Bei der Fragestunde geht die Frage nur an den Senat. Es bleibt dem Senat überlassen, wer antwortet. – Bitte sehr, Sie können aber die Frage trotzdem stellen.
Herr Senator Strieder hat vor einigen Tagen auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Türkischen Bund Herrn Werthebach wegen zu geringer Werbung und Aufklärung hinsichtlich der erleichterten Einbürgerung kritisiert und die Absenkung der Einbürgerungsgebühr von 500 auf 300 DM gefordert. Welche entsprechende parlamentarische Initiative hat es in diesem Sinne gegeben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Sayan! Ich habe am Rande der letzten Senatssitzung auch diese Frage mit Herrn Strieder erörtert. Außerdem darf ich hinzufügen, dass es im Moment keine Initiativen geben kann. Das Gesetz ist erst vor kurzem in Kraft getreten. Es ist eine bundesgesetzliche Regelung, die demgemäß vom Bundesgesetzgeber evaluiert werden muss und sicherlich auch evaluiert werden wird. Im Moment sehe ich keinen Handlungsbedarf. Im Übrigen war offensichtlich auch in diesem Gespräch das Rundschreiben, das ich eben zitierte, nicht bekannt.
Herr Präsident! Ich darf ja nur den Senat insgesamt fragen; sonst hätte ich Sie, Herr Böger, gern persönlich gefragt, weil Sie mit dem Thema als Schulsenator – Sie haben sich auch in der Öffentlichkeit geäußert – sehr viel zu tun haben. Ich frage den Senat insgesamt, wer immer darauf antwortet: Herr Werthebach, Sie haben eben gesagt, Gebühren können gesenkt werden, wenn es im öffentlichen Interesse des Landes Berlin steht. Ich zitiere Sie und den Gesetzesentwurf. Darum frage ich nun ganz direkt: Sind Sie nicht mir mir und uns der Meinung, das es ein hohes öffentliches Interesse Berlin ist, eine Einbürgerung dieser Kinder unter 10 Jahren zu erreichen? Warum sind Sie nicht unserem Ansinnen, das wir zu Anfang des Jahres in einem Antrag dargestellt haben, gefolgt, in dem vorgeschlagen wurde, a) bei Familien mit mehreren Kindern, die jeweils 500 DM bezahlen müssen – wenn sie 4 Kinder unter 10 Jahren haben, sind das 2 000 DM –, die Gebühren deutlich zu senken und b) auch das gruppennützige Kriterium anzuwenden, also wenn Familien knapp bei Kasse sind und Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe oder Wohngeld beziehen, von Vornherein eine Senkung in Betracht zu ziehen? Sind Sie nicht abschließend mit uns der Meinung, dass dann die Einbürgerungsquote dieser Kinder eine weitaus höhere gewesen wäre als die kläglichen 1 200 von 30 000 Kindern in Berlin, die Sie nun erreicht haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Berger! Zum Teil habe ich Ihre Fragen schon beantwortet. Aber ich will gern noch einmal darauf eingehen, ob und inwieweit ein Interesse an Einbürgerungen besteht, und berufe mich dabei auf eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Kronzeugin, nämlich unsere Ausländerbeauftragte. Frau John hat gesagt, dass das Interesse der ausländischen Bürger an der Einbürgerung offensichtlich gering sei. Sie hat es aber auch begründet und gesagt, auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft genieße man in Deutschland relativ viele Rechte. Viele Ausländer würden durch die Einbürgerung lediglich das Wahlrecht hinzugewinnen. Das
allein reiche als Anreiz möglicherweise nicht aus. Dann hat Frau John noch einen Satz gesagt, nämlich dass die Gebühren, wie von Ihnen angenommen, nicht diese Hürde seien. Diese Ausführungen sind von einer Expertin gemacht worden, und wir alle können die Gründe nicht präzise nenne. Wir alle können nur spekulieren. Diese Ausführungen der Expertin sind insofern überzeugend. [Berger (Grüne): Die Elternvereine haben das ganz anders dargestellt!]
