Wenn Sie allerdings weiter in die Zukunft blicken, ist ein kon junktureller Abschwung und damit das Ende einer zehnjähri gen weit überhitzten Wachstumsphase unausweichlich. Der drohende Brexit, die Neuordnung der EU-Fördergebiete ab 2020, die Abschmelzung bzw. der Wegfall des Solidaritätszu schlags, die zwingende Einhaltung der Schuldenbremse oder eine mögliche Beendigung der Niedrigzinspolitik werden un ser Land Brandenburg gewaltig durchschütteln.
Statt nun die Versäumnisse der letzten 30 Jahre und die Her ausforderungen der Zukunft ehrlich anzusprechen, reisen die Vertreter der Landesregierung durch das Land, verteilen groß zügig Geldgeschenke und verkünden, dass alles im Lot sei.
Der sehr kurzfristige Entschließungsantrag der Regierungskoa lition zeigt dann auch, wie ernst man die wirtschaftliche Ent wicklung in Brandenburg nimmt. Ich finde das falsch und für 30 Jahre SPD-Regierung unehrlich und peinlich. - Ich bedanke mich trotzdem für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Sie hatten angekündigt, am Ende Ihrer Rede ei ne Zwischenfrage zu beantworten. Das lasse ich zu. Herr Ab geordneter Loehr, bitte.
Frau Kollegin Schade, Sie haben am Anfang Ihrer sehr schnel len Rede darauf abgestellt, dass die Telekommunikationsstruk tur im Land Brandenburg ungefähr zwei Jahrzehnte hinterher hinke. - Mich interessiert: Worauf basiert diese Aussage? Wo mit vergleichen Sie das?
Wenn Sie der Rede von Herrn Homeyer zugehört haben, wer den Sie festgestellt haben, dass er das sehr schön detailliert aufgeschlüsselt hat. Fragen Sie Herrn Homeyer.
Ich kann das leider nicht so schön wiedergeben, wie Sie es strukturiert vorgetragen haben. Fragen Sie ihn. Er hat es sehr schön auf den Punkt gebracht.
Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Schinowsky für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäs te! Nach dem Katastrophenszenario der AfD wollen wir jetzt wieder ein Stück weit in die Mitte zurückkommen, auch wenn wir das natürlich ein bisschen kritischer sehen als Sie; aber das muss auch so sein.
Die Brandenburger Wirtschaft boomt wie in allen anderen Bundesländern auch - darauf wurde schon hingewiesen. In der Brandenburger Wirtschaft krankt es aber nach wie vor bei den Zukunftsthemen Internationalisierung, Digitalisierung und In novation. Laut dem Landesamt für Statistik folgte Branden burg in den letzten zehn Jahren zwar dem Wachstumstrend des gesamten Bundesgebietes. Damit kann aber wegen des weiter hin geringen Arbeitslohnes, der stagnierenden Exportquote, ge ringerer Arbeitsproduktivität niemand zufrieden sein.
Es greift jedoch zu kurz, bei diesem Thema immer nur die OstKarte zu ziehen und sich zu beklagen, dass immer noch kein DAX-Konzern seinen Sitz in die neuen Bundesländer verlegt hat. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle hatte vor Kurzem wichtige Hinweise zu den Problemen in Ost deutschland geliefert. Zu der in den meisten ostdeutschen Re gionen nach wie vor wenig ausgeprägten Wachstumsdynamik hieß es, das liege nicht nur an den fehlenden Konzernzentralen in den Ost-Bundesländern, ostdeutsche Betriebe seien im Schnitt unproduktiver.
Warum ist das so? Die Subventionen seien an die falschen Stel len geflossen, heißt es in der Studie. Es seien vor allem alte, unproduktive und Industriebetriebe gefördert und erhalten worden. Das kennen wir in Brandenburg auch nur zu gut. Ob es ein Kohlekraftwerk oder ein Stahlwerk ist, die alten Industrien sind der Landesregierung immer lieb und teuer gewesen.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich muss es jetzt auf allen Ebenen und mit ganzer Kraft darum gehen, die Ar beitsplätze in Eisenhüttenstadt zu erhalten. Deshalb hätten wir dem inzwischen zurückgezogenen Antrag selbstverständlich zugestimmt.
