Protocol of the Session on June 8, 2016

Die größte Hürde für die Begegnung sind Sprachprobleme. Mehr polnische Bürgerinnen und Bürger lernen Deutsch, als Deutsche sich dem nicht ganz einfachen Erwerb der polnischen Sprache stellen. Der angebotene Polnischunterricht wird an Schulen nicht so nachgefragt wie erhofft, denn wenn die Schü lerinnen und Schüler an weiterführende Schulen bzw. zum Stu dium gehen, wird diese Sprache häufig nicht angeboten. Das ist schade, denn Sprache ist der Schlüssel zu intensivem Aus tausch und eigenständiger Unternehmung.

Für uns in Brandenburg muss es auch in Zukunft Priorität ha ben, das Verhältnis und die Beziehung zu Polen auf allen Ebe nen auszubauen. Neben den politischen und parlamentarischen Begegnungen bleibt aus meiner Sicht der Austausch von Bür gerinnen und Bürgern aller Altersgruppen die größte Heraus forderung. Das ist aber auch die nachhaltigste Maßnahme, denn Menschen müssen die Verbindungswege ausbauen. Mit unserem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke als Beauftrag tem der Bundesregierung für Polen wird der Bedeutung Bran denburgs Rechnung getragen. Wir müssen die Chancen und entsprechenden Partner und Strukturen in den nächsten Jahren stärker für einen Schulterschluss mit Polen nutzen - für ein weiterhin tolerantes und friedliches Europa. - Danke.

(Beifall SPD, DIE LINKE sowie der Abgeordneten Non nemacher [B90/GRÜNE])

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Richstein; bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder von uns weiß: Wie wohl man sich in seinem Zu hause fühlt, hängt auch davon ab, wie gut man sich mit seinen unmittelbaren Nachbarn versteht.

(Beifall CDU, SPD, DIE LINKE sowie B90/GRÜNE)

Letzte Woche hat ganz Deutschland darüber diskutiert, wen man gern in seiner Nachbarschaft wohnen hätte und wen nicht. Ich würde - ich nehme an, Ursula Nonnemacher auch -, wir würden uns sehr freuen, wenn Jerome Boateng sich eines Ta ges dafür entscheiden würde, in das schöne Falkensee zu zie hen, um sich in unserer Nachbarschaft niederzulassen. Aber da sein Vertrag mit Bayern noch bis 2021 läuft, widme ich mich in meiner Rede denjenigen, mit denen wir in Brandenburg bereits seit Jahren gute Nachbarschaft pflegen: den Polen.

(Beifall CDU, SPD, B90/GRÜNE)

Ich freue mich, dass wir nächste Woche, am 17. Juni, das 25-jährige Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschafts vertrages feiern und ihn seit einem Vierteljahrhundert mit Le ben füllen. Von daher begrüßen wir die Grundintention des An trags der Regierungsfraktionen.

Mit Polen verbindet uns mehr als nur eine gemeinsame Gren ze: eine zugegebenermaßen nicht immer positive Vergangen heit, eine vielschichtige und umtriebige Gegenwart und hof fentlich eine prosperierende und friedvolle Zukunft. So sehen es auch die Brandenburgerinnen und Brandenburger. Laut des jüngsten Brandenburg-Trends ist für neun von zehn Branden burgern ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Deutsch land und Polen wichtig oder sogar sehr wichtig.

Dieses freundschaftliche Verhältnis wird nicht von der Politik, sondern maßgebend von den Menschen dies- und jenseits der Oder geprägt.

Meine Damen und Herren! In Artikel 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages von 1991 heißt es:

„Die Vertragsparteien werden ihre Beziehungen im Geiste guter Nachbarschaft und Freundschaft gestalten. Sie streben eine enge friedliche und partnerschaftliche Zu sammenarbeit auf allen Gebieten an.“

Dass wir dieses damals formulierte Ziel in den fünfundzwanzig Jahren mit Leben gefüllt haben, ist nahezu in allen Gesell schaftsbereichen sichtbar. Brandenburg pflegt nicht nur enge Wirtschaftsbeziehungen mit unserem polnischen Nachbarn, auch der grenzüberschreitende Tourismus, die Zusammenar beit mit der polnischen Polizei, Kooperation in Wissenschaft und Landwirtschaft sowie grenzüberschreitende Kulturpro jekte haben seit Jahren, nämlich seit der Unterzeichnung des Vertrages, zunehmend an Fahrt aufgenommen. Von dieser en gen Partnerschaft profitieren beide Seiten, die polnische und die brandenburgische.

