Protocol of the Session on March 1, 2017

kleine Unternehmen mit unterschiedlichsten Profilen regelmä ßig unpraktikabel. In den Gemeinden und Landkreisen hören wir, dass Fördermittelverfahren immer öfter in der Sackgasse landen. Der Aufwand für Eigenmittelnachweise ist in einen Umfang ausgeartet, der kaum noch handelbar ist. Hinzu kommt, dass bewilligte Mittel spät ausgezahlt werden, weil ir gendwelche Verfahren es so vorschreiben. Antragsteller bringt das nicht selten in Liquiditätsprobleme. Die gute Absicht, hel fen zu wollen, schlägt oft in das Gegenteil um. Hilfen werden zu Existenzrisiken; in der Presse war viel darüber zu lesen.

Die notwendige Versorgung mit Breitband in den Dörfern ist fast ganz außen vor. Ist es doch möglich, jede einzelne Wind energieanlage mit modernster Nachrichtentechnik im letzten Waldwinkel zu versorgen, so vermissen die Einwohner in den Dörfern schon, dass ihre Bedürfnisse überhaupt ernst genom men werden. Potenziale des ländlichen Raumes wie auch das Holz, der Wald und seine Produkte sowie landwirtschaftliche Erzeugnisse werden kaum wertgeschätzt. Wertvolle Acker- und Waldflächen, der Boden der Kulturlandschaft überhaupt finden in der Landes- und Regionalplanung kaum Beachtung. Kleine Gemeinden unter 10 000 Einwohnern sind von der Beteiligung im Planungsverfahren ganz ausgeschlossen. Die Antwort auf die Große Anfrage stellt das anders dar.

Wir unterstützen den vorliegenden Antrag gern. In den Dörfern des Landes wohnt mehr als die Hälfte der Brandenburger. Die se Menschen wollen sich am aktiven Leben beteiligen, sie wol len Wertschöpfung erbringen, mitgenommen und nicht ausge grenzt werden. Sie wollen in Dörfern leben, auch wenn die Bedingungen in diesen Siedlungsstrukturen andere sind. Es müssen Mitspracherechte auf Augenhöhe geschaffen werden; gesellschaftlich aktive Menschen vor Ort haben oft auch prak tikable Lösungen. Dazu müssen die Fördermittel auf reale Be dingungen und Praktikabilität umgestellt werden. Die Schaf fung von Arbeitsplätzen in Dörfern sollte intensive Unterstüt zung erfahren. Die panische Angst vor dem Entstehen von Splittersiedlungen an Dorfrändern muss und kann durch Ent siedelung in Außenbereichen, durch Beräumung von Müllkip pen oder durch Rückbau von leergefallenen Gebäuden in Ort schaften kompensiert werden. Individuelle Lösungen sind ge fragt. Kleinunternehmen in Dörfern - ländliche Räume mit sehr ländlicher Prägung -, sollen aktiv unterstützt werden.

Anders ist die Situation zum Beispiel im nahen Berliner Ver dichtungsraum, wenn es zum Beispiel in Fredersdorf im Blick feld von Marzahn dem letzten Grün an den Kragen gehen soll. Bitte öffnen Sie Ihr Herz für die Dörfer in Brandenburg! - Vie len Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und der Abge ordneten Schade [AfD])

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Vo gelsänger.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich über die Debatte. Unsere Heimat Brandenburg ist agrarisch geprägt, in vielen Teilen eine von Menschen ge

schaffene Kulturlandschaft. Unsere ländlichen Regionen brau chen eine Zukunft, aber auch eine Gegenwart, die es den Men schen ermöglicht, in den Dörfern zu leben und ihren Alltag gut zu meistern. Es geht um Arbeits- bzw. Einkommens-, Ein kaufs- und Betreuungsmöglichkeiten, um kreative Lösungen im Nahverkehr und auch um den nächsten Arzt. Menschen auf dem Land brauchen dafür Partner in der Politik, die sich für ihre Anliegen interessieren, und sie brauchen verlässliche Rah menbedingungen. Das ist meine Hauptaufgabe als Minister für den ländlichen Raum, und dieser Aufgabe werden wir uns en gagiert stellen, weil es die Menschen im ländlichen Raum ein fach verdient haben.

