Protocol of the Session on September 28, 2016

Ich befürchte, dass es bei CETA auch so werden wird. Das Spannende ist nur: Die Polizeireform können wir selbst korri gieren. Die Regierung macht sich ja schon daran, weil sie den Scherbenhaufen und auch das Problem sieht. Nur, CETA holt kein Mensch mehr zurück. Das ist - das sagen alle Kommenta toren - eine Sache, die ziemlich langfristig wirken wird, denn ein solcher geschlossener Vertrag kann nicht einfach gekündigt werden, sondern nur einvernehmlich.

Ich teile die Intention, die Herr Gabriel äußert, dass man für Globalisierung gute Richtlinien braucht, aber das sind keine guten Richtlinien. Selbst wenn TTIP nicht kommt, über CETA schaffen die Pendantunternehmen der großen amerikanischen Konzerne sehr wohl den Einfall in Europa.

Meine Damen und Herren, Sie können sich dazu positionieren, wie Sie möchten. Ich sehe das mit großer Gelassenheit. Wir werden dann in einigen Jahren sehen. Nur will es dann wieder keiner gewesen sein. Es ist genau wie beim Flughafen Schöne feld, da will heute auch keiner Verantwortung dafür überneh men, dass dieser Standort wider besseres Wissen gewählt wur de. Wer hat dafür jemals Verantwortung übernommen? Nie mand.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und AfD)

Das ist das Schlimme an der Sache: Schaden anrichten durch falsche politische Entscheidungen, sich dann verflüchtigen und letztendlich alle anderen damit allein lassen.

Das brauchen wir nicht, und deswegen muss man CETA einen Riegel vorschieben. Frau Mächtig, Sie können Ihren Partei freunden erklären, wie Sie sich hier verhalten. Ich weiß jeden falls, wie die Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei in meinem Umfeld ticken, und ich glaube, die sind sehr dafür, dass dieser Antrag angenommen wird.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe und AfD)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeord nete Hackenschmidt. - Bitte schön.

Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chris toph, als ich den Antrag bekommen habe, habe ich gedacht, es gehe um CETA und TTIP, und dann lese ich ihn und stelle fest, dass es überhaupt nicht um TTIP - kann es auch gar nicht -, sondern um CETA geht. TTIP steht nur erst einmal mit drauf.

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!)

- Ich habe ihn mehrfach gelesen.

Ich kann den Ball gern zurückspielen. Dann komme ich auf das, was du „Geheimtexte“ nennst. Der CETA-Text war ab dem 26.09.2014 als Rohtext auf Englisch auf der Website der EU-Kommission öffentlich zugänglich, und mit dem Abschluss der Überarbeitung am 29.02.2016 wurde der überarbeitete Text ins Netz gestellt und ab Anfang Juli 2016 in allen 24 offiziellen Sprachfassungen veröffentlicht. So viel zum Thema Geheim papiere. Das Netz ist allen zugänglich.

(Beifall SPD)

Ich habe, wie gesagt, nicht verstanden, warum im Antrag der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe von TTIP die Rede ist. Ich denke, dass man bestimmte Dinge hier erst einmal grundsätz lich klären muss. Wir leben nicht im luftleeren Raum. Es gibt heute schon wirtschaftsvölkerrechtliche Richtlinien aus gülti gen Verträgen, nach denen offizieller Handel zwischen ver schiedenen Staaten, unter anderem auch Kanada, und der Euro päischen Union betrieben wird. Alle Nationalstaaten haben der Europäischen Union freiwillig ein Verhandlungsmandat erteilt, weil es einfacher ist, wenn einer für 28 verhandelt. Im Nachhi nein stellen sich nun einige hin und sagen: Oh, da hat sich je mand etwas auf den Tisch gezogen. - Das ist nicht zutreffend. Freihandelsabkommen gibt es unter allen Staaten der Welt zu Hunderten, und hier geht es darum, Verbesserungen beim Marktzugang zu erreichen. - So viel als erste Einstimmung.

