Protocol of the Session on December 13, 2017

Herr Jungclaus, ich glaube nicht, dass wir eine durchgreifende Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs oder des Schienenverkehrs durch die Wiederherstellung stillgelegter Strecken erreichen werden. Und ja, ich habe mich über 1 300 Stellungnahmen zum Landesnahverkehrsplan gefreut, denn sie sind ein gutes Zeichen, dass dieses Thema auch insge samt im Land sehr relevant ist.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Sie sind natürlich Experte. Sie sind seit Jahren Verkehrsexperte - genau wie Herr Genilke - und wissen natürlich, worauf es an kommt. Sie wissen, wie das mit den Verkehrsverträgen läuft, und Sie wissen, wie es mit dem Fahrzeugmarkt aussieht. Aber es ist klar, dass Sie hier auch immer wieder vorbringen, dass wir alle noch einen Zug im Garten stehen hätten, den wir ein fach nur nehmen und auf die Schiene setzen könnten - und schon würde alles besser.

(Zurufe von der CDU)

Ich verstehe nur eines nicht, Herr Genilke: Wenn es so ist - ich meine, Sie wissen, wie das läuft -, warum verlangen Sie dann die Verschiebung der Ausschreibung? Das ist genau die Lösung des Problems, um mehr Fahrzeuge zu bekommen. Das bringe ich nicht übereinander.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wir haben nach wie vor Probleme mit Fahrzeugzulassungen und der Bereitstellung gerade auch bei DB Regio. Wir haben dort noch keinen verkehrsvertragskonformen Zustand. Aber ich habe heute das erste Mal aus der CDU-Fraktion gehört „Wir freuen uns über zusätzliche Züge, die im Landesnahverkehrs plan enthalten sind“ und mich ehrlich darüber gefreut.

(Beifall der Abgeordneten Lieske [SPD])

Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die schon angesprochen worden sind, die wir auch im jetzigen Vertrag als Optionen ge zogen haben: die Entlastung des RE1 durch die Regionalbahn nach Berlin-Friedrichstraße zum Beispiel, Taktverdichtungen beim RE2 und RE3, die Verlängerung beim RE3 und RE5 mit dem fünften Doppelstockwagen. Ich könnte das fortführen, will es aber nicht.

Wir haben als Land viel investiert, und das vor allem im ländli chen Raum, zum Beispiel auf der Strecke der RB60 zwischen Eberswalde, Wriezen und Frankfurt (Oder), aber auch an vielen anderen Stellen, beispielsweise auf der Strecke nach Beeskow. Überall haben wir als Land dort in die Infrastruktur investiert,

welche die DB Netz eigentlich instand halten und in Ordnung bringen müsste. Wir haben zusammen mit der Bahn an vielen Stationen und in Bahnsteige investiert, gerade auch in GroßPankow, Perleberg, Prenzlau, Wriezen, Cottbus usw. - was auch immer, es gibt ganz viele Beispiele dazu.

Wir haben uns jetzt entschieden - weil wir sehen, dass wir nicht weiterkommen -, auch in die RE-Strecken zu investieren. Des wegen entstand gemeinsam mit Berlin das Projekt „i2030“.

Wir sind nicht Weltmeister beim Pendeln.

(Frau Lieske [SPD]: So ist es!)

Wir sind auch nicht Deutschlandmeister. An erster Stelle liegt München, gefolgt von Frankfurt am Main sowie - glaube ich - Düsseldorf und Stuttgart. Dann kommt Berlin.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Schauen Sie sich die Unterlage noch einmal an. Das hatte Frau Henckel auch in der Anhörung schon gesagt.

(Frau Lieske [SPD]: Genau!)

Wir sind also nicht Weltmeister, aber wir sind gut. Wir in der Hauptstadtregion sind aber gern Welt- oder Deutschlandmeister und müssen uns daher natürlich auch in Zukunft mit diesem Thema beschäftigen.

Warum kann ich nicht empfehlen, dass der Entschließungsan trag, den Herr Jungclaus hier vorgestellt hat, angenommen wird? Punkt 1 - ja, das ist auch das, was ich schon mehrfach gesagt habe: Regionalisierungsmittel müssen nach einem Stu fenmodell Schritt für Schritt für den SPNV eingesetzt werden. Das wollen wir auch machen. Wir haben heute gerade das ÖPNV-Gesetz beschlossen; das ist der erste Schritt dazu.