Eine Idee dazu, wie das gelingen kann, fand sich darin jedoch lediglich - und zwar gut versteckt - in einem Nebensatz wieder.
Dort war nämlich von „nachhaltiger Stahlproduktion“ die Re de. Aber Nachhaltigkeit ist die zentrale Aufgabe, damit das Werk in Eisenhüttenstadt und die Brandenburger Wirtschaft ei ne Zukunft haben.
Wir müssen vor allem klimafreundlicher und innovativer wer den, um zukünftig nicht nur noch „verlängerte Werkbank“ zu sein. Ein einfaches „Weiter so!“ reicht nicht aus. Und Wasser stoff allein wird uns auch nicht retten; denn unser aktueller Energieverbrauch liegt weit über der Menge, die wir in Bran denburg aus erneuerbaren Energien gewinnen können. Ener gieeffizienz und Energieeinsparung sind deshalb das Gebot der Stunde.
Wir Grünen wollen den Schwerpunkt der Wirtschafts- und In dustrieförderung künftig auf die Themen Innovation bzw. kli mafreundliche und ressourcenschonende Technologieentwick lung und Digitalisierung legen. Hierfür bereitstehende Mittel werden seit Jahren nicht abgerufen. Genau deshalb brauchen wir die von uns vorgeschlagene „Innovationsplattform zu kunftsfähige Industrie“.
Das gesamte Innovationssystem Brandenburgs ist allenfalls mittelmäßig. Wir haben darüber schon im Zusammenhang mit der sogenannten Gründungs- und Unternehmensnachfolgestra tegie gesprochen. Während klassische Investitionsförderung jähr lich mit einem dreistelligen Millionenbetrag im Haushalt steht, beträgt die Größe der Kapitel für Innovation und Technologie entwicklung nur einen Bruchteil dessen. Allein in das jetzt in der Diskussion stehende Stahlwerk in Eisenhüttenstadt und sei ne Belegschaft ist seit dem Mauerfall insgesamt über eine Mil liarde Euro an Steuergeldern geflossen. Jetzt versucht Rot-Rot mit Appellen an die Konzernleitung von ArcelorMittal, für den Standort zu werben. Was wir aber wirklich brauchen, sind sub stanzielle Veränderungen und neue Lösungsansätze für die In dustrie.
Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Landespolitik soll ten zusammen in Innovationsteams arbeiten und Lösungen für die Industrie von morgen entwickeln. In Cottbus wurde jetzt der Grundstein für das DLR-Institut für CO2-arme Industrie prozesse gelegt. Ebenfalls starten soll jetzt das vom Bundesum weltministerium finanzierte Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien. Das sind hervorragende Voraus setzungen, um zusammen mit den Unternehmen der Region eine solche Brandenburg-Plattform mit Leben zu füllen. Mit diesem Instrument ist jetzt übrigens auch Nordrhein-Westfalen an den Start gegangen. Gerade die Herausforderungen des Kli mawandels lassen sich anders auch gar nicht vernünftig lösen.
Der Handlungsdruck ist groß und der Weg ist noch weit. Wenn wir die industriepolitischen Rahmenbedingungen jetzt nicht auf Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit ausrichten, wer den wir bald keine Industrie mehr haben - jedenfalls nicht mehr in den berlinfernen Regionen und keine mehr mit guten Ar beitsplätzen.
aber Brandenburg braucht mehr, nämlich industriepolitische Leitplanken für das 21. Jahrhundert. Wir bitten daher auch um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.
Der Bezug zur Aktualität im Sinne der Geschäftsordnung ist bei diesem Antrag schon zu hinterfragen. Es scheint vielmehr darum zu gehen, positive Begriffe anzuhäufen, um etwas Auf merksamkeit zu erzeugen. Dass man sich der Sache nicht mit der gebotenen Ehrlichkeit nähert, zeigt auch die selektive Aus wahl an Daten und statistischen Bezugspunkten.
Dass sich das Bruttoinlandsprodukt in Brandenburg seit 2008 prozentual besser entwickelt hat als im Durchschnitt der ande ren Bundesländer, liegt vor allem in der leider geringen industriellen Wertschöpfung begründet. Die Einbrüche infolge der Finanzkrise im Industriesektor wirkten sich folglich in Bran denburg nicht in so starkem Maße wie in anderen Bundeslän dern aus. Es zeigt sich, dass mit einer geschickten Auswahl des Betrachtungszeitraums das gewünschte Ergebnis selektiert wird.
