Protocol of the Session on June 14, 2019

Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache und rufe zur Ab stimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, Drucksache 6/11512, zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts der Industrie- und Handelskammern im Land Branden burg, auf. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung und dem Bericht zu? - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Stimmenthal tungen? - Bei einer Stimmenthaltung und einigen Gegenstim men ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen. Damit hat sich der Gesetzentwurf erledigt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 16 und rufe Tagesordnungs punkt 17 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehör dengesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 6/11249

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales

Drucksache 6/11520

Die Aussprache wird vom Abgeordneten Lüttmann eröffnet. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Gast! Es ist ein geradezu treffender Zu fall: Während wir hier sitzen und miteinander über das Ord nungsbehördengesetz diskutieren, zeigt sich in Oranienburg, was es heißt, mit der Bombe zu leben. Während wir hier sitzen - und auch schwitzen -, schwitzen die Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sehr viel mehr; denn sie haben um 15 Uhr die erste Großbombe von 250 kg entschärft und sind gerade mit der Entschärfung der zweiten be schäftigt. Beides sind Großbomben mit Langzeitzündern. Ich denke, diese Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes verdient unseren höchsten Respekt, Anerkennung und Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Heute war wieder einer dieser Tage: Rund 10 000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Das Krankenhaus, eine Senio renresidenz, verschiedene Kitas und Schulen wurden evaku iert. Der Bahnverkehr ist seit heute Morgen - ich glaube, seit 10 Uhr - unterbrochen.

Die besondere Gefährdung Oranienburgs liegt darin, dass dort im Zweiten Weltkrieg Tausende Langzeitzünderbomben - dazu gehören auch die heute entschärften - abgeworfen wurden, die nicht detonierten und nun im märkischen Sand vor sich hin ros ten. Ihre Zünder zersetzen sich langsam, und sie können jeder zeit von selbst hochgehen. Die Kampfmittelbeseitiger sagen im mer: Es ist nicht die Frage, ob sie kommen, sondern nur, wann.

Die besondere Verantwortung der Stadt Oranienburg liegt dar in, dass es die einzige Stadt in Deutschland ist, die nach einem Gutachten systematisch, Quadratmeter pro Quadratmeter, ab gesucht wird. Wer suchet, der findet! Wenn gefunden wird, muss schnell gehandelt werden.

Das Land Brandenburg hat Oranienburg nie allein gelassen. Rund 110 Millionen Euro Landesmittel sind seit 1990 allein für die Bombensuche und Bombenbeseitigung nach Oranien burg geflossen. Das Land hat auch nie nachgelassen, gegen

über dem Bund eine Kostenbeteiligung - noch besser: die volle Kostenübernahme - einzufordern. Diese Mittel fließen seit 2015 und sind bis Ende 2020 zugesagt worden.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Doch wir müssen deutlich schneller werden. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass es gelungen ist, mit dem Haushalt 2019/2020 den Grundstein für das zu legen, worüber wir heute sprechen: die Schaffung einer Modellregion Oranienburg durch Änderung des Ordnungsbehördengesetzes. Der Kampf mittelbeseitigungsdienst bekommt mehr Geld, mehr Kompe tenzen und mehr Personal, um die Bombensuche in Oranien burg - perspektivisch in ganz Brandenburg - zu beschleunigen und qualitativ noch besser zu machen.

