Im Bericht werden hingegen positive Entwicklungen in den Wachstumskernen weitgehend mit dem RWK-Prozess begründet, eigentlich fast ausschließlich. Beim genauen Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es die hier postulierte Konzentration der Wirtschaftsförderung auf die Wachstumskerne so nicht gibt. Das hat uns Herr Gerber auch in der letzten Ausschusssitzung bestätigt.
Was passiert eigentlich konkret? Das wurde auch schon angesprochen. Es gibt einen Beratungsservice und zwei kleine Förderprogramme, das Regionalmanagement und das Regionalbudget. Aber das ist nicht wirklich schlagkräftig.
Was ich auch nicht noch einmal aufzählen will - aber das schätze ich ähnlich ein wie Herr Homeyer -, sind die drei „Strahle
projekte“, die da genannt werden. Wenn man genauer hinguckt, stellt man fest, dass nur eines ein Stück weit Innovationskraft und Potenzial ausstrahlt. Es stellt sich die Frage, warum die beiden anderen in diesem Prozess überhaupt genannt werden.
Auf der anderen Seite stehen die vielen kleinen Unternehmen und Kleinstunternehmen, die Start-ups, die Menschen, die von Berlin aufs Land ziehen und sich dort eine neue Existenz aufbauen wollen, aber kaum Unterstützung finden.
Die im Koalitionsvertrag angekündigte ressortübergreifende Gründungs- und Unternehmensnachfolgestrategie steht weiter aus. Wir haben jetzt gehört, dass Anfang des Jahres möglicherweise etwas kommen wird. Darauf sind wir gespannt.
Ein Problem ist weiterhin, dass erfahrenes Personal zur Umsetzung der Gründungsberatung auch an die Hochschulen abwandert. Entsprechende Strukturen werden nicht dauerhaft finanziert. Das hatten wir schon angesprochen.
Auch ein Blick in den Haushaltsplanentwurf für die beiden kommenden Jahre zeigt, dass keine signifikante Änderung bei der Wirtschafts- und Industriepolitik vorgesehen ist. Mit den bisher praktizierten klassischen Maßnahmen und Instrumenten soll es auch in Zukunft gehen. Das kann nicht die Antwort sein. Mit einem einfachen „Weiter so!“ laufen wir nämlich Gefahr, den Anschluss an den Durchschnitt der Bundesländer in wirtschaftlicher Hinsicht absehbar nicht zu erreichen.
Deshalb ist unsere Forderung, einerseits kleine Unternehmen, Start-ups, sozial-innovative Projekte besser zu unterstützen, zu fördern, zu begleiten.
An der derzeitigen Förderpraxis beißen sich so einige die Zähne aus. Zudem bedarf es vor allem einer wirklichen Konzentration der Mittel auf Schwerpunkte. Das können sowohl regionale als auch thematische Schwerpunkte sein. Ein regionaler Schwerpunkt liegt zum Beispiel in der Lausitz, wo wir einen entsprechenden Förderfonds vorgeschlagen haben. Aber auch thematische Schwerpunkte wären sinnvoll. Die Clusterstrategie ist leider durch die viel zu große Anzahl der ausgewählten Cluster keine Schwerpunktsetzung.
Wenn Brandenburg nicht dauerhaft bei gut der Hälfte des westdeutschen Bruttoinlandsproduktes verharren soll, muss hier schleunigst nachgearbeitet werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Regionale Wachstumskerne sind in wirtschaftlichen Branchen von der Landesregierung Brandenburgs besonders geförderte Regionen. Unter der Abkehr von der alten Wirtschaftsförderung nach dem sogenannten Gießkannenprinzip begann die Landesregierung 2004, die Förderung neu auszurichten. Unter Einbeziehung von 26 Städten und Gemeinden wurden 15 Regionale Wachstumskerne geschaffen.
Die Kooperation von Unternehmen, Wissenschaft, Bildung, Politik und Verwaltung in regionalen Bündnissen und Netzwerken kann helfen, regionale Innovationssysteme zu etablieren und zu stärken. Für die 26 Städte und Gemeinden gibt es zweifellos Erfolge zu berichten.
Der Landrat aus Oberspreewald-Lausitz hat vor der Enquetekommission 6/1 berichtet, dass die Arbeitslosigkeit in diesem Landkreis nun auch unter 10 % liegt; die Instrumente für die Regionalen Wachstumskerne hätten dazu beigetragen. Schaut man sich das genauer an, dürfte schon das Grübeln einsetzen, wenn die Arbeitslosenzahlen auftauchen. Hinzu kommen die Bevölkerungsentwicklung und die oft geringen Einkommen in den berlinfernen Regionen.