Der Abbau von Zöllen - das wären 99 % auf beiden Seiten - ist der eine Fakt. Viel wichtiger ist der Abbau anderer Handels hemmnisse. Für die brandenburgische Wirtschaft sowie die Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist vor allem die Anglei chung technischer Standards und Normen von Bedeutung. Dazu gibt es schon ein Zusatzprotokoll für gemeinsame Zerti fizierung. Auf dem Konvent war auch Kanadas Handelsminis terin Mrs. Freeland anwesend. Sie hielt es für wichtig, weil Kanada froh ist, wie sie sagt, die europäischen Standards über

nehmen zu können und den kanadischen Firmen damit die Möglichkeit zu geben, die Märkte in Europa zu erschließen.

Ich weiß, dass viele Menschen Angst haben, weil sie das Ganze nicht verstehen. Aber diese Ängste werden auch geschürt. Standards sind wichtig für die Exportnation Deutschland und - ich sage es noch einmal - für die brandenburgische Wirtschaft. Wir übernehmen eine große Verantwortung für den internatio nalen Handel, um ihn fair zu gestalten.

CETA ist im Nachhinein ein gemischtes Abkommen. Anders als in den Startphasen ist es ein Abkommen, dem der Bundes rat und der Bundestag noch zustimmen müssen. Das heißt, es passiert nichts hinter verschlossenen Türen, sondern wir haben ein Mitspracherecht und - da gebe ich Ihnen Recht, Herr Schul ze - sollten uns damit befassen. Wir sollten uns viel häufiger damit befassen, was in Europa geschieht, denn es hat auf viele Bereiche hierzulande Auswirkungen.

Wenn CETA in Kraft tritt, erwartet die EU-Kommission ein jährliches Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union von 12 Milliarden Euro pro Jahr. Gleichzeitig erhält CETA auch nationale Regulierungsspielräume - das steht bereits in der Präambel des Abkommens -: für eine nachhaltige Entwick lung und zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh mern sowie für Sozial- und Umweltstandards. Hier gibt es also durchaus eine Weiterentwicklung. Die Gestaltung und Organi sation der öffentlichen Daseinsvorsorge ist vereinbart worden. Das heißt, europäische Firmen können - anders als derzeit bei TTIP - auf dem kanadischen Markt in den Bereich öffentliche Beschaffung einsteigen.

CETA ist nicht die Blaupause von TTIP, wie im Antrag von BVB/FREIE WÄHLER steht. Im Gegenteil: Die Amerikaner wollen nicht, dass wir das CETA-Abkommen verabschieden und ratifizieren, weil sie die vereinbarten hohen Standards fürchten. Auf dem kleinen Konvent wurde eine große Zahl von SPD-Mitgliedern informiert, um das Ergebnis dahin zu brin gen, dass man sagt: Wir beschäftigen uns damit in Bundesrat und Bundestag. - Da ist eine Diskussion nötig. Ich bin optimis tisch, dass die Mehrheit dem zustimmt. Auch wir haben die Möglichkeit, uns damit zu beschäftigen.

(Beifall SPD - Senftleben [CDU]: Auch Gabriel?)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Redmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schulze, Sie sprachen eingangs Ihrer Rede von einer bemer kenswerten Sache. Bemerkenswert finde ich in allererster Linie Ihren Antrag, und zwar gleich in mehreren Punkten: Zunächst einmal ist der Unterschied zwischen Titel und Beschlusstext bemerkenswert. Im Titel heißt es noch „CETA und TTIP im Bundesrat verhindern“, im Beschlusstext dann: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat bei der Abstimmung zum CETA-Abkommen mit Nein zu stim men“.

(Frau Lehmann [SPD]: Na, was denn nun?)

Also, worum geht es jetzt eigentlich?

(Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe]: Sie können ja einen Änderungsantrag einbringen, wenn das Ihr einzi ges Problem ist!)

