Protocol of the Session on March 1, 2017

Ich stelle immer wieder fest, dass Sie innen- und sicherheitspo litisch leider nicht liefern, dass Sie hier schlicht und ergreifend träge sind.

Ihnen liegt deshalb heute hier der Entwurf der CDU-Fraktion zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes vor - ein Gesetzentwurf mit Augenmaß, welcher die präventiven Er mächtigungsgrundlagen für die dringend notwendige Auswei tung der Videoüberwachung und der Schleierfahndung in Brandenburg schafft. Die gemäß dem Brandenburgischen Poli zeigesetz derzeit bestehenden Möglichkeiten der Videoüber wachung im öffentlichen Raum - nur an wenigen Kriminali tätsschwerpunkten - sind viel zu eng gefasst. Mit dem von uns eingebrachten Änderungsentwurf werden endlich die Video überwachung von sogenannten weichen Zielen - öffentliche Plätze wie Busbahnhöfe - als Gefahrenvorsorge und zur Erhö hung der objektiven und auch subjektiven Sicherheit im öffent

lichen Raum sowie eine Speicherfrist von bis zu einem Monat ermöglicht. Zudem werden mit dieser erweiterten Ermächti gungsgrundlage endlich die technischen Möglichkeiten einer sogenannten intelligenten Videoüberwachung, also einer auto matisierten Ausweitung und der Erfassung biometrischer Da ten, für unsere Polizei in Brandenburg nutzbar gemacht und somit polizeiliche Ermittlungen oder Fahndungen erheblich unterstützt.

Eine weitere notwendige Änderung betrifft die Ausweitung der Schleierfahndung, also der verdachts- und ereignisunabhängi gen Kontrolle, räumlich auf das gesamte Land Brandenburg. Mit der von uns vorgeschlagenen Möglichkeit wird zudem der Kontrollanlass erweitert; dieser erstreckt sich ja bislang nur auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Er wird auf die Bekämpfung organisierter Kriminalität sowie die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus ausgeweitet und schafft damit die Möglichkeit, den Kontrolldruck bei Ter rorismus und Extremismus zu erhöhen.

So weit ein kurzer Umriss unseres Gesetzentwurfs. Ich bitte Sie um Zustimmung und freue mich auf die Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Ich möchte darüber informieren, dass mich der Innenminister in der Mittagspause darüber informiert hat, dass er heute Nachmittag nicht an der Sitzung teilnehmen wird, weil er die Angehörigen der beiden getöteten Polizisten aufsucht und um 18 Uhr an einem Gottesdienst teilnimmt. Das hätte ich vielleicht vorher sagen sollen. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Kurth spricht.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Ich bin Ihnen dankbar für diese Information, die Sie jetzt gegeben haben, sonst hätte ich es getan. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge ehrte Gäste! Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung haben wir der gestern im Dienst getöteten Polizeibeamten gedacht. Es fällt schwer, danach zur parlamentarischen Tagesordnung über zugehen. Dennoch ist es richtig, dass wir heute über den Ge setzentwurf der CDU-Fraktion zur Änderung des Polizeigeset zes diskutieren.

Ja, die Sicherheitslage in Europa hat sich in den letzten Jahren verändert und damit auch - das versteht sich ganz von selbst - die Sicherheitslage in Deutschland. Nicht erst seit dem An schlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember letzten Jahres, aber seitdem noch viel mehr, werden landauf, landab Verschärfungen der Sicherheitsgesetze diskutiert.

Teilweise ist eine Stimmung entstanden, in der sich die Sorge um die innere Sicherheit mit dem Zweifel an der Handlungsfä higkeit des Staates vermischt. Diese Handlungsfähigkeit des Staates müssen wir jetzt beweisen. Wenn es notwendig ist, müssen wir dafür auch Gesetze und Vorschriften ändern.

Wir müssen aber gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass bürgerli che Freiheitsrechte nur für wirklich sinnvolle, wirksame Maß

nahmen und im zwingend erforderlichen Umfang eingeschränkt werden.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE])

Wir müssen denen kraftvoll entgegentreten, die das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung mit Übertreibungen und Falschmeldungen gezielt angreifen.

Wahr ist und bleibt: Deutschland gehört zu den sichersten Län dern der Welt. Und auch unser Land - das Land Brandenburg - ist ein sicheres Land.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Damit das so bleibt und auch auf neue Herausforderungen an gemessen reagiert werden kann, haben die Koalitionsfraktio nen mit dem Haushalt 2017/18 ein Sicherheitspaket verab schiedet. Darüber haben wir hier in diesem Haus bereits mehr fach debattiert. Wir bilden mehr Anwärterinnen und Anwärter für die Polizei aus als je zuvor in der Landesgeschichte. Wir haben die Zielzahl für unsere Polizei auf 8 300 angehoben. So machen wir unser Land noch sicherer.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es gibt eine verän derte Sicherheitslage im Land; das kann nicht bestritten wer den. Daneben gibt es leider zunehmend einen Überbietungs wettbewerb bei markigen Forderungen nach neuen oder auszu weitenden Eingriffsmöglichkeiten, die letztlich alle mit der Preisgabe von Freiheitsrechten verbunden wären. Darauf ha ben verschiedene Rednerinnen und Redner bereits in der letz ten Plenarsitzung zu einem ähnlich gelagerten Antrag hinge wiesen.

