Unsere Fraktion hat am 8. März mit dem inklusiven Parité-Ge setz eine Vorlage zur Beseitigung von Wahlausschlüssen von Menschen mit Behinderungen auf Landesebene geliefert. Im Gesetzentwurf vom April nahm man sich zwar des Kommunal wahlrechts an, beschränkte sich aber auf das aktive Wahlrecht.
Wir begrüßen sehr, dass die Koalitionsfraktionen nach der Anhö rung im Ausschuss ihren Gesetzentwurf nachgebessert haben und nun passive und aktive Wahlrechtsausschlüsse im Landes- und Kommunalwahlgesetz abschaffen wollen. Damit entspricht ihr Gesetzentwurf vollumfänglich unseren Forderungen vom Januar 2017. Meine Damen und Herren, wir sind sehr froh darüber. End lich erhalten Betreute und in psychiatrischen Krankenhäusern Un tergebrachte ein elementares Grundrecht, auch wenn nicht jede oder jeder davon Gebrauch machen kann. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abge ordnete! Werte Gäste! Verehrter Herr Dusel! Seit Anfang 2017 haben wir sowohl hier im Plenum als auch in Ausschüssen und Gremien umfassend über das sogenannte inklusive Wahlrecht beraten und gestritten.
Als Entscheidungsgrundlage legte das MIK dem Innenaus schuss im Dezember vergangenen Jahres einen umfangreichen Bericht vor. Nach den intensiven Beratungen und Anhörungen brachten schließlich die beiden Koalitionsfraktionen den Ge setzentwurf zur Erweiterung des Wahlrechts ein. Demnach sol len zukünftig dauerhaft vollbetreute Menschen und schuldunfähige Straftäter nicht länger vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen werden. Dauerhaft vollbetreut sind solche Menschen, denen zur Besorgung all ihrer Angelegenheiten ein Betreuer be stellt ist. Zudem sollen dauerhaft vollbetreute Menschen auch das passive Wahlrecht erhalten. Allerdings sollen schuldunfähi ge Straftäter auch weiterhin vom passiven Wahlrecht ausge schlossen sein.
Dass Menschen, die sich aufgrund ihrer von einem Gericht fest gestellten Gefährlichkeit in einem psychiatrischen Kranken haus befinden, auch künftig nicht wählbar sein werden, begrüße ich ausdrücklich. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, wie ein freier Wahlkampf oder - wenn sie gewählt würden - die freie Ausübung des Mandats zu realisieren sein sollte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Übrigen haben auf Bundesebene CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsver trag vereinbart, dass das inklusive Wahlrecht auch für die Bun destags- und die Europawahlen umgesetzt werden soll. Ich hof fe, man schaltet in Berlin zügig in den Arbeitsmodus, damit diese Vereinbarung auch rechtzeitig umgesetzt wird. Ich hoffe da auf gute Arbeitsergebnisse. - Vielen Dank für Ihre Aufmerk samkeit.
Wir danken Ihnen. - Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Ich lasse über die Beschluss empfehlung und den Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales auf Drucksache 6/9034, Gesetz zur Erweiterung des Wahlrechts im Land Brandenburg, abstimmen. Wer zu stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist das Gesetz mehr heitlich beschlossen.
Sie sehen anhand der Aufzählung, dass es eine komplizierte Abstimmung wird, bei der wir uns konzentrieren müssen.
Das Präsidium hat sich darauf verständigt, den Stellern der Än derungsanträge von mehreren Abgeordneten jeweils drei Minu ten Redezeit zur Begründung ihrer Anträge einzuräumen. So erteile ich zunächst einem Vertreter der drei Änderungsanträge das Wort, bevor wir mit den übrigen Redebeiträgen zur Debatte fortfahren. Der Abgeordnete Nowka spricht zum Änderungsan trag auf Drucksache 6/9064. Herr Nowka, Sie haben das Wort.
Werte Kollegen! Liebe Gäste! Vielen Dank zunächst einmal für die Anmoderation; das ist ja wirklich nicht ganz so einfach.
Das Bestattungsgesetz redet von Totgeborenen, Fehlgeborenen mit einem Gewicht von unter 1 000 Gramm sowie Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Embryonen. Ich möchte in dieser Debatte einfach von den Sternenkindern reden, wie es die betroffenen Eltern auch tun.
Nach der aktuellen Gesetzesfassung und dem Vorschlag der Landesregierung sind die Sternenkinder vom Inhaber des Ge wahrsams hygienisch einwandfrei und dem sittlichen Empfin den entsprechend zu beseitigen, wenn die Eltern selbst keine Bestattung organisieren können oder wollen. Hygienisch ein wandfreies Beseitigen und Sternenkinder - wie passt das zu sammen? Wir Antragsteller finden: Gar nicht.
Eltern, die ein Kind während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt verlieren, und auch Eltern, die sich aus ver schiedensten Gründen für einen Schwangerschaftsabbruch ent scheiden, leben mit der Erinnerung an diese Kinder weiter. Bei der Frage nach einer Bestattung aller Sternenkinder geht es nicht darum, wie schwer ein Kind war oder in welcher Schwan gerschaftswoche sein Lebensweg endete. Es geht darum, dass seine bloße Existenz das Leben seiner Eltern nachhaltig verän dert hat und dass Eltern den Tod eines Kindes, egal unter wel chen Umständen, nie vergessen werden.
