Das ist natürlich nicht alles Rot-Rot geschuldet; so vermessen sind wir nicht. Gleichzeitig wäre es gut, wenn die Opposition anerkennen würde: Brandenburg steht mit Blick auf das Wirt schaftswachstum im bundesweiten Vergleich im Mittelfeld und im Osten an der Spitze.
Trotz dieser positiven Botschaften gibt es natürlich auch Schat tenseiten; die will ich nicht verhehlen. Mit Blick auf das wirt schaftliche Wachstum und die Wirtschaftskraft findet insge samt eine Konvergenz zwischen dem Osten und dem Westen nicht statt. Auch in den kommenden 15 Jahren - glaubt man den Zahlen des ifo Instituts - wird sich diese Entwicklung so fortsetzen und nicht ändern.
Das Sinken der Arbeitslosenzahl im Osten hat vor allem demo grafische Ursachen, und - ich bleibe beim Acht-Jahre-Ver gleich - mit Blick auf die Vollbeschäftigung sinken die absolu ten Zahlen. Die Tarifbindung ist nach wie vor zu gering, und auch die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten steigt signifikant.
Wir stehen in den nächsten Jahren, meine sehr verehrten Da men und Herren, vor großen Herausforderungen - Stichwort Globalisierung: Nicht nur die Beschäftigten in Schönefeld bei der Lufthansa Technik oder bei ArcelorMittal wissen, wovon wir sprechen.
Die Digitalisierung ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, aber insbesondere für die kleinteilige Wirtschaft im Osten und auch hier in Brandenburg.
Auch der demografische Wandel stellt uns vor enorme Heraus forderungen. Das, was wir jetzt an Fachkräftemangel spüren, wo die Unternehmen an der einen oder anderen Stelle klagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist, wenn Sie sich die Zahlen anschauen, erst der „Gruß aus der Küche“.
Das wirtschaftliche Rückgrat des Landes, die Lausitz, die dort begonnenen Veränderungen - sie werden uns über viele Jahre und Jahrzehnte beschäftigen. Die gestern aus Berlin gesandten Signale, die Beratungen über das Maßnahmenpaket für den Strukturwandel zu verschieben, ist ein fatales Signal, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Menschen in der Lausitz erwarten Taten und keine Verzö gerungen. Sie wollen eine zügige Umsetzung der Empfehlun gen der Strukturkommission vom Januar dieses Jahres.
Die Linke - das sage ich klar und deutlich - steht zum ausge handelten Kompromiss, und wir erwarten eine schnelle Umset zung der Kommissionsempfehlungen.
In der Lausitz können wir die Energiewende praktisch vor Ort umsetzen. Die Stichworte sind heute hier schon gefallen: Sek torkopplung, Wasserstofftechnologie. Die Lausitz mit den vor handenen Fachkräften und auch der Infrastruktur wären dafür mehr als geeignet.
Ich möchte Sie, Herr Homeyer von der CDU, daran erinnern, dass wir vor 10 Jahren mit der damaligen Strategie des CDUWirtschaftsministers, die im Kern auf Niedriglohn beruhte, ge brochen haben.
Wir sind froh, dass wir hier im Land auch eine andere Förder politik begonnen haben, die sich an klaren Kriterien misst und beispielsweise Leiharbeit zurückdrängt.
Auch die heute noch anstehende Entscheidung, den Vergabe mindestlohn auf 10,50 Euro zu erhöhen, hat nicht nur Auswir kungen auf die Unternehmen, die sich an öffentlichen Aus schreibungen beteiligen, sondern diese 10,50 Euro sind das Si gnal an die gesamte Wirtschaft: Wir wollen, dass ihr eure Be schäftigten vernünftig bezahlt.
Darüber hinaus legen wir ein großes Augenmerk auf die kleinen Unternehmen und das Handwerk im Land. Im Wirtschaftsaus schuss fand unlängst eine Anhörung der drei Handwerkskam mern statt. Mit der Einführung des Meister-Bonus in Höhe von 1 500 Euro hat das Land auf Initiative des Landtages hinsichtlich einer Gebührenentlastung im Bereich der Berufsqualifikation und der Fortbildung Übergangslösungen für das Handwerk ge schaffen. Auch in diesem Jahr wird dieses Instrument eingesetzt.
Landespolitik hat nur begrenzte Möglichkeiten; das wissen wir alle. Die Vorschläge aus dem Entschließungsantrag hat mein Kollege Barthel Ihnen bereits genannt. Herr Homeyer, Sie ha ben gesagt, es bedürfe Muts zum Scheitern.
Das Thema Entbürokratisierung begegnet einem im Gespräch mit Unternehmen am häufigsten. Entbürokratisierung geht aber nur, wenn wir nicht gleich „Skandal!“ schreien, wenn mal eine Förderung danebengeht. Das ist die Grundvoraussetzung.
Zur Entbürokratisierung gab es Vorschläge in dieser Legisla turperiode - ich erinnere an die kleine Bauvorlagenberechti gung. Es wäre ein gutes Signal gewesen, wenn wir den Mut gehabt hätten, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Leider konnte sich der Koalitionspartner nicht dazu durchringen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Schade für die AfD-Fraktion.
Werte Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Kollegen! Jede Medaille hat zwei Seiten. Spricht die SPD-Fraktion in ihrer Aktuellen Stunde von einer boomenden Wirtschaft in Brandenburg, so möchte ich die andere Seite der Medaille beleuchten.
