Und bitte: Wir alle wissen - das haben die Wahlen in Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gezeigt -, dass es in dieser Gesellschaft auch Verlierer gibt und wir alles dafür tun müssen - und zwar aus einem sozialen und politischen An spruch -, Menschen und Regionen zu Gewinnern zu machen, ihnen Perspektiven zu bieten. Das wissen wir und versuchen wir umzusetzen. Aber wir versuchen es nicht, indem wir sie demotivieren und sagen: Ihr habt keine Chance! - Nein, das stimmt nicht.
Unsere politische Aufgabe ist es, hier für eine entsprechende Ausstattung zu sorgen. Dazu ist der Doppelhaushalt ein Instru ment.
Mit dem Entwurf des Doppelhaushalts ist es gelungen, bereits eine Reihe von politisch notwendigen Zielsetzungen in Zahlen zu gießen. Ich nenne nur die Stichworte Infrastrukturentwick lung, soziale und innere Sicherheit sowie Bildung und Wissen schaft.
Und, meine Damen und Herren, wir haben als Koalition zu gleich die Möglichkeiten erweitert, auf Schwerpunkte zu re agieren. Deswegen gibt es das Kommunale Investitionspro gramm. Deswegen gibt es das Straßenbauprogramm. Deswe gen gibt es eine Reihe von Instrumenten, mit denen wir auf spezifische Belange von Regionen, Städten und Gemeinden reagieren und damit natürlich auch etwas für die Entwicklung des Landes als Ganzes tun können.
Insofern ist bei aller notwendigen Diskussion und der Kritik am vorgelegten Doppelhaushalt folgender Punkt einfach zu be achten: Es ist nicht nur das Spiegelbild eines Anspruchs, wie Herr Senftleben sagte, sondern ein Instrument, mit dem RotRot diesen Anspruch auch umsetzt - umsetzt für eine Entwick lung des Landes insgesamt, umsetzt in eine Entwicklung, die Menschen und Regionen nicht gegeneinander ausspielt.
Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich damit gerech net, dass wir in den heutigen Haushaltsberatungen für ein paar andere Sachverhalte kritisiert werden. Da hätte ich gesagt: Da haben Sie Recht! - Wir haben in den letzten Wochen eine Reihe von Grundsatzentscheidungen getroffen. Wir haben die Frage Wasser und Abwasser, die Frage der Teilübernahme von Kos ten für Flüchtlingsunterkünfte, die den Kommunen entstanden und bisher nicht rückerstattet worden sind, entschieden.
Herr Bischoff und ich haben gestern eine zusätzliche Initiative für den Bereich Kita vorgestellt, und zwar - über den vorlie genden Entwurf hinaus - den Einstieg in eine weitere Verbesse rung der Qualität und in die Beitragsfreiheit ab 2018. Wir ha ben das vereinbart, weil es notwendig ist, Menschen und Regi onen noch stärker an dem zu beteiligen, was sie als positive wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land konstatieren. Weil das so ist, haben wir uns entschieden, diesen Weg zu gehen. Und weil wir uns entschieden haben, diesen Weg zu gehen, wird er sich auch genau so im Haushalt widerspiegeln.
Meine Damen und Herren, ich hätte damit gerechnet, dass Sie uns kritisieren, weil die Entscheidungen so spät gekommen sind. Ja, ich hätte mir bei einigen Entscheidungen gewünscht, dass wir sie vor der Sommerpause gefällt hätten. Dafür haben Sie uns heute nicht kritisiert. Die jetzt vor dem Parlament stehende Aufgabe, das zusätzlich in den Haushalt aufzuneh men und umzusetzen, wird eine große Herausforderung in den Haushaltsberatungen. Denn eines, meine Damen und Her ren, ist klar: Die Wahlen haben auch ganz deutlich gezeigt, dass Menschen eine funktionierende Verwaltung erwarten. Und die erwarten sie zu Recht. Rot-Rot korrigiert die Perso nalbedarfszahl doch nicht deswegen, weil wir enorme Mengen Geld ausgeben wollen, sondern wir tun es, um einen funktio
nierenden Staat sicherzustellen, der eine öffentliche Verwal tung braucht, die handlungsfähig und in der Lage ist, Politik umzusetzen.
