Protocol of the Session on June 14, 2019

Ihren Gesetzentwurf lehnen wir daher als untauglich ab.

(Zuruf von der AfD: Sehr gut!)

Dem Änderungsantrag der CDU stimmen wir zu. Dem Antrag auf personelle Aufstockung des Verfassungsschutzes stimmen wir ebenfalls zu. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Wir setzen die Aussprache fort. - Zu uns spricht die Abgeord nete Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! - Ein wohlgefülltes Plenum jetzt. - Verehrte Gäste! Der vorlie gende Verfassungsschutzgesetzentwurf ist in unseren Augen ein Armutszeugnis. Als Sie von SPD und Linken ihn schrieben, lagen ihnen die Handlungsempfehlungen von neun NSU-Un tersuchungsausschüssen sowie Verfassungsschutzgesetze, un ter anderem aus Thüringen, Niedersachsen und Baden-Würt temberg sowie des Bundes, in denen zumindest etliche dieser Handlungsempfehlungen längst umgesetzt worden sind, vor. Es hätte also genügt, aus bestehenden Gesetzen richtig abzu schreiben, um einen deutlich besseren Gesetzentwurf vorzule gen, als Sie es getan haben.

Die von Ihnen behauptete Stärkung der parlamentarischen Ver fassungsschutzkontrolle ist leider nur eine sprichwörtliche Sei fenblase.

(Lachen der Abgeordneten Dannenberg [DIE LINKE])

Denn Sie weigern sich, Minderheitenrechte gesetzlich zu ver ankern. Das bedeutet, dass die jeweiligen Regierungsfraktio nen mit ihrer Mehrheit dafür sorgen können, dass die Parla mentarische Kontrollkommission nur das erfährt, was die Lan desregierung von sich aus berichtet. Abgesehen von den Unter richtungspflichten, denen die Landesregierung nachkommt - oder auch nicht -, sind sämtliche Kontrollrechte, beispielsweise Prüfungen durch einen ständigen Bevollmächtigten oder Be fragungen, an Mehrheitsentscheidungen gebunden.

Die CDU hat im Unterschied zu Ihnen erkannt, dass parlamen tarische Kontrolle auch Qualitätskontrolle ist. Ein schlecht kontrollierter Nachrichtendienst stellt kein Frühwarnsystem dar, sondern birgt Risiken. Stell dir vor: Die CDU fordert, was eigentlich die Linke will. - Diese Situation hatten wir vergan gene Woche schon im Innenausschuss.

Besonders erschütternd ist, dass Sie die Erkenntnisse aus drei Jahren parlamentarischer NSU-Aufklärung in Brandenburg weitgehend ignorieren und in einer „Lex ‚Piatto‘“ sogar kon terkarieren. So können nach Ihrem Gesetzentwurf selbst Mord verdächtige als V-Leute angeworben werden; denn der Aus schluss der Anwerbung ist an die Verurteilung geknüpft. Wer beispielsweise wegen eines Mordversuches verurteilt ist, der könnte aufgrund einer Ausnahmeregelung verpflichtet werden; denn diese Ausnahmeregelung gibt es auch noch. Ein Beispiel ist die sogenannte Lex „Barte“. Wer wie dieser V-Mann Mord aufrufe auf CDs verbreitet, kann auch künftig für den Branden

burger Verfassungsschutz arbeiten - wiederum als Ausnahme fall.

Wir Bündnisgrünen dagegen wollen, dass der Verfassungs schutz keine V-Leute mehr einsetzen darf, weil sie unserer De mokratie mehr schaden als nutzen. Wir wollen zudem - so ab surd es ist, dass man so etwas überhaupt fordern muss -, dass beim Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln - nachrich tendienstliche Mittel sind eben auch V-Leute - keine Straftaten mehr begangen werden dürfen.

