Protocol of the Session on November 9, 2016

Es geht darum, eine lebendige Erinnerungskultur zu haben, es geht nicht unbedingt darum, gesetzlich verordnete Gedenktage zu haben. Deswegen ist die Frage, wie wir mit diesen Gedenk tagen umgehen.

Wir haben in Brandenburg gute Beispiele. Ich nenne den 17. April, den Sachsenhausen-Gedenktag, den Tag der Befrei ung des KZ Sachsenhausen. Ich gehe regelmäßig dort hin, und auch einige der Kolleginnen und Kollegen kommen dort hin. Es sind wunderbare Veranstaltungen, die die Stiftung Branden burgische Gedenkstätten durchführt, wo Schülerinnen und Schü ler, ganze Klassen einbezogen, szenische Lesungen durchge führt werden, junge Musikerinnen und Musiker auftreten. Das ist gelebte Erinnerungskultur. So wünsche ich mir das auch für den 13. August.

Der 13. August wird in Brandenburg auch begangen. Ich erin nere an die Veranstaltungen, die jedes Jahr an der Glienicker Brücke, am Denkmal, durchgeführt werden. Ich habe selbst er lebt, dass viele, viele Brandenburgerinnen und Brandenburger dorthin gekommen sind.

Die Kritik der CDU richtet sich darauf, dass die Landesregie rung dort nicht erschienen ist. Das ist in der Tat zu kritisieren. Aber das kann man nicht dadurch beheben, indem man einen Gedenktag staatlich verordnet, sondern in der Landesregierung selbst muss das Bewusstsein wachsen, dass das nicht irgendein Tag ist, sondern ein Termin, an dem man vor Ort zu sein hat, auch wenn er in die Sommerferien fällt.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE] sowie vereinzelt AfD)

Insofern: Wenn die Koalition jetzt diesen Entschließungsantrag vorlegt, in dem sie aussagt, dass sie künftig jeden 13. August in geeigneter Form des Mauerbaus und der Opfer der SED-Dikta tur gedenken will und ein gemeinsames Gedenken von Land tag und Landesregierung anstrebt, dann ist das ein Dokument des schlechten Gewissens. Aber es ist ein richtiger Weg, das vorzunehmen. Nur sage ich der Landesregierung: Es ist uns überhaupt nicht damit geholfen, wenn zukünftig am 13. August eine gemeinsame Sitzung von Landtag und Landesregierung angesetzt wird. Wir müssen raus zu den Leuten, wir müssen zur Glienicker Brücke, wir müssen zum Beispiel auch zum „Mauerweglauf“, eine ganz interessante Veranstaltung, an der sich mehr als 400 Ehrenamtliche daran beteiligen, entlang des alten Verlaufs der Mauer darauf aufmerksam zu machen, was hier passiert ist, wo jedes Jahr ein Opfer der DDR-Todesschüt zen exemplarisch herausgestellt wird, eine neue Veranstaltung, die unter der Schirmherrschaft von Rainer Eppelmann, dem Vorsitzenden der Bundesstiftung Aufarbeitung, stattfindet.

Ich denke, hier sind geeignete Anknüpfungspunkte, das ist der Weg, wie wir dieses Tages gedenken müssen. Vor diesem Hin tergrund werden wir dem Gesetzentwurf der CDU nicht zu stimmen, obwohl wir es ausdrücklich begrüßen, dass Sie dieses Thema hier auf die Tagesordnung gebracht haben. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit Herrn Abgeord neten Vida fort. Er spricht für die Gruppe BVB/FREIE WÄH LER.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Wenn wir das Feiertagsgesetz anfassen und Gedenktage, Feier tage festlegen, muss behutsam vorgegangen werden, weil man damit einen Beschluss fasst, der dokumentiert, welche Schwer punkte man in der Gedenkkultur - Gedenkmotiv, wenn man so will - setzt. Wenn man das als Landtag tut, müssen diese Feier tage oder Gedenktage einen Landesbezug, einen spezifischen Brandenburg-Bezug haben.