Fast 30 Jahre nach der Wende sind immer noch nur knapp 70 % der Ausgaben aus eigenen Steuereinnahmen gedeckt. 98 % der Unternehmen des Landes sind Klein- und Kleinstun ternehmen. Wo man im Land auch hinschaut: Nirgendwo ist der Sitz eines größeren Unternehmens, einer größeren Unter nehmenszentrale zu finden - von einem DAX-Unternehmen will ich gar nicht reden. Wir belegen letzte Plätze bei der An meldung von Patenten und beim Bildungsmonitor 2018, und uns wurde fehlende Forschungsorientierung attestiert. - Das ist nicht gerade innovativ und trägt nicht dazu bei, die Wirtschaft in Brandenburg nach vorn zu bringen.
Das Land hat eine Infrastruktur, die jeder Beschreibung spot tet: Dauerbaustellen auf den Autobahnen und im Schienennetz, ein Flughafen, der wohl niemals eröffnet wird, ein Telekom munikationsnetz, das dem heute gängigen Standard zwei Jahr zehnte hinterherhinkt.
Brandenburg ist dem Rest der Republik durch seine Funklö cher und seine fehlende Dienstleistungsmentalität bekannt. Hinzu kommen in regelmäßigen Abständen Meldungen über mögliche Standortschließungen oder Verlagerungen wie zu letzt von Lufthansa Technik, dem Bahnwerk in Cottbus, in Eberswalde oder ganz aktuell die Unsicherheit über die Zu kunft des Stahlstandortes Eisenhüttenstadt. Zum Stahlwerk Ei senhüttenstadt wurde noch schnell ein Antrag formuliert, der dann doch nicht mehr so wichtig war, um es auf die heutige Tagesordnung zu schaffen.
Am Ende meiner Rede. - Es ist aber wichtig, ein Signal nach draußen zu senden, denn uns als AfD ist die Situation im Stahl werk nicht egal. Wir stellen fest, dass die Krise nicht von unge fähr kommt, sondern eine Folge der verfehlten Wirtschafts- und Energiepolitik der Landesregierung ist. Wir hätten diesem Antrag sogar zugestimmt, denn uns ist es wichtig, dass 2 700 Industriearbeitsplätze erhalten bleiben. Anderenfalls hät ten wir sehr schnell eine weitere Region in Brandenburg, die sich im wirtschaftlichen Abseits befindet.
Trotz all der vielen Strategien und Konzepte, die Brandenburg hat, ist es nach fast 30 Jahren SPD-Regierung nicht gelungen, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land aufzubauen.
Wir haben eine Energiestrategie mit den höchsten Energieprei sen im Land, obwohl wir den höchsten Anteil an erneuerbaren Energien haben. Das belastet nicht nur die energieintensiven Industrien, zum Beispiel die Stahlbranche, sondern auch die vielen kleinen Unternehmen und Kleinstunternehmen.
Wir haben eine Digitalstrategie, ohne auch nur ansatzweise über die Infrastruktur in Form gigabitfähiger Breitbandnetze zu verfügen.
Wir haben eine Innovationsstrategie, bei der wir Berlin die Vorreiterrolle überlassen und dann schauen, was noch übrig ist; viel ist es nicht.
Auch wenn jetzt ein Projekt der BTU ins All fliegt, wandern die wenigen hochqualifizierten Köpfe, die das Land hervor bringt, lieber in andere Bundesländer ab, um sich nach span nenden Herausforderungen umzusehen.
Von einem Außenhandelskonzept möchte ich gar nicht spre chen; ich sage nur: Mutterhausstrategie. Daran wird weiterhin festgehalten. - Es sind also alles keine rosigen Aussichten, wenn man Erfolg haben will.
Wenn man seine Erfolgsmeldungen allerdings ab dem Jahr 2008, dem Jahr der Finanzkrise, beginnt und von einem zehn jährigen allgemeinen Konjunkturaufschwung in Deutschland profitiert, lässt es sich sehr gut sich selber loben. Ein paar kriti sche Anmerkungen kamen von den Linken. Da denke ich: Sie sind schon einmal wach geworden und gehen mit der Situation ehrlich um.
Sicherlich ist es gut, wenn positive Wachstumszahlen im Be reich öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit zu verzeichnen sind. Es ist auch schön, wenn sich der öffentliche Dienst - dazu gehören auch unsere Staatsdiener - positiv entwi ckelt. Umso schneller steigt dafür aber der bürokratische Auf wand für unsere Unternehmer bei der Umsetzung unsinniger Vorschriften und Dokumentationspflichten und hält sie von ih rem eigentlichen Kerngeschäft ab.
Dass die Gesundheitswirtschaft boomt, weil Brandenburgs Be völkerung immer mehr vergreist - allein in der Lausitz liegt der
Altersdurchschnitt vier Jahre über dem Bundesdurchschnitt -, ist nichts, dessen man sich rühmen sollte. Ältere Menschen müssen nun einmal häufiger zum Arzt. Eine junge und gesunde Bevölkerung wäre mir persönlich allerdings lieber.
Gut ist auch, dass die Reallöhne in Brandenburg gestiegen sind. Offensichtlich reichen sie aber nicht zum Leben, sonst hätte es nicht über 40 000 Aufstocker im Jahr gegeben.