Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe diesen Antrag eher symbolisch. Er ist unschädlich; wir werden zustimmen. Aber ich nutze ihn gerne und stelle Ihnen auch ein paar Samen
aus meinem Repertoire vor: Diese sehe ich erstens immer noch in der kulturellen Bildung. Mit dem Musik- und Kunstschulge setz haben wir eine gute Grundlage für stabile Einrichtungen der Kulturvermittlung geschaffen.
Sie gilt es auszubauen, weil wir mit ihnen landesweit gerechte Strukturen unterstützen. Kunst- und Musikschulen bieten Pla nungssicherheit für alle: Familien, die Angebote für ihre Kin der brauchen; Künstlerinnen und Künstler, die in den Einrich tungen arbeiten; Kooperationspartner wie Schulen und Jugend klubs, die ungern immer von instabiler Projektförderung ab hängig sind.
Zweitens wollen wir mehr Partizipation. Dass Bürgerinnen und Bürger ihre Orte selbstständig kulturell gestalten wollen, ist ei ne der erfreulichsten Entwicklungen der letzten Jahre. Ich freue mich auf den von mir mit initiierten „Kulturort des Jahres“, denn die mit ihm verbundene Wertschätzung ist sowohl für die Identität der Bürgerinnen und Bürger relevant als auch für die Seele der Orte sowie den Kulturtourismus.
Drittens wäre wichtig, die Postkolonialismusdebatte in Bran denburg aufzugreifen. Unsere Erinnerungskultur sollte um den Bau eines Denkmals samt guten Begleitprogrammen erweitert werden - idealerweise am Standort der ersten Moschee Deutschlands in Wünsdorf. Diese wurde für die muslimischen Kriegsgefangenen im sogenannten Halbmondlager gebaut, für Muslime, die in den alliierten Truppen gedient hatten und in Wünsdorf davon überzeugt werden sollten, einen „Dschihad“ im Sinne Deutschlands gegen das Vereinigte Königreich und Frankreich zu führen. - Klappte natürlich nicht.
Heute steht an genau diesem Fleck statt der Gefangenenbara cken eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete - sieht auch sehr ähnlich aus. Ihre spezifische Kultur kann unsere branden burgische Kulturlandschaft bereichern und sollte viertens drin gend gefördert werden im Sinne eines pluralen Kulturangebots für alle und auch für die Weiterentwicklung zeitgenössischer internationaler Kunst- und Kulturformate. Dazu haben Sie in Ihrem Antrag nichts verlauten lassen.
Deshalb - ja - nutzen wir Fontanes 200. Geburtstag für die brandenburgische Kulturlandschaft, essen wir des alten Rib becks Birnen, aber machen wir noch ein bisschen mehr daraus und vor allem: Gedenken wir all der warmen Worte bei den nächsten Haushaltsverhandlungen, denn ohne ein bisschen Wasser wird’s im Baume nicht flüstern: „Kumm man röwer, ick gew’ di ’ne Birn.“
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren Abgeordnetenkollegen! Liebe Besucher! Fontane ist kulturel
Literaturbildung ist sehr wichtig. Literatur muss gelernt sein, sonst kann man leicht etwas falsch machen - ich bin ein gutes Beispiel dafür.
Theodor Fontane hat über die Bewohner meiner Heimatstadt Werder in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ einiges zu erzählen gewusst. Ich zitiere ihn einmal:
„Die Menschen hier sind zum Umgange wenig geschickt und gar nicht aufgelegt, vertrauliche Freundschaften zu unterhalten. Sie hassen alle Fremden, die sich unter ihnen niederlassen, und suchen sie gern zu verdrängen.“
Und ich habe dazugelernt, wie auch die Werderaner beileibe und Gott sei Dank nicht mehr so sind, wie sie Fontane einst mals beschrieben hat. Ich zitiere noch einmal:
„Vor den Augen stellen sie sich treuherzig, hinterm Rü cken sind sie hinterlistig und falsch. Von außen gleißen sie zwar, aber von inwendig sind sie reißende Wölfe. Sie sind sehr abergläubisch, im Gespenstersehen besonders erfahren, haben eine kauderwelsche Sprache, üble Kin derzucht, schlechte Sitten und halten nicht viel auf Küns te und Wissenschaften.“
Heute müsste Fontane zugeben, dass wir Werderaner zwar im mer noch mürrisch sind, uns aber höchstens im Obstgarten beim Mucker das Maul über die Zugezogenen zerreißen.