Um auf alle Verbesserungen, die die Gesetzesänderung mit sich bringt, einzugehen, fehlt mir die Zeit; man hört es viel leicht. Aber lassen Sie mich einen Aspekt hervorheben: Es ist sehr wichtig, dass die Kosten der Grundwasserabsenkung künftig vom Land übernommen werden können. Warum? Schauen wir auf die beiden Bombenfunde vom heutigen Tag: Sie liegen an der Havel und am Oder-Havel-Kanal. Gerade in diesen schlammigen Uferbereichen sind viele Bomben ver sackt, ohne zu explodieren. In Wassernähe müssen Blindgän ger unter besonders hohem Aufwand trockengelegt werden, bevor sie entschärft werden können. Die Kosten dafür gehen schnell in die Hunderttausende Euro. Auch hierbei dürfen wir Oranienburg nicht alleine lassen.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 74 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs leiden viele Städte und Regionen Bran denburgs noch immer unter der Belastung durch Kampfmittel. Die Erfahrungen der Modellregion Oranienburg, die wir heute auf den Weg bringen, sind deshalb aus meiner Sicht so bald wie möglich auszuwerten und auf das ganze Land auszuwei ten. Packen wir’s an!

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Bommert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Bomben, die heute in Oranienburg entschärft werden, muss man sagen: Ein guter Tag für Oranienburg! Es ist eine tolle Sache, dass heute diese Modellregion auf den Weg gebracht wird. Ich kann mich vielleicht besser als Sie alle daran erinnern; denn noch unter meinem damaligen Landrat und jetzigen Innenminister wurde das Spyra-Gutachten vorgestellt, damals allerdings noch hinter verschlossenen Türen, weil man niemanden in Oranien burg angesichts der bestehenden Gefahr beunruhigen wollte. Heute ist es so: Wenn in Oranienburg eine Bombe entschärft wird, dann wird halt eine Bombe entschärft. Das heißt, man nimmt es nicht mehr so intensiv wahr.

Ich habe erlebt, wie die Krankenhäuser in Oranienburg evaku iert werden mussten; ich war damals im Aufsichtsrat. Was das

für ein Aufwand auch für die Kliniken war, Leute in Busse zu setzen und in andere Krankenhäuser zu fahren! Nur die Patien ten auf der Intensivstation durften bleiben. Wie gesagt, ein Rie senaufwand, nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Krankenhäuser, die für die Gesundheit ihrer Patienten verant wortlich sind.

Wir, die CDU-Fraktion, stellen hier schon seit Langem Anträge zu diesem Thema. Noch in der vergangenen Legislaturperiode wurden sie von einigen belächelt oder gar nicht wahrgenom men; sie wurden jedenfalls abgelehnt. Deshalb freut es mich umso mehr, dass dieser Gesetzentwurf heute verabschiedet wird.

Wir als CDU-Fraktion waren gemeinsam mit Herrn Spyra, der dieses Gutachten erstellt hat, beim damaligen Oranienburger Bürgermeister - und Ex-SPD-Mitglied - Laesicke. Er war sehr froh, dass wir das Anliegen stark aufgenommen und uns immer dafür eingesetzt haben, dass in Oranienburg etwas passiert.

Wie gesagt, ein guter Tag für Oranienburg!

Danke von dieser Stelle aus auch an unseren Kollegen Uwe Feiler; denn er hat sich besonders im Bund dafür eingesetzt, dass die Mittel vom Bund bereitgestellt werden.

(Beifall CDU - Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Oh! bei der SPD - Zuruf von Minister Schröter)

- Hören Sie auf! Er hat es gemacht, lieber Karl-Heinz.

(Abgeordnete Gossmann-Reetz [SPD] deutet auf Minister Schröter: Er war es!)

Wie gesagt, Kollege Feiler hat sehr stark dafür gewirkt. Kolle ge Lüttmann ist nicht im Bund. Kollege Feiler war bei Reh berg; die haben sich dafür stark eingesetzt. Deshalb von mir an dieser Stelle: Danke an Herrn Feiler! Aber auch danke an den Innenminister!

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushalt 2019/2020 haben wir die Voraussetzungen für eine erhebliche Verstärkung der Kampfmittelentsorgung im Land Brandenburg geschaffen. Deshalb sind die positiven Einschätzungen, die meine Vorredner hier getroffen haben, in jedem Fall berechtigt. Das war eine wichtige Entscheidung mit finanziellen Auswir kungen für das Land. Auf dieser Grundlage wird der Kampf mittelbeseitigungsdienst im Land sowohl im Bereich Personal als auch im Bereich Ausstattung erheblich ausgebaut. Wir ha ben auch die Landesmittel für die Kampfmittelbeseitigung er höht, nach meiner Erinnerung um 1 Million Euro pro Jahr.

