Protocol of the Session on June 14, 2019

Die SPD hat seit fast 30 Jahren Regierungsverantwortung und als Partei damit auch diese Zwangsabgabe für die Bürger zu vertreten. Es ist begrüßenswert, dass es die Volksinitiative - der unser uneingeschränkter Dank gilt - geschafft hat, mit einem Mittel der direkten Demokratie die Regierungsparteien so zu beeinflussen, dass sie endlich den Weg zur Abschaffung gegan gen sind. Wie gesagt: Der Volksinitiative gilt unser ausdrückli cher Dank.

Es soll dadurch natürlich auch - und das ist das Wichtige für uns - Gerechtigkeit für den Bürger herbeigeführt werden. Wei terhin wird eine entsprechende Flut an Klagen vor den Verwal tungsgerichten zurückgenommen werden; zumindest in dieser Form wird es das in Zukunft nicht mehr geben. Das ist gut so und freut mich für das Land Brandenburg.

Die Problematik mit dem Bundesbaugesetz und den dort nie dergelegten Erschließungsbeiträgen wurde vom Kollegen Ge nilke schon angesprochen. Wir finden diesen CDU-Antrag sehr begrüßenswert. Die Linke wendet ein, dass Bayern das anders macht. Wir denken, dass es hier bestimmte Besonderheiten gibt.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Welche?)

Seit 1990 gab es hier andere Arten der Erschließung, und es liegen Teilerschließungen vor. Wir werden also dem Ände rungsantrag der CDU zustimmen.

Im Übrigen freuen wir uns, dass ein großer Schritt gemacht wird und die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. - Vie len Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorlie gende Gesetzentwurf sieht vor, dass Kommunen künftig auf die Erhebung von Beiträgen für die Sanierung oder Erweite rung bestehender Straßen verzichten. Für Straßen, die nach dem Stichtag 31.12.2018 fertiggestellt sind, müssen Anwohne rinnen und Anwohner dann nicht mehr zahlen. Die Gemeinden erhalten vom Land zunächst pauschale Ausgleichszahlungen für die entfallenden Beiträge. Mit der sogenannten Spitzab rechnung fließen zusätzliche Landesmittel dorthin, wo die pau schalen Zuweisungen die entfallenden Beiträge nicht ausglei chen.

Wir haben schwere Bedenken hinsichtlich der Folgen, die die Abschaffung für den Landeshaushalt mit sich bringt. Über die nächsten Jahre ist mit stark steigenden Kosten zu rechnen, die den ohnehin strukturell notleidenden Haushalt weiter in Schief lage bringen könnten. Herr Bischoff sprach noch im Januar dieses Jahres von 25 Millionen Euro jährlich als Ausgleich, ak tuell sind 31 Millionen Euro als Kompensation vorgesehen, Kollege Lüttmann befürchtet perspektivisch bis zu 50 Millio nen Euro. Die Koalition versäumt es, darzustellen, wie diese Belastungen aufgefangen werden sollen. Nachhaltige Haus haltspolitik sieht anders aus.

(Beifall B90/GRÜNE)

Dabei wären Verbesserungen auch an der bestehenden Rege lung durchaus möglich gewesen, ohne die Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz gänzlich abzuschaffen. In Nieder sachsen will die rot-schwarze Regierungskoalition die Straßen ausbaubeiträge beibehalten, Bürgerinnen und Bürgern jedoch bessere Stundungs- und Ratenzahlungsmöglichkeiten einräu men. Solche Modelle hatten wir hier auch umfänglich venti liert.

Davon, dass sich Konflikte um die Erhebung von Straßenaus

baubeiträgen mit dem vorliegenden Gesetz befrieden lassen, ist kaum auszugehen. Da hilft auch keine Diskussion darüber, ob der Stichtag nun zum Jahreswechsel 2017/18 oder 2018/19 sein soll. Auch, dass Anwohnerinnen und Anwohner bei Neu erschließung nach Bundesbaugesetz weiterhin zahlen müssen, wird kaum vermittelbar sein. Damit sind die nächsten Konflik te schon vorprogrammiert, und es lassen sich Wetten darauf abschließen, welche Beiträge als Nächstes ins Visier der Volks gesetzgebung genommen werden.

