt worden ist – vielleicht passend zu Weihnachten, aber nicht zum Berliner Landeshaushalt. Sie wolle etliche Grundstücke an die Messe übertragen, unter anderem Grundstücke, die zurzeit im Eigentum des Bezirks Charlottenburg sind und für die auch bestimmte städtebauliche Planungen bestehen. Inwieweit wird das eigentlich noch mit dem Bezirk abgestimmt? Ansonsten findet offensichtlich ein Geschäft zu Lasten Dritter statt.

Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gaebler! Es kann kein Geschäft zu Lasten Dritter sein. Ich weise darauf hin, dass Berlin e i n e n Landeshaushalt hat. Die Messe gehört als GmbH bis auf 3 0⁄00 dem Land Berlin, die Grundstücke gehören dem Land Berlin. Das Land Berlin hat in der Vergangenheit die baulichen Investitionen getätigt. Deswegen ist jede Maßnahme zur Stärkung der Messe zugleich eine Entlastung der Rechtstellung Berlins, sowohl als Eigentümer als auch als Zuwendungsgeber oder derjenige, der bisher das Geld für bauliche Investitionen gegeben hat. Vielleicht kann man das noch einmal verinnerlichen: Die Messe sind wir als Berlin.

[Vereinzelt Heiterkeit]

Es findet morgen unter der Leitung von Herrn Staatssekretär Liepelt – unter Beteiligung von Herrn Staatssekretär Dr. Stimmann – ein Gespräch mit dem Bezirk Charlottenburg statt. Das ist übrigens nicht das erste Gespräch. Die Messegeschäftsführung war beim Bezirk und hat von den Plänen berichtet. Sie haben allerdings mitgeteilt, dass es sich zunächst noch um einen vertraulichen Vorgang handelt, um die unterschiedlichen Varianten abzuprüfen und eine frühzeitige Einbindung der beteiligten Stelle zu erreichen. Deswegen haben die Abstimmungen zwischen Messegesellschaft und Senat in bilateralen Gesprächen stattgefunden. Es gab dann allerdings offensichtlich den erheblichen Drang einiger, nach außen zu gehen und ein Stück weit einseitig die Öffentlichkeit zu informieren.

Der Bezirk – ich kann das nur noch einmal dazusagen – wird eingebunden, insbesondere über die städtebaulichen Fragen. Auch bei der Entscheidung über die Vergabe der Grundstücke nach der Grundstücksordnung muss eine Feststellung des Projekts von gesamtstädtischer Bedeutung erfolgen. Hier wird es darum gehen, ob es lediglich die damit verbundene Grundstücksübertragung betrifft oder auch das Planungsverfahren. Wenn der Bezirk das Planungsverfahren durchführen kann und will, ist er uns mehr als herzlich willkommen, gemeinsam an der Realisierung dieses ehrgeizigen Messekonzepts mitzutun.

Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Liebich von der Fraktion der PDS!

Herr Branoner! Eingedenk Ihrer Worte: „Die Messe sind wir.“ und der bereits bei der Frage vorher festgestellten Probleme im Haushalt des Landes Berlin: Was spricht dagegen, statt der Messe Grundstücke zu übertragen und ihr damit die Möglichkeit zu geben, Kredite aufzunehmen und damit eine neue Messehalle zu bauen, ihr das ICC zu übertragen, das nach eigenem Bekunden für die Messe sehr wichtig ist, und ihr auch die Aufgabe zu übertragen, das ICC zu sanieren und zu bewirtschaften?

Herr Senator, bitte!

Herr Kollege Liebich! Das war vermutlich eine rhetorische Frage, ich will sie nur kurz beantworten. Das ICC ist da, es gehört Berlin, und es ist ein erheblicher Instandsetzungsrückstand und Modernisierungsbedarf entstanden.

[Wolf (PDS): Das ICC sind wir!]

Die Messe soll in der Tat – aus meiner Sicht, aus Sicht des Senats, auch des Kollegen Kurth – das ICC betreiben und gleichzeitig dazu beitragen, dass das Betriebskostendefizit abgebaut wird. Über Sinn und Zweck solcher Hallen und der Kombination will ich gar nichts sagen.

Auf der anderen Seite ist mit den jetzt vorhandenen Hallenkapazitäten eine solche Bewerbung für die Fußball-WM 2006 nicht darstellbar, nicht realistisch.

[Sen Strieder: Richtig informativ heute!]

Von da her erübrigt sich die Frage. Sie brauchen beides, nicht entweder – oder.

Die nächste Zusatzfrage geht an Herrn Abgeordneten Eßer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen!

„Die Messe sind wir. Die Messe soll das ICC betreiben.“ – Das sind zwei Sätze von Ihnen, Herr Branoner. Trotzdem habe ich noch eine Frage: Eines der im Eingangsbereich Süd geplanten Gebäude sollte ein Kongresshotel sein. Wie wollen Sie gewährleisten, dass Hotel und ICC von einer Hand geführt werden, was unternehmerisch wohl das Sinnvollste sein dürfte?

Herr Senator!

Herr Abgeordneter Eßer! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Südeingang wird es kein Hotelgebäude geben. Das waren die Pläne der früheren Messegeschäftsleitung. Die haben wir ad acta gelegt. Es wird ein Hotel oder vielleicht zwei Hotels im Nordbereich geben. Sie haben vollkommen Recht, mit dem Dreiklang, der erforderlich ist – Kongressaktivitäten und Angebot, Messeaktivitäten und Angebot und Hotelaktivitäten und Angebot –, wird eine sinnvolle Vermarktung möglich werden.

