Protocol of the Session on January 20, 2016

(Beifall AfD - Domres [DIE LINKE]: Ich glaube nicht, dass der gesund ist!)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolle ginnen und Kollegen! Herr Königer, ich danke Ihnen für diese eindrucksvolle Demonstration, dass Sie als Gleichstellungspo litischer Sprecher Ihrer Fraktion ein Totalausfall sind.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE, SPD und CDU)

Das liegt nicht so sehr an der Tatsache, dass Sie ein Mann sind. Andreas Büttner von der FDP hat hier in der vergangenen Wahlperiode wirklich einen guten Job gemacht. Nein, es liegt daran, dass das Programm der AfD und Gleichstellungspolitik einfach zwei Größen sind, die sich diametral entgegenstehen und miteinander nicht vereinbar sind.

(Königer [AfD]: Danke, dass Sie das festgestellt haben, Frau Nonnemacher!)

Ich möchte jetzt zum Antrag der Koalition kommen und sagen: Liebe „Koas“, ganz im Ernst: Wenn der Gradmesser erfolg reicher Frauenpolitik im Land Brandenburg die hohe weibliche Erwerbstätigenquote sein soll, wie der erste Satz des vorlie genden Antrags suggeriert, dann gibt es für die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms inhaltlich noch einiges zu tun.

(Frau Lehmann [SPD]: Wir gehen darauf ein!)

Natürlich ist eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen gut. Aber warum gilt trotzdem die alte Regel unverändert: Je hö her die Position, desto geringer der Frauenanteil? Warum er halten die vielen berufstätigen Frauen immer noch weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit? Wo bildet die Er werbsquote ab, dass Frauen trotz Job immer noch den Groß teil der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit übernehmen? Wie soll der Gradmesser der weiblichen Erwerbsbeteiligung messen, dass Gewalt für viele Frauen traurige Realität ist, viel mehr als für Männer? Warum ist Armut weiblich, und warum sind hiervon vor allem alleinerziehende und ältere Frauen betroffen, wenn ihre Erwerbsquote doch schon so hoch ist?

Es ist ganz klar: Frauenpolitik ist hochaktuell. Auch bekräftige ich die in dem Antrag enthaltene Aussage, dass wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen dürfen. Viel zu oft müssen sich Frauen und Mädchen auf der Straße, aber auch hier im Landtag Anspielungen und Äußerungen zum vermeintlichen „GenderWahn“ anhören. Solche Bemerkungen sind nicht nur abwer tend und inhaltsleer. Noch schlimmer ist, dass sie von der Dis kussion über die Frage, wie wir eine geschlechtergerechte Ge sellschaft gestalten können, ablenken.

Die sexualisierten und gewalttätigen Übergriffe auf Frauen in Köln und anderen Städten sind unerträglich und ein deutliches Zeichen dafür, dass es nicht die Zeit zum Ausruhen auf dem Erreichten ist.

Wir fordern, dass die Bundesregierung endlich die Schutzlü cken bei Straftaten gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestim mung schließt. Die meisten Übergriffe auf Frauen finden in ih rem engeren sozialen Umfeld statt. Deshalb brauchen wir hier im Land ausreichend Anlaufstellen und Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Frauen. Es ist gut, dass der Antrag dies ex plizit beinhaltet.

Für eine gerechte Verteilung von Zeit, Macht und Geld brau chen wir natürlich unsere Männer. Wir brauchen sie nicht nur in Sonntagsreden, sondern wir brauchen sie jeden Tag.

Wir brauchen geschlechtersensible Bildungsarbeit und Berufs beratungsangebote. Wie nötig das ist, zeigte sich im vergange nen Jahr, als sich die Hälfte der Mädchen und ein Drittel der Jungen auf nur jeweils zehn Ausbildungsberufe bewarben. Von vielfältigen Lebens- und Arbeitsmodellen sind diese jungen Menschen noch weit entfernt. Dabei würden davon gerade die Frauen profitieren, weil sie dann größere wirtschaftliche Unab hängigkeit erhielten und in der Folge gemeinsam mit ihrem Partner die Familienarbeit gerechter aufteilen könnten. Zusätz lich profitierten die Betriebe, die viele Ausbildungsplätze - si cherlich auch aufgrund des geschlechterstereotypen Bewer bungsverhaltens der Jugendlichen - noch nicht besetzen konn ten.

