Protocol of the Session on November 19, 2014

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich bitte nun den fraktionslosen Abgeordneten Herrn Schulze ans Rednerpult.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Minister und Ministerinnen! Ich darf Ihnen im Namen unserer Gruppe - auch wenn Sie das zu ignorieren gedenken - gratulieren. Sie sind gewählt und berufen worden, Sie tragen Verantwortung für dieses Land. Dafür wünschen wir Ihnen viel Kraft, Klugheit und Glück. Das werden Sie brauchen; denn das fällt niemandem in den Schoß.

Ich sage das deshalb so ausdrücklich, weil wir vielleicht in einigen Punkten unterschiedlicher Meinung sind. Sonst säßen wir ja nicht in unterschiedlichen Gruppierungen hier.

Aber ich will noch einmal daran erinnern, dass wir vermutlich in den allermeisten Punkten ein hohes Maß an Übereinstimmung in den Werten und Ansichten haben. Wir sollten uns manchmal der Dinge besinnen, die uns einen, und manchmal der Dinge, die uns trennen.

Diese Landesregierung ist nicht neu. Es gibt personelle Kontinuität, aber es gibt auch neue Gesichter. Wir halten das für eine gute Mischung und werden sehen, was das bringt. Wir wollen nicht so sehr - wie andere Kolleginnen und Kollegen - zurückschauen. Sicherlich, man muss manchmal zurückblicken, um Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Aber wir sollten nach vorn schauen.

Regierungserklärungen werden häufig überbewertet. Ich habe seit 1990 zahllose erlebt. Diese Regierungserklärung hebt sich nicht in besonders positiver oder negativer Art und Weise von anderen ab. Sie ist eine fleißige Auflistung dessen, was die Landesregierung vorhat, beschreibt die Probleme aus der Sicht

der Koalitionsfraktionen. Man könnte es ein Potpourri nennen, aber man soll ja nicht bösartig sein.

Eine Regierungserklärung hat eine große Themenbreite. Deswegen ist es sicherlich auch verständlich, dass die entsprechende Tiefe nicht erreicht werden kann. Allerdings hätten wir gern an dem einen oder anderen Punkt mehr als unkonkrete Ankündigungen gehabt. Aber man will sich noch nicht festlegen. Das versteht man zum einen. Zum anderen verwundert es, denn diese Regierung ist nicht neu. Sie haben fünf Jahre Regierungspolitik hinter sich und wissen, wo es hapert, wo man etwas besser machen kann.

Wir wollen nicht in das einstimmen, was es hier schon gegeben hat, was ich auch sehr bedauere: Polemik, Häme und auch Madigmachen. Das bringt uns nicht weiter. Wir können kritisch über alles diskutieren, aber man muss schon aufpassen, wo die Gürtellinien sind, die man nicht unterschreiten sollte. Da hat es heute doch einige Ausreißer gegeben.

(Beifall des Abgeordneten Vida [fraktionslos])

Was mich an der Regierungserklärung und am Koalitionsvertrag ein wenig stört, ist, dass Sie zu wenig Selbstkritik üben. Sie kündigen die Lösung von Problemen an, die Sie letztlich selbst zu verantworten haben. Ich finde es gut, wenn man Probleme als solche benennt und sagt: Wir wollen sie jetzt lösen. Aber ein wenig Selbstkritik hätte schon dazu gehört.

Im Grunde genommen finden wir es aber gut, dass die Regierung optimistisch ist. Denn was nützt einem Land eine Regierung, die nicht optimistisch wäre? Man soll den Abend nicht vor dem Morgen loben. Aber man soll am Morgen auch nicht miesepetrig aufstehen, immer nur das Schlechte sehen, sondern man muss optimistisch sein. Ich finde es gut, dass der Ministerpräsident das rübergebracht hat. Was ich nicht so gut fand, ist, dass bei dieser Regierungserklärung und der Aussprache dazu schon wieder das typische Lagerdenken zum Ausdruck kam, dass sich das alles sortiert und man nicht anzuerkennen bereit ist, dass andere - egal aus welchem Lager - auch gute Ideen haben.

(Beifall des Abgeordneten Vida [fraktionslos])

Wir als Freie Wähler sind entschlossen, den Ministerpräsidenten, die Minister und die Landesregierung bei der Bewältigung dieser Aufgaben zu unterstützen. Das heißt nicht, dass wir unkritisch und klaglos allem zustimmen werden. Wir werden uns damit auseinandersetzen und wollen dieser Regierung eine faire Chance geben, weil die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nun einmal diese Regierung haben, ob es uns nun passt oder nicht. Deswegen muss und soll die Regierung auch erfolgreich sein, wenn wir es wirklich ernst damit meinen, dass es um das Wohl und Wehe der Menschen geht.