Außerdem kritisieren wir, dass das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendienst und Polizei in Brandenburg aufgeweicht wird. Wenn es um die mehrfach im Verfassungsschutzgesetz erwähnte Anwendung von Gewalt geht, dann ist gerade nicht ein nur beobachtender Nachrichtendienst gefordert, sondern dann muss die Polizei eingreifen. Aus demselben Grund hat ei ne Gefahr-in-Verzug-Regelung nichts in einem Verfassungs schutzgesetz verloren.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir Bündnisgrünen lehnen diesen Gesetzentwurf ab, weil er zu viele nachrichtendienstliche Befugnisse enthält, viele Befug nisse obendrein nur unzureichend reguliert und die parlamenta rische Kontrolle nicht in ausreichendem Maß sichergestellt wird.

Wir Bündnisgrünen sind außerdem dagegen, dass der Personal bestand des Nachrichtendienstes um knapp 40 % aufgestockt wird - auf 130 Stellen. Heißt das eigentlich, dass der Verfas sungsschutz bisher kaum arbeitsfähig war, oder haben Sie schlicht das Maß verloren?

Ich habe mehrfach für unsere Fraktion erklärt, dass wir bei ei ner moderaten Aufstockung durchaus mitgegangen wären, ge rade was Spezialistinnen und Spezialisten zur Erhöhung der Analysefähigkeit angeht. Es spricht für sich, dass das Innenmi nisterium als Erstes zwei Stellen für V-Mann-Führer ausge schrieben hat.

Den Änderungsantrag der CDU-Fraktion lehnen wir selbstver ständlich auch ab. Wir loben zwar, was im Antrag in Bezug auf Regulierung von V-Leuten und Regelungen zur besseren Kon trolle durch die PKK gefordert wird, aber die ausgeweiteten Befugnisse, die noch weit über den Gesetzentwurf der Koaliti onsfraktionen hinausgehen, sind für uns absolut nicht zustim mungsfähig. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun der fraktionslose Abgeord nete Königer. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Ab geordnetenkollegen! Bei Ihnen, den Verfassern dieses Gesetz entwurfs, scheint ja ganz schön die Angst umzugehen - nicht die Angst vor den Feinden der Demokratie, sondern die Angst, ab Oktober nicht mehr an der Macht zu sein.

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE)

Wie anders sollte man denn Ihren Antrag auf Verbesserung der personellen Ausstattung des Verfassungsschutzes verstehen?

Auch ich bin für eine Stärkung des Verfassungsschutzes. Einer personellen Verstärkung darf eigentlich nichts im Wege stehen; denn die Feinde der Verfassung finden sich nicht nur rechts und links, sie finden sich auch unter religiösen Eiferern.

Aber zurück zum Gesetz: Was in der Überschrift als eine Stär kung des Verfassungsschutzes daherkommt, sieht im Antrags text nach einem reinen Versorgungsprogramm aus: Statt Perso nal für die Basis - für die Arbeitsebene - fordern Sie B2- und A16-Dienstposten im Verfassungsschutz. Auch wollen Sie hier in der Landtagsverwaltung eine zusätzliche B2-Planstelle ein richten. Weiterhin sollen die Fraktionen nach diesem Antrag mehr Geld für Mitarbeiter bekommen. Mit anderen Worten: Statt Arbeitsbienen wollen Sie Großkopferte, Behörden- und Parlamentsdrohnen. Sie wissen, dass Ihre Fraktionen ab Herbst kleiner werden, also schaffen Sie jetzt noch schnell Jobs,

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE - Domres [DIE LINKE]: Oh Mann!)

mit denen Sie dann das Heer Ihrer arbeitslosen Fraktionsmitar beiter versorgen können.

(Frau Dannenberg [DIE LINKE]: Ist das übel! - Weitere Zurufe von den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Und das Verrückte ist: Das Ganze soll noch schnell vor der Wahl durchgedrückt werden, denn bis spätestens August 2019 soll der Landtag über das Ergebnis der Umsetzung unterrichtet werden.

(Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie so weiterma chen, werden Sie das Vertrauen der Menschen in unserem Land ganz verspielen, dann steigt das Projekt „Einstellig“ bei der SPD schon bei der nächsten Wahl in drei Monaten und lässt sich wohl nur noch mit einer Zusammenlegung mit der Linkspartei verhindern. Machen Sie ruhig! Die neue Landesgeschäftsstelle könnten Sie auf dem Brauhausberg einrichten, der Abdruck des alten Parteisymbols ist ja noch zu sehen. - Vielen Dank.

