Protocol of the Session on September 28, 2016

Vielen Dank. - Das Wort erhält jetzt die Abgeordnete Theiss für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Eigentlich bin ich versucht, in Richtung BVB/FREIE WÄHLER Gruppe zu sagen: Und täglich grüßt das Murmel tier. Oder anders ausgedrückt: Selbst wenn alle anderen den Antrag schon einmal gestellt hatten - Sie haben es noch nicht.

(Frau Lieske [SPD]: Ja, das stimmt! - Weitere Zurufe von der SPD)

Zur Erinnerung: Einen inhaltlich nahezu identischen Antrag haben wir schon im Septemberplenum des letzten Jahres debat tiert. Liebe Abgeordnete der BVB/FREIE WÄHLER Gruppe, entweder hätten Sie damals, im September, schon zuhören oder einfach im Plenarprotokoll nachlesen sollen.

(Frau Lieske [SPD]: Richtig! - Beifall SPD)

Die Debatte zur Senkung des Personalschlüssels in Kitas haben wir alle schon mehrfach geführt. Und ja, auch wir als Koalition wollen die Kitaqualität in diesem Land verbessern. Und ja, auch wir würden uns manche Schritte schneller wünschen, als sie vielleicht gegangen werden können.

Eines unterscheidet uns aber von Ihnen: Anders als Sie müssen wir nicht nur benennen, was wir uns wünschen, sondern auch sagen, wie es finanziert werden kann.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht, danke.

(Frau Lieske [SPD]: Heute Abend, beim Kaffee!)

Heute fordern Sie eine Personalschlüsselverbesserung auf den Bundesdurchschnitt von 1:4 bzw. 1:9 noch in dieser Wahlperi ode. Dabei handelt es sich um strukturelle Mehrausgaben. Das heißt, wir müssen nicht nur wissen, wie wir die Stellen in die sem Jahr finanzieren, sondern auch, wie das in zwei, drei oder zehn Jahren noch gelingen kann.

Die Bertelsmann Stiftung und auch die Kita-Kampagne haben uns in der Tat ein dickes Hausaufgabenheft mitgegeben. Wir haben 1 842 Kitas im Land. In ihnen betreuen über 18 200 Erzieher rund 99 000 Kinder. Allein das sind schon riesige Zahlen. Wenn wir uns jetzt anschauen, was die Bertelsmann Stiftung an Qualitätsverbesserungen fordert, stellen wir fest, dass dies noch einmal 8 500 Erzieher sind. Das bedeutet 393,5 Millionen Euro zusätzlich - und das, wie gesagt, jedes Jahr.

Da Kita ein komplexes System ist, gibt es auf der anderen Seite die Forderung nach Beitragsfreiheit. Sie fordern, die Berech nung der Elternbeiträge so umzustellen, dass für alle Kinder der Altersgruppe von 0 bis 3 Jahren eine Pauschale von 50 Eu ro und für die Drei- bis Sechsjährigen eine Pauschale von 35 Euro zu zahlen ist. Sie fordern aber auch das beitragsfreie letz te Kitajahr ab 2018. Das bleibt auch weiterhin ein guter Ansatz.

Liebe Kollegen, all das ist völlig legitim und kann Ihnen als Opposition auch niemand übel nehmen. Aber Sie sind Opposi tion, und deshalb werden wir in Verantwortung für unser Land die Diskussion ein klein wenig ernsthafter führen müssen.

(Bischoff [SPD]: Ja!)

Wir müssen beispielsweise auch sagen, woher das Geld und woher die Erzieher, die wir dazu brauchen, kommen sollen. Einfach nur eine Schlüsselverbesserung zu beschließen ist wohlfeil, wobei man das entsprechende Personal zurzeit gar nicht auf dem Markt findet.