Wirklich hocherfreut sind wir darüber, dass in Ihrem Antrag endlich wieder die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten auftauchen. Im Berichtszeitraum 2008 bis 2013 kamen sie über haupt nicht mehr vor; das haben wir damals stark kritisiert. Sie sind doch gerade die Agentinnen des geschlechterpolitischen Wandels vor Ort und müssen dafür starkgemacht werden.

Wir sind froh, dass die Koalitionsfraktionen mit diesem Antrag das wichtige Thema Gleichstellung weiterentwickeln wollen, gehen aber natürlich nicht davon aus, dass sie die hohe weib liche Erwerbsquote als einzigen Maßstab für den Erfolg ihrer Gleichstellungspolitik hernehmen wollen. Wie wäre es zusätz lich mit einer Teilzeitquote für Männer oder einer Quote für Frauen in der Kommunalpolitik?

Trotz kleiner Schwächen stimmen wir selbstverständlich fro hen Herzens diesem wichtigen Anliegen zu.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Golze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Brandenburg braucht sich in der Tat nicht zu verste cken, wenn es darum geht, über gleichstellungspolitische Maß nahmen und Programme zu sprechen und darüber, was in un serem Bundesland für die Gleichstellung der Geschlechter ge tan wird. Dazu hat natürlich auch das Gleichstellungspolitische

Rahmenprogramm von 2011 - beschlossen am 8. März, dem Internationalen Frauentag - beigetragen. Man hat sich damals angeschaut, welche geschlechtsspezifischen Benachteiligungen es gibt. Auch wenn es eine Fraktion in diesem Hause nicht glauben mag: Es gibt Benachteiligungen, von denen insbeson dere Frauen betroffen sind.

Man hat aus der Frage, wo es diese geschlechtsspezifischen Benachteiligungen gibt, Ziele abgeleitet, wie man sie abbauen kann. Daraus sind 52 Handlungsschwerpunkte mit 75 Einzel maßnahmen entwickelt worden.

Das Programm wurde im Zeitraum 2011 bis 2014 umgesetzt. Insgesamt 91 Projekte aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Sport, Partizipation, Rollenbilder und Mädchenarbeit sind mit einem Gesamtvolumen von über 900 000 Euro gefördert worden, und das durchaus mit einigem Erfolg.

Nun lässt sich nicht alles auf dieses Rahmenprogramm zurück führen. Aber ich möchte doch ein paar Zahlen nennen, um zu verdeutlichen, in welchen Bereichen Brandenburg schon ganz gut dasteht.

In Unternehmen besetzen Frauen 48 % der Plätze in der zwei ten Führungsebene. Das ist ganz gut. Aber daraus lässt sich eben auch einiges ableiten. Frau Nonnemacher hat schon über die ungleiche Bezahlung trotz gleicher Arbeit gesprochen.

Brandenburg erzielt einen 47%igen Frauenanteil bei den abge legten Habilitationen. Das ist ein absoluter Spitzenwert in der Bundesrepublik.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Auch im parlamentarischen Bereich zeigt sich Brandenburg durchaus fraulich: 35 Frauen nehmen ein Landtagsmandat wahr. Das ist ein Anteil von immerhin 39,7 %.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Die AfD reißt den Schnitt herunter!)