Eine Debatte über die Qualität der Bildung hätten wir bei jeder Haushaltslage. Selbstverständlich ist die Sicherung der Quali tät von Bildung unabhängig von der Haushaltslage eine zentra le Herausforderung, wenn wir sozialen Zusammenhalt, Auf stiegschancen und vor allen Dingen die gesellschaftliche Gestaltung politisch umsetzen wollen. Insofern ist es richtig, dass wir - und zwar seit 2009 - Korrekturen sowohl in der Aus bildung als auch bei der Einstellung und eine Schwerpunktset zung in bestimmten Bereichen, die besonders dringlich zu be handeln sind, vorgenommen haben.
Meine Damen und Herren, was uns jetzt mit der Personalbe darfsplanung vorliegt, ist ein gutes Fundament, das in den par lamentarischen Beratungen geprüft und bezüglich dessen entschieden werden muss, ob es - zumindest in Teilbereichen - Nachsteuerungsbedarf gibt. Um auch das klar zu sagen: Das betrifft nicht nur die Polizei, sondern wir stehen vor der Her ausforderung, sicherzustellen, dass Verwaltung auch in der Perspektive handeln kann. Dazu zählen volle Planungsleistun gen, die im Vorlauf erbracht werden müssen, dazu zählen Ent scheidungsreferate, die zügig und zeitnah im Interesse von Bürgern über Anliegen entscheiden.
All das werden wir uns in den Haushaltsberatungen anschauen, und da bin ich einmal gespannt, und zwar auf Vorschläge, die nicht einfach lauten „Wir müssen mehr tun!“, sondern auch abwägen zwischen dem finanziell Machbaren und dem, was notwendigerweise getan werden muss. Da habe ich, meine Damen und Herren, in den letzten Haushaltsberatungen unschöne Erfahrungen gemacht, denn fordern kann man schnell, aber verantwortungsvoll abwägen ist ein etwas anderer Prozess. Aber ich bin sicher: Wir werden das gemeinsam auch in dieser Doppelhaushaltsberatung bewältigen.
Mein Damen und Herren, wir alle wissen, dass die öffentliche Sicherheit ein sehr großes Thema ist. Und wir alle wissen, dass im NSU-Untersuchungsausschuss eine Reihe von Sachverhal ten vorgelegt worden ist. Ich möchte an dieser Stelle deutlich appellieren: Lassen Sie uns die öffentliche Sicherheitsarchitek tur nicht auf den Verfassungsschutz reduzieren, sondern hier geht es um einen Kontext, nämlich sowohl um Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, also Verfassungsschutz, Polizei und Staatsschutz, als auch um einen Maßnahmenkatalog für Bil dung und einen Maßnamenkatalog zur Entwicklung des Lan des insgesamt, wenn man diesen Bereich zukunftsfest gestalten will.
Deswegen lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch sagen: Ich bin sehr froh, dass wir in Brandenburg neben der Diskussi on im NSU-Untersuchungsausschuss gemeinsam mit dem Moses Mendelssohn Zentrum ein Beispiel geschaffen haben, wie man Rechtsextremismus in der Vergangenheit und in der Gegenwart aufarbeitet. Ich bin sehr froh darüber, weil uns die ser Beitrag helfen wird, politisch richtige Schlussfolgerungen zu ziehen in dem dann hoffentlich gemeinsamen Ringen gegen
Rechtsextremismus, in dem Wissen darum, dass es ein langer Weg ist, denn das hat etwas mit Einstellungen, hat etwas mit Wertvorstellungen zu tun. Diese zu verändern braucht Zeit, und es braucht neben der öffentlichen Sicherheitsarchitektur eben auch Bildung.
Meine Damen und Herren, es ist eine Digitalisierungsstrategie eingefordert worden. Ich hätte eine Bitte: Gucken Sie sich die Innovationsstrategie des Landes Brandenburg an. Gucken Sie sich an, was im Bereich Industrie 4.0 in Brandenburg bereits läuft, und dann lassen Sie uns darüber reden, mit welchen Ansätzen wir diesen Weg weitergehen können und müssen. Aber bitte tun Sie nicht so, als wenn wir am Anfang einer Ent wicklung stünden, wo man darauf aufmerksam machen müss te, dass wir diesen Weg gehen müssen. Nein, dieser Weg wird schon seit längerer Zeit gegangen. Dass wir uns diesen Bereich genau angucken müssen, um zu erkennen, wie es uns hier ge lingen kann, das Land weiter zukunftsfähig zu gestalten, ist klar.