Die Anhörung zum Bestattungsgesetz hat in diesem Punkt Über einstimmung zwischen Medizinern und Vertretern der christli chen Kirchen aufgezeigt. Insbesondere die Kliniken mit großen Geburtsstationen haben in Brandenburg bereits seit Jahren frei willig und aus innerer Überzeugung gemeinsam mit den Kom munen und den Kirchen eine Bestattungskultur für alle Ster nenkinder, die in ihre Obhut fallen, entwickelt. Diese Sternenkinder ruhen nach einer würdevollen Sammelbestattung auf ih ren eigenen Friedhofsfeldern und können jederzeit besucht werden. Danke dafür an alle Beteiligten.
An der liebevollen Arbeit der Kliniken mit den Sternenkindern zeigt sich auch, dass ein würdevoller Umgang mit einem been
deten Leben nicht mit einem Votum gegen Schwangerschafts abbrüche gleichzusetzen ist. Das Bedürfnis, den letzten Weg in Würde zu gestalten und den Eltern einen Ort für ihr Erinne rungs- und Trauerbedürfnis zu schaffen, steht im Mittelpunkt.
Auch zeigt uns die bereits heute in Brandenburg teilweise ge lebte Praxis, dass es gelingt, beide Themenfelder voneinander zu trennen. Ohne pädagogischen Zeigefinger und ohne Moral keule wird allen Eltern ein Angebot gemacht, von dem sie für den Rest ihres Lebens profitieren können, auch wenn sie selbst vom Bestattungsrecht Abstand nehmen. Unser Vorschlag zwingt niemanden dazu, sich nach einem traumatischen Erleb nis und einer persönlichen Ausnahmesituation mit einer Bestat tung zu beschäftigen, sich eine Grabstelle statt einer Kinder zimmereinrichtung zu kaufen, oder zu anderen ungewollten Pflichten. Er stellt aber sicher, dass an die Stelle der Beseiti gung ein Umgang der Gewahrsamsinhaber tritt, der Trauern und Erinnern in Würde möglich macht; denn alle Eltern haben ein Recht auf Trauer. Wenn Eltern Jahre später sagen können: „Als wir vor Trauer und Schmerz hilflos waren, hat unser Kind seine letzte Reise nicht allein angetreten; es wurde nicht besei tigt, sondern hat eine letzte Ruhestätte erhalten“, dann haben wir für diese Menschen sehr viel erreicht. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir kommen zur nächsten Rednerin. Die Abge ordnete von Halem spricht zum Änderungsantrag auf Drucksa che 6/9065. Frau von Halem, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Sehr geehrte Gäste! Bei der Einbringung des Gesetzent wurfs hatte ich in meiner Rede noch kritisiert, dass sich der Gesetzentwurf bis auf die Frage der Teilentnahme von Toten asche in erster Linie auf technische Aspekte beschränkt. Ich habe dafür geworben, sich auch den sensibleren Themen zu nähern. Ich denke, das ist jetzt geschehen, und das drückt sich letztlich auch in der Fülle der Änderungsanträge, auch von Gruppen einzelner Abgeordneter, aus. Das ist ein Prozedere, das nicht alle Tage vorkommt.
Ich möchte für eine Gruppe von Abgeordneten einen Ände rungsantrag zu dem sensiblen Thema Pflicht zur Bestattung von Totgeborenen begründen. Ich bitte darum, mir nachzusehen, dass ich um der rechtlichen Genauigkeit willen die juristischen Fachbezeichnungen verwende, die bei diesem berührenden Thema so seltsam unangemessen klingen. Den Begriff Sternen kinder zu verwenden wäre mir auch lieber, aber bei dem An trag, über den ich hier rede, muss ich differenzieren.
Ich möchte außerdem vorausschicken, dass der Innenausschuss einstimmig die Empfehlung an uns gerichtet hat, Eltern über die Möglichkeit, tot- oder fehlgeborene Kinder bestatten zu las sen, zu informieren. Das gilt für alle, völlig unabhängig vom Gewicht. Diese Möglichkeit gibt es. Das Bestattungsgesetz sah eine solche Informationspflicht bisher nicht vor. Diese Ände rung begrüßen wir ausdrücklich.
Das Anliegen unseres Gruppenantrags ist nun, dass das Min destgewicht eines totgeborenen Kindes, bei dem die Bestat
tungspflicht greift, von bisher 1 000 Gramm auf 500 Gramm gesenkt wird. Wir folgen damit dem Beispiel der Mehrzahl der Bundesländer.
Das lässt sich mehrfach begründen: Erstens ist es heutzutage aufgrund des immensen medizinischen Fortschritts durchaus möglich, Frühchen mit einem Geburtsgewicht von weit unter 1 000 Gramm am Leben zu erhalten. Zweitens sieht die Perso nenstandsverordnung vor, dass totgeborene Kinder, wenn sie über 500 Gramm wiegen, ins Personenstandsregister eingetra gen werden müssen - auf Wunsch der Eltern auch mit Vorna men -, ebenso wie Neugeborene unter 500 Gramm, wenn sie nach der Geburt noch gelebt haben. Für sie gilt schon heute eine Bestattungspflicht - was in Abgrenzung dieses Gruppenantra ges vom Gruppenantrag 1 wichtig ist. Zudem wird nach den Begriffsbestimmungen des bisher geltenden Brandenburgischen Bestattungsgesetzes ein totgeborenes Kind ab 500 Gramm als Leiche definiert.
Vor diesem Hintergrund erscheint uns unverständlich, warum in Brandenburg die Pflicht zur Bestattung von totgeborenen Frühchen erst ab 1 000 Gramm und nicht schon ab 500 Gramm gilt. Das sollten wir heute ändern.
Vielen Dank. - Wir kommen zum dritten Redner, dem Abgeord neten Kosanke. Er spricht für den Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 6/9066.