Zur Idee der Freiheit gehört nicht nur die persönliche Freiheit der Menschen. Nach meinem Verständnis von Freiheit in einer Demokratie gehört auch das Recht der Kommunen, über ihre Angelegenheiten selbst zu entscheiden, dazu.
Liebe Kollegen! Wir haben im Innenausschuss in der vergan genen Woche einen zweitägigen Sitzungsmarathon hinter uns gebracht: Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Vorsit zende der Kreistage und Personalräte, Chefs von Kommunalen Spitzenverbänden - sie alle haben mit Vehemenz für die Kreis freiheit und ihre Selbstständigkeit gekämpft. Sie haben ver sucht, sich gegen den Ausverkauf der kommunalen Autonomie zu wehren - wahrscheinlich leider vergeblich. Ich war ziemlich beeindruckt vom Engagement der Menschen. Ich war auch berührt vom Glauben der Menschen an die Demokratie und daran, dass ihre Mühen und ihre Arbeit noch etwas bewirken. Deshalb kann ich mich nur dafür schämen, welch perfide Show die Landesregierung und die Regierungskoalition hier gerade abziehen und wie sie die Menschen täuschen und irreführen.
Herr Woidke und Herr Schröter haben ihre Entscheidung doch längst im stillen Kämmerlein getroffen, ohne tatsächlich die er gebnisoffene demokratische Mitwirkung der Betroffenen zuzu lassen. Das haben Sie auf Kosten eines der höchsten Werte un serer Gesellschaft und auch der Sozialdemokratie getan: der Freiheit.
Die SPD- und die Linksfraktion fungieren nur noch als Mehr heitsbeschaffer, und die wenigen Abweichler werden einge kauft - wie Frau Dr. Münch.
Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Ich kann nur an Sie appellieren: Denken Sie daran, wie viele Menschen in den letzten 200 Jahren für die Freiheit auf die Straße gegan gen und sogar für sie gestorben sind. Denken Sie, liebe Genos sen von der SPD, daran, dass die Freiheit zu den drei Grund werten der Sozialdemokratie gehört. Setzen Sie ein Zeichen für die Freiheit und treten Sie den Freiheitswillen der Brandenbur ger, der Frankfurter und der Cottbusser nicht länger mit Füßen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, dass Sie die AfD in die Tradition von 1848 einordnen, ist eine Zumutung.
Das weise ich ausdrücklich zurück. Sie stehen hier nicht für Ideale wie Freiheit, sondern verkörpern das Gegenteil dessen, was 1848 dazu geführt hat, dass Deutsche auf die Straße ge gangen sind. - Vielen Dank.
Herr Christoffers, wir haben nur eine dreijährige Parteitradition. Ihre Parteitradition können sich auch die Sozialdemokra ten deutlich vor Augen führen: KPD und SPD haben sich sei nerzeit zur SED vereinigt. Also wenn hier irgendjemand über Demokratie zu schweigen hat, dann sind Sie es, Herr Christof fers.
(Beifall AfD - Unmut bei der Fraktion DIE LINKE - Christoffers [DIE LINKE]: Schon gut, Herr Königer, ist gut!)
Wir setzen die Aussprache fort. Es spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Petke, Sie haben hier erneut den Beweis für Ihre offensichtlich grenzenlo se Flexibilität und Skrupellosigkeit geliefert.
Glaubt man medialen Darstellungen, so hat sich die Bundes kanzlerin persönlich zur Verwaltungsreform in Brandenburg geäußert. Genauer gesagt forderte die Kanzlerin auf dem Lan
desparteitag der brandenburgischen CDU Bürgernähe ein. Es wäre interessant zu erfahren, wie Frau Merkel unter dieser Vor aussetzung die Gemeindegebietsreform von 2003 bewertet, die ja von einem CDU-Innenminister mit dem treuen Adlatus Petke an der Seite durchgezogen worden ist: mehr als 400 Zwangseingemeindungen, und zwar ohne zu fragen, ohne einen Dialog, ohne den Mut zur offenen Auseinandersetzung und Erörterung.
Deswegen zucke ich jedes Mal zusammen, wenn die CDU das Prinzip der Freiwilligkeit in Reinkultur für sich entdeckt hat. Dabei ist es doch so, dass wir im Land Brandenburg mit der langfristigen Vorbereitung und öffentlichen Diskussion eines Leitbildentwurfs für eine Verwaltungsstrukturreform gerade in Bezug auf Bürgernähe bundesweit völlig neue Maßstäbe ge setzt haben.
Was jetzt in der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zur parlamentarischen Diskussion steht, ist in den Grundzügen durch eine Enquetekommission des Landtages entwickelt wor den, die im Übrigen 2011 von der oppositionellen CDU vorge schlagen worden ist. Da Sie offensichtlich sehr schnell verges sen, Herr Petke, erinnere ich Sie daran, dass die CDU in ihrem Entwurf für einen Einsetzungsauftrag ausdrücklich auf den Handlungsdruck, der mit dem demografischen Wandel und der absehbaren dauerhaften Verschlechterung der öffentlichen Fi nanzausstattung entsteht, Bezug genommen hat. Wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken wollen, dass sich diese Bedingungen total verändert hätten, dann sagen Sie nicht die Wahrheit. Die Bedingungen sind nach wie vor gegeben.
Ich zitiere aus dem Entwurf des Einsetzungsauftrages, der un ter Federführung von Herrn Petke entstanden ist:
„Vor diesem Hintergrund müssen die bestehenden Struk turen und Aufgaben des Landes, der Landkreise und der Kommunen überprüft und an die sich grundlegend verän dernden Rahmenbedingungen angepasst werden. Es ist absehbar, dass die bisherige Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommune nicht zukunftsfähig ist und die Ver waltungsstrukturen in ihrer jetzigen Form keinen Bestand haben können.“
Das war eine klare Ansage, die die CDU gemeinsam mit FDP und Bündnisgrünen vor fünf Jahren gemacht hat. Ich erinnere Herrn Petke auch an seine damaligen Ausführungen im Zusam menhang mit der Debatte zum Einsetzungsauftrag für die En quetekommission am 23. März 2011. So sagte er:
„Auch ohne die demografische Entwicklung und ohne die veränderten finanziellen Grundlagen für den Haushalt in Brandenburg wären wir in den nächsten Jahren gefor dert gewesen, die Strukturen im Land zu verändern.“
„Die Veränderungsnotwendigkeit wird nicht mehr infrage gestellt, sondern die Beteiligten auf der kommunalen Ebene diskutieren untereinander, wie man gemeinsam Verantwortung für den jeweiligen Bereich und das Land Brandenburg insgesamt wahrnehmen kann.“
Mit der ihm eigenen prophetischen Gabe stellte Herr Petke schon in dieser Debatte vor fünf Jahren fest, dass sich Bran denburg verändern werde. Er kenne zwar die neuen Strukturen noch nicht, aber - jetzt wieder wörtlich:
„… wir sind uns sicher, dass das Land so, wie es heute verfasst ist, in den nächsten Jahren nicht mehr verfasst sein wird. Es wird Veränderungen geben. Dieser Landtag hat den Mut, die Herausforderung anzunehmen und ge meinsam mit den Menschen im Land Neues umzuset zen.“
Nun erzählen Sie mir nicht, dass wir eine neue Wahlperiode haben. Der Landtag ist nach wie vor in der Verantwortung. Wo ist Ihr reformerisches Feuer geblieben? Warum hat Sie der Mut, den Sie von anderen gefordert haben, so schnell verlassen?