Protocol of the Session on December 15, 2016

„Einschließlich der Tilgung aus dem Haushaltsjahr 2013 hätte das Land dann seit Bildung der rot-roten Koalition eine Summe von 411,6 Millionen Euro für die Schulden tilgung eingesetzt.“

Das hört sich erst einmal nach Schuldenreduzierung an, aber die Formulierung „für die Schuldentilgung eingesetzt“ bedeu tet nicht automatisch, dass die Gesamtschulden von 2013 bis 2015 gesunken wären. Tatsächlich hatten sich diese sogar um fast eine Dreiviertelmilliarde auf 21,22 Milliarden Euro er höht - aber das nur am Rande.

Nun muss ich an dieser Stelle fairerweise erwähnen, dass der von mir gleich ins Feld geführte Werteverzehr der Infrastruktur von niemandem in Brandenburg, denke ich, ernsthaft geleug net wird; die Zahlen sind auch zu eindeutig. Die Landesregie rung liefert keinen konkreten Überblick. Während die Kommu nen schon auf die Doppik umgestiegen sind, will das Land dies partout nicht. Ich würde es in der Situation von Rot-Rot auch nicht wollen.

Die AfD hat einen wesentlichen Änderungsantrag im Bereich des Einzelplans 11 gestellt, trotz der zahlreichen anderen, si cher existierenden Bedarfe, die bereits angesprochen wurden: öffentlicher Personennahverkehr, Personalzuwachs im Landes betrieb Straßenwesen, Radwegneubau bzw. -instandhaltung, mehr Streckenbestellungen im Schienennahverkehr, Sonderin vestitionen in Straßenbahnen usw.

Ich habe im Rahmen des Ausschusses für unseren Antrag ge worben. Unsere Absicht war denkbar einfach: den Haushalt für Landesstraßen wenigstens so auskömmlich zu finanzieren, dass der Werteverzehr der Landesinfrastruktur für 2017/2018 gestoppt wird. In der ausführlichen Begründung, die auf den Zahlen von Frau Ministerin Schneider basiert, wurden knapp 88 bzw. 89 Millionen Euro beantragt. Mit dieser Summe wäre genau das Defizit abgebaut worden, welches im Grunde der Vorschlag von Rot-Rot verursacht hat. Der Antrag wurde abge lehnt, weil die Finanzierung ausreichend sei. Stichhaltig be gründen lässt sich dies auf Grundlage der nackten Zahlen nicht.

In dem Zusammenhang nehme ich gern noch einmal Bezug auf die Pressemitteilung von Minister Görke und die fehlende Doppik. Fakt ist: Seit vielen Jahren findet ein Werteverzehr der Infrastruktur statt. Betrachten wir analog zum Jahr 2013 das verfügbare und das eigentlich benötigte Budget, sehen wir, dass der Finanzbedarf 2013 bei 82 Millionen Euro lag und das Ist-Budget 47 Millionen Euro betrug.

Ich möchte Sie nicht mit Zahlenkolonnen langweilen. Was den gesamten errechneten Werteverzehr angeht: 2014 war ein Re

kordjahr mit 43 Millionen Euro Werteverzehr. 2015 waren es dann nur noch 36 Millionen Euro. Im aktuellen Jahr sind es voraussichtlich fast 25 Millionen Euro, und für den jetzt debat tierten Haushalt werden es insgesamt über 34 Millionen Euro sein. Je nach linearer Fortschreibung - aber darin wollen wir uns nicht verlieren - fallen 2019 noch einmal 18 Millionen Eu ro an. Insgesamt vollzieht sich damit unter der rot-roten Lan desregierung ein Werteverzehr der Landesstraßeninfrastruktur in Höhe von etwa 193 Millionen Euro.

Jetzt könnte Frau Ministerin Schneider anführen und teilweise zu Recht entgegenhalten, dass es aus diesem Grund seit 2014 das Investitionsförderprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro gebe. Das ist gut, aber zu wenig. Selbst damit würde im mer noch ein Verlust von fast 100 Millionen Euro bei der Stra ßeninfrastruktur übrig bleiben. Das entspricht einem Fünfund sechzigstel-Flughafen BER oder, um in einer nutzstiftenden Relation zu bleiben, ungefähr dem doppelgleisigen und elektri fizierten Ausbau der Eisenbahnstrecke Berlin-Stettin.

