Wir diskutieren hier gelegentlich ja auch über Massentierhal tung. Der Platz, der Fahrgästen in den Zügen oftmals zur Ver fügung steht, lässt ungefähr erahnen, wie sich die armen Vie cher in manchem Brandenburger Stall fühlen.
Dann schreiben Sie weiter, Sie beantragten diese Aktuelle Stunde, damit wir - Zitat! - „die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen bei der Fortschreibung des Landesnahver kehrsplanes formulieren“.
Da hätte ich mir natürlich gewünscht, dass auch tatsächlich et was formuliert würde. Ich stelle fest: Die CDU hat etwas for muliert, die Grünen haben etwas formuliert. Ich habe bis fünf vor zehn darauf gewartet, dass von Ihnen auch ein Entschlie ßungsantrag kommt. Aber nein, SPD und Linke - Fehlanzeige!
Ja, Sie wollen den Regionalverkehr stärken. Gleichzeitig neh men Sie aber kein Geld dafür in die Hand. Vielmehr setzen Sie die Regionalisierungsmittel zu einem nicht unerheblichen Teil zweckentfremdet ein.
Auch wenn wir es ja grundsätzlich begrüßen, dass Sie jetzt erstmals eigenes Geld für den ÖPNV in die Hand nehmen: Es ist entschieden zu wenig. Es sind beispielsweise nicht mehr Landesmittel, als sie Ihrem Kabinett jährlich für die Waffen schau ILA wert sind. Das immerhin bei einem Finanzminister der Linken, wohlgemerkt.
Aber irgendwie ist das auch kein Wunder, denn es fehlt schlichtweg an ambitionierten Zielen. Sie wollen bis 2030 den Anteil des Umweltverbundes am Verkehrsaufkommen von der zeit 47 % lediglich auf über 50 % erhöhen. Welch eine Vision ist denn das?!
Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel. Aber Sie hau chen einer falschen Mobilitätskultur über Ihr Verfallsdatum hi
naus neues Leben ein. Fatal, wenn man bedenkt, welche gra vierenden Probleme wir beispielsweise beim Verkehr haben. Nirgendwo sonst steigen die Klimagasemissionen so stark - von Feinstaub, Lärm oder Unfallopfern ganz zu schweigen.
Es ist ja durchaus zu begrüßen, dass die Landesregierung jetzt im Rahmen der Erarbeitung des Landesnahverkehrsplanes den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern sucht. Nur, die bei den Bürger-Dialogen angekündigten vertiefenden Untersu chungen lassen befürchten, dass Entscheidungen erneut vertagt werden.
Während wir also fleißig Werkstattgespräche führen und uns etwa um das zweite Gleis nach Cottbus streiten, nimmt der Straßenverkehr ungebremst zu. Vierspuriger, sechsspuriger, achtspuriger Ausbau - für Sie überhaupt kein Problem!
Wir fordern daher - erstens: Zusätzliche Bestellungen dürfen nicht zu Kürzungen an anderer Stelle führen.
Zweitens: Die Pauschalzuweisungen an den übrigen ÖPNV müssen zukünftig auch aus Landesmitteln finanziert werden. Damit meine ich nicht Ihre homöopathisch dosierten Anpas sungen, die wir im ÖPNV-Gesetz morgen diskutieren werden.
Drittens: Endlich Taktverdichtungen, um den Regionalverkehr im Berliner Umland zu entlasten. Dabei müssen sich unsere Kommunen auch auf eines verlassen können: Wir müssen ih nen auch in den nächsten zehn Jahren einen verlässlichen Takt bieten. Nur so haben sie Planungssicherheit beispielsweise für die Sanierung des Bahnhofumfeldes, für Park&Ride-Plätze oder für überdachte Fahrradständer.
Schließlich: Es muss endlich zu Verhandlungen mit Berlin und DB Netz beim Streckenausbau mit möglichst schnellen Ent scheidungen kommen.