(Beifall SPD)

Die Diskussion war ja auch eine um die Definition: Was ist denn eigentlich ein Dorf? Wir sollten uns ein Beispiel an dem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ nehmen. Wer daran teil nehmen kann, ist selbstverständlich ein Dorf. Das ist Diehlo, ein Ortsteil von Eisenhüttenstadt, genauso wie das kleine Sau en, ein Ortsteil von Rietz-Neuendorf, oder auch die selbststän dige Gemeinde Straupitz.

Von einer schönen Landschaft allein können die Menschen nicht leben, und auch vom Tourismus kann nur ein Teil den Lebensunterhalt bestreiten. Es gibt jedoch große Entwick lungspotenziale, was den Tourismus betrifft. Grundvorausset zung dafür, dass Menschen sich entscheiden, im Dorf zu blei ben oder ihren Lebensmittelpunkt aufs Land zu verlegen, ist aber, dass sie Arbeit haben, von der sie leben können. Der Min destlohn ist auch für den ländlichen Raum eine richtige Ent scheidung. Die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei geben Tausenden Menschen Arbeit und Perspektive. Allein in der Landwirtschaft in Brandenburg waren es im Jahr 2016 fast 39 000 Arbeitsplätze. Im aktuellen Ausbildungsjahr wollen 448 junge Menschen einen landwirtschaftlichen Beruf erler nen. Eine Ausbildung vor Ort, in der Heimat, ist der erste Schritt dahin, dass junge Menschen im Dorf bleiben.

Zudem gilt es dafür zu kämpfen, dass Vielfalt erhalten bleibt. Wir haben in Brandenburg 5 400 landwirtschaftliche Betriebe. Das heißt, wir haben eine breite Streuung, eine Vielfalt, und wir haben ein großes Potenzial an unternehmerischer Initiative. Diese Kreativität wollen wir auch durch die Europäische Inno vationspartnerschaft weiter befördern. Brandenburg ist zudem spitze im Biobereich. In der laufenden Förderperiode der Euro päischen Union werden wir 177 Millionen Euro von EU, Bund und Land dafür einsetzen. Das ist gut angelegtes Geld.

Ich komme zu den Dörfern im Spreewald. Für die Dörfer im Spreewald haben wir eine eigene Richtlinie, um auf die spezi fischen Dinge im Spreewald Rücksicht zu nehmen und dort für Entwicklungen zu sorgen.

Die Entwicklung der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum ist eine große Herausforderung. Mit dem Europäischen Landwirt schaftsfonds für die Entwicklung der ländlichen Räume verfü gen wir über ein starkes Förderinstrument im Agrar-UmweltBereich, aber auch für die ländliche Entwicklung. Das Beson dere dieses Fonds ist die große Bandbreite und Möglichkeit, sehr viele kleine Projekte zu fördern. Frau Schülzke, bei einer so großen Bandbreite ist es nun einmal so, dass die entspre chende Förderung Fall für Fall durchgespielt wird. Sie wissen, dass die Menschen engagiert kämpfen, dass wir in der neuen Förderperiode gut vorankommen, was diese Dinge betrifft.

Der ELER wird von der Europäischen Union jeweils für sieben Jahre konzipiert, aktuell für die Jahre 2014 bis 2020. Insgesamt stehen in diesem Zeitraum für Brandenburg und für Berlin 1 Milliarde und 50 Millionen Euro zur Verfügung. Unsere gro ße Aufgabe ist es, mit den Menschen im ländlichen Raum und in den Dörfern dafür zu sorgen, dass diese Mittel effektiv ein gesetzt werden. Das ist viel Geld. Das bedeutet aber auch viel Arbeit und viel Kreativität. Das müssen wir gemeinsam mit den Menschen für den ländlichen Raum bewerkstelligen.

(Beifall SPD)

Der ELER ist im Übrigen der bürgernaheste der EU-Fonds. In den 14 lokalen Aktionsgruppen erfolgt die Einbindung gezielt auf der Grundlage der regionalen Entwicklungsstrategien.

Die Förderphilosophie bindet damit die Akteure in den Dörfern aktiv ein. Dank des Engagements vieler Akteure hat das Leben in den Dörfern eine hohe Qualität und ist geprägt von Gemein schaft. Das muss man einfach wertschätzen. Das ist die Arbeit vieler. Das macht auch die hohe Lebensqualität unserer Dörfer aus.