Der heute vorliegende Gesetzentwurf der CDU-Fraktion zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes ist ebenso Teil dieses Überbietungswettbewerbes wie der Antrag der CDU-Fraktion im vergangenen Plenum mit dem reißerischen Titel „Verteidigung der Sicherheit und Freiheit - Maßnahmen gegen Islamismus und Terrorismus verstärken!“, in dem ein buntes Potpourri aus vermeintlich sicherheitserhöhenden Maß nahmen gefordert wurde. Auch damals war schon unter Punkt 11 die massive Ausweitung der Videoüberwachung ent halten.

Aus diesem Überbietungswettbewerb müssen wir raus. Hand lungsfähigkeit des Staates beweisen wir nicht durch Aktionis mus und unausgereifte Gesetzesänderungen. Im Spannungs feld zwischen kollektiver Sicherheit und individueller Freiheit dürfen wir Maß und Mitte nicht verlieren.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Es war deshalb richtig, dass die Koalitionsfraktionen die Lan desregierung in einem Entschließungsantrag im vergangenen Plenum gebeten haben, erstens die Sicherheitslage zu bewer ten, notwendige Anpassungen zu prüfen und dem Landtag, falls Veränderungsbedarfe festgestellt werden, unverzüglich Vorschläge zuzuleiten, und zweitens Maßnahmen zur Gefah renabwehr auch unter Berücksichtigung von Erkenntnissen und möglichen Änderungen bundesgesetzlicher Vorschriften zu überprüfen. Dabei sollen unter anderem die Anwendung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum sowie die Einfüh rung sogenannter Bodycams für Polizeibeamte betrachtet wer

den. Darüber - so haben wir es entschieden - wird dem Innen ausschuss im Mai 2017 ein Bericht vorgelegt werden.

Der Innenausschuss hat vor einer knappen Woche beschlossen, im April ein Fachgespräch zum Einsatz von Videotechnik durch die Polizei zu führen. Wir wollen uns anhören, was Ex pertinnen und Experten, was Fachleute, die Polizei selbst, aber natürlich Datenschützerinnen und Datenschützer zu dem The ma zu sagen haben. Erst nachdem wir dieses Fachgespräch durchgeführt haben und uns der Bericht der Landesregierung zur Sicherheitslage vorliegt, werden wir über weitere Maßnah men ausgewogen entscheiden können.

Der Weg für die parlamentarische Befassung mit diesem The ma ist damit festgelegt. Eine Änderung des Polizeigesetzes zum jetzigen Zeitpunkt zu fordern ist populistisch, voreilig und ein Stück weit auch Effekthascherei.

(Beifall SPD und des Abgeordneten Domres [DIE LIN KE])

Das weiß auch die CDU-Fraktion. Deshalb wissen Sie auch, dass wir Ihren Antrag heute ablehnen werden.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Abgeordneter Kurth [SPD] geht vom Rednerpult zu sei nem Platz.)

- Der Kollege möchte nicht. - Vielen Dank. Für die AfD-Frakti on spricht der Abgeordnete Jung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Uns liegt dankenswerterweise ein Gesetzentwurf der CDUFraktion vor, den wir begrüßen und in den wir viele Forderun gen der AfD aufgenommen sehen.

Die Änderungen des Brandenburgischen Polizeigesetzes sehen wir als notwendig an, um die gesetzlichen Bedürfnisse und Be fugnisse der Polizeibeamten an die derzeitige instabile Sicher heitslage im Land anzupassen. Die Brandenburger empfinden eine Unsicherheit, die Rot-Rot und Grün immer noch nicht an satzweise erkannt und aufgenommen haben. Wir begrüßen es sehr, dass die CDU mittlerweile die Kontrollen ereignisunab hängig zulassen will, das ist sehr gut.

Für den Bereich der Videoüberwachung haben wir weiterge hende Vorstellungen. Wir fordern hier eine Ertüchtigung sämt licher bestehender Systeme auf staatsanwaltschaftlich anzu wendende 200 Pixel pro laufendem Meter. Wir fordern weiter an verkehrsreichen Plätzen und Kriminalitätsschwerpunkten die Aufstellung von 360-Grad-HD-Kameras und personenge bundene hocheffiziente Systeme zur Biometrie-Erkennung, die den Datenschutz nicht gefährden und unter richterlichem Vor behalt genau nur die Daten entpixeln, für die der richterliche Anspruch besteht. Intelligente Systeme können das heute.