Hinsichtlich der Sofortmaßnahmen, die begrenzt möglich sind, sind wir mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Gespräch. Der begrenzende Faktor sind hier die Fahrzeuge. In zukünftige Ausschreibungen sollen flexible Nachbestellungsoptionen auf genommen werden. Das passiert und wurde mit der aktuellen Ausschreibung auch umgesetzt. Ebenso sind wir bei „i2030“ gut unterwegs.

Stillgelegte Bahnstrecken zu reaktivieren ist keine Lösung. Deswegen müssen wir uns vor allen Dingen auf die Stabilisie rung der schwachen Strecken konzentrieren. Wir haben Stre cken mit 150 Ein- und Aussteigern. Das ist sehr wenig, liegt unter 300. Diese Strecken zu stabilisieren ist noch eine große Herausforderung für uns.

Landesbedeutsame Buslinien sind einst als Ersatz für Schienen verkehre in das Gesetz gekommen. Das wollen wir aber nicht, denn wir wollen den Schienenverkehr hochhalten, wollen ihn erhalten. Deswegen ist das für mich auch keine Option. Ich un terstütze nach wie vor das PlusBus-Konzept. Ich bin froh, dass der Gesetzentwurf jetzt „durch ist“, und hoffe, dass sich mit der Veredlung der PlusBus-Kilometer, die wir ja daraus ableiten wollen, noch mehr Aufgabenträger dieser Aufgabe widmen und das auch annehmen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Gemeinsames Landesnahverkehrskonzept für den Umlandver kehr - das hört sich erst einmal gut an. Aber nein, das werde ich nicht machen, weil wir natürlich nicht nur zusammen mit Ber lin wieder allein auf Berlin und sein Umland gucken können. An welcher Stelle hört das dann auf? Das ist nicht gut für unser Land, und ich glaube, wir sollten Brandenburg insgesamt im Blick behalten - und Berlin. Wir brauchen ein Verkehrssystem mit Fernverkehr, Regionalverkehr, Regionalbahnen, S-Bahn, U-Bahn, gerne auch die Fähren, und das stimmen wir für die Region im VBB gemeinsam ab.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abgeordneter Jungclaus.

(Zuruf von der CDU: Es war eine Kurzintervention ange meldet worden!)

- Entschuldigung! Ich hatte dies zwar vermerkt, aber eben nicht daran gedacht. Herr Kollege Genilke hat eine Kurzintervention angemeldet.

Danke, Herr Präsident. - Die Ministerin hat ja auf meinen Gar ten abgestellt, in dem es eventuell Züge gibt, die wir bestellen können. - Frau Ministerin, dass wir heute ein Problem mit dem Wagenmaterial haben, ist ein hausgemachtes Problem. Das ist kein Problem, das wir erst seit gestern haben, und auch nicht eines, das wir seit letztem Monat haben, sondern ein Problem, das wir haben aufwachsen sehen. Und wenn wir heute bekla gen, dass wir zu wenig dieser Züge haben, dann haben wir in der Vergangenheit bei der Bestellung etwas falsch gemacht.

(Beifall CDU)

Deshalb will ich auch noch einmal darauf abstellen, zumal Sie gesagt haben, Sie könnten nicht erkennen, warum wir die Aus schreibung hätten stoppen sollen. Genau das ist ja das Problem: Wir sind mit dieser Ausschreibung in die nächste Falle getappt, da wir jetzt Dinge ausgeschrieben haben, die dazu führen, dass wir wieder zu wenig Wagenmaterial haben werden. Und damit wollen wir übrigens noch 2035 fahren, also zu einem Zeitpunkt, wo Sie schon Ihre Streckenausweitung - wenn Sie sich da eini gen - bestellen wollen. Das Problem ist also wieder hausge macht und besteht darin, dass wir mit Siemenszügen, TalentZügen und Stadler-Zügen, die alle nicht miteinander kombinierbar sind, durch die Gegend fahren, die allein schon deshalb, weil es unterschiedliche Systeme sind, zu dem Prob lem führen, dass sie nicht miteinander harmonieren. Man kann nicht einfach etwas dort oder dorthin verschieben.

