Protocol of the Session on November 10, 2016

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir wirklich leid, dass ich ein bisschen Wasser in den Wein gießen muss,

(Domres [DIE LINKE]: Das kennen wir!)

aber das werden Sie mir nach dem Vortrag meines Kollegen Barthel nachsehen.

Ich möchte aber eingangs sagen, dass wir - die CDU-Fraktion und ich ganz besonders - den Prozess der Regionalen Wachstumskerne in Brandenburg von Anfang an - von 2005 an - maximal unterstützt haben. Wir haben auch das Prinzip „Stärken stärken“, das sich damals durch die Neuaufstellung der gesamten Wirtschaftsförderung zog, unterstützt, ja, haben auch dafür gekämpft, da es - wie man sich erinnert - damals nicht ganz leicht in Brandenburg umzusetzen war, denn die einen mussten auf das verzichten, was die anderen bekamen.

Wir haben aber auch immer gesagt, meine Damen und Herren, dass die Fokussierung von Landesmitteln auf die RWKs voraussetzt, dass sich die Regionalen Wachstumskerne dem Leistungsprinzip verpflichtet fühlen. Das war die Voraussetzung, denn eines ist völlig klar: „Stärken stärken“ beinhaltet auch die Bereitschaft, Leistung zu zeigen und sich dem Wettbewerb zu stellen. Das ist genau das, was ich mittlerweile als spürbar zu kurz gekommen sehe, denn wenn man den Bericht liest, bemerkt man geradezu eine gewisse Lustlosigkeit, ja fast schon Lieblosigkeit. Man kann diesen Bericht übrigens auch als dünne Suppe bezeichnen.

(Beifall CDU)

Ich will Ihnen das anhand einiger Beispiele nachweisen:

Sozioökonomische Entwicklung der RWKs: Ich finde es gut, dass das jetzt einmal aufgelistet wurde. Wie hat sich die reale Arbeitsplatzdichte in den Regionalen Wachstumskernen mittlerweile entwickelt? Das ist positiv, das freut - das war ja auch die Absicht. Aber es wäre doch sinnvoll gewesen, wenn die IMAG - oder wer auch immer dafür verantwortlich war - einen Referenzstandort, der nicht RWK ist, genauso untersucht hätte, zum Beispiel das Wittstocker Autobahnkreuz. Das wäre doch einmal innovativ gewesen.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Vielleicht ist es nämlich so, dass sich andere Standorte auch ohne die Betreuung der Landesregierung positiv entwickelt haben. Meine Empfehlung: Beim nächsten Mal auch einen Referenzstandort untersuchen.

Stadt-Umland-Wettbewerb, der stattgefunden hat: Ich muss mich wirklich wundern, warum sich nicht alle RWKs am StadtUmland-Wettbewerb beteiligt haben. Einer hat das nicht getan.

Fachkräftesicherung: Das war eines der Hauptthemen, als wir das Prinzip einführten, dass die RWKs beauftragt werden, sich um die Fachkräfte zu kümmern. Nun steht hier unter III.5, dass man sich damit beschäftigt hat, wie wir Geflüchtete und Migranten in den Arbeitsmarkt integrieren. Man verliert sich ausschließlich in Allgemeinplätzen, Herr Minister Gerber. Es werden Dinge beschrieben, die allgemein bekannt sind, aber kein

wird Fakt aufgeführt - nichts! Was ist in den RWKs diesbezüglich wirklich erreicht worden - unabhängig davon, dass es nicht nur darum gehen kann, dass wir Flüchtlinge in den Fachkräftemarkt integrieren, sondern auch darum, das eigene Potenzial zu erschließen? Kein Wort dazu. Ich weiß nicht, hat das gar nicht stattgefunden?