Da stellt sich für mich die Frage: Hat dieser Tag einen spezifi schen Brandenburg-Bezug? - Ganz klar: Ja.

Sie wissen, es war der Bezirk Potsdam, der für die Grenzsiche rung - wie es hieß - zuständig war, also am äußeren Bereich von Westberlin. Es waren also Brandenburger, die dort in men schenrechtswidriger Weise an der Überschreitung der Grenze gehindert worden sind, es waren Brandenburger - zu großen Teilen Brandenburger -, die dort ermordet worden sind.

Wenn wir es auf dem Territorium unseres Bundeslandes mit derartigen Verbrechen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern un serer Region - damals nicht unseres Bundeslandes - zu tun ha ben und wir dessen gedenken, warum wollen wir das dann nicht auch in Gesetzesform gießen?

Es ist nicht fair, wenn man argumentiert: Es gibt ja noch andere Gedenktage. - Damit kann ich alles wegreden, damit kann ich jeden Tag wegreden. Nein, das Argument muss sein: Hat es ei nen Brandenburg-Bezug, hat es auch eine besondere Gewich tung?

Führen wir uns vor Augen, was da geschehen ist: Mitten in Deutschland, mitten in der Brandenburger Region wurde eine Grenze gezogen, die unsägliches Leid nach sich zog - nicht nur für die Opfer unmittelbar, sondern auch dadurch, dass Familien getrennt, auseinandergerissen, Biografien kaputt gemacht wor den sind, indem Familien getrennt wurden - Brandenburger Fa milien. Es wurde unsägliches Leid über die Menschen in unse rer Region gebracht. Es wurde ein Bauwerk errichtet, das an Menschenverachtung kaum zu überbieten ist. Diese Grenze, die Sicherung dieser Grenze - wie es hieß -, war wie eine Wun de mitten durch die Mark Brandenburg. Ich glaube, es ist völlig normal, wenn wir sagen: Wir gedenken dessen. Es ist auch nicht so - das weiß auch jeder -, dass dadurch etwas gewürdigt wird. Es ist ein Gedenktag, an dem der traurigen und schlim men Entwicklungen, die dieser Tag nach sich gezogen hat, ge dacht wird.

Ich weiß, dass alle von Ihnen zu Gedenkveranstaltungen gehen und dort auch ehrlich dabei sind. Das ist in dem Antrag hier doch auch kein Vorwurf. Aber es ist ein Unterschied, ob man aus politischer und privater Überzeugung, die bei allen ehrenwert ausgeprägt ist - keine Frage! -, hingeht oder ob es amtlich, staatlich dokumentiert ist, ob in den Schulen in unserem Bun desland mit pädagogischem Auftrag, auch mit politischem Auftrag gesagt wird: Schreibt nieder, dass dieser Tag in den Vordergrund geholt wird, dass wir - nicht nur mit unserer per

sönlichen Motivation, sondern eben auch mit einer amtlichen Motivation verbunden - beschließen und festschreiben, dass dieser Tag einen besonderen Stellenwert in unserer Geschichte hatte. Das hat er; das kann niemand bestreiten.

Darum geht es, dass wir es mit einer - wenn Sie so wollen - amtlichen Würdigung flankieren. Genau deswegen glaube ich, dass der 13. August auch und spezifisch für Brandenburg ein besonderer, ein besonders trauriger Tag ist. Wenn wir gemein sam der glücklichen Überwindung dieses Regimes und seines hässlichsten Bauwerks gedenken wollen, dann tun wir das, in dem wir diesen Tag einer Würdigung zuführen - nicht, weil wir den Tag würdigen, sondern weil wir die Opfer würdigen, die dieser Tag und die nachfolgenden Jahre hervorgebracht haben.