Ich frage den Senat: Herr Werthebach! In wie vielen Fällen hat es einen Antrag auf Gebührensenkung gemäß § 38 Ausländergesetz gegeben, und wie vielen haben Sie stattgegeben? Ich möchte auch gern wissen, wie Sie den Umstand erklären, dass in Berlin als Spitzenreiter in Sachen Einbürgerung, zumindest in den vergangenen Jahren, jetzt mit eindeutigen Erleichterungen durch das neue Gesetz die Zahlen rückläufig sind. Dafür müsste es doch Gründe geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Mutlu! Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, wie viele Anträge in den ersten neun Monaten dieses Jahres gestellt wurden, und zwar differenziert, ob sie nach § 40 b oder nach dem Ausländergesetz gestellt wurden. Dabei ist zu registrieren, dass diese Zahlen etwa gleich hoch sind. Bei den Anträgen auf Einbürgerung nach dem Ausländergesetz ergeben sich 1 257 Anträge; Anträge nach § 40 b des Staatsangehörigkeitsgesetzes ergeben die Zahl von 1 191 Anträgen. Wenn Sie die Zahl der Einbürgerungen im Jahr 2 000, hochgerechnet auf die Zahl am Ende des Jahres, mit den Zahlen in früheren Jahren vergleichen, stellen Sie fest, dass sie sich im Jahr 2 000 etwa auf dem Level bewegen, die 1997 und 1998 gegeben waren. Dass es 1999 etwa 1 500 Einbürgerungen mehr gab, hängt möglicherweise damit zusammen, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz, das die Bundesregierung erlassen hat, aus der Sicht der Ausländer keine Verbesserung, sondern eine Verschärfung bedeutet.
Ich frage den Senat – ich weiß nicht, wer antworten möchte –: Erkundigen Sie sich nicht einmal nach der Verfahrensweise in anderen Bundesländern? Das Argumentationsmuster, dass bundesgesetzliche Regelungen vorhanden sind, ist immer wieder das gleiche. Ist Ihnen bekannt, ob andere Großstädte andere Verfahrensweisen zur Gebührensenkung gefunden haben, oder ist Ihnen bekannt geworden, dass das Bundesinnenministerium in irgendeiner Weise an der Verfahrensweise anderer Städte Kritik geäußert hätte?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch hier darf ich mich wiederum auf die eben von mir zitierte Expertin Frau John beziehen, die festgestellt hat, dass auch in anderen Bundesländern die Einbürgerungszahlen enttäuschend seien. Offensichtlich ist die gleiche Entwicklung in anderen Bundesländern zu registrieren. Ich weise aber darauf hin, dass dieses Gesetz gerade einmal 11 Monate in Kraft ist und wir derzeit überall nur Zahlen haben, die die ersten drei Quartale ausweisen. Ich bin gern bereit, im Laufe des nächsten Jahres auf gesicherteren Zahlen eine ergänzende Antwort zu geben.
1. Welche Gründe sind für die Verzögerung des Umzugs des Landesarchivs Berlin in die Räume am Standort Eichborndamm verantwortlich, und warum muss deswegen das Landesarchiv vom 1. Dezember 2000 bis zum Herbst 2001 geschlossen werden?
2. Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass durch diese Schließung für mindestens neun Monate u. a. die Claims Conference und die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Zwangsarbeiterentschädigung fundamental an der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben gehindert sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ströver! Mit dem Landesarchiv verhält es sich wie folgt:
Zu Ihrer Frage 1: Der Mietkaufvertrag für das bebaute Grundstück am Eichborndamm in Reinickendorf für die neue Unterbringung des Landesarchivs wurde am 26. Juni notariell beurkundet. Die für die Rechtswirksamkeit des Mietkaufvertrags erforderliche Zustimmung des Abgeordnetenhauses wurde am 13. Juli 2000 erteilt. Der Mietkaufvertrag sieht vor, dass nach Abschluss der umfangreichen Umbau- und Renovierungsmaßnahmen die Übergabe des neuen Archivgebäudes an das Land Berlin spätestens am 30. Juni 2001 erfolgen wird.
Warum diese Überschneidung? – Der Mietvertrag für den derzeitigen Standort Kalckreuthstraße endete bereits zum 31. Dezember 2000. Dies war schon eine Verlängerung, denn 1999 endete er nach 25 Jahren. Mit dem privaten Vermieter wurden rechtzeitig – jedoch erfolglos – Gespräche über die erforderliche Vertragsverlängerung geführt. Gleichwohl hat er mit einem Nachmieter einen neuen Mietvertrag geschlossen, und zwar mit Mietbeginn zum 1. Mai 2001. Darüber hinaus ist vor dem Landgericht Berlin eine Räumungsklage gegen das Land Berlin anhängig. Um dem Nachmieter die von ihm gewünschten Umbaumaßnahmen zu ermöglichen und vor allem um eventuelle Schadensersatzansprüche zu verhindern bzw. zu mindern, wird das Land Berlin zum 1. Mai 2001 drei Etagen am Standort Kalckreuthstraße räumen. Die dort befindlichen Magazinbestände werden in einem Depot zwischengelagert, bis das Landesarchiv Berlin seinen neuen, renovierten und technisch auf den richtigen Stand gebrachten Standort in Reinickendorf beziehen kann. Die Vorbereitung und Durchführung dieses Zwischenumzugs erfordert die Schließung des Lesesaals ab Januar 2001 und schließt die Benutzung der Magazinbestände vor Ort aus.