Ich sehe, meine letzte Minute Redezeit läuft gerade. Das ist dramatisch, da wir nur fünf Minuten Redezeit haben. Das, was ich in der letzten Minute der Redezeit, die mir bleibt, kritisch anmerken möchte, ist, dass im Koalitionsvertrag leider zu wenig zu den großen Aufregerthemen gesagt wird. Meiner Ansicht nach wäre da mehr drin gewesen. Die Regierung ist unter ihren Möglichkeiten geblieben, auch der Ministerpräsident: BER, Abwasserpolitik, Windkraft, Polizei, medizinische Versorgung - alles nur kurz angerissen. Da hätte mehr kommen

können und müssen. Insbesondere fiel kein Wort zur Bürgerbeteiligung.

Meine Damen und Herren, ich habe mir die Zahlen noch einmal herausgesucht. Wenn wir nicht einmal 48 % Wahlbeteiligung haben, wenn wir 143 000 Stimmenverluste bei der SPD haben - minus 31 % -, wenn wir 193 000 Stimmenverluste bei der Linkspartei haben - minus 51 % -, dann muss man sich die Frage stellen, woran das liegt. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, die Bürgerinnen und Bürger besser mitzunehmen. Aber dazu muss man auch etwas zur Bürgerbeteiligung sagen. Das hat es hier leider nicht gegeben, was ich ausdrücklich bedauere.

Lassen Sie uns diese vielleicht nicht ganz gelungene erste Aussprache zu einem großen Projekt „Fünf Jahre Landtag Brandenburg“ dazu nutzen, es bei den nächsten Aussprachen besser zu machen. Ich jedenfalls würde mich freuen. Von uns wird die ausgestreckte Hand in alle Richtungen gereicht. Wir wollen nicht überheblich sein, sondern gemeinsam mit allen anderen wirken. Ich hoffe, dass das bei den anderen auch so ist, und freue mich deshalb auf die fünf Jahre, auf eine gute Zusammenarbeit.

Frau Präsidentin, lassen Sie bitte Folgendes noch zu, auch wenn ich die Redezeit schon überschritten habe. Ich möchte eines kritisch sagen:

Ich war vorhin bei den Worten von Herrn Ness, was Herrn Senftleben betraf, außerordentlich unangenehm berührt. Ich glaube, ich war nicht der Einzige. Die Vertraulichkeit des Wortes muss bleiben. Wenn ich jetzt hier von den Gesprächen, die ich in den vergangenen Wochen und Monaten mit hochrangigen Vertretern aus den Koalitionsfraktionen hatte, erzählen würde, wäre das sicherlich auch nicht lustig. Aber das gehört sich einfach nicht. Ich hoffe, das war heute ein einmaliger Ausrutscher und es bleibt dabei.

(Beifall des Abgeordneten Vida [fraktionslos], bei CDU, AfD und B90/GRÜNE)

Als nächsten fraktionslosen Abgeordneten bitte ich Herrn Vida an das Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Gäste! Es ist völlig richtig, der Landesregierung alles Gute zu wünschen, denn jenseits der Diskussionen zwischen Koalition und Opposition gibt es auch die staatsorganisatorische Betrachtung, dass es unser aller Regierung ist, die hoffentlich gut für die Menschen arbeiten wird. Hierfür wünschen wir gutes Gelingen.

Doch bei all dem guten Gelingen, das wir wünschen, gehört zu den Bemühungen und der Diskussion auch, dass es Aufgabe der Opposition - und somit auch der BVB/FREIE WÄHLER ist, Kritik zu formulieren und Alternativvorschläge zu unterbreiten. Da finde ich es erschütternd, wie lax hier über die Kreisgebietsreform hinweggegangen wird. Verklausuliert ist in der Regierungserklärung etwas dargestellt, was bereits in Sack

und Tüten ist: die Zusammenlegung von Großkreisen, die jegliche örtliche Identifikation „verunmöglichen“ wird.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos])

Anmaßend ist die Aussage, dass die kommunale Selbstverwaltung von Ihnen, Herr Ministerpräsident, nicht infrage gestellt werde. Das, was so staatsmännisch beklatscht wurde, ist eine Selbstverständlichkeit.

Kein Ministerpräsident könnte auch nur ansatzweise die kommunale Selbstverwaltung infrage stellen, denn diese ist im Grundgesetz verankert. Diese Ankündigung ist kein Entgegenkommen.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos] und der CDU)

Ein Entgegenkommen wäre es, eine fachliche Begründung dafür zu liefern, warum man das tut.