Wir ducken uns vor der Diskussion über mehr Qualität nicht weg. Im Gegenteil, wir stehen zur qualitativen Weiterentwick lung unserer Kitas, weil sie so außerordentlich wichtig für ei nen guten Start in die Schule sind. Da sollen unsere Kinder die besten Voraussetzungen bekommen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Auch ohne Ihren Antrag haben wir bereits gesagt: Das reicht uns noch nicht. - Wenn Sie heute Zeitung gelesen haben - liebe Kollegin, Sie sind ja darauf eingegangen -, werden Sie sicher lich festgestellt haben, dass wir, um unsere Kitas noch attrakti ver zu machen, nochmals 69 Millionen Euro in die Hand neh men, um Kiez-Kitas einzuführen, die Leitung in den Kitas zu stärken, Kommunen beim Bau neuer Einrichtungen zu unter stützen und nicht zuletzt eine Beitragsentlastung der Eltern

vorzunehmen. Wie gesagt, all das kostet noch einmal 69 Milli onen Euro zusätzlich zu den 370 Millionen Euro und 386 Mil lionen Euro, die bereits im Doppelhaushalt veranschlagt sind.

Liebe Kollegen von der Gruppe BVB/FREIE WÄHLER, wir sollten alle gemeinsam darum ringen, das Kitasystem weiter zu stärken. Dafür braucht es aber nicht Ihren Antrag, denn auch für ihn gilt: Und täglich grüßt das Murmeltier. - Danke schön.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie vereinzelt CDU)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Hoffmann. - Ach, Entschuldigung! Herr Hoffmann, setzen Sie sich bitte noch einmal. Der Abgeordnete Schulze hatte eine Kurzintervention „angepfiffen“ bzw. angezeigt. Das Pfeifen bitte ich zu unterlassen.

Liebe Frau Kollegin! Ihren Redebeitrag in allen Ehren.

(Bischoff [SPD]: Er war gut!)

Aber das, was Sie gesagt haben, war im äußersten Maße pein lich,

(Frau Lehmann [SPD]: Nein!)

denn wir haben in der September-Plenarsitzung des letzten Jahres einen Antrag mit fünf Punkten gestellt, in dem wir das aufgezeigt haben. Und von wem ist er abgelehnt worden? Von SPD und Linkspartei. Alles nicht bezahlbar, alles nicht mög lich! - Wir haben gar keine unbezahlbaren Dinge verlangt. Wir hatten einen Bericht verlangt, in dem aufgelistet wird: Was würde was kosten? All das ist abgelehnt worden.

Dann habe ich mir die Mühe gemacht und dem Abteilungslei ter von Minister Baaske geschrieben: Herr Baaske hat mir im Plenum versprochen - das kann man im Plenarprotokoll nach lesen -: Ein Knopfdruck, dann sind alle Zahlen da, was das al les kostet. - Ich habe den Abteilungsleiter also angeschrieben, aber der Brief blieb liegen, weil der Abteilungsleiter in den Ru hestand gegangen war und niemand sonst meinte, sich darum kümmern zu müssen. Daraufhin habe ich eine Erinnerung ge schrieben. Ich habe bis heute keine Antwort.

Meine Damen und Herren, das sind die Tatsachen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt - zu dem es Ihnen nicht passt - lehnen Sie es ab. Später holen Sie es dann sozusagen aus der Motten kiste, verkaufen es als Plagiat.

Wenn wir mit diesem Antrag nicht gewissen Druck gemacht hätten, wäre hier auch nichts passiert.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe sowie vereinzelt Lachen bei SPD und DIE LINKE)

Im Übrigen zu den 69 Millionen Euro, Frau Theiss, bezüglich derer Sie sagen, es müsse ja auch alles bezahlt werden: Dieser Landeshaushalt strotzt vor globalen Minderausgaben, und je der, der als Parlamentarier ein bisschen Ahnung vom Haushalt

hat, weiß: Globale Minderausgaben sind letztlich ungedeckte Schecks, die irgendwann eingelöst werden müssen. - Mit solch peinlichen und billigen Tricks kann ich das auch.

Wir haben seinerzeit im September klare Aussagen gefordert: Was kostet hier was? Was kostet ein beitragsfreies Kitajahr? Was kostet ein höherer Personalschlüssel in welchen Berei chen? Auf der Basis dieser Auskünfte hätte man substanziell darüber reden können. Sie stochern doch im Nebel und wissen gar nicht, was das kostet.

