Protocol of the Session on November 18, 2015

(Domres [DIE LINKE]: Vielleicht sind sie krank? Immer diese Unterstellungen!)

und klagen, und dann verzögern sich diese Verfahren natürlich auch noch.

(Allgemeine Unruhe)

Zum Antrag der Grünen möchte ich nur Folgendes sagen: Wir können uns diesen sozialromantischen Ansatz mit den von Ih nen so zahlreich geforderten Sozialgeschenken auch im Hin blick auf die drohenden Risiken der Eurorettung nicht erlau ben. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Ich bitte Sie: Bleiben Sie realistisch und schieben Sie konsequent ab. Sie tun den Leuten, die hierbleiben, einen Gefallen und entlasten die Haus haltskasse des Landes Brandenburg. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Johlige. Bitte schön.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! In dieser De batte behandeln wir zwei Anträge, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt auf eine konsequente Ausnutzung bundesgesetzlicher Spielräume zugunsten einer humanitären Flüchtlingspolitik. Inhaltlich stimmen wir in weiten Teilen überein, auch wenn der Antrag verzichtbar ist, da die Koalition einen Großteil der For derungen bereits umsetzt und wir mit dem Entschließungsan trag in der Aktuellen Stunde bereits die Weichen in diese Rich tung gestellt haben.

Der Antrag der CDU-Fraktion spricht eine andere Sprache, im Übrigen auch eine andere als die, die Kollege Senftleben in der heutigen Aktuellen Stunde verwendet hat.

(Vogel [B90/GRÜNE]) : Das ist wahr!)

Dieser Antrag setzt auf Abschreckung und versucht gegebene Spielräume so hart wie möglich auszulegen. Meine Damen und Herren von der CDU, selbstverständlich wird in Brandenburg das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz - wie im Übrigen je des andere Bundesgesetz - umgesetzt, völlig unabhängig da von, ob Brandenburg im Bundesrat zugestimmt hat oder nicht. Ich finde es ehrlich gesagt unredlich, das Gegenteil zu sugge rieren.

(Beifall DIE LINKE)

Ihr Antrag liest sich in weiten Teilen, als würde auf einmal al les gut werden, wenn wir es Geflüchteten so unangenehm wie möglich bei uns machen und abgelehnte Asylsuchende mög lichst schnell wieder loswerden. Hören Sie auf, so zu tun, als würden schärfere Abschieberegelungen irgendein Problem lö sen. Selbst wenn wir alle vollziehbar Ausreisepflichtigen auf einmal abschieben würden, würde das nur die Zahl an Flücht lingen ausmachen, die aktuell innerhalb weniger Tage nach Brandenburg kommen, bei einem Aufwand, der Personal und finanzielle Ressourcen in einer Größenordnung bindet, die kaum zu rechtfertigen ist. Und da bin ich noch nicht einmal bei den psychischen Belastungen. Deshalb ist es der richtige Weg, dass wir in Brandenburg weiterhin zuerst auf das Instrument der sogenannten freiwilligen Rückführung setzen. An der Stel le schiebe ich ein, Herr Lakenmacher, dass ich mich gern der Kaffeeeinladung von Frau Nonnemacher anschließen möchte, aber aus einem anderen Grund: Ich glaube nämlich, dass wir uns einmal über den Unterschied zwischen ausreisepflichtigen und vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern unterhalten

müssen. Sie ignorierten die Geduldeten vollständig in Ihrer Re de und teilweise auch in Ihrem Antrag. Sie sind in der Regel aus gutem Grund geduldet.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Was mich an Ihrem Antrag am meisten geärgert hat, ist die Ausweitung der Abschiebehaft auf 15 Monate. Sie haben in Ih rer Rede zwar von 12 Monaten gesprochen, aber 12 plus 3 ist 15, so steht es in Ihrem Antrag. 15 Monate Abschiebehaft für Menschen, deren einziges Verbrechen es ist, in Deutschland Asyl beantragt zu haben - das hat mich wirklich geärgert.

Sachleistungen und verschärfte Residenzpflicht sowie der ver längerte Aufenthalt in der Erstaufnahme suggerieren vielleicht in der Öffentlichkeit Härte und Kälte, und vielleicht wollen Sie genau diesen Eindruck erwecken. All diese Maßnahmen sind jedoch verbunden mit einem riesigen Aufwand für unser Land und die Verwaltung, und sie sind schlicht inhuman. Vor allem aber werden sie an der aktuellen Situation nichts ändern. Im Oktober flüchteten knapp 188 000 Menschen nach Deutsch land, 5 000 davon aus den Ländern des Westbalkans - das sind gerade einmal 2,69 %. Hören Sie auf, so zu tun, als wäre das Konzept der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten ein geeig netes Instrument, um Flüchtlingszahlen zu senken!