(Beifall SPD)

Der Fokus der Förderung der ländlichen Entwicklung liegt al lerdings in der Stärkung der regionalen Wirtschaft und der Dorfentwicklung sowie auf den weichen Standortfaktoren. Viele Projekte im sozialen Bereich und im Dienstleistungsbe reich konnten und können nur mit Fördermitteln unterstützt werden. Das ist auch ein Ausgleich, weil es in den ländlichen Regionen schwieriger ist.

Der ELER ist unverzichtbar für die Daseinsvorsorge im ländli chen Raum - vom Begegnungszentrum mit Einkaufsmöglich keiten bis zum Burgenbus im Hohen Fläming. Es ist eine Hauptaufgabe von uns allen, aber auch der Enquetekommissi on, dafür zu sorgen, dass wir die ländlichen Räume auch nach 2020 unterstützen können. Es lohnt sich, hier gemeinsam dafür zu kämpfen.

(Beifall SPD und des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Ich werde den einen oder anderen langweilen, aber ich sage es immer wieder: In der alten Förderperiode von 2007 bis 2013 haben wir im ELER-Bereich über 99 % der Mittel eingesetzt und ausgereicht. Das ist eine große Leistung. Dafür sage ich auch allen Akteuren Dank.

Dieses Ziel setze ich mir selbstverständlich für die aktuelle Förderperiode. Ich habe keine Lust, auch nur einen Euro an Brüssel zurückzugeben.

(Beifall SPD)

Ein gutes Beispiel für die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger ist das Projekt „Unser Dorf hat Zukunft“. Im gerade ab geschlossenen Bundeswettbewerb haben Sauen Gold und Strau pitz Silber bekommen. Aber Gewinner waren alle, die sich dar an beteiligt haben. Das war eine tolle Veranstaltung mit dem Bundesminister. Zwei Landesminister waren dabei, ich war zugegen und der saarländische Kollege war dabei. Vielen, die dort ausgezeichnet wurden, standen Tränen in den Augen, weil sie über drei Jahre gekämpft und dann Gold, Silber oder Bron ze bekommen haben. Das kann man gar nicht hoch genug

schätzen. Die Menschen haben überlegt: Was kann ich besser machen? Was kann ich aus meinem Dorf machen? - Sie sind dann vom Bundesminister ausgezeichnet worden.

An den seit 1990 ausgetragenen neun Landeswettbewerben ha ben sich über 1 000 Dörfer beteiligt. Das Mitreden, wie es in der Gemeinde weitergeht, hilft Jüngeren, in der Heimat zu bleiben, und Älteren, dort weiterhin zu leben. Diese Gemeinschaftsleis tung wollen wir mit dem neuen Wettbewerb weiterhin befördern.

Gerade in den kleinen Gemeinden ist der Mobilisierungsgrad für Projekte der Dorfentwicklung besonders hoch. Manchmal machen dort 80 % bis 90 % der Bürgerinnen und Bürger mit. Ich will hier gar nichts sagen, aber das kriegt man in keiner Stadt hin. Das ist natürlich auch die große Lebensqualität des ländlichen Raums.

Wir haben den neuen Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gestartet. Es freut mich besonders - es ist der 10. Wettbewerb -, dass ich einen Jubiläumswettbewerb begleiten darf. Ich finde es gut, dass wir das zum dritten Mal gemeinsam mit dem Städ te- und Gemeindebund machen. Mit ihm haben wir den ent sprechenden Partner und Anker.

Die Auftaktveranstaltung hat in Thyrow in Teltow-Fläming stattgefunden; dort war eine tolle Stimmung. Ich will einfach dafür werben - Sie können in Ihren Wahlkreisen dafür wer ben -, dass bei diesem Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ möglichst viele mitmachen. Etwas Besseres kann uns gar nicht passieren.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Zusätzlich braucht der ländliche Raum Werbung und Unter stützung durch die Medien, denn oft sind Dinge nur regional bekannt. Man muss auf die Potenziale auch in den Medien hin weisen. Das Land Brandenburg macht das von Januar auf der Grünen Woche bis hin zur Weihnachtsbaumvermarktung im Dezember.