(Einzelbeifall B90/GRÜNE)

Im Sinne der Gemeinden muss mit der vorgesehenen Verord nung schnellstens Klarheit über die Abrechnung hergestellt werden. Die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung hat dazu im letzten Innenausschuss vorgetragen und eine erste Verordnung binnen drei Monaten in Aussicht gestellt. Der 7. Landtag Brandenburg wird mit der Begleitung dieses Gesetzes sicher gut beschäftigt sein.

Ja, auch wir sehen es: Die Volksinitiative hat es vermocht, mit mehr als 100 000 Unterschriften in Rekordzeit erheblichen po litischen Druck zu erzeugen. Auch die politische Großwetterla ge trägt wohl ihren Teil dazu bei. Vereinzelte Schlaglöcher der neuen Regelung wurden im Ausschuss noch geflickt, aber der eingeschlagene Weg bleibt holprig. Wir werden uns zu dem Gesetzentwurf enthalten.

Ich möchte noch auf zwei Dinge eingehen, die von den Vorred nern angesprochen wurden, und sagen, warum ich glaube, dass wir keinerlei Befriedigung bekommen werden. Die CDU geht in ihrem Änderungsantrag ja schon das Erschließungsrecht an, indem sie sagt, der Ausbau alter Sandstraßen solle nicht mehr als Neuerschließung, sondern als Sanierung gewertet werden. In dieser Richtung stehen uns bestimmt noch sehr intensive Diskussionen ins Haus.

Aber ich finde, das Highlight ist wirklich der Entschließungs antrag des Kollegen Vida. Darin wird die Landesregierung be auftragt, einen Straßenbaubeitrag-Härtefall-Fonds zur Entschä digung von Bürgern einzurichten, die in den letzten fünf Jahren nach geltendem Recht Straßenausbaubeiträge geleistet und ei ne besondere Härte erlitten haben. Wenn wir jetzt schon anfan gen, Entschädigungsfonds für zu Recht gezahlte Beiträge zu diskutieren, liegt auf diesem Gebiet noch ein sehr weites Feld vor uns. - Ich danke Ihnen.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE - Zu ruf von der Regierungsbank: Sehr gut!)

Vielen Dank. - Jetzt spricht der fraktionslose Abgeordnete Vi da.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Durch die heutige Beschlussfassung setzt der Landtag die Ab schaffung der Straßenausbaubeiträge und somit ein großes Stück mehr sozialen Frieden um.

(Oh! bei der SPD)

Straßen sind nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch Teil der Daseinsvorsorge, was jetzt in Gesetzesform gegossen wird. Die Straßen sind Güter der Allgemeinheit, und sie werden von der Allgemeinheit genutzt. Sie sind für jedermann da und dür fen nicht einseitig die belasten, die zufällig an ihnen wohnen. Genau deswegen hat die Volksinitiative „Straßenausbaubeiträ ge abschaffen!“ innerhalb von zwei Monaten so einen hohen Zuspruch bekommen. Sie wurde auch von Mietern und vielen Bürgern, die nicht mehr von der Abschaffung profitieren, un terschrieben, weil sie erkannt haben, dass es hier um soziale Gerechtigkeit geht. Es war für uns als Freie Wähler ein Kraft akt, aber wir haben ihn aus voller Überzeugung geleistet, weil wir wollen, dass die Zeit der sozialen Sorge wegen des Stra ßenausbaus ein Ende findet. Diese soziale Sorge wird nicht durch großzügige Stundungsregeln, Eintragung von Grund schulden oder Ratenzahlungen genommen. Die breite Unter stützung hat auch gezeigt, dass die Bürger sich keine Spaltung einreden lassen, sondern gemeinsam für mehr Abgabengerech tigkeit eintreten wollen. Das Ergebnis zeigt auch, was man schaffen kann, wenn man mit den Bürgern hartnäckig für eine Sache kämpft und entschlossen zu seinen Idealen steht.