Deshalb fände ich es gut, wenn wir gemeinsam das Signal sen den würden, dass wir die Opfer zusätzlich amtlich würdigen, indem wir als Parlament dieses Bundeslandes sagen: Das, was auf unserem Gebiet geschehen ist, ist besonders verwerflich. Um all die Traurigkeit und das Schreckliche, das es hervorge bracht hat, wirklich nicht vergessen zu lassen, aber ganz klar zu kommentieren, dass wir es ablehnen und all die Menschen, die dagegen aufbegehrten, als das betrachten, was sie waren, nämlich Helden unseres Landes, ist es Brandenburg würdig, zu beschließen, diesen Tag als Gedenktag festzuschreiben. - Vie len Dank.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, CDU sowie AfD)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Kralinski.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal für diese Debatte danken, weil sie einen wichtigen Beitrag dazu leistet, uns ein bisschen stärker zu vergewissern, wie wir des Mauerbaus in würdiger Form gedenken können.

Ich möchte Ihnen aber auch darlegen, warum wir uns als Lan desregierung dem Vorhaben nicht anschließen wollen, den 13. August zum gesetzlichen Gedenktag in Brandenburg zu er klären. Zugleich möchte ich Ihnen aber versichern, dass mit dieser Entscheidung in keiner Weise eine Missachtung der Op fer der SED-Diktatur zum Ausdruck gebracht wird. Es ist voll kommen richtig: Wir alle müssen gemeinsam die Erinnerung an die Diktatur der SED und ihre Opfer wachhalten. Das tun wir auch.

Zugleich haben wir allen Grund, uns der gesamten Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert zu erinnern. Wir alle wissen, die Diktatur der SED fiel nicht vom Himmel. Die sowjetische Besatzungszone, die DDR hatten eine Vorgeschichte. Die Tra gödie des Ersten Weltkrieges, der hoffnungsvolle demokrati sche Neubeginn in den Jahren 1918/1919, die Verfassung von Weimar, das Scheitern der ersten deutschen Demokratie, der Aufstieg des Nationalsozialismus, der verbrecherische Zweite Weltkrieg, der Holocaust, die totale Niederlage der Hitler-Dik tatur am 8. Mai 1945, der einerseits ein Tag der Befreiung war und andererseits auch der Beginn der deutschen Teilung - dies alles gehört zur Vorgeschichte der SED-Diktatur. Auch an die

se Vorgeschichte müssen wir uns erinnern, damit wir begreifen können, wie es überhaupt zur DDR kommen konnte.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Ja, auch die kurze, in vieler Hinsicht unglückliche Geschichte der DDR selbst soll und darf nicht in Vergessenheit geraten. Wir erinnern uns an die DDR unter anderem so, wie wir uns auch an andere historische Entwicklungen und Ereignisse erin nern, indem wir uns jährlich bestimmte herausragende Ereig nisse wieder und wieder vor Augen führen. Dazu gehört der Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Dazu gehört selbstverständ lich der Mauerbau vom 13. August 1961. Dazu gehören die Leipziger Massendemonstration vom 9. Oktober 1989 und die Berliner Großdemonstration vom 4. November 1989. Dazu ge hört natürlich auch der 9. November, ein Tag, an dem sich - 1918, 1938 und 1989 - die schwierige Vielfalt der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert bündelt. Die Präsidentin hat daran heute, wie ich finde, in würdiger Weise erinnert.

Dazu gehört aber auch der 3. Oktober 1990, unser Tag der Deutschen Einheit. Alle diese historischen Daten und viele weitere, die ich jetzt nicht aufgezählt habe, stehen nicht isoliert für sich, sondern selbstverständlich stellvertretend für größere historische Zusammenhänge. Sie fordern uns dazu auf, zu gleich auch über ihren geschichtlichen Kontext nachzudenken, über Ursachen und Wirkungen.

Genau in diesem Sinne ist auch der 3. Oktober eben nicht nur der Tag der Deutschen Einheit. Es ist der Tag, an dem wir uns auch seiner Vorgeschichte vergewissern sollen und müssen. Der 3. Oktober fordert uns Jahr für Jahr zugleich dazu auf, dar über nachzudenken, was eigentlich der Deutschen Einheit vor ausging: die Diktatur der SED, die Mauer zwischen beiden deutschen Staaten und die vielen Opfer, die mit diesen Verhält nissen verbunden sind.

