Protocol of the Session on May 18, 2017

„Besucher erhalten einen interessanten Einblick in eine einmalige Industrie-, Kultur- und Wasserbaugeschichte, erfreuen sich an der idyllischen Landschaft und genießen Ruhe und Ursprünglichkeit. Der Finowkanal ist aus schließlich den Sportbooten vorbehalten und steht seit 2007 gänzlich unter Denkmalschutz.“

Allein, seine Zukunft ist ungewiss, denn der vom Bund betrie bene Kanal wird für den Gütertransport nicht mehr benötigt. Investitionen in die teilweise schon sehr baufälligen Schleusen erfolgen nicht mehr. Die entlang des Kanals gelegenen Städte und Gemeinden sollen zukünftig für den Unterhalt aufkommen und den Kanal übernehmen. So sieht jedenfalls das Angebot des Wasser- und Schifffahrtsamtes aus. Sie sind einer solchen Aufgabe finanziell und organisatorisch jedoch kaum gewachsen.

(Einzelbeifall)

Daher muss ein Engagement der Landesregierung für Industriekultur im Land unbedingt auch diesen Kanal umfassen. Das wollten wir mit unserem Änderungsantrag zum Ausdruck brin gen. Er wurde übernommen.

Das Wegbrechen ganzer Industrien ist keine Erfindung unseres Jahrhunderts. Die Beschäftigung damit und die systematische Entwicklung von Regionen, die durch einen Strukturwandel schwer getroffen werden, hat in den vergangenen Jahrzehnten allerdings an Fahrt gewonnen. Es gibt erfolgreiche Regionen, die das schon hinter sich haben. Es gibt viel Erfahrung und die Erkenntnis, dass Wegsehen keine Option ist. In diesem Sinne: ein wichtiger Antrag, den wir gerne unterstützen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Ger ber.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank für Ihre politische Initiative, die Industriekultur in Brandenburg zu stärken. Sie haben beim Einstieg in diesen Antrag einen touristischen Aspekt erwähnt, und den möchte ich sehr unterstützen und damit auch beginnen: Die In dustriekultur ist für die touristische Entwicklung in Branden burg in der Tat von wachsender Bedeutung. Die Branche hat in den vergangenen Jahren mit hohem Aufwand die Profilierung der touristischen Marke Brandenburg vorangetrieben. Das ge

lingt bisher deshalb so gut, weil wir uns in Brandenburg ge meinsam auf unsere Stärken konzentrieren und vor allem, weil wir bei der Bewerbung unserer Vorzüge glaubwürdig und au thentisch bleiben.

Regionale Identität ist dabei ein entscheidender Faktor. Diese verkörpern unsere vielen Industriedenkmale in besonderer Weise. Sie sind fester Bestandteil unseres - neudeutsch - Story tellings. Sie tragen dazu bei, dass aus dem Radweg oder der Wasserstraße das attraktive touristische Produkt wird, mit dem Geld verdient wird und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Lausitz, meine Damen und Herren, hat mit der Nutzung der Industriekultur schon einige Erfahrungen, und ich bin sehr froh, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren aus dem Parla ment, uns mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt in die Lage versetzt haben, dies mit dem Ausbau eines landesweiten touris tischen Netzwerkes Industriekultur weiter voranzutreiben.

Dazu haben wir uns einiges vorgenommen. Wir werden die Akteure in den Einrichtungen noch mehr untereinander und mit den Touristikern vernetzen, die Einbindung in touristische Produkte intensivieren und neue Produkte entwickeln. Wir werden gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Berlin und Sachsen das Thema auch länderübergreifend bear beiten und auch - darüber freue ich mich besonders - die Lau sitz weiterhin über die Europäische Route der Industriekultur international vermarkten.

Ihr Antrag geht aber zu Recht über den touristischen Aspekt hinaus. Die Landesregierung hat - das ist erwähnt worden - be reits 2010 eine Studie zur Industriekultur in Auftrag gegeben, weil uns die Kommunen bei den Diskussionen im Wachs tumskernprozess auf die Bedeutung dieser Einrichtungen hin gewiesen haben. Stadtentwicklung im Kontext der Nutzung dieser baulichen Substanz ist hochattraktiv, wie das Beispiel der Stadt Wittenberg zeigt. Dass uns diese identitätsstiftende Rolle helfen kann, auch bei unseren Schülern und Auszubil denden das Bewusstsein für den Wert, die Bedeutung und die Tradition der brandenburgischen Industrie zu schärfen, zeigen nicht nur die Industriemuseen in Teltow und Ludwigsfelde in hervorragender Weise.

Nicht nur dieses Thema zeigt, wie eng die Industrie mit der Entwicklung unserer Lebensqualität und dem Gemeinwohl verknüpft ist. Dieses modern weiterzuentwickeln ist eine an spruchsvolle Aufgabe. Wir sind da dank Ihrer Unterstützung auf einem guten Weg. Und ich freue mich auch über die Unter stützung der CDU. Ich darf noch sagen, Herr Homeyer - ich weiß nicht, ob es Ihnen entgangen ist -, dass das Thema der Umnutzung von Industriedenkmälern bzw. nicht mehr genutz ten alten Industrieanlagen sehr wohl in dem Antrag - nämlich im zweiten Anstrich - steht.

Herzlichen Dank. - Ich würde mich über Zustimmung zu dem Antrag freuen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Herzlichen Dank. - Auf meiner Liste steht noch einmal der Ab geordnete Barthel.

(Zuruf von der CDU: Jetzt nicht alles kaputt machen! - Jetzt kommt der Werbeblock zu Ludwigsfelde!)

