Protocol of the Session on December 13, 2017

Verehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, mit dem, was Sie zum Schluss gesagt haben, halten Sie uns fast schon einen Strohhalm hin. Im Grunde genommen ist die von uns erhobene Forderung nach einem Härtefallfonds für die be troffenen Personen, von denen einige oben auf der Gästetribüne sitzen, das zentrale Gebot der Stunde. Schließlich werden die Menschen nicht jünger, und sie plagen sich schon einen Groß teil ihrer Lebenszeit mit diesem Problem herum. Wenn Sie es also wirklich ernst damit meinen, dass wir uns zu dieser Sache zusammenfinden sollten, dann befürworte ich das.

Zur Bundesratsinitiative möchte ich nur Folgendes sagen: Die anderen Finanzminister beteiligen sich daran nicht, weil die Zahl der Betroffenen in den anderen ostdeutschen Bundeslän dern weit niedriger ist. Selbstverständlich habe ich mit meinen Kollegen der östlichen Bundesländer, die betroffen sein könn ten, diesbezüglich korrespondiert, aber die Bodenreformaffäre hatte dort nicht dieses Ausmaß. Das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb Sie dort auf taube Ohren gestoßen sind.

Ihre Ankündigung, hier vor Ort tatsächlich eine Regelung fin den zu wollen,

(Homeyer [CDU]: Das war so was von brandenburgisch!)

ist abgesichert. Wir hatten uns informiert und herausgefunden: Seit 2013 haben wir die volle Verfügung über diese Grundstü cke. Wir können damit tatsächlich auch Unrecht wiedergutma chen, das vielleicht zu dem Zeitpunkt formaljuristisch gar kein Unrecht war.

Einige persönliche Worte kann ich dann noch in meiner regulä ren Redezeit anbringen, was ich auch tun werde. Meine Kurzin tervention ist damit an dieser Stelle beendet.

(Beifall CDU)

Herr Kollege, darf ich fragen: War das jetzt Ihre Kurzinterven tion oder Ihre Restredezeit?

(Gliese [CDU]: Das war die Kurzintervention!)

Die Kurzintervention. - Herr Minister, möchten Sie entgegnen?

Sehr geehrter Herr Gliese, Sie müssen differenzieren: Das eine ist das Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2007 im Zusammenhang mit der Aneignung bzw. widerrechtlichen An eignung von Bodenreformflächen. Beim EGBGB - darum geht es - sind alle ostdeutschen Länder davon betroffen gewesen, und zwar bezüglich der Entscheidung, die auch von Ihnen rich tig dargestellt worden ist - ich glaube, Frau Mächtig und Herr Holzschuher haben das auch getan -, als im Jahre 1992 über Nacht eine andere Regelung im Zusammenhang mit der Bes serberechtigung, das heißt der Zuteilungsfähigkeit bei Boden reformflächen ergangen ist. Das ist in allen ostdeutschen Län dern der gleiche Zustand. Deshalb glaube ich, dass es sich trotzdem lohnt, diese Initiative zu starten. Ich würde mich freu en, wenn Sie noch einmal Gespräche führen würden, denn es wäre gut, wenn wir da nicht allein stünden. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Danke. - Das Wort erhält für die Restredezeit noch einmal der Abgeordnete Gliese.

Verehrte Damen und Herren! Die emotionalen Belastungen, die aus dieser Sache hervorgehen, nötigen mir doch einige persön liche Worte ab, die ich auch aus der Sicht eines gelernten DDRBürgers an Sie richte.

Wer sich in der DDR-Historie auskennt, weiß, dass ab 1945 die Grundstücke vielfach an Vertriebene aus den Ostgebieten ver teilt wurden, die hier eine neue Heimat gefunden hatten. Sie be kamen die Grundstücke auch nicht geschenkt. Es gab dort - auch wenn das heute immer wieder mal in Abrede gestellt wird - eine Familienbindung.