Ihr Plädoyer war vermutlich nicht, so habe ich Sie jedenfalls nicht verstanden und würde es auch nicht unterstützen, dass die Messe ein Hotel dort und auch noch selbst betreibt. Es wird dagegen eine Vermarktungsgemeinschaft geben können. Bei der Ausschreibung für einen Hotelinvestor – unter Umständen bei beiden Ausschreibungen für zwei Hotelbetreiber – werden wir darauf achten und die Frage stellen, ob und inwieweit ein Interesse an dem gemeinsamen Betrieb oder an einer Vermarktungs- und Marketingstrategie und damit auch gemeinsamen Organisationsebene besteht. Somit könnten wir eine Art Umwegfinanzierung, Rentabilitätsfinanzierung bekommen, indem der eine etwas akquiriert, wovon der andere etwas hat, einen gewissen Anteil an Geld oder anderen Geldwertenvorteil hat, und sich die gemeinsame Akquisition deswegen mehr auswirkt.

Wir haben nicht die Zeit, um zu warten, bis die Frage der Grundstücksübertragung und der Suche des Hotelinvestors geklärt ist, um sich dann erst mit dem Thema ICC zu beschäftigen – Sie kennen die Haushaltssituation. Ich gehe davon aus, dass es uns gelingt, zum ICC im ersten Quartal des nächsten Jahres eine Lösung zu finden. Die Auswahl des Hotelinvestors, vermute ich einmal, weil oft planungsrechtliche Fragen vorgeklärt werden müssen, wird sich in diesem Zeitraum nicht erledigen lassen, sondern einen längeren Zeitraum – vielleicht bis zum Ende des zweiten oder dritten Quartals 2001 – benötigen.

(A) (C)

(B) (D)

Wir kommen zur nächsten Frage. Herr Abgeordneter Sayan von der Fraktion der PDS hat die Frage nach der

Einbürgerung nichtdeutscher Kinder nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz

Bitte sehr, Herr Sayan!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Erklärung kann der Senat dafür geben, dass von den in Berlin rund 30 000 antragsberechtigten nichtdeutschen Kindern nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz bisher lediglich 1 200 – also nur 4 % – diese Möglichkeit genutzt haben?

2. Welche Maßnahmen und Initiativen hat der Senat ergriffen bzw. will er ergreifen, um diese Einbürgerungshindernisse, speziell die hohen Einbürgerungsgebühren für die betroffenen Kinder vor Ablauf der Antragsfrist abzubauen?

Herr Senator Werthebach, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Sayan! Ich gebe zunächst die Antwort auf Ihre erste Frage.

Die Ursache für die relativ geringe Antragszahl für Einbürgerungen nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz erschließt sich dem Senat nicht aus den vorliegenden Antrags- und Einbürgerungszahlen. Ein Grund kann darin liegen, dass einige Eltern anspruchsberechtigter Kinder die auch vom Senat als vorteilhafter angesehene Miteinbürgerung von Kindern nach § 85 Absatz 2 Ausländergesetz bevorzugen. Dies hat gegenüber der Einbürgerung nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz den entscheidenden Vorzug, dass die Betroffenen sich nicht mit Vollendung des 18. Lebensjahres für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen. Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung der Ausländerbeauftragten von Berlin, dass insgesamt das Interesse der ausländischen Bürger an der Einbürgerung relativ gering ist.

Zu Ihrer zweiten Frage: Der Bundesgesetzgeber hat die Gebühr für die Einbürgerung nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz – ich betone: es handelt sich um eine bundesgesetzliche Regelung – in § 38 Absatz 2 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz grundsätzlich mit 500 DM festgesetzt. Gemäß § 38 Absatz 2 Satz 4 Staatsangehörigkeitsgesetz kann allerdings in Einzelfällen aus Gründen der Billigkeit und des öffentlichen Interesses eine Gebührenermäßigung oder eine Gebührenbefreiung in Betracht kommen. Dagegen beträgt die Gebühr für die Miteinbürgerung von Kindern nach dem genannten § 38 generell nur 100 DM.

Bereits Anfang des Jahres hat die Ausländerbeauftragte des Senats in Absprache mit der Senatsverwaltung für Inneres eine Informationsbroschüre und einen Elternbrief über die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung nach § 40 b Staatsangehörigkeitsgesetz herausgegeben. Die Broschüre ist berlinweit in allen bekannten Beratungsstellen verfügbar und enthält auch Hinweise auf mögliche Gebührenermäßigungen und -befreiungen.

Die Senatsverwaltung für Inneres hat zusätzlich mit einem Rundschreiben gegenüber den für die Antragsbearbeitung zuständigen Bezirksämtern erläutert, unter welchen Voraussetzungen Gründe für eine Gebührenermäßigung oder -befreiung vorliegen können. Dabei hat sie klargestellt, dass bei Vorliegen solcher Gründe das Ermessen regelmäßig zu Gunsten der Antragsberechtigten ausgeübt werden soll.

Damit hat, Herr Abgeordneter, der Senat alle ihm nach geltendem Recht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft.

Herr Präsident! Meine Nachfrage ist an Senator Strieder gerichtet.

Bei der Fragestunde geht die Frage nur an den Senat. Es bleibt dem Senat überlassen, wer antwortet. – Bitte sehr, Sie können aber die Frage trotzdem stellen.