Lassen Sie uns also nicht dem Irrtum verfallen, der Opfer der SED-Diktatur könnten wir nur dann gedenken, wenn wir hier für einen neuen, einen weiteren gesetzlichen Gedenktag be schließen. Lassen Sie uns stattdessen im Hier und Jetzt ge meinsam dafür arbeiten, dass Diktatur und Unrecht, Demago gie und Menschenfeindlichkeit bei uns nicht wieder Fuß fassen können.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Ganz ehrlich: Die Nachrichten, die uns an diesem 9. November aus den Vereinigten Staaten von Amerika erreichen, bieten An lass genug, diese Anstrengungen gegen Demagogie und Men schenfeindlichkeit weiter zu intensivieren.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD)

Das Wort erhält nun noch einmal Herr Dr. Redmann. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst ebenfalls für die sehr differenzierte und würdige De batte bedanken, die in diesem Haus stattfand. Ich möchte her

vorheben, dass ich durchaus anerkenne, dass es auch in Teilen in der Linksfraktion inzwischen eine sehr differenzierte Ausei nandersetzung mit dem SED-Unrecht gibt.

Ich sage trotzdem, dass ich es schade fand, Frau Mächtig, dass Sie weite Teile dieser Debatte nicht verfolgt haben, weil Sie gerade zu jenen gehören, die sich in der jüngsten Vergangen heit öffentlich besonders undifferenziert geäußert haben.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Meine Damen und Herren, es ist sehr deutlich geworden, dass der 13. August kein Gedenktag wie jeder andere ist, sondern dass der 13. August ein Tag ist, der einen ganz besonderen Brandenburg-Bezug hat, und dass es deshalb durchaus angemessen ist, ihn in das brandenburgische Gedenk- und Feier tagsgesetz aufzunehmen. Das unterscheidet ihn auch von ande ren Tagen, die hier zur Diskussion standen, bei denen dieser ganz konkrete Brandenburg-Bezug nicht vorliegt.

Ich möchte davor warnen, uns bei Gedenktagen - diese Proto kollfragen sind immer politische Fragen, sie sind aber auf je den Fall nicht irrelevante Fragen - grundsätzlich davor zu ver schließen, den Opfern des SED-Unrechts einen gesetzlichen Gedenktag zu gewähren. Das haben sie nicht verdient. Wir sollten keine Debatte zulassen, die protokollarisch - da ist die Frage dann relevant - ein Gedenken erster und zweiter Klasse zum Inhalt hätte.

(Beifall CDU und AfD)

Insofern bin ich für die Anregung, einen anderen Tag als Ge denktag für die Opfer des SED-Unrechts zu erklären, durchaus offen. Sie, Herr Kurth, haben einige Vorschläge in den Raum geworfen. Wenn Ihnen tatsächlich daran gelegen ist, einen ge setzlichen Gedenktag für die Opfer des SED-Unrechts zu be schließen, schlage ich Ihnen vor, die Überweisung unseres Ge setzentwurfs zu beantragen. Wir würden diesem Überwei sungsantrag zustimmen und können dann auch andere Varian ten, wie Sie sie ins Spiel brachten, diskutieren.

Ihrem Entschließungsantrag können wir nicht zustimmen. Er ist in seinen Formulierungen durchaus begrüßenswert, das will ich gar nicht bestreiten. Aber er bleibt hinter dem zurück, was wir eigentlich wollen. Wir wollen einen gesetzlichen Gedenk tag, der auch protokollarisch in der ersten Reihe steht, und dar an reicht Ihr Vorschlag nicht heran. - Vielen Dank.

(Beifall CDU sowie vereinzelt AfD)

Wir sind damit am Ende der Aussprache und kommen zur Ab stimmung. Wir stimmen zuerst über den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/5284 - Fünftes Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes - ab. Wer diesem Gesetzent wurf seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzei chen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE in der Drucksache 6/5413. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den

bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimment haltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und einigen Stimm enthaltungen ist diesem Entschließungsantrag mehrheitlich ge folgt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungs punkt 9 auf:

Viertes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengeset zes

Gesetzentwurf

der Präsidentin des Landtages