Ich darf daran erinnern, dass die zur Verfügung gestellten Lan desmittel vollständig ausreichen, das Bundesprogramm zu ko finanzieren. Meine Damen und Herren, ich wäre froh, wenn das Bundesprogramm tatsächlich griffe. Es ist in meinem poli tischen Leben das vierte, was seit dem Jahr 2000 von der Bun desregierung angekündigt worden ist. Insofern bleibe ich dabei, dass die Kofinanzierung des Bundesprogramms notwen dig ist und wir mit dem Abschluss von „Glasfaser 2020“ zu nächst eine Infrastruktur schaffen können. Die Frage der Digi talisierung ist etwas ganz anderes, denn sie vollzieht sich auf der Basis dieser Infrastruktur, und da stehen wir vor großen Herausforderungen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, auf einzelne Punkte einzugehen. Wir werden uns in den Haushaltsberatun gen über die Frage der sozialen Entwicklung verständigen, un ter anderem über den Sachverhalt Pflege. Reicht es aus, was wir im Land Brandenburg in diesem Bereich tun? Und zwar geht es nicht nur darum, dass wir in der Pflege mehr Fachkräfte brauchen, sondern dass es ein soziales Problem des Zusam menhalts der Gesellschaft ist, wie ältere und jüngere Generati onen diese Gesellschaft miteinander gestalten.
Das ist ein Punkt, den wir uns genau angucken werden, und ich bin dem MASGF und der Ministerin sehr dankbar, dass sie die Ansätze dazu geliefert haben. Wir werden uns gemeinsam ver ständigen, wie wir als rot-rote Koalition diesen Weg weiter be schreiten können.
Meine Damen und Herren, wir werden auch vor der Diskussi on stehen: Was machen wir in Auswertung der Beteiligung an der Mobilitätsstrategie 2030? Was sind die Verkehrsachsen? Welche Verkehrsachsen müssen wir in der nächsten Zeit, gera de weil wir ein gemeinsames Land wollen, ausbauen und um setzen, und zwar nicht nur in dieser Legislaturperiode? Das sind Entscheidungen, die weit über diese Legislaturperiode hi nausreichen. Deswegen ist der Vorwurf, dass im Haushalt 2018 der politische Blick fehlt, schlicht und ergreifend falsch.
Was wir im sozialen Bereich, im Bereich der Infrastruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung jetzt entscheiden, reicht über diese Legislaturperiode hinaus. Insofern ist es üblich, meine Damen und Herren, dass man den jeweiligen politischen Kon terpart mit derartigen öffentlichen Diskussionen überzieht. Ich will nur sagen: Es wird damit nicht besser.
Damit bin ich wieder beim MIL und will noch einmal betonen: Offenheit und Ehrlichkeit gehören dazu, wenn man über die Wahrheit debattiert. Dazu gehört auch, deutlich zu machen: Nein, im Land Brandenburg ist noch nicht alles so, wie wir es haben wollen. Und weil noch nicht alles so ist, wie wir es ha ben wollen, haben wir politische Vorschläge. Diese politischen Vorschläge werden wir umsetzen und dann über die Ergebnisse diskutieren. Dabei werden wir nicht nur Stimmungen und Mei nungen, sondern auch Interessen und Entwicklungspotenziale von Menschen und Regionen aufnehmen und im weiteren Vor gehen berücksichtigen.
Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und wünsche mir, dass wir möglichst schnell zu Entscheidungen kommen, die im Interesse des Landes und seiner Bewohner liegen, und ich hof fe dabei auf eine angeregte Diskussion.
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Vogel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die positi ven Aspekte sind benannt worden. In der Haushaltspolitik der letzten Jahre sind erstaunliche Fortschritte zu verzeichnen: Haushaltsabschlüsse ohne Neuverschuldung seit 2011, Etatent würfe der Kernhaushalte ohne Nettokreditaufnahmen seit 2014, eine allgemeine Rücklage von rund 1,148 Milliarden Eu ro zum 31.12.2015, die zudem nicht im geplanten Umfang in Anspruch genommen werden wird.
Mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 kann die Brandenburger Finanzpolitik allerdings noch einen qualitativen Schritt nach vorn machen, der erstaunlicherweise vom Finanzminister nicht angesprochen wurde. Nach den vorliegenden Haushaltszahlen wird Brandenburg im Jahr 2018 erstmals seine gesamten lau fenden Ausgaben aus den laufenden Einnahmen decken kön nen, und zwar - das ist neu - ohne Rückgriff auf die Solidar paktmittel.