Ich freue mich, wie ergebnisoffen und respektvoll die Volksini tiative aufgenommen und damit der Weg für eine zeitnahe Än derung geschaffen wurde. Ich habe - das wurde richtig wieder gegeben - einige Änderungsanträge zur Abstimmung einge reicht, unter anderem den Antrag, den Stichtag auf den 1. Janu ar 2018 statt auf den 1. Januar 2019 zu legen. Warum? Weil die ganze Diskussion und die Volksinitiative bereits im Jahr 2018 starteten. Der Städte- und Gemeindebund, der sonst immer als Argument wie eine Monstranz herhalten muss, fordert dies auch und sagt: Nur dann schaffen wir einen klaren Cut zu ei nem Zeitpunkt, zu dem kein Windhundrennen für einen beson ders schnellen oder besonders langsamen Ausbau möglich ist.

Zweitens sollte der Bezugspunkt der Berechnung nicht der Ab schluss der Maßnahme sein, sondern die Erteilung der Be scheide, denn nur sie ist ein für den Bürger transparent erkenn barer Zeitpunkt. Der Abschluss der Maßnahmen erfolgt nicht, wie zunächst vom Innenministerium dargestellt wurde, indem der letzte Bagger davonrollt, sondern erst mit der Freizeich nung der Abschlussrechnung, einem verwaltungsinternen Vor gang, teilweise Wochen oder Monate nach der Maßnahme.

Den dritten Änderungsantrag zum Mehrbelastungsausgleich ziehe ich zurück, weil er vom Innenausschuss in Teilen über nommen und eine Korrektur zum Wohl der Gemeinden ange kündigt wurde und erfolgt ist - danke schön.

Der vierte Punkt: Die Evaluierung ist auch auf Empfehlung von Bürgermeistern auf das Jahr 2022 vorzuverlegen, weil wir sie aufgrund der Baupreisentwicklung möglichst früh benöti gen und nicht erst 2023.

Was den Versuch anbelangt, den Härtefallfonds ins Lächerliche zu ziehen: Bayern hat genau diese Regelung im Zuge der Ab schaffung der Straßenausbaubeiträge verabschiedet. Dabei geht es nicht um eine längere Rückwirkung, sondern darum, besonders ungerechte Fälle zu entschädigen - etwa wenn Ei gentümer von Eckgrundstücken doppelt zahlen mussten, Stra ßen nach den Baumaßnahmen als „Anliegerstraße“ eingestuft wurden, sodass die Bürger mehr zahlen mussten, als sie vorher annahmen, oder den Bürgern angekündigt wurde, dass nur eine bestimmte prozentuale Belastung zu erwarten sei oder be

stimmte Baukosten zu erwarten seien, und die Dinge aufgrund von Bauabschnittsbildungen dann teurer ausgefallen sind. Es geht auch nicht darum, alles zu erstatten, sondern einen Fonds einzurichten, der Härten ab einem bestimmten Schwellenwert abfedert. So wird es in Bayern gehandhabt, wo das übrigens mit großer Mehrheit beschlossen wurde.

Natürlich ist auch die Überführung des Erschließungsbeitrags rechts in Landesrecht notwendig, um Lösungsvorschläge zu entwickeln, die zu einer Entlastung führen. Davor muss jedoch die einheitliche Anwendung der Rechtsprechung des Bundes verwaltungsgerichts erfolgen, die klar definiert: Was ist Er schließung und was ist schon Ausbau? Das wird bisher nicht einheitlich angewandt. Ein Zwischenschritt ist - diesen Vor schlag habe ich im Landtag zwei- oder dreimal eingebracht - die Einführung einer umfassenden Mitbestimmung auch bei Erschließungsmaßnahmen unter Anwendung des Bernauer Modells, damit das in anderen Kommunen ebenfalls stattfin det.

Alles in allem wird heute ein bestehendes Gerechtigkeitsdefizit beseitigt und die Gemeinden werden angehalten, ressourcen schonende, ortsbildwahrende, sparsame Ausbauparameter zu wählen. Die Bürger werden in einem Punkt entlastet, an dem sie es wahrlich verdienen, und es wird eine Abgabe abge schafft, für die es keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr gibt. Wir schaffen hier heute gemeinsam mehr Abgabengerechtig keit, und das Land, der Landtag zeigt, dass die Stimme der Bürger auch in Sachfragen erhebliches Gewicht hat.