Ich bin mir sicher, das wird sich positiv auf das gesamte Land, insbesondere aber auf die Stadt Oranienburg auswirken. Dass Oranienburg in besonderer Weise mit den gefährlichen Folge lasten des Zweiten Weltkriegs konfrontiert ist und das tägliche

Leben dort stark davon beeinflusst wird, ist unstrittig. Deshalb erhält Oranienburg mit der Änderung des Ordnungsbehörden gesetzes einen Sonderstatus als Modellregion.

Das hat zur Folge, dass der Zentraldienst der Polizei mit sei nem Kampfmittelbeseitigungsdienst durch gesetzliche Über tragung Aufgaben der Gefahrenabwehr erhält, die auf die Mu nitionsräumung in Oranienburg bezogen sind. Das geschieht ausdrücklich in Übereinstimmung mit, ja auf Wunsch der Stadt Oranienburg. Die Erprobungsphase soll drei Jahre laufen. An schießend ist zu entscheiden, wie es weitergeht, ob und, wenn ja, wie diese Erfahrungen auf andere Regionen und letztlich das ganze Land übertragen werden können.

Wir nehmen noch eine kleine Änderung am Gesetz vor, um dessen optimale Wirkung zu sichern. Es wäre nur schwer ver mittelbar, wenn die beabsichtigte verstärkte Unterstützung der Munitionsentsorgung in Oranienburg bei einer großen laufen den Maßnahme wegen einer Fristenregelung ausgeschlossen würde. Deshalb soll diese Fristsetzung gestrichen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fakt ist, dass uns dieses Pro blem noch lange Zeit begleiten wird. Wir können aber davon ausgehen, dass mit dieser gesetzlichen Regelung ein Stück mehr Sicherheit und auch eine Beschleunigung erreicht wer den. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Kampfmittelbeseitigung im Land Brandenburg ist leider eine Daueraufgabe, die auch gut 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg längst nicht erledigt ist. Nicht nur die Ora nienburger können ein Lied davon singen.

Um zügig voranzukommen, soll vor allem der Zentraldienst der Polizei mit seinem Kampfmittelbeseitigungsdienst als Son derordnungsbehörde auf dem Gebiet der Stadt Oranienburg - als Modell zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren - zu sätzliche Aufgaben erledigen. Die Erledigung dieser Aufgaben hat Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Verwaltung. Die Änderung des Ordnungsbehördengesetzes führt zu Transparenz und Rechtssicherheit bei der Kampfmit telbeseitigung im tatsächlichen Vollzug. Durch die Aufgaben übertragung verstärken wir auch die Kontrolle des Einsatzes technischer Standards. Insgesamt führt das zu einer Optimie rung der Kampfmittelbeseitigung.

Wir begrüßen das Gesetz. Es ist eine gute Maßnahme, um den Oranienburgern zu helfen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben Tau senden Bomben mit konventionellen Aufschlagzündern gingen nach Angaben der Stadt Oranienburg im Jahr 1945 insgesamt auch rund 10 500 Großbomben auf die Stadt nieder, ausgestat tet mit chemischen Langzeitzündern, die erst 12 bis 48 Stunden nach dem Aufprall der Bombe zünden sollten, wenn die Zivil bevölkerung sich bereits wieder in Sicherheit wähnte. Trotz zahlreicher Räumungen und Entschärfungen - seit 1990 wur den gut 200 Bomben entschärft - lauern noch immer etwa 270 Blindgänger mit chemischen Zündern in Oranienburger Böden. Es ist ein Rennen gegen die Zeit; denn die Frage ist weniger, ob sie eines Tages explodieren, sondern eher, wann.