(Beifall CDU und AfD)

Regionalbudget: Das wurde übrigens 2009 eingeführt, damit sich die RWKs besser aufstellen können. Auch hier: Ein RWK beteiligt sich bisher überhaupt nicht am Regionalbudget - merkwürdig. Und nur neun RWKs sind derzeit mit einem Regionalbudget versehen. Was ist mit den anderen sechs? Was machen die?

Regionalmanagement: Das wurde 2016 ganz neu eingeführt. Bis jetzt hat nur Ostprignitz-Ruppin ein Projekt durchsetzen können, alle anderen noch nicht. Im Übrigen wäre es für den RWK Schönefeld wirklich wunderbar, sich mit einem Projekt bezüglich einer Plattform für die Flughafenumfeldentwicklung im Bereich Regionalmanagement zu bewerben, um die großen Herausforderungen im Verkehr sowie in der Wohnraum- und Freiraumentwicklung bestmöglich zu fördern; hier erhalten sie eine Förderung. Aber ich sehe dieses Projekt nicht, und das Jahr ist fast um. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Vorgeschlagene Maßnahmen für 2016: Insgesamt wurden 32 Maßnahmen vorgeschlagen, letztendlich sind drei für 15 Wachstumskerne übrig geblieben. Wenn ich mir die drei Maßnahmen anschaue, Herr Minister Gerber, die Sie öffentlich gefeiert haben, kann ich nur sagen: Eine davon ist wirklich gut, das ist Golm, das hat wirklich erkennbares Potenzial, aber die anderen beiden - na ja. Das kann es doch nicht sein: bei 15 Wachstumskernen nur drei Projekte im Jahre 2016!

Insgesamt ist der Prozess in die Jahre gekommen. In der Autosprache würde ich sagen: Das Modell ist veraltet, es braucht dringend eine Modellpflege, vielleicht brauchen wir auch ein neues Modell.

Ich habe immer gesagt: Wenn das Ganze kein atmendes System ist und kein Wettbewerb stattfindet, Aufstieg und Abstieg nicht möglich sind, darf man sich nicht wundern, wenn sich alle zurücklehnen und sich der ganze Prozess letztendlich nur verbürokratisiert. - Das ist eingetreten. Ich werbe wirklich dafür, Herr Minister Gerber, dass hier Maßnahmen ergriffen werden, um das System zu reaktivieren.

Ein letzter Punkt, wenn mir das noch möglich ist, Herr Präsident: Kollege Barthel sagte, dass sich die Regionen - Wittstock, Neuenhagen, Strausberg, Rüdersdorf und andere -, die nicht Wachstumskerne sind, aber ein großes Interesse daran hatten es zu werden, sich jetzt nicht gemeldet haben. Ich bitte Sie, Herr Kollege, was steht denn im Bericht? Über Geld wird nicht geredet.

(Minister Görke: Was?)

- Ja. Lesen Sie einmal die Voraussetzungen. Ich habe den Bericht dort liegen, Herr Kollege.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Man kann sich gern mit einem Strukturkonzept bei der Landesregierung melden - das wird auch diskutiert -, aber Anträge auf Förderung werden nicht gestellt. So einfach ist das. Wer hat denn daran Interesse? - In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Schade.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Gäste! Herr Homeyer, Sie haben im Grunde genommen schon fast alles gesagt.

(Beifall CDU)

Der Bericht zu den Regionalen Wachstumskernen macht deutlich, dass die RWKs hinsichtlich der prognostizierten Erfolge im Zusammenhang mit der Arbeitsplatzdichte den Erwartungen hinterherhinken. In den letzten zehn Jahren ist die Arbeitsplatzdichte dort um 16,7 % gestiegen. Im Landesdurchschnitt ist die Arbeitsplatzdichte um 18,3 % gestiegen. Die RWKs hatten also nur unterdurchschnittlichen Erfolg.