Es wird viel von Kosteneinsparung und Kosten geredet. Sie haben den sozialdemokratischen Unternehmer Philip Rosenthal zitiert, ein wahrhaftiger Held der Geschichte, der aber - außer dem vom Ministerpräsidenten Zitierten - auch Folgendes sagte, als er aus seiner Emigration aus Gibraltar zurückkehrte:

„Wer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“

Die Kreativität ist die kommunale Vielfalt und Eigenverantwortung bei all den engagierten Verwaltungsangestellten und Hauptverwaltungsbeamten. Sie selbst sagen es in Ihrem Interview in der „Märkischen Oderzeitung“ vom 14.11.:

„Wenn man sich die letzten Reformen ansieht, wird deutlich, dass man mit ihnen auf mittlere Sicht... kein Geld spart.“

Eine bemerkenswerte Erkenntnis. Sodann heißt es weiter im Interview, dass Personalkosten gesenkt werden könnten. Das ist schlichtweg unwahr. Personalschlüssel bei den Kreisverwaltungen in anderen Bundesländern zeigen: Je größer die Kreisgrößen, desto höher die Mitarbeiteranzahl je tausend Einwohner. Nein, hier geht es lediglich um einen Kahlschlag zulasten der Menschen, der auf den Widerstand von BVB/FREIE WÄHLER und der bei uns organisierten Bürgerinitiativen stoßen wird.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos])

Mangelhaft ist auch der Koalitionsvertrag im Bereich der Kommunalabgaben. Wie kann es sein, dass die Altanschließerbeiträge das gesamte Land erzürnen und sich die Koalition hierzu ausschweigt? Durch Verjährungsverlängerung, für die viele, die vor mir, aber auch hinter mir sitzen, verantwortlich sind, wurde die Sache angeheizt, und dann wurden die Kommunen alleingelassen. Das ist unverantwortlich. Deswegen werden die Bürger die Verantwortung selber übernehmen.

Wenn es am 14. Dezember in meiner Heimatstadt - und Ihrer, Frau Präsidentin, nämlich Bernau - heißen wird, dass die Bürger an die Wahlurnen schreiten, um in einem Bürgerentscheid für die Abschaffung dieser Beiträge im dortigen Verbandsgebiet zu stimmen, werden Sie sehen, was die Menschen darüber

denken. Das wird ebenso Schule machen, wie ein anderer Bürgerentscheid bereits Schule gemacht hat: für Mitbestimmung im Bereich Straßenausbau und gegen den Anschluss- und Benutzungszwang.

Von der Landespolitik alleingelassen hat sich eine Unkultur der maßlosen Kommunalbeiträge breitgemacht. Hier gilt es, die Lebensleistung der Menschen anzuerkennen - kommunale Maßnahmen nach Augenmaß entsprechend der Leistungsfähigkeit der Bürger. Daher braucht es tiefgreifende Änderungen im Kommunalabgabengesetz - Anliegerstraßenausbau nur nach Zustimmung der Beitragspflichtigen, Lockerung des Anschluss- und Benutzungszwanges und eine klare kommunale Kostenkontrolle.

Zugleich sagen wir als BVB/FREIE WÄHLER Ja zur Ankündigung des Ministerpräsidenten, wonach gleiche Bildungschancen das Fundament für die Zukunftsfähigkeit des Landes sind. Diese Aussage ist völlig richtig. Alle Maßnahmen, die in diese Richtung gehen, werden wir unterstützen.

Wir sagen aber auch Nein zu Ihrer Interpretation im Bereich der Windenergie, denn die Akzeptanz hängt nicht nur von der Bezahlbarkeit ab, sondern auch vom Erhalt gewachsener Kulturlandschaften.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos] sowie vereinzelt CDU)

Daher braucht es einen klaren Abstand zu Wohnbebauungen, denn Brandenburg ist nicht nur dort, wo es gilt, Stärken zu stärken, sondern auch in den kleinen Dörfern im ländlichen Raum, wo es gilt, Lebensfreude zu erhalten und die Menschen zu schützen. Daher treten wir als BVB/FREIE WÄHLER für klare Abstände und gegen Umweltfrevel aus ideologischen Gründen ein.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos])

Sodann haben wir auch einiges zur Breitbandversorgung gehört. Da hieß es vor einigen Jahren noch „Garantieversorgung für alle überall“. Dann hieß es: „Wir versuchen, es bald zu realisieren.“ Heute haben wir nur noch ein „Wir bemühen uns.“ gehört - eine recht schwache Ankündigung. Da wir uns alle bemühen sollen und wollen - und auch meine knappe Redezeit dem Ende entgegengeht -, so hoffe ich denn, dass diese verklausulierte Botschaft bezüglich der Breitbandversorgung, Herr Ministerpräsident, aber auch meine offenen Worte auf der langsamen Datenautobahn auch bis an Neiße und Elbe dringen werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [fraktionslos] sowie vereinzelt CDU)

Ich bitte die nächste fraktionslose Abgeordnete nach vorn. Frau Schülzke erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Gäste! Starke Kommunen sind die Basis unseres Zusammenlebens. Das ist in der