Die in unserem Antrag aufgeführten Infrastrukturprojekte wer den ja nicht erst seit gestern diskutiert. Stattdessen setzen Sie auf Gigaliner, Autobahnausbau, Bahnhofsterben.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Dem Antrag der CDU werden wir ebenfalls zustimmen. Nach der Rede von Frau Tack bin ich auch überzeugt, dass diesen beiden Anträ gen auch die Fraktion DIE LINKE zustimmen wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Vida für die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordneten! Der Fairness halber muss man sagen, ich sehe Frau Ministerin
(Heiterkeit der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜ NE] - Bischoff [SPD]: Ich kenne mehrere! - Weitere Zu rufe)
- Ist doch gut. Sie können sich ja nachher alle noch melden oder durch Kurzintervention anzeigen, dass Sie auch Bahn fah ren. Dazu haben Sie das Recht.
Meine Damen und Herren, wir haben die erste Diskussion zur Verbesserung der Mobilität als BVB/FREIE WÄHLER Grup pe bereits Ende 2014 - also gleich in dem Jahr, in dem wir in den Landtag gekommen sind - geführt. Da hat Ministerin Schneider zugesagt, dass 2017 - das haben wir jetzt ja - eine intensive Diskussion erfolgt und wir dann unsere Kenntnisse, unsere Anregungen, unsere Bedenken einbringen können.
Ich hoffe, Frau Ministerin, dass das ernst gemeint und dass das ehrlich gemeint war, dass wir als Opposition also auch unsere - ich sage es einmal so - infrastrukturellen Hinweise einbringen können.
Sie haben jetzt ja einen größeren Ausbau für nach 2022 ange kündigt. Ich glaube, wenn wir das wirklich angehen und schaf fen wollen, müssen wir die Flaschenhälse schon jetzt angehen. Schon jetzt ist die Hälfte der wichtigsten RegionalExpressLinien oder sind die drei wichtigsten Regionalbahn-Linien, die über die Berliner Stadtbahn laufen, extrem überlastet. Da ist eine Taktverdichtung oder sind andere Linien kaum möglich. Deswegen: Wenn wir zusätzliche Gleise wollen, wir eine Wie dereröffnung der Stammbahn oder Tangentialverbindungen wollen, die hier von allen gelobt werden, dann müssen wir be achten: Die brauchen gewisse zeitliche Vorläufe. Das muss al so jetzt angegangen werden. Automatisierungen oder auch elektronische Steuerungssysteme für verkürzte Mindestabstän de, die immer wieder gefordert werden, gehen auch nicht von heute auf morgen in allen Zügen. Das muss jetzt angegangen werden. Wenn die Entlastung der überlasteten Streckenab schnitte nicht jetzt angegangen wird, werden die Versprechun gen schon fünf Jahre im Voraus gebrochen.
Ein weiteres Problem sind die jahrelangen Sperrungen, die wir erleben. RE 3, Eberswalde-Bernau-Gesundbrunnen, ist der Horror. Über ein Jahr Umleitung über Lichtenberg. Oder auch die Sanierung der Dresdner Bahn, die den Südwesten in weiten Teilen abkoppelt. Die Union Pacific, als sie 1865 angefangen hat, hat am Tag neun Kilometer Schienen verlegt. Wenn die heute hier bauen würde, wären wir in drei Wochen mit der Dresdener Bahn fertig. Und bedenken Sie: Damals war das möglich ohne Lkws, ohne Kräne und ohne Bagger. Das ist schwer verständlich.
- Ich weiß, heute wird hier elektrifiziert. Aber der Vergleich ist trotzdem schon interessant. In Brandenburg, wenn irgendwo etwas saniert werden soll, geht es nicht unter zwölf Monaten. Das ist wirklich kaum zu vermitteln und sehr, sehr belastend. Das ist eine Lebensbeeinträchtigung für die Pendlerinnen und Pendler. Anders kann man das nicht bezeichnen. Deswegen lie ber eine Strecke mit vollem Personaleinsatz in vier Wochen
fertigstellen, als an fünf Abschnitten herumwerkeln und es dann zwei Jahre dauern lassen. Das ist kein Zustand.