Das klingt alles gut. Dennoch hätte ein Lob für den Haushalt zum jetzigen Zeitpunkt ein großes Manko; denn der uns vorlie gende Haushaltsentwurf ist ein „Rumpfhaushalt“. Damit meine ich ausnahmsweise nicht das Ausblenden der in den Jahren 2017 und 2018 fällig werdenden Zahlungen aus dem Sonderver mögen BER an die FBB. Entscheidende finanzrelevante Be schlüsse, zum Beispiel zu den Altanschließern oder den Kitas, hat die Koalition erst nach Einbringung des Haushaltes gefasst; andere Vorhaben hat sie gar nicht erst in den Haushalt eingear
beitet - wie das Entschuldungsprogramm im Rahmen der Ver waltungsstrukturreform -, sodass eine korrekte Bewertung des Haushalts erst nach den Haushaltsberatungen erfolgen kann.
Unbestritten ist aber, dass die finanziellen Ausgangsvorausset zungen gut sind. Herr Senftleben hat die Steuermehreinnah men benannt. Die positive Entwicklung auf der Einnahmensei te führt aber leider nicht dazu, dass sich die Haushaltslage ins gesamt entspannt; denn unverändert liegen die Ausgaben pro Einwohner in Brandenburg immer noch erheblich über dem Durchschnitt finanzschwacher Bundesländer im Westen.
Mehreinnahmen führen scheinbar naturgesetzlich zu Mehraus gaben. Plante man 2011 noch mit einem Haushaltsvolumen von 10 Milliarden Euro für 2016, so plant die Landesregierung - das wurde auch schon benannt - für die nächsten Jahre ohne Berücksichtigung des Sondervermögens mit Ein- und Ausga ben von jeweils 11,4 Milliarden Euro pro Jahr, innerhalb von sechs Jahren eine Ausgabensteigerung von 1,4 Milliarden Euro - und das trotz eines stetig wachsenden Spielraums bei den Zinsen. Wir haben, Herr Gauland, seit Jahren historisch niedri ge Zinssätze, die bei nahezu unveränderter Staatsverschuldung zu sinkenden Zinsausgaben führen. So zahlt der Finanzminis ter 2017 rund 400 Millionen Euro weniger Zinsen als noch 2013. Und das ist nebenbei bemerkt ein positiver Effekt der von der AfD heftig kritisierten Niedrigzinspolitik der EZB.
Lassen Sie mich aber zunächst etwas zum Vermögen sagen. Die am Kreditmarkt aufgenommenen Schulden des Landes von derzeit 16,2 Milliarden Euro sind weithin bekannt. Hinzu kommen 1,5 Milliarden Euro für das Landeswohnungsbauver mögen, die 406 Millionen Euro für den BER und vermutlich die eine oder andere nicht bezifferbare, potenziell fällig wer dende Ausfallbürgschaft.
Aber auch wenn die Verschuldung des Landes weitgehend be zifferbar ist, ist nur begrenzt bekannt, welches Vermögen den Schulden gegenübersteht. Die Rückstellungen in Höhe von über einer Milliarde Euro sind jedenfalls kein Vermögen. Die Diskussion hatten wir ja bei den letzten Haushaltsberatungen. Hier liegt kein Geld auf der hohen Kante,
sondern es handelt sich um noch nicht in Anspruch genomme ne Kreditermächtigungen aus dem Vorjahr. Man könnte also auch von „Noch-nicht-Schulden“ sprechen.
Den BER als Vermögen zu bezeichnen würde ich trotz der bis her aufgewendeten Milliardenbeträge auch nicht wagen;
denn auch wenn der BER tatsächlich irgendwann einmal eröff net werden sollte, wird er seinen enormen Preis wohl niemals über Erträge wieder einspielen. Kosten und Erträge klaffen eklatant auseinander. Unterm Strich wird es immer ein Verlust geschäft für uns bleiben.
Viel wichtiger als der Wert des FBB-Anteils ist aber die Frage: Welchen Wert haben unsere Landesstraßen, Deichschutzanla gen und Immobilien? Das zu wissen mag vielleicht überflüssig
erscheinen, da der kameralistische Haushalt keine Bilanzen kennt, sondern nur monetäre Einnahmen und Ausgaben ver zeichnet. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Weil das Vermögen nicht bilanziert wird, wird auch der Werteverzehr nicht ordentlich dokumentiert. Kaufmännische Abschreibun gen gibt es nicht. Daher kann auch niemand genau sagen, ob 64 Millionen Euro für Bauinvestitionen des Landes 2018 viel oder wenig sind. Vermutet wird aber nicht nur von der Bau industrie, dass allerhöchstens zwei Drittel für den benötigten Sanierungsbedarf bei den Landesstraßen bereitgestellt werden und wir hier schon lange von der Substanz leben.