Auch hätte er sich über die Verwaltungsprosa des Antrages wahrscheinlich amüsiert, letztendlich aber genauso zuge stimmt, wie ich das tun werde. Nur das Bohei um seine Person wäre ihm wahrscheinlich peinlich gewesen.
Weil es so gut zum Fontane-Jahr passt, werde ich den Stadtver ordneten in Werder nahelegen, unserem Kino den Namen wie derzugeben, den es 60 Jahre lang getragen hat, nämlich „Fonta ne-Lichtspiele“. Und mit dieser Schelmerei machen wir Wer deraner dann unseren endgültigen Frieden mit ihm, denn wie sagte Fontane so treffend: „Ohne ein gewisses Quantum von Mumpitz geht es nicht.“ - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fontane wird sich hoffentlich nicht im Grab um drehen, wenn er mitbekommt, wofür er heute hier alles herhal ten muss - angefangen von Oppositionsreden mit dem Versuch, Haare in der Suppe zu finden, die dort komischerweise irgend wie nicht zu finden sind, bis hin zu dem Wink, dass wir bald im Grab liegen werden, liebe Frau von Halem. Das fand ich nicht so anregend.
Ich glaube, letzten Endes ist das Fontane-Jahr etwas, worüber sich alle Brandenburgerinnen und Brandenburger einfach freu en können, denn als wir es am 30. März in Neuruppin offiziell eröffnet haben, war das ein wirklich großartiges Kulturfest - quer durch alle Generationen, alle Teile dieses Landes. Das war ein überaus gelungener Auftakt für das Jubiläumsjahr, der uns in Erinnerung bleiben wird. Highlights waren die Reden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und unserem Ministerpräsidenten, die den großen märkischen Schriftsteller gewürdigt haben, gleichzeitig aber auch sehr nachdenklich über die Bedeutung von Literatur in unserer Zeit gesprochen und Fontane in die Gegenwart geholt haben. Wir hatten allein beim Festakt knapp 1 000 Gäste, und es war ein wunderbarer Tag. Das ist nicht alltäglich, denn wir sind ja bekannt dafür, dass wir uns öffentlich nicht so richtig freuen können, sondern zum Lachen lieber in den Keller gehen.
Das war aber erst der Anfang. Das ganze Jahr über gibt es in allen Regionen des Landes insgesamt rund 450 Veranstaltun gen, und das sind nur die offiziellen Termine. Dazu kommen zahlreiche kleinere Veranstaltungen, die gar nicht in der offizi ellen Liste auftauchen. Und das sind bei allem gebotenem brandenburgischem Selbstbewusstsein schon sehr beachtliche Dimensionen für unser Land.
Was mich besonders freut: Dieses großartige Fest wurde durch ein Kulturereignis ermöglicht. Deswegen stimme ich mit dem Ansinnen des vorliegenden Antrags überein, denn vom Fontane-Jubiläumsjahr sollten nachhaltige Impulse für die Fort- und Weiterentwicklung der brandenburgischen Kulturland schaft ausgehen. Dazu ist es auch wichtig, noch einmal darüber zu reflektieren, was eigentlich geschehen ist in unserer Kultur landschaft.