- Ja. Einer Fraktion, die mir erklärt, dass ich nicht zwangsläu fig an den Herd gehöre, würde ich auch nicht angehören wol len.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE, B90/GRÜNE und BVB/FREIE WÄHLER Gruppe)

Doch auch jenseits dieser Statistiken ist vieles auf den Weg ge bracht worden. Der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder wurde als eigenständiger Teil des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms fortge schrieben. Im Rahmen seiner Umsetzung ist es gelungen, das Netz an Frauenschutzeinrichtungen zu sichern und zu stärken. Die Zahlen sind hier schon genannt worden. Wie notwendig das alles ist - leider werden auch in Brandenburg immer noch Frauen Opfer von Gewalt -, sollte allgemein bekannt sein. Die se Frauen brauchen Schutzeinrichtungen. Heute sind es landes weit 21 mit insgesamt 279 Plätzen, um Opfern häuslicher Ge walt eine Zuflucht bieten zu können.

Des Weiteren konnte die vertrauliche Spurensicherung nach se xueller Gewalt als neues Element, als neuer Baustein im Netz dieses Hilfesystems verankert werden. Frauen können nun im

Land Brandenburg nach einer Vergewaltigung im Zuge der me dizinischen Behandlung Spuren des Übergriffs sichern lassen. Auch wenn sie sich eventuell erst viele Wochen, Monate oder manchmal auch Jahre später entscheiden, Anzeige zu erstatten, können diese Daten noch entsprechend verwertet und verwen det werden. Damit wird für die betroffenen Frauen ein wich tiger Beitrag zur Verbesserung des Opferschutzes geleistet.

Doch diese Bilanz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch immer viel zu tun gibt; insoweit gebe ich meinen Vorred nerinnen natürlich Recht.

Deutlich erkennbar ist dies - ja, Frau Nonnemacher hat völlig Recht - beim Berufswahlverhalten. Es ist seltsam: Bei 330 an gebotenen Ausbildungsberufen in Brandenburg hat sich die Hälfte der Mädchen auf nur 10 Berufe konzentriert. Rund 80 % aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen, und 40 % von ihnen ge ben an, dass sie das nicht freiwillig machen. Anders formuliert: 40 % dieser Teilzeitbeschäftigten würden gern in Vollzeit ar beiten.

Auch bei der Arbeitslosigkeit gibt es markante Unterschiede. Betrachtet man die Dauer der Arbeitslosigkeit, stellt man fest: Je länger Menschen arbeitslos sind, desto höher ist der Anteil der Frauen. Das macht sich auch im Alter bemerkbar. Die durchschnittliche Altersrente einer Brandenburgerin lag im Jahr 2013 bei 760 Euro, die der Männer bei 1 096 Euro.

Dass der Frauenanteil in der zweiten Führungsebene 48 % be trägt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die erste Riege wiederum männlich dominiert ist. In der Führungsetage sind Frauen mit nicht einmal einem Drittel vertreten.

Gleiches gilt für den Einfluss der Frauen in der Wissenschaft. Weniger als ein Viertel der Professuren ist mit Frauen besetzt. Auch wenn es demnächst eine Universitätspräsidentin mehr in der Republik geben wird - herzlichen Glückwunsch an Frau Kunst zu ihrer Wahl! -,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

bleibt auch in diesem Bereich genug zu tun.

Auch die Kommunalpolitik ist mit Werten von über 70 % in den Kreistagen und Gemeindevertretungen männlich domi niert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus alldem ist deut lich geworden: Man kann über dieses Thema nicht oft genug reden. Es ist sinnvoll, dieses Gleichstellungspolitische Maß nahmenprogramm fortzuschreiben. Es gibt viel zu tun. An der weiteren Verbesserung wollen wir gemeinsam mitwirken. Auf diesen Prozess freue ich mich sehr. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Die Redezeiten der Fraktionen sind jeweils bis auf wenige Sekunden erschöpft. Ich denke, davon wird kein Gebrauch mehr gemacht. - Dann schließe ich die Debatte.

Ich rufe zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE unter dem Titel „Die Fort schreibung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms“,

Drucksache 6/3316, auf. Wer möchte diesem Antrag zustim men? - Gibt es Gegenstimmen? - Ja. Gibt es Stimmenthal tungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag mehr heitlich angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungs punkt 16 auf:

Wahl eines Mitgliedes des Präsidiums

Antrag mit Wahlvorschlag der Fraktion der SPD

Drucksache 6/3314