Meine Damen und Herren, es ist ein erhebendes Gefühl, dass mit umsetzen zu dürfen, und ich danke allen Bürgern und Landtagsabgeordneten, die diese Umsetzung in dieser kollegi alen Form ermöglicht haben. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Schröter.

Frau Präsidentin! Ich mache es kurz, zumal ich zu dem Thema bereits zweimal vor diesem Landtag gesprochen habe. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der heute noch nicht so in tensiv betrachtet wurde: die Einführung eines an die Markt zinsentwicklung gekoppelten Stundungszinssatzes. Ich begrü ße diese Änderung ausdrücklich, denn in Stundungsfällen kann damit zukünftig eine realitätsnähere Verzinsung erfolgen, als es bislang der Fall war. Hierfür hat sich die Landesregierung be reits in ihrem Bericht an den Landtag zur Weiterentwicklung der Straßenbaubeiträge ausgesprochen.

Die Entscheidung, die Straßenbaubeiträge im Land Branden burg abzuschaffen, ist politisch gewollt und wird viele freuen - das ist klar. Sie wird aber auch viele ratlos machen, nämlich all jene, die weiterhin Erschließungsbeiträge zahlen müssen, und zwar in aller Regel zu 90 %. Ob das zum sozialen Frieden bei trägt, Herr Vida, werden wir sehen. Zur Wahrheit gehört auch, dass das den Landeshaushalt viel Geld kosten wird und, wie es Herr Prof. Dr. Brüning formulierte, eine Ewigkeitslast für ihn darstellt. Insoweit ist die Entscheidung zur Abschaffung der

Straßenausbaubeiträge folgenreich für das Land - das wissen Sie, und Sie werden sich entsprechend entscheiden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Vielen Dank. - Damit schließe ich die Aussprache, und wir kommen zu den Abstimmungen. Ich halte fest, dass der An tragsteller Herr Vida den vor Ihnen liegenden dritten Ände rungsantrag auf Drucksache 6/11554 zurückgezogen hat, so dass diese Abstimmung entfällt.

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag des Abge ordneten Vida auf Drucksache 6/11541 ab.

(Galau [AfD]: 51! Da fängt es schon an!)

- Habe ich das nicht gesagt?

(Galau [AfD]: 41!)

- Entschuldigung!

Noch einmal: Wir stimmen über den Änderungsantrag des Ab geordneten Vida auf Drucksache 6/11551 ab. Hier geht es um die Änderung in Art. 1, Punkt 4, § 20 Abs. 4. Wer dem folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimm enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei wenigen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über einen Änderungs antrag des Abgeordneten Vida auf Drucksache 6/11553. Hier geht es um die Änderung in Art. 1, Punkt 4, § 20 Abs. 3 und 4. Wer dem folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstim men? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt. Der 3. Änderungsantrag wurde vom Antragsteller zurückgezogen.

Ich rufe zur Abstimmung über den Antrag mit der laufenden Nr. 4, ebenfalls ein Änderungsantrag des Abgeordneten Vida - es geht um die Änderung in Art. 2 § 1 Abs. 4 -, auf Drucksache 6/11552 auf. Wer dem Antrag folgt, den bitte ich um ein Hand zeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Ent haltungen und wenigen Gegenstimmen ist der Änderungsan trag mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales - Gesetz zur Abschaffung der Beiträge für den Ausbau kommu naler Straßen - auf Drucksache 6/11549. Hier wurde die Tei lung des Abstimmungsgegenstandes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung beantragt. Ich erläutere kurz die einzel nen Teilstücke des Änderungsantrages:

Nummer 1 der Beschlussempfehlung empfiehlt die Ablehnung der in der 1. Lesung mit überwiesenen vier Änderungsanträge des Abgeordneten Vida.

Nummer 2 der Beschlussempfehlung empfiehlt die Ablehnung des in der 1. Lesung mit überwiesenen Änderungsantrages der CDU-Fraktion.