Wir alle wissen, dass die Bundespolizei zwei Millionen Über stunden geleistet hat, die zum Teil auch durch die Auswertung von Videos verursacht werden. Fachleute sagen, dass Deutsch

land den anderen EU-Ländern, was all diese Systeme angeht, um zehn bis 15 Jahre hinterherhinkt. Das sind nicht unsere Feststellungen, sondern das sagen Polizeiführer aus den ande ren Ländern. Das sagen auch Anbieter, die solche Systeme ent wickelt haben, welche mittlerweile so gut sind, dass nur noch in Teilbereichen datenschutzrechtliche Bedenken bestehen.

Wie gesagt, es besteht die Möglichkeit, diese Daten zu pixeln. Ohne richterlichen Vorbehalt kommt es gar nicht dazu, dass an dere auf diese Daten Zugriff haben. Wir müssen die Gesetze an die aktuelle Lage anpassen. In Zeiten des islamischen Terrors leidet - so weh es tut - die informationelle Selbstbestimmung. Eine solche Ausweitung muss es auch für die sozialen Medien WhatsApp, Twitter und Skype - so leid es einem tut - geben.

Kollege Lakenmacher hat darauf hingewiesen, dass wir in den Grenzregionen eine Kriminalität erleben, die sehr viele Ursa chen hat. Wir erleben Traktordiebstähle, wir erleben Einbrü che, wir erleben Viehdiebstähle, und wir erleben das Problem mit Crystal Meth, das sich fast zu einer - man kann sagen - Seuche entwickelt hat, zumindest was junge Leute angeht. In dem Bereich finden wir es gut, dass die Schleierfahndung aus geweitet wird. Wir würden uns da noch etwas mehr wünschen.

Zu den Bodycams: Die Polizei ist immer mehr Gewalttaten ausgesetzt. Wir alle wissen, wie Polizisten darunter teilweise zu leiden haben. Die gestrigen Ereignisse sind erschreckend. Daher fordern wir, dass Bodycams bei Polizisten eingesetzt werden.

Sie haben einfach auch eine gewisse Warnfunktion gegenüber den Bürgern, weil die wissen, dass sie aufgenommen werden, wenn der Polizeibeamte es sagt. Von der Seite her erhoffen wir uns auch eine Beschleunigung von Verfahren in der Strafjustiz, wenn die Bodycams auswertbare Bilder ergeben. Insofern stimmen wir dem Antrag der CDU zu. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abge ordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das nennt man Kontinuität: Die CDU benennt wieder einmal das Sicherheits thema und legt - eigentlich wenig überraschend - den Entwurf einer Novelle des Polizeigesetzes vor. Und selbstverständlich wird wieder der Eindruck erweckt, dass dieses Land unsicher sei, dass hier dringender Handlungsbedarf in gesetzlicher Hin sicht bestehe. Das ordnet sich ganz in den Zeitgeist und das bekannte Selbstverständnis der CDU ein.

(Dr. Redmann [CDU]: Richtig! - Frau Richstein [CDU]: Zum Glück!)

So soll eine deutliche Ausweitung der Videoüberwachung durchgesetzt und sollen die Möglichkeiten der Schleierfahn dung auf das ganze Land erweitert werden. Die CDU ist sich sicher, dass damit eine effektivere Gefahrenvorsorge und -ab wehr ermöglicht wird.

(Wichmann [CDU]: Genau!)

Dabei ist das eben nicht so klar.

(Frau Richstein [CDU]: Doch!)

Videoüberwachung kann die Aufklärung von Straftaten unter bestimmten Umständen erleichtern, was eventuell weitere Straftaten verhindern kann. Die Verhinderung von Straftaten durch den unmittelbar folgenden Einsatz von Polizei - darüber haben wir oft genug geredet - kann aber gar nicht geleistet wer den, wenn auch immer wieder der Eindruck erweckt wird, dass das so sei.

Ganz unverblümt wird im Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass die dadurch entstehenden Mehrkosten derzeit noch nicht beziffert werden können. Aber diese Kosten sind immens, denn diese Technik muss beschafft, unterhalten und auf dem neues ten Stand gehalten werden. Zudem würde es sich bei der Er weiterung der verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen und einem erweiterten Einsatz von Videotechnik zweifellos um neue erhebliche Eingriffe in Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger handeln. Die Christdemokraten stellen damit erneut un ter Beweis, dass sie offensichtlich überhaupt keine Schwierig keiten mit Verschärfungen des Polizeigesetzes und damit ver bundenen Grundrechtseingriffen haben.

(Dr. Redmann [CDU]: Richtig!)

Da wird nicht viel Federlesens gemacht. So sollen unter ande rem polizeiliche Videoüberwachungsmaßnahmen nahezu un begrenzt im ganzen Land möglich sein, Speicherfristen von jetzt 48 Stunden auf vier Wochen verlängert werden.