Der Antrag stellt zu Recht fest, dass es uns in dieser Legislatur periode gelungen ist, erhebliche zusätzliche Spielräume für die Kulturförderung zu erschließen - und das ist weiß Gott mehr als nur ein bisschen Wasser, liebe Frau von Halem. Wir haben wegweisende neue Förderprogramme entwickelt und bestehen de ausgebaut, beispielsweise die Denkmalförderung, Muse umsförderung, Förderung der kulturellen Bildung und Integra tion. Ich freue mich besonders darüber, dass die Brandenburger Theater und Orchester von einer stark erhöhten Förderung pro fitieren, denn mit den gerade geschlossenen Finanzierungsver
Wir haben unsere bestehenden Stiftungen gestärkt und eine ganze Reihe wichtiger Kultureinrichtungen neu aufgestellt und selbstverständlich auch besser finanziert - beispielsweise Park und Schloss Branitz, das Kleist-Museum Frankfurt (Oder), die Musikakademie und Kammeroper Rheinsberg, das Landes museum für moderne Kunst und als Letztes - dazu werden wir morgen noch einmal sprechen - die Stiftung Künstlerschloss Wiepersdorf. Deswegen kann man nur sagen: Brandenburgs Kultureinrichtungen stehen heute deutlich besser da als noch vor zehn Jahren. Und: Es hat sich hier sehr viel getan.
Die Kulturpolitische Strategie von 2012 hat sich in den vergan genen Jahren sehr bewährt. Sie hat den Weg für die Stärkung kulturellen Lebens im ganzen Land geebnet; trotzdem muss sie weiterentwickelt werden. Alles ist in Bewegung, muss sich weiterentwickeln, auch immer wieder neu evaluiert werden, und es muss neue Impulse geben.
Es muss noch mehr darum gehen, die Bedeutung von Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verdeutlichen: Ein reichhaltiges kulturelles Leben vor Ort regt an, bringt Men schen zusammen und erhöht die Lebensqualität. Deswegen ist das Thema regionale Entwicklung auch besonders wichtig. Wir haben das im Übrigen schon entdeckt und uns gekümmert, be vor es im Bundeswahlprogramm aufgetaucht ist. Denn Kultur im ländlichen Raum ist ein wichtiges Thema. Genau damit hat sich auch schon die neugeschaffene Kulturministerkonferenz intensiv beschäftigt.
Wir gehen also diese Herausforderungen an, und ich werde in dieser Legislaturperiode dem Landtag noch zwei weitere För derkonzepte vorlegen, nämlich das Konzept zur Förderung kultureller Anker im ländlichen Raum und, Frau von Halem, das Konzept für die Auslobung eines brandenburgischen Kul turorts des Jahres; das schaffen wir noch in dieser Legislatur periode.
Das Thema Digitalisierung ist natürlich essenziell: Hier sind wir intensiv dabei, das Erbe digital zu sichern und zu präsentie ren. Natürlich brauchen wir auch in der digitalen Welt neue Ausdrucksformen der Künste. Deswegen denke ich, dass die Gestaltung des digitalen Wandels sowohl große Chancen für die künftige Attraktivität unseres kulturellen Lebens bietet, als auch die kulturelle Teilhabe im Land verbessern wird.
Wir können insgesamt sagen, dass die Kultur deutlich besser dasteht als noch vor einigen Jahren: Wir haben Haushaltsstei gerungen erreicht, die den Kulturschaffenden neue Möglich keiten eröffnet haben und von denen alle Bürgerinnen und Bür ger profitieren. Wir sind einen sehr guten Weg gegangen, und ich gehe davon aus, dass dieser Weg in den nächsten Jahren auf dieser guten Basis fortgesetzt wird, auch im Sinne von Fonta ne, der daran seine Freude gehabt hätte. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank. - Die Abgeordnete Prof. Dr. Liedtke hätte noch Redezeit. Möchten Sie diese in Anspruch nehmen? - Da das
nicht der Fall ist, schließe ich die Aussprache und rufe zur Ab stimmung über den Antrag der Fraktionen SPD und DIE LIN KE „Fontane200 - Impulse des Fontane-Jahres für die Fort- und Weiterentwicklung der brandenburgischen Kulturland schaft nutzen“ auf Drucksache 6/11019 auf. Wer stimmt dem Antrag zu? - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltun gen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehrheitlich angenommen.