Die S-Bahn-Anbindungen der Umlandgemeinden sind gebets mühlenartige Bekundungen - nicht seit fünf Jahren, nicht seit 20 Jahren, sondern seit fast 80 Jahren schon. Die Bürgerinnen und Bürger im Umland wollen sich durchaus umweltfreund lich verhalten, ihre Autos stehen lassen. Viele Kommunen ha ben auch ihre Planungen darauf ausgerichtet und auch Vorbe reitungen getroffen. Meine Damen und Herren, wer das Geld für den BER immer wieder bereitstellt und Geld für die Kreis gebietsreform hat, worum ihn niemand gebeten hat, außer er sich selbst, der muss auch Geld für den Nahverkehr haben.
Also ganz konkret: S 25, Erweiterung Stahnsdorf, das sind ge rade einmal vier Kilometer; betrifft 15 000 Einwohner.
Nauen und Falkensee: Priorität hat hier Taktverdichtung RE 2 - gerade im Berufsverkehr. Wenn der nicht funktioniert, muss auch über die S 5 - ich weiß, Sie wollen es nicht hören - nach gedacht werden, wobei das mit 25 Kilometern in der Tat ein komplexeres Unterfangen ist.
Im berlinfernen Raum erleben wir genau das Gegenteil: Ganze Orte werden abgekoppelt, Bahnhöfe werden tagsüber nicht mehr angefahren. Das ist ein Riesenproblem. Ich denke an den RE 4, der tagsüber zwischen Spandau und Rathenow über eine halbe Stunde ohne einen einzigen Halt fährt. Das funktioniert so nicht. Allein schon die Ankündigung, dass bestimmte Bahn höfe nicht mehr angefahren werden, führt dazu, dass Bürger nicht zuziehen, dass bestimmte Bauvorhaben nicht begonnen werden.
Frau Ministerin, gerade beim RE 4 bitte ich Sie intensiv darü ber nachzudenken, Beratungen darauf zu fokussieren.
RE 6: Ebenfalls eine Problematik für den Nordwesten. Perle berg, Pritzwalk, Neuruppin - da geht es um die Randstunden, darum, dass dort länger gefahren wird und die „Stichanbin dung“ nach Rheinsberg zu ermöglichen.
Wir erwarten langfristige Garantien, langfristige Verdichtun gen, um insbesondere neue Bauvorhaben nicht „abzuschre cken“.
Schauen Sie, es ist so: 30, 40 Kilometer kann man heute mit dem RegionalExpress in 30 Minuten zurücklegen. Das ist auch der Grund, weshalb Orte wie zum Beispiel Biesenthal oder auch Borkheide in Potsdam-Mittelmark wachsen. Sie wachsen, weil sie eben die regelmäßige Anbindung an Berlin haben. Das ist ein infrastruktureller Vorteil, den ich Ihnen nicht erklären muss.
Deshalb bitte ich Sie: Sorgen Sie systematisch dafür - auch mit Blick auf den ländlichen Raum -, dass hier keine Region abge hängt, sondern es jungen Familien durch eine gute, schnelle Anbindung möglich gemacht wird, dort hinzuziehen, dort woh nen zu bleiben.
Gerade steigende Mieten und die Wohnungsnot in Berlin sind doch der Anreiz, in den ländlichen Raum zu ziehen. Platz ge nug haben wir ja. Jetzt müssen wir nur noch sicherstellen, dass sich die Leute auch entsprechend „zügig“ bewegen können.
Ich möchte deutlich machen: Das ist eine Diskussion, die nicht für parteipolitische, ideologische Grabenkämpfe geeignet ist, sondern die mit regionaler Kompetenz und auch mit den Erfah rungen vor Ort ausgetragen werden muss. Ich bitte Sie in aller Höflichkeit, hier die verschiedenen infrastrukturellen Hinweise der unterschiedlichen Landtagsabgeordneten, der unterschied lichen Landkreise auch ernsthaft einzubeziehen. Ich würde mich freuen, wenn unsere Anregungen hier ihren gebührenden Platz fänden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.