Bei den Kriterien der Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung muss die Landesregierung indirekt zugeben, dass der RWK-Status keinen signifikanten Einfluss hat, denn hier spielt die Entfernung zu Berlin nach wie vor eine viel größere Rolle. Im berlinnahen Raum ist eine deutlich höhere Zunahme der Beschäftigtenzahlen als im berlinfernen Raum zu verzeichnen. Die Bevölkerungszahlen sanken im engeren Verflechtungsraum und damit in der Fläche. Aber um das zu erfahren, brauche ich keine RWK-Berichte. Lediglich beim Pendlersaldo konnte gegenüber dem Brandenburger Durchschnitt ein besseres Ergebnis erzielt werden.

Will man also ehrlich sein, muss man nach zehn Jahren feststellen, dass das Konzept der RWKs nicht das gebracht hat, was es sollte, nämlich eine signifikante wirtschaftliche Entwicklung, eine gerechtfertigte Konzentration der finanziellen Mittel und eine bessere Amortisation der Fördermittel.

Wir stellen fest: Die RWKs sind ein Spiegelbild der Entwicklung des gesamten Landes. Die Nachteile der berlinfernen Räume können sie nicht ausgleichen. Der ländliche Raum bleibt trotz RWKs und Stadt-Umland-Wettbewerb immer noch Entwicklungsland, und der Abwanderungsbewegung kann auch mit dem Modell der RWKs nicht entgegengewirkt werden.

An diesem Punkt müsste nun eine kritische Bewertung des gesamten Prozesses stattfinden. Wer die im Bericht sucht, wird aber nicht fündig. Schauen wir genauer in den Bericht, lesen wir unter Abschnitt III.5 - Fachkräftesicherung, die in Brandenburg ein Riesenproblem ist -, welches Potenzial Geflüchtete hätten. Meine Damen und Herren, dies hat, gelinde gesagt, mit der Realität nichts zu tun. Dazu führe ich gern Experten an, die sich mit dem Thema beschäftigen, allen voran die Agentur für Arbeit: 81 % der Migranten sind ohne nennenswerte Qualifikationen. 90 % der Migranten landen in der

Hartz-IV-Versorgung, und nach fünf Jahren sind immer noch 50 % dort.

Der gesamte Punkt III.5 Ihres Berichts zielt nur auf Migranten ab. Wir haben aber seit Jahren ein verfestigtes Heer von ca. 25 000 Langzeitarbeitslosen und verstehen es nicht, diese Potenziale zu nutzen. Und nun wollen wir die Geflüchteten als Lösung für das Fachkräfteproblem im Rahmen der RWKs präsentieren? Das ist für meine Begriffe realitätsfern.

Die Einsicht, dass unser Bildungssystem kaum noch in der Lage ist, ausbildungsreife Schüler zu entlassen, wäre hier sicherlich hilfreicher. Und Maßnahmen, die unsere brachliegenden Arbeitskräfte fit für den Arbeitsmarkt machen, wären zielführender.

Im Übrigen gibt es laut RBB allein in Brandenburg mehr als 200 000 funktionale Analphabeten. Wir haben auch außerhalb der RWKs viel zu tun.

Für Handwerksberufe begeistern sich heute nur noch wenige Schüler. Wir sehen das an den vielen unbesetzten Lehrstellen. Das Handwerk, von jeher tragende Säule unserer Volkswirtschaft, wird von der Politik zum Nischendasein verdonnert, und die vorhandenen standhaften Meisterbetriebe und der Einzelhandel werden bis hin zur resignierten Unternehmensaufgabe gegängelt.

War im letzten Bericht noch von einer familienorientierten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik die Rede, finden wir im vorliegenden Bericht dazu kein Wort mehr - kein Wort mehr zu betrieblichen Produktionszeiten, angepassten Taktungen des öffentlichen Personennahverkehrs oder den entsprechenden Betreuungszeiten in den örtlichen Kitas. Mit den RWKs sollten die Studien des MASGF zur familienorientierten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik diskutiert werden. Uns stellen sich die Fragen: Ist das passiert? Mit welchem Ergebnis? Welche Auswirkungen hat das auf den Wachstumsprozess?