Meine Damen und Herren, aber es gibt noch Luft nach oben, Potenziale, die wir noch nicht ausgeschöpft haben, beispiels weise im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs. Hier hätten Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrem Amt als Koordina tor für die deutsch-polnische grenznahe und zwischengesell schaftliche Zusammenarbeit tätig werden müssen. Sie haben es in Ihrer Amtszeit als Koordinator für die deutsch-polnische Zu sammenarbeit zugelassen, dass die Bahnverbindungen nach Polen deutlich schlechter geworden sind.

Es ist schön, dass Sie den Kulturzug nach Breslau ansprechen, Frau Hackenschmidt. Aber wenn das Kulturjahr zu Ende ist, fällt auch diese Bahnverbindung - die ja schon eingestellt war - wieder weg.

Kurzum, Herr Ministerpräsident: Sie haben Ihr Amt bisher zu wenig dafür genutzt, die Interessen und Anliegen der Grenzregion weiter voranzubringen. Das aber wäre Ihre Aufgabe.

(Beifall CDU und AfD)

Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen sprechen sich in ihrem Antrag dafür aus, die Zusammenarbeit mit Po len - ich zitiere - „weiterhin zu fördern, engagiert fortzuführen, weiter zu verstetigen, zu intensivieren und zu vertiefen.“ All das sind lobenswerte Absichten, aber es bleibt bei diesen lo benswerten Absichten in diesem Antrag. Auf das Wie geht der Antrag nämlich mit keiner Silbe ein.

Ich hätte mir an dieser Stelle mehr Unterfütterung des Antrags mit konkreten Maßnahmen und Vorschlägen zur Intensivierung der Nachbarschaftsbeziehungen gewünscht und auch konkrete Angaben, wie dies finanziert werden soll. Ohne diese Unterfüt terung ist der Antrag leider nicht mehr als eine symbolische Geste, und das wird den engen Beziehungen zu Polen nicht ge recht. Jeder weiß, dass einem netten Gruß noch keine echte Freundschaft entwächst. Genau das versucht der Antrag aber zu vermitteln. Es braucht mehr als schöne Worte, um die Freundschaft und Partnerschaft mit Polen weiter auszubauen.

Mit der Aufforderung an SPD und Linke, den Bekenntnissen dieses Antrags auch Handeln folgen zu lassen, wird meine Fraktion dem Antrag dennoch zustimmen, denn den Wunsch nach einer intensiveren Zusammenarbeit mit unseren pol nischen Nachbarn teilen wir voll und ganz.

Meine Damen und Herren! Neben den konkreten Maßnahmen vorschlägen vermisse ich einen weiteren wichtigen Punkt in diesem Antrag: Neben der Würdigung der guten Zusammenar beit mit unseren polnischen Nachbarn sowie dem Bekenntnis, diese Zusammenarbeit zukünftig noch weiter auszubauen, dür fen wir die aktuellen Entwicklungen in Polen nicht ausblenden.

(Beifall CDU und B90/GRÜNE)

Gute Nachbarn können einander auch einmal ein ernstes Wort sagen.

Erst letzte Woche rügte die Europäische Kommission die um strittene Verfassungsreform, die die in Polen regierende kon servative PiS-Partei im Dezember mit ihrer Parlamentsmehr heit beschlossen hat. Auch die Änderung des Medienrechts in Polen, wodurch die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender di rekt von der Regierung ernannt und abberufen werden können, kritisiert die Europäische Union.

Im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 wird darauf hingewiesen, dass die Freundschaft beider Länder auf den gemeinsamen Werten von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fußt.

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss!

Vor dem Hintergrund der gerade angesprochenen Entwicklung in Polen wird deutlich, dass das Bekenntnis zu Menschenrech ten, Demokratie und insbesondere Rechtsstaatlichkeit wieder stärker in den Fokus gerückt werden muss, und dafür muss Brandenburg auf allen Ebenen werben. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Büchel. Bitte schön.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt viele Brücken zwischen Polen und Brandenburg, die beide Länder und ihre Bewohnerinnen und Bewohner verbinden und ermög lichen, einander zu besuchen, zu begegnen - als Schüler, als Erwerbstätiger, als Tourist oder als Freund, Bekannter - eben als Nachbar. Es ist für uns inzwischen eine Selbstverständlich keit, diese Brücken zu nutzen, Brücken zwischen zwei Natio nen, die eine Region verbinden, Brücken zwischen Freunden.

Begegnung ohne Grenzen - Spotkania bez granic! „Bez granic“ ist inzwischen auch ein Symbol dafür geworden, wie man Grenzen mit und ohne Brücken überwinden kann. Im wunder schönen Oderbruch - in Güstebieser Loose - gibt es die kleine Fähre „Bez granic“. Erst am Wochenende war zu erleben, wie zahlreiche Gäste und Bewohner beiderseits der Oder die Fähre nutzten, um die Oder zu überqueren und die andere Seite und ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu erleben, sie kennenzu lernen.