Wir machen viele Dinge: Wir werben im Bereich Landurlaub für Tagestouren und dafür, seinen Urlaub, zumindest seinen Zweiturlaub, auf dem Land zu verbringen. Es gibt dort viele neue Angebote, die zu nutzen sind. Ich werde auch die ITB be suchen, weil ich weiß, dass da viele Dinge aus der ländlichen Entwicklung unterstützt wurden.

Wir wollen und wir brauchen lebenswerte ländliche Regionen. Das gelingt nur, wenn Menschen ein angemessenes Ein- und Auskommen haben. Nur wettbewerbsfähige Betriebe bieten jungen Menschen langfristig eine Perspektive. Wir stehen für die Versorgung mit gesunden und qualitativ hochwertigen Le bensmitteln - unter anderem im Ökobereich - selbstverständ lich auch des großen Marktes Berlin.

Landwirtschaft ist für unsere Kulturlandschaft flächendeckend. Landwirtschaft ist Partner, wenn es um Natur- und Umwelt schutz geht. Das Leben auf dem Dorf muss eine lebenswerte Alternative zum Leben in der Stadt bleiben. Wir müssen dafür sorgen, dass der ländliche Raum eine Zukunft hat. Ein starker ländlicher Raum ist die Grundlage für ein starkes Branden burg. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE sowie des Abgeordneten Wichmann [CDU])

Danke. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Raschke, bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen, an Herrn Minister Vogelsänger lag es nicht bei diesem Thema. - Ich dan ke Ihnen allen für die gute Debatte. Ich möchte kurz auf drei Punkte eingehen.

Erstens: Anke Schwarzenberg hat zu Recht gesagt, es gibt nicht das eine Dorf. Die sind alle sehr unterschiedlich. Wir dürfen sie nicht über einen Kamm scheren; darauf hat Henryk Wichmann ebenfalls zu Recht hingewiesen. Genau das passiert im Lan desentwicklungsplan bisher. Deswegen müssen wir da noch einmal ran.

Zweitens: Anke Schwarzenberg hat auch darauf hingewiesen, dass im Gemarkungsverzeichnis sehr wohl noch die Orte stehen. Das ist doch ein super Anfang, um zu sagen: Damit kann die Landesregierung die Dörfer wieder stärker in den Blick nehmen.

Drittens: Minister Vogelsänger hat gerade ausgeführt, wie wichtig es ist, die Fördermittel effektiv einzusetzen. Udo Fol gart hat dafür beeindruckende Beispiele genannt. Das Problem ist nur, dass die Beispiele, die Udo Folgart genannt hat, ich will nicht sagen Zufall sind, aber nicht strukturell bedingt sind. Wenn ich etwa einen Ort mit 16 Ortsteilen oder Dörfern habe und nicht alle in der Gemeindevertretung vertreten sind, dann raten Sie einmal, in welche Orte die LEADER-Mittel fließen und in welche nicht. Das ist ein Problem, und das können wir auch nicht dadurch lösen, dass wir 99 % der Mittel ausschöp fen und nicht nach Brüssel zurückschicken.

In diesem Sinne herzlichen Dank für die Debatte! Ich werte all diese Beiträge einmal als Überweisung an die Enquetekommis sion. Technisch geht das ja nicht, aber in dem Sinne ist es ja wohl. Wir diskutieren da weiter. - Danke sehr.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU, AfD und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Vielen Dank. - Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag „Es lebe das Dorf - den Dörfern in Brandenburger wieder mehr Rechte ge ben“, Drucksache 6/6078, Neudruck, von der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dem Entschließungsantrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungs punkt 9 auf:

Stärken stärken - auch für die Entwicklung des länd lichen Raumes in Brandenburg

Antrag der Fraktion der AfD

Drucksache 6/5591

Die Aussprache wird vom Abgeordneten Schröder von der AfD-Fraktion eröffnet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Wenn wir Brandenburg betrachten, sehen wir ein Land der Ge gensätze. Im sogenannten Speckgürtel, der von der Landesre gierung gerne als Wachstumsregion bezeichnet wird, leben auf 10 % der Fläche knapp 1 Million Menschen. Die Mehrheit der rund 2,485 Millionen Einwohner dagegen verteilt sich über den sogenannten erweiterten Metropolenraum, also über die ländlichen Räume.