Fakt ist, dass Brandenburg beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf immer noch hinterherhinkt, beispielsweise im Vergleich zu Thüringen: In Brandenburg lag das Jahresbruttoinlandsprodukt im Jahr 2017 bei 27 800 Euro, in Thüringen bei 28 900 Euro - ganz zu schweigen von den westdeutschen Bun desländern, wo das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf teilweise doppelt so hoch ist. Was in diesem Land fehlt, ist eine mittel ständische Wirtschaftsbasis insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Alle Versuche der Landesregierung, hier Cluster strukturen und Leuchtturmprojekte zu schaffen, sind geschei tert. Wir können nicht auf prozentuale Steigerungen verweisen, ohne die nominalen Werte einer ernsthaften Betrachtung zu unterziehen.
Bezeichnend ist auch, dass in der Begründung des Antrags die Entwicklung im ländlichen Raum mit keinem Wort erwähnt wird. Während der Speckgürtel durchaus positive Entwicklun gen verzeichnen kann und vor allem von der Dynamik des Ber liner Stadtgebiets profitiert, erleben wir in berlinfernen Regio nen anhaltende Stagnation. Vor allem das rigide Sparen bei der verkehrlichen Infrastruktur hat zu einer Schwächung beitragen. So erleben wir seit geraumer Zeit eine anhaltende Urbanisie rungsdynamik, obwohl das eklatante Mietgefälle zwischen berlinnahen Räumen und ländlichem Raum eigentlich ein star kes Argument für den ländlichen Raum sein müsste. Dass die ser sich abzeichnenden Entwicklung nicht entgegengetreten wird, sehen wir beispielsweise auch beim Landesnahverkehrs plan. Dort finden die Bedürfnisse der berlinfernen Regionen nicht angemessen Berücksichtigung - mit entsprechend negati ven Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das sträfliche Ver
schleppen der flächendeckenden Digitalisierung, das immer zuvörderst den ländlichen Raum trifft, ist ebenso ein Beispiel wie das Schlechtreden des ländlichen Raumes in der gesamten ersten Hälfte der Wahlperiode, als man uns mit sinkenden Be völkerungszahlen erschrecken wollte; das tat sein Übriges. Ebenso denken wir an die gängelnde Wirkung des Landesent wicklungsplanes.
Ich glaube, dass die Wirtschaftskraft Brandenburgs auf Dauer nur dann mit derjenigen der anderen Bundesländer mithalten kann, wenn der ländliche Raum die Würdigung erfährt, die er verdient. Sie sollten sich daher nicht mit Selbstlob mittels se lektiver Daten zufriedengeben, sondern in die Zukunftsberei che investieren, die es dringend nötig haben. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir kommen nun zu Minister Prof. Dr.-Ing. Steinbach. Er spricht für die Landesregierung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Lie be Gäste! Eine kleine Vorbemerkung: Ich habe mir zu den Bei trägen der Vorredner einige Notizen gemacht, auf die ich aber erst im zweiten Teil eingehe, weil ich zunächst meine eigene Botschaft vortragen möchte. Bitte fühlen Sie sich davon nicht in Ihren Aussagen ignoriert.
Ich will einmal ganz vorne beginnen - mit einer Definition, was Wirtschaft eigentlich ist. Egal, ob man in eine Enzyklopä die schaut oder bei Wikipedia sucht, die Antwort lautet: Man versucht, durch Handlungen wie Tausch, Produktion, Handel und Konsum eine planvolle Befriedigung von Bedürfnissen zu erreichen.
Warum wähle ich diese Einleitung? Weil ich verdeutlichen will, dass alles, was uns in unserem täglichen Leben umgibt und in erster Linie steuerfinanziert ist, nur deshalb existiert, weil wir eine funktionierende Wirtschaft haben.
Wenn wir sie nicht hätten, wäre ein großer Teil unseres Wohl stands und unserer Situation nicht gegeben. Das sollte man ent sprechend würdigen.