Unter Punkt V wird dann lapidar angemerkt, dass kein Standort außerhalb der RWKs Gesprächsbedarf gemeldet habe. Dem Ministerium sind aber durchaus Standorte bekannt, die gern RWK werden wollen. Wenn ich sehe, welche Voraussetzungen in der Einleitung - Punkt I.2 - für diese Gespräche festgelegt sind, denke ich mir: Es könnten auch weniger Voraussetzungen sein, dann würde man die Leute sicherlich mehr animieren, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, um vielleicht doch noch am RWK-Prozess beteiligt zu werden.

Warum besteht kein Wettbewerb unter den Standorten - Herr Homeyer hat es schon einmal gesagt -, sodass immer diejenigen Standorte in den Prozess eingebunden werden, bei denen Steuergelder am effizientesten eingesetzt werden können, bei denen das Engagement der Bürger vor Ort auch tatsächlich belohnt wird?

Ich vermisse auch konkrete Aussagen zu F+E-Projekten. Wie haben sich diese entwickelt? Gerade Forschung und Entwicklung sind der Motor unserer Wirtschaft, bringen die Innovationen zum Laufen.

Der Bericht wirft aus unserer Sicht viele Fragen zur Effizienz der eingesetzten Mittel auf. Es stellt sich für uns nach wie vor die Frage, ob es sinnvoll ist, den Status der RWKs bis in alle Ewigkeit festzuschreiben. Eine möglichst ideologiefreie Dis

kussion über die Vor- und Nachteile wäre hier sicherlich angebracht. Ich würde mich freuen, wenn wir das im Ausschuss noch einmal diskutieren könnten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Danke. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Schinowsky. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unter dem Motto „Stärken stärken“ hatte die Landesregierung im Jahr 2005 15 sogenannte Regionale Wachstumskerne bestimmt, um der Wirtschaftsförderung in Brandenburg damit eine neue Richtung zu geben. Anlass waren geringer werdende Mittel von Bund und EU sowie Herausforderungen wie der demografische Wandel und die unterschiedliche Entwicklung in den Regionen. Die Debatte hat es schon gezeigt: Im Kern geht es jetzt um die Frage, wie erfolgreich dieses Konzept wirklich ist und ob es nicht anstünde, es weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Was legt man als Maßstab an? Eine Möglichkeit ist, den jüngsten Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zum Stand der Deutschen Einheit zurate zu ziehen. Darin wird uns in Brandenburg der seit Jahren stabile Rückstand zum Westen bestätigt.

Der nun vorgelegte 15. Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe Integrierte Standortentwicklung gibt leider keine Antwort auf die Frage, warum Brandenburg auch gegenüber den westdeutschen Flächenländern nicht aufholt.

Eine gewisse Entwicklung ist in den betrachteten RWK-Zentren zwar erkennbar, aber inwiefern sich diese Entwicklung auf den RWK-Prozess zurückführen lässt - das wurde in der Debatte schon deutlich -, ist überhaupt nicht darstellbar. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklungschancen sind vielmehr die gegebenen Rahmenbedingungen - zum Beispiel die Speckgürtellage oder die Berlinferne, bereits vorhandene Unternehmen und nicht zuletzt die Kreativität und Durchsetzungsstärke der Akteure vor Ort. Vor diesem Hintergrund finde ich den Vorschlag von Herrn Homeyer mit den Referenzstandorten sehr unterstützenswert. Die müsste man einmal zurate ziehen, um zu gucken, welche Entwicklungen es da überhaupt gibt.

Im Bericht werden hingegen positive Entwicklungen in den Wachstumskernen weitgehend mit dem RWK-Prozess begründet, eigentlich fast ausschließlich. Beim genauen Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es die hier postulierte Konzentration der Wirtschaftsförderung auf die Wachstumskerne so nicht gibt. Das hat uns Herr Gerber auch in der letzten Ausschusssitzung bestätigt.