Ich antworte zu 2: Das Landesarchiv Berlin hat insbesondere der Claims Conference mitgeteilt, dass die Beantwortung schriftlicher Anfragen weiterhin erfolgen werde. Dafür stehen alle Justizakten, Teile der Magistratsakten, der SED- und Grundbuchunterlagen, der Bestand des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg sowie die Einwohnermeldekartei zur Verfügung. Damit wird gewährleistet, dass gerade in Rückübertragungs- und Entschädigungsangelegenheiten weiterhin die notwendigen Recherchen stattfinden können. Im Zusammenhang mit der Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen weisen wir darauf hin, dass für Anfragen vorrangig der Internationale Suchdienst in Arolsen zuständig ist, der zum Glück von dieser Schließung nicht betroffen ist. Zwischen dem
Internationalen Suchdienst und dem Landesarchiv Berlin gibt es – wie auch mit anderen staatlichen Archiven – eine enge Zusammenarbeit. Der Senat wird auch weiterhin alles Erforderliche veranlassen, um sicherzustellen, dass das Landesarchiv die ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen kann und Beeinträchtigungen in der Benutzung auf das unumgängliche Maß beschränkt werden.
Herr Senator Stölzl! Können Sie mir sagen, warum der Vertrag für die Nutzung des Standorts Eichborndamm erst im Sommer 2000 unterzeichnet wurde, obwohl alle wussten, dass der dortige Investor ein Jahr Vorlaufzeit braucht, um das Haus benutzungsfähig zu machen? Warum hat man nicht sofort versucht, Ersatzflächen zu finden, um diese Übergangssituation der Schließung zu überbrücken? Diese wird nicht im Juni 2001 beendet sein, sondern eine Wiedereröffnung des Landesarchivs wird frühestens am 1. Oktober oder 1. November des Jahres 2001 zu erwarten sein.
Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Frau Ströver! Auf die zweite Frage kann man sehr einfach antworten. Die Anmietung eines Ersatzstandortes für diese relativ kurze Zeit samt Transport- und Einrichtungskosten hätten den Landeshaushalt und besonders den Einzelplan 17 überfordert. Ich kann nicht genau Auskunft geben, wie die Planungsverläufe vor der Zeit, in der ich verantwortlich bin, waren.
Die Entscheidung für den neuen Standort fiel im Herbst 1999. In der Zeit bis zum notariellen Abschluss ist hart und fair verhandelt worden. Es ist nicht zu verhindern, dass ein Investor sich Zeit nimmt, bis er tatsächlich „zu Potte“ kommt. Die Vorlaufzeit ist dadurch gekennzeichnet, dass der 25-jährige Mietvertrag im Jahre 1999 auslief und der Vermieter in der Kalckreuthstraße nur willens war, für weitere fünf Jahre einen Mietvertrag abzuschließen. Dies war nicht im Sinne des Landes Berlin, weil eine endgültige Lösung vom Standort Kalckreuthstraße bereits geschlossen war. Die einjährige Verlängerung war das Äußerste, was damals mit dem Vermieter zu ermöglichen war.
Offensichtlich fühlen Sie sich nicht für Ihre Verwaltung verantwortlich oder zuständig. Das Ganze kommt einem Schildbürgerstreich gleich. Glauben Sie wirklich, dass bei einem Aktenbestand von 30 km die Nutzung in einem Depot im Westhafen denkbar ist, um die Arbeit von Standesämtern, Gerichten, Claims Conference und Zwangsarbeiterstiftung weiterhin sicherzustellen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ströver! Selbstverständlich fühle ich mich für die Verwaltung verantwortlich. Es ist nur klar nach der Aktenlage zu sehen, dass in der Spannung zwischen dem nicht weiter vermietwilligen Vermieter und den Verhandlungen mit dem neuen Vermieter offenbar kein schnellerer Vertragsabschluss möglich war.
Ihre letzte Frage habe ich klar beantwortet: Die notwendigen Auskünfte dieses Archivs werden trotz der provisorischen Situation gegeben werden können. Darauf habe ich das Wort gegeben. Selbstverständlich werden notwendige Archivbenutzungen nicht behindert werden. Dass Kulturinstitutionen – Museen usw. – durch Umbauzeiten dann und wann eine eingeschränkte Benutzungsmöglichkeit haben,
muss man hinnehmen, wenn man nicht so finanzkräftig ist, dass man für diese kurze Zeit eine extrem teure Zwischenlösung finanzieren kann. Dies war nach der Haushaltslage leider nicht möglich.