In Ihrer Rede kritisierten Sie einerseits, dass für CETA Blanko schecks erteilt worden seien, andererseits war das, was Sie ge fordert haben, nicht weniger als eine Blankoablehnung. Das ist genauso wenig sachlich begründet und sinnvoll.

(Beifall CDU)

Sie verwenden TTIP und CETA ständig synonym. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede, nicht zuletzt beim Verhandlungs stand. Während CETA im Wesentlichen ausverhandelt, wenn gleich noch nicht unterschrieben ist, stecken wir bei TTIP noch inmitten der Verhandlungen, und man kann zum jetzigen Zeit punkt noch nicht sagen, ob durch Annäherung der verschiede nen Positionen ein Konsens gefunden wird und TTIP am Ende wirklich zustande kommt. Schließlich zeugt Ihr Antrag auch auf allen vier Seiten von Ängstlichkeit vor Welthandel, Ängst lichkeit vor irgendwelchen angeblichen anonymen Wirtschaft seliten. Gerade bei CETA geht es nicht um anonyme Wirt schaftseliten, sondern um die europäischen Unternehmen, vor allem um die besonders exportstarken Unternehmen, die zum Glück in Deutschland ansässig sind. Es geht dabei also vor al lem auch um unsere eigenen Firmen. Vor unseren eigenen Fir men ängstlich und mit erhobenem Zeigefinger zu warnen hal ten wir für unangemessen.

(Beifall CDU)

Die CDU-Fraktion möchte, dass die Europäische Union wei terhin die größte Handelsmacht der Welt bleibt, dass sie - auch und gerade mit deutscher Beteiligung - im Welthandel weiter hin so erfolgreich bleibt. Laut Prognosen werden wir uns aller dings anstrengen müssen, wenn wir diesen Status erhalten wol len, denn andere Länder, allen voran China und der pazifische Raum, werden in den nächsten Jahren nicht mehr nur aufholen, sondern, wenn wir nicht aufpassen, möglicherweise an uns vorbeiziehen.

Die Globalisierung schreitet voran. Niemand wartet auf uns Europäer. Entweder entscheiden wir uns, den Wettbewerb auf zunehmen und mitzuhalten - und dafür auch die notwendigen Bedingungen zu schaffen -, oder wir werden am Ende hinten herunterfallen. Das wäre katastrophal, auch für uns in Bran denburg. Es würde Arbeitsplätze kosten. Jeder siebte Arbeits platz in Europa hängt von Exporten in andere Teile der Welt ab. Darüber hinaus würde es dazu beitragen, dass Länder wie Chi na die Standards beim Arbeitnehmer- oder Verbraucherschutz auf dem Weltmarkt setzen und wir möglicherweise in einigen Jahren gar nicht mehr anders können, als diese Standards zu übernehmen, ohne dass wir an ihrer Definition beteiligt waren. Mir sind die Standards, die wir beispielsweise mit Kanada aus handeln, letztlich deutlich lieber als fremde Standards, bei de nen wir nicht mitreden können.

(Beifall CDU und SPD)

Wir müssen ein Gegengewicht zu der wachsenden Bedeutung Asiens in der Weltwirtschaft schaffen, wenn wir mithalten wol len. Doch das kann nicht im Alleingang gelingen - nicht im

Alleingang als Europäer und schon gar nicht im Alleingang als Deutsche. Wer das glaubt, hat die letzten 50 Jahre verschlafen. Die Mitbewerber außerhalb Europas schlafen nicht.

Wir wollen, wenn wir unsere Position im Welthandel erhalten, mit unseren Partnern enger zusammenarbeiten. Dafür sind sol che Abkommen - die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben insgesamt nicht weniger als 1 400 Abkommen mit ande ren Staaten geschlossen - Voraussetzung; Deutschland allein 134, und von diesen Abkommen profitieren wir. Beispielswei se sind die deutschen Exporte nach Südkorea nach dem Inkrafttreten des entsprechenden Handelsabkommens vor fünf Jahren um über 50 % gestiegen.