Im Bericht ist dargestellt, dass einige Anhörungen durchgeführt wurden. Die große Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur, der Fachkräftesicherung und -integration sowie der Wohnraumsicherung waren und sind neben vielen anderen Dingen die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte. Hier taucht die Frage auf: Stehen diese Schwerpunkte nicht auch für mindestens 150 weitere Städte und Gemeinden?
Verwiesen wird auch auf Kooperationen und den Stadt-Umland-Wettbewerb. Natürlich ist es gut, die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden zu befördern. Innovative Produkte und Verfahren sind immer das Ergebnis hochspezialisierten Wissens aus unterschiedlichen Disziplinen und Verantwortungsbereichen. Innovationen werden oft durch den Austausch informellen Wissens beschleunigt.
Nur: Die gesamte Programmplanung für die Förderung der Maßnahmen und Projekte über ELER-Mittel, EFRE-Mittel oder ESF-Mittel zukünftig zu steuern, wird eine große Herausforderung für alle, fehlt doch auch die Richtlinie für die ESFMittel noch ganz.
Gerade aus den verschiedenen Ministerien kommen - so berichten die antragstellenden Kommunen - gegensätzliche Hinweise. Bisher sind wohl auch nur wenige Fördermittel - es stehen 213 Millionen Euro zur Verfügung - für den Bereich des SUW abgeflossen. Die Antragsteller verweisen auf sehr spät zur Verfügung gestellte Richtlinien und das komplizierte, kaum noch praktikable Antragsverfahren. Unternehmer erklären immer öfter, dass die Antragsverfahren zu aufwendig sind und das Risiko der Rückzahlungen sehr hoch ist.
Während der Beratungen durch die Wirtschaftsförderungen werden Antragsteller schon motiviert, jedoch muss in diesem Zusammenhang auch immer wieder auf die scharfen Regeln in diesem System hingewiesen werden. Nicht selten können Berichts- oder Interpretationsfehler zu kompletten Rückforderungen führen.
Bis 2018 sollen 60 % der zur Verfügung gestellten Gesamtsumme abgerufen sein. Unternehmer und auch die Kommunen sprechen von einem Fördermittelkuddelmuddel, das in dieser Form wenig hilfreich ist. Vielleicht hören wir ja gleich von der Landesregierung, welche Mittel inzwischen beantragt worden sind, wie viele in den nächsten Wochen bewilligt werden - denn da steht ja noch ein kompliziertes Ausschreibungsverfahren bevor - und wie die Strategie insgesamt aussieht, um das ehrgeizige Ziel der Verwendung der Fördermittel in Höhe von 60 % bis 2018 zu erreichen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die Regionalen Wachstumskerne 2004 nicht falsch waren und durchaus Erfolge zu verzeichnen sind. Jedoch hat Brandenburg viel mehr Einwohner als die RWKs.
Vor einigen Tagen hat der Wirtschaftsminister die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die Wirtschaft in Brandenburg dominieren - so seine Worte -, gelobt: Sie seien fleißig und kreativ, wagten Neues, besetzten Nischen und Marktlücken, übernähmen Verantwortung und brächten Brandenburg voran. - Diese Unternehmen zahlen Steuern, ebenso die Mitarbeiter. Sie erwarten mit Recht, dass auch sie bedacht werden. Sie erwarten, dass die notwendige technische und soziale Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird und sich die Politik mit der Überbürokratisierung befasst. Dazu hat auch der Bundeswirtschaftsminister vor wenigen Tagen in Bad Saarow aufgefordert. Es kann nicht sein, dass in berlinfernen Regionen nur noch störungsarmer Naturschutz in Freilandverbünden zugelassen werden soll. So ist es im LEP formuliert.
Wenn Fördermittelanträge unendlich lang sind und Bewilligungsschreiben nochmals 80 Seiten umfassen, ist ein Wurm im System. Kein Antragsteller kann das mehr überblicken, auch kein Verwendungsnachweisprüfer. Dieses Fördersystem kann man nicht gutheißen. Da hilft es nicht, Behörden zukünftig zu konzentrieren, sondern das überbürokratisierte Formular- und Fördersystem ist zusammenzustreichen. Nur dann kann Förderung ihre Ziele erreichen und nachhaltig sein. So können die kleinen und mittelständischen Unternehmen weiterhin die Wirtschaft stärken, nur so kann gezielt Armut bekämpft werden, weil dann die Brandenburger gute Einkommen erzielen können. Wir fordern Sie auf, dieses System zu überarbeiten und die Hinweise der Brandenburger, auch die aus der Lausitz und der Uckermark, ernst zu nehmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf einige Punkte eingehen, vor allem aus den Beiträgen der Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition.