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Nonnema cher [B90/GRÜNE])

Ich sage Ihnen, was die Flüchtlingszahlen senken kann - auch da hilft ein Blick in die Statistik -: Circa 89 000 Menschen ka men im Oktober aus Syrien, 31 000 aus Afghanistan und knapp 22 000 aus dem Irak. Es folgten mit einigem Abstand Pakistan, Iran und Eritrea. Das zeigt: Die aktuelle Fluchtbewegung hat vor allem eine Ursache, und das ist Krieg. Egal, wie sehr Sie die Außengrenzen abschotten, Zäune und Mauern bauen: Die Menschen werden flüchten. Sie flüchten vor Kriegen, an denen auch Deutschland nicht ganz unschuldig ist. Es bleibt dabei: Nur eine konsequente friedliche Konfliktbewältigung, der Stopp von Waffenlieferungen, eine nachhaltige und auf Selbst verwaltung setzende Entwicklungspolitik werden die Fluchtur sachen beseitigen. Im Übrigen würde auch eine bedarfsge rechte Ausstattung der Hilfsorganisationen in den Anrainer staaten der Krisengebiete helfen.

Abschottung und Abschreckung haben bisher nicht funktio niert und werden auch in Zukunft nicht funktionieren.

(Beifall DIE LINKE)

Denn die Menschen flüchten nicht wegen eines Taschengeldes, sondern aus Todesangst, bitterster Not und Elend. Allerdings - auch da sind wir ehrlich - werden Erfolge bei der Bekämpfung von Fluchtursachen nur mittel- bis langfristig erreichbar sein. Bis dahin müssen wir mit der eingetretenen Situation umge hen. Unsere Humanität gebietet es, diejenigen, die aus Not vor Krieg und Verfolgung flüchten, gut aufzunehmen, zu versorgen und zu betreuen sowie ihnen eine Lebensperspektive zu bieten. Deshalb sollten wir unsere Kraft und Energie vor allem in die Integration der Menschen in unsere Gesellschaft investieren und nicht in bürokratische Abschreckungsmechanismen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie vereinzelt B90/GRÜ NE)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Schröter. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordnete! Wir haben über das Thema der beiden Anträge oft und umfassend gesprochen - in den Ausschüssen des Land tages und auch heute wieder im Plenum. Wir werden diese De batte in den kommenden Wochen und Monaten intensiv fort setzen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, be absichtige ich ausdrücklich nicht, nun auf alle Einzelheiten der vorliegenden Anträge einzugehen. Es gibt in beiden Anträgen eine Reihe von Punkten, die bedenkenswert sind, über die aber schon beraten wird, ohne dass es einer gesonderten Beschluss fassung im Plenum bedarf. So weisen die Grünen zum Beispiel auf die Notwendigkeit der elektronischen Gesundheitskarte hin. Die Einführung einer solchen Karte wird längst geprüft und von der Landesregierung - übrigens auch von vielen Kran kenkassen - unterstützt.

Die CDU dagegen weist zu Recht darauf hin, dass vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer unverzüglich das Land verlassen und im Weigerungsfall abgeschoben werden müssen. Auch das ist durchaus ein berechtigtes Anliegen, das im Übrigen in der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte liegt. So ist es in unserem Land geregelt. Tatsächlich werden die Bürge rinnen und Bürger unseres Landes die hohe Zuwanderung Asylsuchender nur dann akzeptieren, wenn aufenthaltsbeen dende Entscheidungen umgesetzt werden und Menschen ohne Bleiberecht das Land wieder verlassen.

(Beifall CDU und AfD)

Nichts anderes will das geltende Recht unterstützen.

Die CDU-Fraktion kritisiert in der Antragsbegründung die aus ihrer Sicht zu geringe Zahl von 321 der von Januar bis Septem ber 2015 realisierten Rückführungen. Sie lässt dabei jedoch nicht nur die durchaus beachtliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, in dem insgesamt 112 Abschiebungen realisiert wurden, außer Acht, sondern unterschlägt auch, dass im glei chen Zeitraum nachweislich 952 freiwillige Ausreisen zu ver zeichnen waren, denen nun einmal per Gesetz der Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung einzuräumen ist. Das ist also keine Laune der Landesregierung, sondern der Wille des Bun desgesetzgebers.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unverkennbar, dass den vorliegenden Anträgen letztendlich zwei völlig unterschiedliche Philosophien zugrunde liegen. Der CDU-Antrag orientiert auf eine Begrenzung der derzeit stattfindenden, zum Teil unkontrollierten Einwanderung nach Deutschland. Er verlangt, dass jene, die nicht hierbleiben kön nen, unser Land konsequent verlassen müssen. Im Antrag der Grünen dagegen findet sich von diesem Gedanken nichts, son dern es geht ausschließlich um die Frage, wie die Rahmenbe dingungen für Asylbewerber weiter verbessert werden können, was durchaus richtig und wichtig ist. Nur besteht überhaupt kein Zweifel, dass die Landesregierung selbstverständlich be absichtigt, geltende Bundesgesetze menschenrechtsorientiert

umzusetzen. Daher halte ich schon den Titel des Antrags der Grünen für befremdlich, Frau Nonnemacher, der diese Forde rung erhebt

(Beifall des Abgeordneten Lakenmacher [CDU] sowie vereinzelt AfD)

- als handele es sich beim Land Brandenburg um einen Operet tenstaat oder gar um einen Unrechtsstaat, und Sie, die Grünen, seien die einzigen Wahrer und Bewahrer des Rechtsstaates.