Die Praxis war so: Wer die Wirtschaft nicht mehr beackerte, der musste sie in den 50er-, 60er- und sogar noch in den 70er-Jah ren wieder abgeben. Das haben die DDR-Behörden durchge führt. In den 80er-Jahren - also zu späteren Zeitpunkten - wurde dieses Verfahren nicht mehr so durchgeführt, da der Zugriff auf Grund und Boden ohnehin verwehrt war. Die DDR hatte diese Praxis nicht mehr weiterverfolgt und die Eintragung der Men schen einfach im Grundbuch belassen. Das betrifft einen Groß teil der Fälle, die wir heute haben.

Wenn aber das Land daherkommt und jemandem, der in einem gesamtdeutschen Grundbuch stand - und das teilweise über zehn Jahre -, sagt: „Du bist gar nicht der rechtmäßige Eigentümer“, dann sage ich dazu: Das können wir nicht bringen. Das ist eine Sache, die dem Rechtsstaat nicht gut zu Gesicht steht. Hier müs sen wir eingreifen. Diese Geschichte muss zu einem Ende kom men. Wir müssen Maßnahmen ergreifen; wir müssen einen Här tefallfonds, der wirklich fernab des Formaljuristischen ist, wie es immer bezeichnet wird, einrichten und unbürokratisch Ein zelfallprüfungen vornehmen. Das wäre aufgrund des Lebensal ters der Betroffenen aus meiner Sicht das Gebot der Stunde.

Wir machen damit auch keine Baustellen der Vergangenheit auf. Es wurde vielfach angemerkt: Wir müssen die Sache ir

gendwann einmal abschließen. Gerade im Sinne der Betroffe nen, die es noch gibt, sollten wir doch eine Lösung hier in die sem Hause finden.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD und des Abgeordne ten Vogel [B90/GRÜNE])

Damit appelliere ich an Sie, Herr Minister: Die Macht haben wir. Der politische Wille wird da sein. - Vielen Dank.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Holzschuher hat eine Kurzin tervention angezeigt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gliese, Sie haben zum Schluss eine persönliche Erklärung abgegeben. Deswegen möchte auch ich ein bisschen persönlich antworten - nicht als gebürtiger DDRBürger, sondern als jemand, der als Jurist mit dieser Materie seit den frühen 90er-Jahren sehr intensiv befasst war und der in der Tat erlebt hat, welche Verwerfungen die Abwicklung der Bodenreform nach der Wende mit sich gebracht hat, und der erlebt hat, welche persönlichen Verzweiflungen es ausgelöst hat, wenn Menschen, die glaubten, Eigentümer eines Grundstü ckes zu sein, gezwungen waren, es herauszugeben. Für Juristen war es nicht ganz einfach, das nachzuvollziehen. Es ist auch der einzige mir bekannte Fall, in dem das Bundesverfassungsge richt und dann auch der Europäische Gerichtshof gesagt haben, dass eine entschädigungslose Enteignung zulässig war.

Aber sie war auch deshalb zulässig, weil zu DDR-Zeiten will kürlich gehandelt wurde - da werden wir uns vielleicht schnell einig -, weil es Zufall war, wer im Grundbuch stand und wer nicht im Grundbuch stand, weil in der Praxis das Bodenreform land, das nicht mehr genutzt wurde, weil die Erben nicht in der Landwirtschaft tätig waren, an den Bodenfonds zurückgeführt wurde. Das wurde in einigen Fällen vollzogen und in anderen Fällen nicht - also willkürlich vollzogen oder nicht vollzogen.

Diese Willkür weiterzuführen wäre nach der Wende nicht ver fassungsgemäß gewesen. Das jedenfalls war die Auffassung vieler. Deswegen gab es 1992 die Entscheidung, das ModrowGesetz - das übrigens nicht die frei gewählte Volkskammer, sondern noch Modrow gemacht hat - nicht zur Grundlage der weiteren Entwicklung zu machen.