Die Infrastruktur ist ein wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge. Die Genossen von Rot und Dunkelrot reden ja immer so gern von sozialer Gerechtigkeit und verantwortungsvoller Politik. Aber Fakt ist: Wenn es darauf ankommt, Entscheidungen für Brandenburg zu erreichen, kann man sich auch im Umfeld schwieriger Verhandlungen nicht durchsetzen. Aber in „ge wollt und nicht gekonnt“ haben Sie ja Übung. Das Nachtflug verbot für den BER lässt grüßen. Die Fehlentscheidung wird für den Standort noch Jahrzehnte nachwirken, aber darauf kommen wir noch einmal bei anderer Gelegenheit zu sprechen.

Einen Aspekt zum Thema Radwege muss ich noch anbringen: Ja, wir unterstützen grundsätzlich den Ausbau und Betrieb von Radwegen. Wenn ich lese, dass der Landesrechnungshof schon im Jahr 2010 forderte, „der Instandhaltung von Radwegen künftig Vorrang einzuräumen und dies durch ein Instandhal tungsmanagement zu unterstützen“, dann wird mir doch ein bisschen anders. Anhand des schleichenden Werteverzehrs un serer Landesstraßen habe ich die chronische Unterfinanzierung aufgezeigt, die in diesem Bereich herrscht. Das reine Abgreifen von Fördermitteln ohne nachhaltige Bewirtschaftungsstruktur und der noch immer mangelnde Einsatz eigener Mittel ist nicht im Sinne Brandenburgs. Dabei geht es um verhältnismäßig ge ringe Beträge. Es ist ein Kernproblem - ich kann natürlich nur die kurze Zeit überblicken, seit ich hier bin, aber es wird vorher nicht anders gewesen sein -, dass zu wenig Eigenmittel inves tiert werden und man sich zu sehr auf die Mittel des Bundes verlässt.

Wenn wir an dieser Stelle von Dingen des öffentlichen Lebens sprechen: Es gibt viele weitere Beispiele, die im Verborgenen liegen, die aber jeder sehen kann. Sie alle kennen die eine oder andere Straße in Brandenburg, die sich - ich formuliere es eu phemistisch - nicht in einem optimalen Zustand befindet. Was serstraßeninfrastruktur ist zum Beispiel ein weiteres Thema im Bereich der ländlichen Daseinsvorsorge.

Fazit: Die Kollegen von Rot-Rot sind reine Bestandsverwalter. Richtungsweisende Entscheidungen vermisse ich. Das betrifft nicht nur tiefgreifende Dinge wie den Haushalt, sondern auch kleinere Aspekte - ich erinnere an den Flughafen „Willy Brandt“, bei dem sich unser Ministerpräsident lange hat bitten lassen, bis er eine Stellungnahme im Sonderausschuss abgege ben hat. Wohlwollend konnte sich da auch jeder Brandenbur

ger abgeholt fühlen; spitz formuliert kann man sagen: Konkret Neues oder Verbindliches erfuhr da niemand.

Rot-Rot hat die Mehrheit in diesem Hause und wird diesen Haushalt natürlich beschließen. Unsere Stimmen braucht die Koalition nicht und würde sie bei dieser Art von Politik auf Kosten der Substanz der Menschen in diesem Land auch nicht bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Lieske.