(Beifall AfD sowie vereinzelt CDU)

Noch interessanter wird es in der Antragsbegründung. Dort heißt es, dass das neue Gesetz „Regelungen enthält, die mit ei ner menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik nicht in Ein klang zu bringen sind“. - Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann über die eine oder andere Neue rung durchaus verschiedener Meinung sein; aber diese Unter stellung möchte ich dann doch in aller Deutlichkeit zurückwei sen. Wir werden grundsätzlich keine Gesetze anwenden, die gegen die Menschenrechte verstoßen, weder ganz noch in Tei len.

Meine Damen und Herren, die Landesregierungen mit grüner Beteiligung, die dem Gesetz im Bundesrat zugestimmt haben, werden sicher höchst erstaunt sein, zu erfahren, dass sie damit ein Vorhaben unterstützen, das gegen die Menschenrechte ver stoßen soll.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Verehrte Damen und Herren von den Grünen hier im Landtag: Es ist nicht Ihre Aufgabe, zu prüfen, welche Gesetze verfas sungswidrig sind.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Keine Belehrungen, bitte!)

Es ist auch nicht an Ihnen, festzustellen, was verfassungsrecht lich ist oder nicht. Das liegt immer noch in der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts.

Meine Damen und Herren, die größte Flüchtlingsbewegung seit Generationen stellt auch uns im Land Brandenburg vor enorme und in dieser Form bisher nicht gekannte Herausforde rungen. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dies zu schultern. Wir sollten alle Kräfte darauf konzentrieren. Ich bitte Sie da rum, das Große zu sehen und nicht die kleinen Dinge. Es ist mir wirklich egal, welche Energiesparverordnung wir anwen den müssen. Es geht darum, pragmatische Lösungen zu finden, und zwar im Sinne derer, die zu uns kommen, weil sie Schutz vor Terror suchen, und das in einer Größenordnung, die es auf dieser Welt lange nicht gegeben hat. - Ich danke für Ihre Auf merksamkeit.

(Beifall CDU sowie vereinzelt SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt noch einmal der Abgeord nete Lakenmacher. Sie und auch die anderen haben aufgrund der Dauer des Redebeitrags der Landesregierung eine zusätz liche Minute Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Nonnemacher, liebe Frau Johlige, ich nehme Ihre Einla dung zum Kaffee natürlich an.

(Vereinzelt Lachen bei der SPD)

Nach dem sehr differenzierten, sachlichen und lebensnahen Redebeitrag des Innenministers, bei dem ich mich ganz herz lich bedanken will, schlage ich vor, dass Sie, Herr Innenmini ster, zu dieser Kaffeerunde dazustoßen.

(Zuruf von der Regierungsbank - Vereinzelt Lachen bei der SPD)

Es war wohltuend, wie unideologisch und praxisnah Sie Ihren Beitrag geleistet haben. Dafür danke ich Ihnen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist für die konse quente Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer und für die Integration derjenigen, die hier einen Anspruch auf Asyl haben, also derjenigen, die in Deutschland eine langfristige Bleibeperspektive haben. Dabei gilt für uns der Grundsatz „Fördern und fordern“.

Was uns als CDU dabei von den anderen Fraktionen hier im Haus unterscheidet, wurde gerade noch einmal sehr deutlich. Es wurde gerade auch deutlich, was unseren Antrag von dem der Grünen unterscheidet. Die CDU-Fraktion fordert für Erst aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte Sach leistungen statt Bargeld. Das unterscheidet uns von den Grü nen, den Linken und weiten Teilen der SPD.

Herr Kurth, in der Begründung des zwischen CDU, CSU und SPD auf Bundesebene ausgehandelten Asylverfahrensbe schleunigungsgesetzes wird unsere Auffassung bestätigt. Inso fern empfehle ich Ihnen diese zur Lektüre. Deshalb sollte das Sachleistungsprinzip auch hier in Brandenburg umgesetzt wer den, obwohl sich die Landesregierung im Bundesrat enthalten hat. Es geht ja gerade darum, die geschaffenen Möglichkeiten auch in Brandenburg zu nutzen.

Weiterhin wollen die Grünen, die Linken und die SPD auf frei willige Ausreise setzen, wir jedoch fordern die konsequente Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer. Das ist für uns ei ne absolute rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, meine Da men und Herren.