Die Möglichkeiten, beide Länder bez granic zu erreichen, zu erleben und gemeinsam zu gestalten sind in den letzten 25 Jah ren enorm gewachsen und weisen eine Vielfalt auf, von der beide Teile der Region profitieren.

Der 25-jährige Nachbarschaftsvertrag zwischen der Bundesre publik und der Republik Polen lebt durch die beidseitige poli tische Verantwortung einerseits und viele gemeinsame Projekte andererseits. Durch den Antrag, den wir gerade diskutieren, wird auch deutlich, in welchem Umfang die Zusammenarbeit zwischen Brandenburg und Polen in den letzten 25 Jahren ge wachsen ist.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Ja, ganz klar: Auch nach 25 Jahren ist natürlich noch nicht alles abgeschlossen. Aber - und das macht der Antrag auch deut

lich - gemeinsam wollen wir hier ansetzen, die gute Zusam menarbeit weiterentwickeln und ausbauen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Natürlich beobachten auch wir die aktuellen politischen Ereig nisse in Polen kritisch. Aber eines ist bei den Vorreden auch deutlich geworden: Der Vertrag, sein Inhalt und der Gedanke des Zusammenlebens leben mit und von den Menschen und ih ren Erfahrungen, und diese sind ungebrochen positiv.

Auf alles kann ich in fünf Minuten nicht eingehen. Aber frei nach Schopenhauer - „Jugend ist nicht alles, aber ohne die Ju gend ist alles nichts.“ - möchte ich betonen, dass die Jugend lichen beider Nationen ein wichtiger Anker für eine nachhal tige, breite und gute Nachbarschaft ohne Grenzen sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, CDU, B90/GRÜNE und AfD)

Auf der Grundlage - Frau Kollegin Hackenschmidt ist darauf eingegangen - des 25-jährigen Nachbarschaftsvertrages stehen Deutschland und Polen im ständigen Dialog. Seit 25 Jahren ist das Deutsch-Polnische Jugendwerk ein wichtiger und verläss licher Partner für diesen Dialog. Es feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen unter dem Motto „Seit 25 Jahren verän dern wir Perspektiven“. Seit der Gründung hat das Jugendwerk mehr als 70 000 Begegnungen und über 2,7 Millionen Teilneh mer gefördert. Es ist sehr zu begrüßen und zu unterstützen, dass unsere rot-rote Landesregierung dies jetzt durch eine Bun desratsinitiative aufgreift und sich für eine verbesserte Finanz ausstattung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks einsetzt.

(Beifall DIE LINKE und SPD sowie des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Mit dem vorliegenden Antrag verdeutlichen wir auch, dass wir die Zusammenarbeit verstetigen wollen, uns für den Ausbau von Projekten des deutschen-polnischen Jugendaustausches einsetzen und auch das Förderprogramm zum Besuch von Ge denkstätten verstetigen wollen.

Die Formen des grenzüberschreitenden oder aber gerade „grenzauflösenden“ Dialogs sind vielfältig. Schloss Trebnitz ist bei spielhaft genannt worden. Hier ist unter anderem eine deutschpolnische Jugendagora angesiedelt, wo deutsche und polnische Jugendgruppe sich zu aktuellen politischen Themen, die die Jugend interessieren, austauschen, Lösungsansätze suchen und sie gemeinsam mit der Politik, mit politischen Verantwort lichen von beiden Seiten der Oder diskutieren. Grundlage für einen Dialog, ein Miteinander und gegenseitiges Verstehen ist die Sprache, und darum ist uns das, was schon deutlich gewor den ist, auch besonders wichtig: dass wir den Ausbau der pol nischen Sprache an unseren Schulen befördern wollen, damit so viele Kinder und Jugendliche wie möglich die Chance ha ben, Polnisch zu lernen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Mit der Jugend haben wir die Chance, dass die deutsch-pol nische Partnerschaft nachhaltig und lange gelebt wird.

Dass wir uns als Parlament nicht nur heute anlässlich dieses Antrags mit diesem Thema beschäftigen, macht auch der An

trag der Koalition im letzten Europaausschuss deutlich: Wir werden den polnischen Botschafter zu einem Gespräch einla den, um mit ihm gemeinsam über diese Kooperation sowie über zukünftige Projekte zu beraten. Damit wird deutlich: Die heutige Debatte ist nicht der Anfang, sondern die beiden Natio nen befinden sich inmitten eines Dialogs unter Freunden, den wir weiter pflegen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. van Raemdonck.