Herr Vizepräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 11 steht heute fast am Ende der Haushaltsde batte - noch nicht ganz, aber wir haben heute schon viel darü ber gehört; wir haben gehört, dass er aus Sicht von Herrn Kal bitz einer der wichtigsten ist. Ich sage: Der Gesamthaushalt ist wichtig. Der Einzelplan 11 hat im Vergleich zu den anderen Einzelplänen zwar den größten Umfang, aber wir haben so wohl heute vom wirtschaftspolitischen Sprecher als auch ges tern vom bildungspolitischen Sprecher der CDU gehört …

(Zuruf von der CDU)

- Nein. Von dir weiß ich es jetzt nicht; das habe ich nicht auf meiner Agenda stehen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Redmann [CDU])

Aber da ging es auch um das Thema Investitionen und darum, dass nicht nur Investitionen in die Wirtschaft wichtig sind, son dern auch Investitionen in die Köpfe, in die Bildung dazugehö ren. Das gehört zum Investitionsbegriff aus unserer Sicht - sage ich heute schon zum zweiten Mal - auf jeden Fall dazu. Das ist so, und mit dem Einzelplan 11 greifen wir auch in andere Haushaltspläne ein; da sieht man dann ein Stück weit auch den Verbund des Gesamthaushaltes.

Ursula Nonnemacher, ich hoffe, dass es dich erfreut, dass wir heute eine so lebhafte Diskussion führen - mit so mancher Aus legung der Möglichkeit, dem Redner eine Frage zu stellen, aber auch dem Gebrauch der Kurzintervention -, dass das Par lament etwas „kräftiger“ unterwegs ist und die jetzt schon zur Verfügung stehenden Instrumente mit großer Kreativität - gera de von der CDU Fraktion - ausgenutzt werden.

(Senftleben [CDU]: Was? Genutzt!)

Meinen herzlichen Glückwunsch an Sie, dass Sie auf diese Idee gekommen sind.

(Genilke [CDU]: Das ist der pure Wissensdurst!)

- Oh, ja! Aber dass dann Herr Genilke, der sich sonst eigentlich durch Kompetenz auszeichnet, hier steht und sagt, auf diese Frage sei er nicht vorbereitet, war für mich nicht ganz glaub

haft. Aber das ist nicht so schlimm, wir beide kennen uns ja ganz gut.

(Heiterkeit bei der CDU)

Kommen wir zurück zum Haushaltsplan für die nächsten zwei Jahre. Da kann ich meinem Vorredner, Herrn Kalbitz, in keiner Weise zustimmen, dass wir nicht etwas für das ganze Land tä ten. Dieser Haushalt wirkt, wie viele andere Einzelpläne auch, im gesamten Land Brandenburg. Ich glaube, Herr Kalbitz, Sie wissen das auch. Das Städtebausanierungsprogramm, der Um bau, der Abriss - das findet überall im ganzen Land seine Be deutung. Wir haben von meinen Vorrednern heute schon oft gehört: Mit diesem Doppelhaushalt nehmen wir alle europäi schen und Bundesprogramme in Anspruch und kofinanzieren sie, obwohl ihr Volumen regelmäßig steigt - und dieser Auf wuchs ist gut. Wir bemühen uns, in jedem Jahr die entspre chenden Eigenanteile zu leisten. Denn jeder Euro, der in die Städtebausanierung gesteckt wird, bedeutet im Umsatz acht Euro. Das alles landet bei uns in der heimischen Wirtschaft, und man kann sich draußen umgucken und es sehen. Gestern habe ich im Hotel mit einer Dame gesprochen, die am Boden see wohnt und sagte: Die neuen Bundesländer sind jetzt neu. - Schauen Sie mal, wie es in den alten Bundesländern aussieht. Da ist das Thema Infrastruktur ein mindestens genauso schwie riges, Herr Genilke, wie hier in Brandenburg. - Ich glaube, dass es auch den anderen Bundesländern sehr schwerfällt, den Wer teverzehr ihrer Infrastruktur auszugleichen. Das ist ein Thema, mit dem man sich wahrscheinlich noch viel intensiver ausein andersetzen muss.

Vielleicht erwähnen wir auch einmal die Programme, die heute keine oder kaum eine Rolle gespielt haben. Einmal stand heute schon im Raum, dass das Braunkohlesanierungsprogramm mit dem Bund neu verhandelt worden ist; bis 2017 gilt das bisheri ge.

(Beifall der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Die Haushaltsvorsorge für das neue Programm ist geschaffen. Damit ist wieder ein wichtiger Baustein als verlässliche Grund lage für die Region der Lausitz gelegt. Das findet sich hier mit 212 Millionen Euro wieder und ist ein Zeichen für die Region, dass das Land Brandenburg weiterhin an ihrer Seite steht und auch für die kommunalpolitischen Interessen kämpft.