Das hat natürlich zu neuen Ungerechtigkeiten geführt; das weiß ich. Wenn wir aber heute versuchen würden, all diese Unge rechtigkeiten zu beseitigen, würde es wieder neue auslösen. So ist das mit der Bodenreform - es tut mir leid.

Ich sehe keine gerechte Lösung in diesem Fall. Das heißt nicht - insofern bin ich dem Finanzminister sehr dankbar -, dass man in Einzelfällen, in denen es zu besonderen Verwerfungen und zu extremen finanziellen Belastungen gekommen ist, nicht darüber nachdenken muss, ob ein Staat nicht verpflichtet ist, da zu helfen. Eine Härtefallregelung in Einzelfällen ja, aber keine

grundsätzliche Infragestellung dessen, was war. Wir müssen nach vorn schauen - auch bei dem Thema; es tut mir leid.

(Beifall SPD)

Kollege Gliese möchte reagieren.

Verehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Holzschuher, das ist ja schon der nächste Strohhalm, der uns hingehalten wird. - Ich sehe es nicht anders: Wir können das in der Vergangenheit geschehene Unrecht nicht vollständig wiedergutmachen. Wir sollten aber fernab des Formaljuristischen eine Regelung fin den, die der Anstand - diesen Begriff sollte man an dieser Stelle einmal verwenden - gebietet.

(Beifall CDU und des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜ NE])

Man sollte ihn sehr sparsam verwenden; aber an dieser Stelle ist es für mich eine Frage des Anstands und nicht vorrangig eine formaljuristische Frage, was in dieser Sache passiert ist.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Wir müssen vor allem die fortgeschrittene Zeit betrachten, se hen, wie viele Jahre ins Land gegangen sind. Wer zehn Jahre im gesamtdeutschen Grundbuch gestanden hat, der hat auch einen gewissen Vertrauensschutz zu genießen. Das betrifft Menschen, die sich in den letzten Jahren verausgabt haben. Den Betroffe nen müssen wir einfach helfen, da schon der Wille besteht. Die zentrale Forderung unseres Entschließungsantrages ist diese Härtefallregelung mit Überprüfung jedes Einzelfalls. Mit dem, was Herr Holzschuher ausgeführt hat, wären wir schon einmal auf einem guten Weg. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Ich beende die Aussprache. Damit ist die Ant wort der Landesregierung auf die Große Anfrage 24, Drucksa che 6/7496, zur Kenntnis genommen.

Ich lasse jetzt über den Entschließungsantrag der CDU-Frakti on auf Drucksache 6/7784 abstimmen und darf Sie fragen: Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und drei Enthaltungen ist der Entschließungsantrag mehrheit lich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungs punkt 12 auf:

Situation des Bahnverkehrs in Brandenburg

Große Anfrage 25 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 6/7006

Antwort der Landesregierung

Drucksache 6/7554

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/7776 vor.

Die Aussprache eröffnet der Abgeordnete Jungclaus von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeord nete! Liebe Gäste! Ich habe schon des Öfteren kritisiert, dass gerade die Abgeordneten im Verkehrsausschuss - laut Anwe senheitsliste jedenfalls - fast alle mit dem Pkw zu den Sitzun gen anreisen.

Inzwischen kann ich Ihnen das immer weniger verdenken. Seit der Sommerpause habe ich es ganze drei Tage geschafft, ohne irgendeine Zugverspätung in den Landtag zu kommen und zu rückzufahren.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Glücklicher!)

Technische Störung am Zug, Zugausfall, Polizeieinsatz, techni sche Störung an der Strecke, Notarzteinsatz, Signalstörung, Wei chenstörung, Schrankenstörung, Baustellen, Kabelbrand, Stö rung im Betriebsablauf, Verspätung wegen eines vorausfahrenden Zuges, feuchte Blätter auf den Schienen, Kühe im Gleis usw.