Das Nächste ist, dass wir mit dieser Ausschreibung nicht fest gelegt haben, dass wir Züge bestellen, die wir koppeln oder flügeln können. Das würde aber eine ganze Menge für den länd lichen Raum bringen, denn man könnte die Züge dort, wo wir nicht so viele Fahrgäste haben, teilen und müssten die Trassen gebühr nur einmal bezahlen. All diese Innovationstechniken - auch Hybridzüge im Übrigen - haben wir dort nicht hineinge packt. Und ich sage Ihnen jetzt schon voraus, dass jede Nachverhandlung über Optionsverträge dazu führen wird, dass

diese Bestellleistung teurer wird. Sie wird wesentlich teurer, und das ist das Problem, das wir an der Stelle haben. Vielleicht hatte ich mich nicht deutlich ausgedrückt. Daher ist es gut, dass ich jetzt noch einmal die Gelegenheit nutzen konnte. - Vielen Dank.

Frau Ministerin möchte reagieren.

Herr Genilke, ich bleibe dabei: Wir brauchen jetzt möglichst schnell die Ausschreibung, um die Fahrzeuge, die wir - auch für die Region hier - brauchen, zu bekommen.

Ja, diese Ausschreibung wird zweifelsohne teurer werden, weil wir einfach 5 Millionen Zugkilometer mehr haben. Da ist es ganz logisch, dass diese Ausschreibung teurer wird.

Es gibt vier Lose. Sie sind so gestaltet, dass man Strecken mit einander kombinieren und damit auch Fahrzeuge untereinander austauschen kann, wo es sich von den Strecken her anbietet.

Ich bin überzeugt, dass diese Ausschreibung einen richtig gro ßen Schritt für das Nahverkehrssystem hier bringt. Sie ist im Übrigen auch so flexibel gestaltet, dass sie im Laufe der Zeit noch mitwachsen kann.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank. - Nun erhält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch einmal das Wort. Kollege Jungclaus, bitte.

Zunächst einmal vielen Dank für die Debatte. Sie hat zumindest gezeigt, dass sich alle Fraktionen mit dem Thema intensiv be schäftigt haben. Ein Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, die mit der Beantwortung einiges an Arbeit geleistet haben.

Kurz noch zu den einzelnen Redebeiträgen. Frau Kircheis, ja, der ÖPNV ist ein Erfolgsmodell. Er hat sich gut entwickelt. Er hat sich aber nicht wegen, sondern trotz Ihrer Verkehrspolitik gut entwickelt. Wenn Sie auf der einen Seite über 650 000 Fahr kilometer streichen und auf der anderen Seite trotzdem 60 % Fahrgastzuwachs haben, dann können Sie sich dies nicht auf die Fahnen schreiben.

Herr Genilke, ja, wir haben beim Thema Ausschreibung ausset zen tatsächlich eine andere Auffassung. Sie haben es selber ge sagt: Sie wollen die Ausschreibung solange aussetzen, bis die Landesregierung weiß, wo sie hinwill. Wir haben einfach die Angst, dass wir in die Situation kommen, dass gar keine Züge mehr fahren, wenn wir warten, bis die Landesregierung das weiß.

Frau Tack, ich dachte, über den Punkt, dass wir uns vorwerfen, bei welchen Veranstaltungen wir waren bzw. nicht waren, sind wir hinaus. Wir sind so organisiert, dass die Fachreferenten zur Veranstaltung gehen. Das machen sie sehr gut. Meiner Auffas sung nach ist nicht entscheidend, ob man anwesend war, son

dern was man aus den Ergebnissen macht. Da haben wir, glaube ich, hier mehr vorgelegt, als von Ihnen zu hören war.

Ein letzter Punkt zu Frau Schneider: Wenn Sie sagen, dass Ver besserungen nicht sofort bewirkt werden könnten, so möchte ich Ihnen entgegenhalten: Eine erste Verbesserung wäre es ja schon, wenn Sie sagten, was Sie mit den 15 Millionen vorha ben, die Sie jedes Jahr zurückhalten, in Ihren Sparstrumpf ste cken und ansparen, und uns darlegten - da Sie darauf ja immer abzielen -, was jetzt an Zugbestellungen zu leisten ist, und da bei differenzieren: S-Bahn - klar, da bekommt man keine Züge, das kann man nicht von heute auf morgen ändern. Aber Herr Leister hat in der Anhörung selbst gesagt, dass man den Regio nalexpress 1 durchaus innerhalb des Vertrages verstärken kann.

Herr Abgeordneter, Sie müssen unbedingt zum Schluss kommen.

- Ich komme zum Schluss.

Das kostet eben nur Geld. Da erwarte ich vom Ministerium eine transparente Darstellung, was geht und was nicht geht, damit wir die Entscheidung im Parlament treffen können und sie nicht in irgendwelchen Hinterzimmern des Ministeriums getroffen wird. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)