Herr Genilke meinte, der ÖPNV bräuchte mehr Landesgeld. Frau Tack hat zum Glück schon darauf hingewiesen und rich tiggestellt, dass das von uns vorgetragene und eingeworbene Landesprogramm genau der Schritt ist, den Sie erwarten. Wir sichern das bis zum Jahr 2019 entsprechend ab. Ich verspreche, dass wir das auch sehr gern fortführen wollen. Hier wird der Einstieg in die Landesfinanzierung gemacht, worauf wir jahre lang nicht reagieren konnten. Das ist mit diesem Haushalt möglich geworden, und ich freue mich, dass dann auch das Thema der Barrierefreiheit umgesetzt werden kann. Sie sagen, 9 bzw. 12 Millionen Euro seien nicht viel Geld, dafür bekom me man nur eine Straßenbahn. Da muss man sagen: Es wird ja nicht zu 100 % gefördert, sondern hier ist ein gedachter Förder satz von 40 % anzusetzen.

(Genilke [CDU]: Zu wenig!)

Dann kommt schon eine Gesamtinvestitionssumme von 22,5 Millionen Euro heraus.

Wir haben uns gerade im letzten Ausschuss darüber unterhal ten, wie lange es nach der Bestellung dauert, bis ein Fahrzeug, das man haben möchte, geliefert wird. Ich denke, wir machen mit diesem Programm genau den richtigen Schritt in die richti ge Richtung.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe Herrn Kalbitz schon gesehen; sehr gerne.

Liebe Kollegin, es ist eigentlich eine ganz einfache Frage:

(Zuruf der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Stimmen Sie mir zu, dass es diesen von mir quantifizierten Werteverlust gegeben hat, dass die Investitionen über lange Jahre geringer waren als die eigentlichen Bedarfe?

Herr Kalbitz, ich glaube, es gab noch kein Jahr, in dem die In vestitionshöhe tatsächlich den vorhandenen Werteverzehr aus geglichen hat. Das ist vielleicht auch eine Antwort darauf.

(Kalbitz [AfD]: Und ein Armutszeugnis, ja!)

Es gab noch kein solches Jahr. Jedenfalls kann ich mich an kei nes erinnern, solange ich denken kann.

Ich sagte, wir sind nicht das einzige Bundesland. Das betrifft den Bund selbst und auch die anderen Bundesländer. Das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen - gar keine Frage.

Ich habe aber auch vom Verbund der Haushalte gesprochen und Ihnen gesagt, dass unserer Fraktion die Investition in die Köpfe mindestens genauso wichtig ist wie Investitionen in die Wissenschaft und die Wirtschaft. Das ist alles zusammen zu betrachten.

Auf das Programm für den Wohnungsbau ist dankenswerter weise Frau Tack eingegangen. Wir haben auch noch das Bun desprogramm für die soziale Integration abgebildet. Soweit ich mich daran erinnere bzw. mir übermittelt wurde - da ich selbst nicht teilnehmen konnte -, wurde diesem Antrag im zuständi gen Fachausschuss sogar einstimmig zugestimmt. Das ist ein deutliches Zeichen, dass wir auch die Integration im Quartier ernst nehmen. Ich weiß nicht, ob Herr Kalbitz da war oder nicht, aber er hat gesagt, auch seine Stimme finde sich da wie der; das freut mich ganz besonders. Da möchte ich Sie auch einmal lobend erwähnen, weil das Thema Integration sich ja sonst für die AfD etwas schwieriger darstellt.

(Galau [AfD] zum Abgeordneten Kalbitz [AfD]: Was hast du denn falsch gemacht?)

Ich wünsche mir an dieser Stelle Ihre Unterstützung für den Einzelplan 11 und rufe uns zu: Bleiben wir als Parlament leb haft, diskutieren wir weiter miteinander und versuchen wir, aus diesem Doppelhaushalt das Beste für die Bürgerinnen und Bür ger im Land Brandenburg zu machen! - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)