(Beifall BVB/FREIE WÄHLER Gruppe - Frau Mächtig [DIE LINKE]: Dann hast du nicht zugehört! - Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Theiss, möchten Sie darauf reagieren? - Das ist nicht der Fall. - Dann kann jetzt der Abgeordnete Gordon Hoffmann seinen Beitrag halten. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Berichterstattung in den Medien in den letzten Tagen ein wenig verfolgte, gewann man den Eindruck, dass sich Kitapolitik mehr und mehr zu einem Basar entwickelt hat, auf dem alle Parteien einander mit immer höheren Gebo ten übertrumpfen wollen. Wenn jetzt die Linke Beitragsfreiheit für alle verspricht, obwohl sie in der Regierung ist, dann ruft die SPD: Wir legen noch die Kiez-Kita obendrauf! - Ich sage ganz ehrlich: Ich bin überhaupt nicht gegen all das. Ich freue mich sogar, dass in den Bereich der Kitapolitik ein bisschen Bewegung kommt, aber die Nonchalance, mit der die Koalition hier Richtungsentscheidungen trifft und in der Diskussion mit Millionenbeträgen um sich wirft, ohne zu sagen, woher das Geld kommt, ohne zu wissen, wohin das Geld geht, verschlägt einem schon den Atem, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abgeordneten Heinrich [CDU])

Und weil sich die Koalition offensichtlich aufs Schachern ver legt hat, sehen sich jetzt die professionellen Wucherer in ihrem Geschäftsmodell bedroht.

(Unmut beim Abgeordneten Bischoff [SPD])

Anders kann man sich die reißerische Sprache in den vorlie genden Anträgen nicht erklären.

(Bischoff [SPD]: Das ist eigentlich nicht deine Klasse, oder? - Frau Lehmann [SPD]: Er war schon besser!)

- Mike Bischoff, hören Sie doch einfach mal zu. Ich versuche doch gerade zu erklären, dass die reißerische Sprache in den Anträgen der FREIEN WÄHLER, und der AfD dem Ernst der Sache nicht gerecht wird.

Wenn man zum Beispiel liest, dass in Frau Schülzkes Antrag überall Dinge wie „sofort“, „umgehend“, „bis Januar 2017“ stehen, dann ahnt man: Das wird ein heißer Herbst für die Re gierung. Es sind noch ganze 93 Tage, die man Zeit hätte, um die erste Forderung der FREIEN WÄHLER, zu erfüllen, und das auch nur, wenn man samstags, sonntags und auch noch

Heiligabend arbeitet. Dabei müsste man an jedem dieser Tage etwa 70 Erzieherinnen finden; man müsste für jeden einzelnen Tag irgendwie eine Million Euro im Haushalt finden, und dann kann es am 2. Januar in den Kitas mit dem neuen Personal schlüssel losgehen, den sich die FREIEN WÄHLER, vorstellen.

(Vereinzelt Beifall CDU und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich kann mir schon vorstellen: In den Familien wäre die Stimmung dann natürlich bombig; die würden sich freuen, denn weil es so einfach war, die 100 Milli onen Euro für den Personalschlüssel zu finden, kann man na türlich gleich noch ein paar Millionen für die Entlastung bei den Beiträgen drauflegen. - Da bleiben die FREIEN WÄH LER, eine Aussage schuldig, wie viel das am Ende wirklich kostet, aber das Geld scheint bei Frau Schülzke und ihrer Trup pe ja vorhanden zu sein.

Meine Damen und Herren, jetzt muss man sagen: Manchmal kann man ja auch zu viel des Guten wollen. Ich glaube, das ist leider das Fazit des vorliegenden Antrags. Ich sage deshalb „leider“, weil wir natürlich im Grundsatz auch der Ansicht sind, dass es in den Brandenburger Kitas nicht genügend Erzie herinnen und Erzieher gibt.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Wir wissen, dass der Personalschlüssel da noch verbessert wer den muss. Ich bin wie Sie der Meinung, dass er sich mindes tens am Bundesdurchschnitt orientieren müsste. Allerdings ist das ein ehrgeiziges Ziel, das man durchaus erreichen kann, aber natürlich nicht innerhalb von 90 Tagen. Da wird man sich wohl oder übel ein bisschen Zeit nehmen und das schrittweise umsetzen müssen. Ich wünschte mir auch, wir hätten das schon längst getan; da bin ich bei Ihnen. Trotzdem: Wenn man hier wirklich Ende September etwas beschließen will, was Anfang Januar Gesetzeskraft haben soll, zeugt das nicht von Ehrgeiz, sondern von fehlendem Ernst.