Ein Stück weit wurde - auch von Ihnen, Frau Schülzke - der Eindruck erweckt, nur die Regionalen Wachstumskerne würden gefördert. Dem ist mitnichten so. Ich habe ein paar Zahlen genannt, wie die Fördermittelverteilung im Lande ist und wie viel die Regionalen Wachstumskerne bekommen haben: ungefähr die Hälfte, bei großen Infrastrukturvorhaben ein bisschen mehr. Das heißt im Umkehrschluss, dass noch andere Mittel da sind, die woanders eingesetzt worden sind. Selbstverständlich steht jedem Unternehmen, egal, ob es sich im Regionalen Wachstumskern Schwedt oder in der Stadt Rathenow befindet, die Möglichkeit offen, bei einer Betriebsgründung oder -erweiterung, einer Innovationsförderung dieselben Mittel in Anspruch zu nehmen wie die Regionalen Wachstumskerne.
Den Regionalen Wachstumskernen bieten wir koordinierte Beratung an; das ist der Sinn des Ganzen. Zwei vergleichsweise
kleine Förderprogramme beziehen sich ausschließlich auf Regionale Wachstumskerne: Regionalbudget und -management. Ich weiß, dass auch in nicht-regionalen Wachstumskernen viele Unternehmen Förderung brauchen und erhalten. Im Übrigen liegen die meisten Regionalen Wachstumskerne nicht im unmittelbaren Berliner Umland, sondern in berlinfernen Regionen.
Die komplizierte Antragstellung ist ein Problem, das weit über Brandenburg hinaus nach ganz Deutschland weist und durch Anforderungen der Europäischen Union determiniert ist, die auch ich mir einfacher vorstellen könnte. Wir haben beim Kontrollaufwand das Problem, dass, wenn einmal etwas schiefgeht, das Geschrei groß ist und gesagt wird: Ihr habt nicht genug kontrolliert. - Der eine oder andere hier im Haus musste schon einschlägige Erfahrungen machen. Das ist immer eine Abwägung, wie engmaschig die Voraussetzungen und Kontrollen sein sollen. Wer das lockerer handhaben will, muss damit rechnen, dass möglicherweise Leute durch Maschen schlüpfen, durch die sie nicht schlüpfen sollten. - Schönen Dank.
Ich beende die Aussprache. Der Bericht der Landesregierung auf Drucksache 6/5332 wurde zur Kenntnis genommen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 8.
Ich begrüße Gäste auf der Besuchertribüne: Seniorinnen und Senioren aus Großkmehlen und Frauwalde - Großkmehlen haben wir gegoogelt; das gehört zum Amt Ortrand - und Bürgerinnen und Bürger aus Kliestow und anderen Trebbiner Ortsteilen. Herzlich willkommen im Brandenburger Landtag!
Des Weiteren liegen ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/5405 sowie ein gemeinsam von der CDUFraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachter Änderungsantrag auf Drucksache 6/5409 vor.
Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion eröffnet. Zu uns spricht der Abgeordnete Lüttmann. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Für Politik zu begeistern, Menschen bei oft komplexen politischen Themen mitzunehmen ist nicht leicht. Die Frage, ob die Form, wie wir hier im Parlament diskutieren, noch den Zeitgeist trifft, ist mehr als berechtigt. In Zeiten, in denen sich die politische Debatte vorwiegend in Internetforen abspielt und Wahlkämpfe wie gerade in den USA geschehen mithilfe sozialer Medien gewonnen werden, stehen wir mit herkömmlichen Instrumenten der Landtagsdebatte vor großen Herausforderungen. Auch was die Zielgruppe unserer Landtagsdebatten angeht, hat sich mit der Verlagerung der politischen Diskussion von den klassischen Medien wie Zeitung oder Fernsehen in die sozialen Medien viel verändert. In einem schlauen Kommentar, der heute auf „SPIEGEL ONLINE“ zu Donald Trumps Wahlerfolg erschienen ist, heißt es:
„Es ist ein Abschied von den Rationalmedien und ein Übergang zu den Gefühlsmedien. Wir haben noch nicht herausgefunden, wie dieser Übergang politisch zu gestalten ist - die Rechtsextremen dagegen schon.“