Protocol of the Session on June 14, 2019

(Zurufe von der SPD: Aha! - Heiterkeit SPD)

meines Wissens seit einigen Jahren von einem grünen Minis terpräsidenten regiert. Deshalb ist die Klimadebatte natürlich auch eine Debatte über die Frage: Wie gehen wir im Klima schutz vor und wie gehen wir mit den Menschen um, die be troffen sind? Wenn ich von mehr als 30 % in Brandenburg spreche, dann können wir aus Klimaschutzsicht eigentlich stolz sein. Wir wissen aber, woher diese über 30 % kommen: aus dem flächendeckenden Abbau der ostdeutschen und der brandenburgischen Industrie in den 90er-Jahren. Das ist der Punkt, um den es geht, und das darf uns nicht wieder passieren. Klimadebatten tragen nur so weit, wie sie auch die Menschen in den Regionen mitnehmen.

Herr Raschke, eines nehme ich Ihnen ein wenig übel: Sie ha ben vorhin eine sehr gute Rede gehalten, aber wir sollten den Kompromiss der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ nicht infrage stellen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Von vielen Seiten wird versucht, neue Aspekte hineinzuformu lieren. Es ist eine riesengroße Errungenschaft, in einem so tief greifenden Konflikt, der die Gesellschaft auseinandergerissen hat, so unversöhnliche Seiten wie Greenpeace und die Berg baugewerkschaft an einen Tisch zu bringen und am Ende einen Kompromiss zu erzielen, der - davon bin ich fest überzeugt - richtig gut ist: ein guter Kompromiss für den Klimaschutz, für die betroffenen Regionen und vor allem auch für die Beschäf tigten.

(Beifall SPD - Gespräche zwischen Abgeordneten der Fraktion B90/GRÜNE)

- Nun sind Sie wohl unter sich beschäftigt?

Dies infrage zu stellen halte ich für falsch - Punkt 1.

Punkt 2: Für mich ist dieser Kompromiss auch ein Zeichen für

Optimismus und Hoffnung, dass es gelingen kann, in Deutsch land auch tiefgreifende gesellschaftliche Auseinandersetzun gen auf eine gute Art und Weise zu lösen.

Wenn wir über den Kohleausstieg in Deutschland sprechen, dann müssen wir noch über etwas anderes sprechen: über die Zukunft des deutschen Energieversorgungssystems. Nicht nur im Klimaschutz, was die prozentualen Zahlen betrifft, sondern auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien ist dieses Bun desland deutschlandweit spitze.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Nirgendwo - schon gar nicht in Baden-Württemberg - wird mehr erneuerbare Energie pro Hektar bzw. pro Einwohner er zeugt als bei uns.

(Frau Schinowsky [B90/GRÜNE]: Die sind ja auch nicht seit 30 Jahren in der Regierung! Das ist ein Unterschied!)

- Frau Schinowsky, Sie wissen das doch.

(Frau Schinowsky [B90/GRÜNE]: Seitdem sind Sie dran. Der Vergleich hinkt, und das wissen Sie! - Widerspruch bei der SPD sowie Zuruf: Quatsch!)

- Na gut, warten wir noch 30 Jahre Herr Kretschmann ab und schauen dann noch einmal, was er gemacht hat. Aber da Sie von uns verlangen, alles müsse sofort und immer und heute und morgen passieren,

(Raschke [B90/GRÜNE]: Nicht immer!)

finde ich diese Behauptung schon ein wenig weit hergeholt. Um etwa 3 % wird Baden-Württemberg den Klimagasausstoß 2020 im Vergleich zu 1990 reduziert haben. Das ist so gut wie nichts. Das heißt, wenn Deutschland das Klimaziel nicht er reicht, dann liegt dies vor allem an zwei Bundesländern: Eines davon ist Baden-Württemberg, das andere ist Bayern.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die erneuerba ren Energien in Brandenburg sind nicht ganz problemfrei.

(Abgeordneter Vogel [B90/GRÜNE] tritt an ein Saal mikrofon.)

- Es dauert noch ein Momentchen, Herr Vogel, Sie können sich noch einmal hinsetzen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die große Diskussion, die wir im Energiebereich führen müssen, die riesengroße Heraus forderung, vor der wir stehen, nicht einmal die Strukturent wicklung in der Region ist. Auch das ist eine riesengroße Her ausforderung, aber die allergrößte Herausforderung ist der Um bau des deutschen Energieversorgungssystems. Wenn das nicht passiert, wenn wir es nicht schaffen, erneuerbare Energien dort zu verbrauchen, wo sie erzeugt werden,