Es gibt keinen weiterenWerbeblock zu Ludwigsfelde - der war groß genug -, aber eine Bemerkung zu meinem Kollegen Homeyer:

(Unruhe bei der CDU)

Gut gebrüllt, Löwe - die Rolle der Opposition gut dargelegt! Erst einmal alles abbürsten und dann am Schluss sagen: Wir stimmen doch zu. - Nein, das Thema heißt an der Stelle Akzep tanz, und zwar beginnt Akzeptanz mit der Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das schließt für mich das Lesen des Antrags ein. Aber das schließt auch ein, zu be greifen, dass wir etwas tun müssen, da industrielle Standorte nur dann erhalten werden können, wenn sie auch die Akzep tanz in der Bevölkerung haben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gerne!

(Zuruf von der SPD: Man merkt, ihr mögt euch!)

- Ja, wir mögen uns wirklich, sind gute Kollegen.

Lieber Helmut,

(Heiterkeit bei CDU und SPD)

das Thema - habe ich ja gesagt - ist wirklich wichtig, auch für Brandenburg.

(Beifall des Abgeordneten Lüttmann [SPD])

Der Minister hat es gesagt: für den Tourismus - keine Frage -, aber auch insgesamt, weil es unsere Wurzeln sind.

Was ich nicht verstehe - und das ist meine Frage -, ist Folgen des: Wenn euch der Antrag so wichtig ist und ihr auch so lange daran gearbeitet habt und der Minister das jetzt hier auch bestä tigt hat, frage ich mich - und das ist uns Wirtschaftsleuten wichtig -: Warum wollen wir den Antrag nicht im Ausschuss behandeln? Ich würde gern die Überweisung beantragen, so dass wir uns die Situation in einer guten Anhörung von den Experten im Wirtschaftsausschuss darlegen lassen und dann vielleicht auch zu neuen Erkenntnissen gelangen.

(Genilke [CDU]: Das wäre doch mal was!)

Ganz kurz dazu: Das eine schließt das andere nicht aus. Wenn der Landtag heute den Antrag beschließt, ist es immer noch im Rahmen des Selbstbefassungsrechts des Ausschusses möglich, diese Frage zu diskutieren.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Im Übrigen haben wir ein funktionierendes Wiedervorlagesys tem, das heißt - weil das Thema Kontrolle der Regierung ange

sprochen wurde -, auch das werden wir natürlich im Ausschuss tun.

(Genilke [CDU]: Wir haben ein Wiedervorlagesystem!)

Aber zurück zur Akzeptanz: Ich glaube, die Akzeptanz von In dustrie im Land Brandenburg - und die gewinne ich eben auch über die Industriekultur - ist ein wesentlicher Faktor. Und wer sich realistisch im Land umguckt, wird feststellen, dass die Ak zeptanz für Industrieanlagen nicht unbedingt gewachsen ist und wir für Industrieanlagen und neue Industrieanlagen aus umwelttechnischen Gründen, mit Bürgerbewegungen und, und, und ziemlich hohe Hürden errichtet haben. Da geht es da rum, zu zeigen: Unsere heutige kulturelle, wirtschaftliche Situ ation, unsere Arbeitskräftesituation ist wesentlich an eine er folgreiche Industrie gekoppelt, und es muss uns in Zukunft ge lingen, den Industriestandort Brandenburg auch weiterhin am Leben zu erhalten bzw. deutlich weiterzuentwickeln. Dazu kann dieser Antrag durchaus einen Beitrag leisten. - Danke.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, der Frak tion DIE LINKE und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN „Stärkung und bessere Nutzung der Potenziale der Indus triekultur in Brandenburg“, Drucksache 6/6531, 2. Neudruck. Wer stimmt dem Antrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mehr heitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungs punkt 4 auf:

Volksinitiative nach Artikel 76 der Verfassung des Landes Brandenburg „Volksinitiative Bürgernähe er halten - Kreisreform stoppen“

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Hierzu liegen ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/6623 und ein Entschließungsantrag der SPDFraktion und der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/6611 vor.

Bevor wir in die Aussprache eintreten, begrüße ich Gäste auf der Besuchertribüne: Vertreterinnen und Vertreter der Bürger initiative „Bürgernähe erhalten - Kreisreform stoppen“. Herz lich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Die Aussprache eröffnet der Abgeordnete Kurth für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste, insbesondere die Vertreter

der Volksinitiative! Am 14. Februar dieses Jahres haben die Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative „Bürgernähe erhalten - Kreisreform stoppen“ der Präsidentin des Landtags 129 464 Unterschriften übergeben. Das sind Unterschriften von Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die sich in die politische Debatte einbringen, die mitbestimmen wollen, wie sich Brandenburg zukünftig entwickelt. Das sind Unterschrif ten von Brandenburgerinnen und Brandenburgern, die wir ernst nehmen. Die Koalitionsfraktionen nehmen dabei nicht nur die Anzahl dieser Unterschriften ernst, sondern vor allem die inhaltlichen Anliegen der Initiative. Deshalb ist es sowohl im Ausschuss für Inneres und Kommunales als auch im Haupt ausschuss auf Vorschlag der Koalition zu einer sehr differen zierten Beschlussfassung gekommen.

(Dr. Redmann [CDU]: Wer’s glaubt!)

Darin machen wir - erstens - deutlich: Wir können die in Punkt 1 der Volksinitiative formulierten Zielrichtungen nach vollziehen. Auch wenn wir den Leitbildbeschluss formell nicht aufheben können, sichern wir zu - und das haben wir Vertrete rinnen und Vertreterinnen der Volksinitiative auch schon zuge sichert -, dass im Zusammenhang mit der parlamentarischen Anhörung zur Funktionalreform sowie zum Kreisneugliede rungsgesetz eine umfassende Abwägung erfolgen wird.