Studien bestätigen, dass CETA, das Handelsabkommen zwi schen EU und Kanada, sogar zu einer noch stärkeren Steige rung von Handel und Investitionen führen kann. CETA ist fort schrittlich, schafft Zölle ab und vereinfacht komplizierte Rege lungen. Es wird auch für mittelständische Unternehmen viel bringen und damit den Export nach Kanada beflügeln. Das ist übrigens nicht nur für Deutschland wichtig, sondern gerade auch für europäische Nachbarländer, die es im Moment nicht leicht haben, mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit konfron tiert sind und deshalb zusätzliches Wirtschaftswachstum gut gebrauchen können.

Lassen Sie mich noch auf einen Punkt hinweisen: Sie haben sich offensichtlich mit dem CETA-Abkommen nicht hinrei chend beschäftigt. Beim Investitionsschutz ist es nämlich nicht mit TTIP vergleichbar. Was Sie einfordern, wird es bei CETA geben. Es wird nämlich keine anonymen Schiedsgerichte ge ben, sondern einen Internationalen Gerichtshof, bei dem so wohl die EU als auch Kanada Richter ernennen können. Diese Sorge kann ich Ihnen also nehmen.

Daher mein Tipp: Bevor Sie bei CETA grundlos zetern, lesen Sie bitte das Abkommen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Die Lan desregierung muss im Interesse von uns allen im Bundesrat zu mindest beim CETA-Abkommen zustimmen. Was bei TTIP herauskommt, werden wir sehen.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD - Königer [AfD] zur SPD: Hat euch Herr Gabriel gesagt, dass ihr hier klat schen sollt?)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abgeordnete Bü chel.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Lin ke, sind der Auffassung, dass der vorliegende Entwurf, die vor liegende Fassung von CETA, nicht zustimmungsfähig ist.

(Beifall DIE LINKE, B90/GRÜNE und AfD)

Ich möchte gleich noch einmal darauf eingehen, warum das so ist.

Trotz alledem ist das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, werte FREIE WÄHLER, nicht so einfach umsetzbar. Sie wollen ja in Ihrem Antrag - so formulieren Sie es -, dass wir hier im Land

tag beschließen, wie die SPD, vor allem die Bundes-SPD, sich zu CETA zu entscheiden hat.

(Vereinzelt Lachen)

So steht es dort - lesen Sie Ihren Text! Sie wollen auch - auch das steht in Ihrem Text -, dass wir - wobei sich die Frage stellt, was Sie mit „wir“ meinen - nicht gegen Freihandelsabkommen sind. Nun ist die Frage, ob Sie mit „wir“ sich selbst als FREIE WÄHLER, meinen, wie es im ersten Druck des Antrages stand, wobei es aber, so denke ich, auch nicht im Sinne der FREIE WÄHLER, sein kann, dass der Landtag darüber beschließt, dass die FREIE WÄHLER, für oder gegen etwas sind. Wenn Sie die ses „wir“ jedoch auf den Landtag beziehen, dann sage ich ganz klar, dass ich das ebenso kritisch sehe, dass wir als Landtag sagen sollen, dass wir nicht gegen Freihandelsabkommen sind.

Ich denke, wir müssen uns schon sehr kritisch die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Freihandelsabkommen stellen, nämlich im Kontext der geopolitischen Herausforderungen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernig [DIE LINKE])

Abkommen zwischen zwei Staaten oder zwischen Staatenge meinschaften, beispielsweise zwischen Kanada und der EU, definieren, wie Handel zwischen diesen Partnern aussehen, wie und in welchem Umfang dieser Handel stattfinden soll, womit dann Maßstäbe für den gesamten Welthandel gesetzt werden. Daher frage ich mich kritisch, ob das im Sinne der EU und im Kontext von fairem Welthandel sein kann. Ein Teil der Staaten, die sogenannten Mächtigen, definieren, wie der Welthandel aussehen soll, und zwar auch zulasten von Drittstaaten.