(Beifall SPD)

wenn wir es nicht schaffen, damit auch eine positive Wirt schaftsgeschichte für Brandenburg zu schreiben, wenn wir nicht die Rahmenbedingungen auf der Bundesebene ändern, wird die Energiewende scheitern. Das sage ich Ihnen so, wie

ich hier stehe. Ich brauche dafür auch Ihre Unterstützung. Ich denke, wir haben dabei die gleichen Ziele. In den 90er-Jahren waren ja die Grünen unterwegs und sagten: Erneuerbare Ener gien sind super; sie sind dezentral und brauchen keine großen Übertragungsnetze. - Heute versuchen wir genau das Gegen teil, und es scheint offensichtlich nicht gut zu funktionieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen, dass der Klimaschutz ein zentrales Thema der kommenden Jahre und Jahrzehnte nicht nur für Deutschland, sondern für die Welt ist. Lassen Sie uns mit den Möglichkeiten, die wir haben, daran arbeiten, die Lausitz zu einer Modellregion für Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zu machen. Lassen Sie uns mit die sem Beispiel auch anderen Regionen zeigen, dass es funktio nieren kann und sich Klimaschutz und Wirtschaftswachstum nicht unversöhnlich gegenüberstehen, sondern wir für unser Brandenburg und die hier lebenden Menschen daraus eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte schreiben können. - Danke schön.

(Anhaltender Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, aufgrund der Überschreitung der Redezeit durch die Landesregierung ergibt sich für alle Fraktionen weitere Redezeit. Vorher ist jedoch vom Abgeordneten Vogel eine Kurzintervention angezeigt worden. - Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Ministerpräsident, als Sie sich zu Wort gemeldet haben, habe ich Hoffnung geschöpft, Sie würden darauf eingehen, dass wir alle gemeinsam ein Ziel verfolgen.

(Zuruf von der SPD: Das hat er doch gemacht!)

Ich habe ein solches Zeichen der Hoffnung bei Ihnen allerdings nicht erkennen können.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Sie haben den Kompromiss als ein Zeichen der Hoffnung in Bezug auf Greenpeace und IG BCE dargestellt und dazu aufge fordert, nicht daran zu rütteln. Ich darf Sie daran erinnern, dass dieser Kompromiss für die Einwohner von Proschim kein Zei chen der Hoffnung ist.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wenn Sie schon die einzelnen Exponenten darstellen, müssen Sie auch einräumen, dass es die brandenburgische Landesre gierung gewesen ist, die durch ihre Intervention verhindert hat, ein deutliches Zeichen zu setzen, dass Horno das letzte Dorf in Brandenburg ist, das für die Braunkohle abgebaggert wurde.

(Beifall B90/GRÜNE - Widerspruch SPD)

Wenn Sie herausstellen, dass Baden-Württemberg erst 3,2 % seiner Einsparungen gegenüber 1990 erbracht hat, möchte ich Sie an Folgendes erinnern: Die wesentlichen CO2-Einsparungen, die in Deutschland geleistet werden können, müssen zwangsläu fig in den ehemaligen Kohlegebieten erbracht werden.

(Widerspruch SPD)

Wir haben 1990 in Ostdeutschland 300 Millionen Tonnen Braunkohle - und das heißt 300 Millionen Tonnen CO2-Aus stoß pro Jahr - produziert. Dass wir nun diese Reduzierung um 20 % oder 40 % erreichen, hat etwas mit der Wende und damit zu tun, dass es nach 1990 in wesentlichen Teilen schon einen Ausstieg aus der Braunkohle gegeben hat.

(Ministerpräsident Dr. Woidke: Es sind immer die ande ren!)

Was Sie verschweigen, ist, dass der CO2-Ausstoß seit 1995 aufgrund der steigenden Braunkohleverstromung in Branden burg wieder angestiegen ist.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ja, der Umbau des Energiesystems ist unser aller Aufgabe. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesge setzgebung und das Versteigerungsverfahren dazu geführt ha ben, dass der Ausbau der Windenergie zum Erliegen gekom men ist. Das ist kein Problem, das wir als Land alleine lösen können. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Das wird eine wesentliche Aufgabe in der nächsten Zeit sein. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Herr Ministerpräsident, Sie können auf diese Kurzintervention reagieren.

Lieber Herr Vogel, wenn Sie Klimaschutz auf diese Weise be treiben wollen - indem Sie mit dem Finger auf Menschen oder Regionen zeigen

(Frau Nonnemacher [B90/GRÜNE]: Oh Gott!)

und sagen: „Die müssen liefern!“ -, werden Sie mit diesen Kli maschutzansätzen nicht weit kommen. Es ist viel besser, mit den Menschen gemeinsam voranzugehen, die Dinge ernst zu nehmen und mit den Menschen in den Regionen zu reden und sie mitzunehmen.

(Beifall SPD - Zuruf der Abgeordneten Schinowsky [B90/GRÜNE])

Wenn Sie sagen, nur die Kohle sei schuld, ist das Ihr alter Sing sang. Ich staune nur, was nach dem Kohleausstieg passieren wird. Ich kann es mir schon ungefähr vorstellen: Dann sind es die Gaskraftwerke, und dann kommt irgendetwas anderes, weil Sie offensichtlich immer einen Feind brauchen.