(Unruhe bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Zu ruf von der SPD: War das eine Büttenrede?)

Minister Schröter spricht jetzt für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich jetzt weitgehend - ganz ruhig - an das halten, was ich schon immer einmal sagen wollte.

(Heiterkeit SPD)

Aber, verehrter Herr Königer, seien Sie versichert: Auch Ein stellungen beim Verfassungsschutz unterliegen gesetzlichen Bestimmungen.

(Frau Schade [AfD]: Hat er sich schon beworben?)

Sie sind mitbestimmungspflichtig. Man kann also ganz genau beobachten, ob da irgendwo Klientelpolitik betrieben wird. Und seien Sie versichert: Unsere Personalräte sind sehr auf merksame Sachwalter einer vernünftigen Bestenauswahl.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Im Übrigen können solche Dinge auch beklagt werden, davon kann ich ein langes Lied singen.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Das ist ein Rechtsstaat!)

- Wir sind in einem Rechtsstaat, Frau Gossmann-Reetz sagt es. Da müssen Sie hier nicht solche Mutmaßungen anstellen.

(Frau Gossmann-Reetz [SPD]: Genau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Landtag hat ges tern über den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsaus schusses beraten. Dabei hat er sich intensiv mit den für die Ar beit der Sicherheitsbehörden zu ziehenden Konsequenzen aus einandergesetzt. Im Ergebnis geht es darum, den Verfassungs schutz weiter zu verbessern. Entsprechende Regelungen habe ich auf der Ebene von Dienstvorschriften bereits nach meinem Amtsantritt getroffen. Auch mein Vorgänger, Dr. Dietmar Woidke, hatte solche Regelungen bereits als Reflex auf die Dinge, die durch die NSU-Untersuchungsausschüsse bekannt wurden, neu gefasst. Auch die Initiative zur Dritten Änderung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes ging vom MIK aus.

Der Verfassungsschutz in Brandenburg erhält eine neue gesetz liche Grundlage. Gleichzeitig wird er personell verstärkt; das ist sehr erfreulich, denn das eine geht nicht ohne das andere. Die Erhöhung des Stellenbestands des Verfassungsschutzes um 37 Stellen ist deshalb dringend notwendig und macht Verstär kungen des Verfassungsschutzes aus anderen Bereichen, Frau Nonnemacher, dann auch entbehrlich. Jetzt ist die Verstärkung des Verfassungsschutzes dringend nötig, weil ansonsten nicht alle Aufgaben erfüllt werden könnten.

Der Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung steht, ist insge samt ein vernünftiger und auch vertretbarer Kompromiss. Er stellt sicher, dass der Verfassungsschutz auf Extremisten und Terroristen, auf neue Medien und eine zunehmend fragmentier te Gesellschaft frühzeitig reagieren kann.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Der Verfassungsschutz wird zukünftig Befugnisse zum Einsatz technischer Mittel zur Standortermittlung von Mobilfunkgerä ten haben. Auch die Kommunikation im Internet unter einer Legende wird möglich sein. Eine eigenständige Rechtsgrund lage für besondere Auskunftsersuchen gegenüber Post, Tele kommunikations- und Telemedien und Verkehrsdienstleistern sowie Betreibern von Videoaufzeichnungsanlagen wird ge schaffen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn ungeachtet ihrer rückwärtsgewandten Ideologie bedienen sich Rechtsextremis ten und Islamisten schon längst der technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts.

Umstritten ist nach wie vor das Thema V-Leute. Doch ohne

den Einsatz szeneangehöriger Informanten geht es leider nicht. Das wurde im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss auch von mehreren Experten eindrücklich bestätigt. Die Bestim mungen des Gesetzentwurfs zum Einsatz verdeckt Ermitteln der gehören im Übrigen zu den strengsten bundesweit. Nach meiner festen Überzeugung werden sie Grenzüberschreitungen früherer Jahre, wie beispielsweise im Fall „Piatto“, wirksam begegnen.