Die Allgegenwart der aus der Digitalisierung resultierenden In formationen und Bilder beeinflusst Politik, Kultur und nicht zuletzt die Sprache. Formeln wie Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Mit telstand 4.0 und - wie im Antrag - Brandenburg 4.0 sind der Versuch, komplexe gesellschaftliche Prozesse in einfache Sprachformeln zu binden. Sprachformeln haben aber im Ge gensatz zu mathematischen Formeln den Nachteil, dass sie weitaus ungenauer sind und einen breiten Verständnisspiel raum zulassen. Laut der Märkischen Allgemeinen Zeitung re den wir in Ostdeutschland in Bezug auf die Wirtschaft inzwi schen über Wirtschaft 5.1. Was will ich damit sagen? Den Ver such, solche gravierenden Prozesse in Sprachformeln zu fassen bzw. operable Masterpläne auf Landesebene zu organisieren und damit den Prozess zu steuern, halte ich für sehr gewagt.
Aber genau das fordert der vorliegende CDU-Antrag. Damit überfordert der Verfasser nicht nur sich selbst, sondern auch die Landesregierung. Ich will es kurz begründen.
Erstens: Die Forderung nach einem brandenburgischen IT-Gip fel ist angesichts der Komplexität und des globalen Charakters der Entwicklung eine Forderung, die den Instrumentenkasten der Landesregierung bei weitem überfordert. Schauen wir uns nur einmal an, was bei den IT-Gipfeln auf Bundesebene tat sächlich herausgekommen ist. Ich nenne zwei Stichworte. Di gitale Infrastruktur: Wir reden seit Jahren auf Bundesebene - es ist in erster Linie eine Aufgabe des Bundes - darüber, dass wir die nötige digitale Infrastruktur realisieren.
Das heißt, es liegt in der Verantwortung des Bundes, entspre chende Mittel zur Verfügung zu stellen. Das, was wir im Au genblick erleben, nämlich dass den Ländern die Mittel aus der Versteigerung der „digitalen Dividende“ nicht 1:1 zur Verfü gung stehen, sondern alles mit Landesmitteln kofinanziert wer den muss, ist nicht der richtige Ansatz.
Am Schluss. - Zweites Stichwort ist der Datenschutz: Auch hier wird seit Jahren gestritten, ohne dass es zu einer Veränderung kommt. Das Problem ist nur auf europäischer Ebene lösbar.
Wenn es um konkrete Maßnahmen für die Entwicklung Bran denburgs geht, so kann ich auf eine ganze Reihe an Maßnah men verweisen: das IKT-Cluster, die Glasfaserstrategie und aktuelle Förderprogramme im Bereich F&E. Die von der Kol legin Dr. Ludwig angesprochene Hilfe für die kleinen und mit telständischen Unternehmen wird gegenwärtig beispielsweise durch das IMI, das Innovationszentrum Moderne Industrie der BTU, realisiert.
In Punkt 2 des Antrags heißt es: Die Landesregierung wird auf gefordert, sicherzustellen, „dass bei Menschen aller Altersklas sen durch geeignete Angebote frühzeitig eine individuelle digi tale Souveränität entwickelt“ wird. Was versteht man darunter? Ginge es um Kinder und Jugendliche, könnte ich es nachvoll ziehen. Aber was sind frühzeitige Angebote für alle Altersklas sen?
Als in diesem Zusammenhang der Begriff „digitale Souverä nität“ auftauchte, habe ich das Internet, das uns ja allen zur Verfügung steht, bemüht, um mich in dieser Frage sattelfest zu machen. Unter dem Begriff „digitale Souveränität“ bzw. technologische Souveränität sind Aspekte der Sicherheit und der Vertrauenswürdigkeit von Infrastruktur, nicht die Selbst bestimmung des Einzelnen zu verstehen. Das ist ein himmel weiter Unterschied. Der Verband Bitkom sagt, dazu fehle ge genwärtig eine Diskussion. Alexander Dobrindt definiert es so:
„Wir müssen wieder Vertraulichkeit im Netz garantierten können und als Deutsche und Europäer unsere digitale Souveränität zurückgewinnen. Dafür werden wir viel Geld ausgeben müssen.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus den aufgezeigten Gründen - es geht nicht um das Thema - halten wir diesen An trag der CDU für nicht ausgereift und lehnen ihn ab. - Danke schön.
Herr Kollege Barthel, ist Ihnen erstens bekannt, dass der dama lige Ministerpräsident Matthias Platzeck den Brandenburgern im Jahr 2009 versprochen hat, dass es in Brandenburg keine
weißen Flecken mehr gibt? Wenn Sie heute sagen, dass es das Land überfordere, in dieser Frage tätig zu werden, spricht das ja eine gewisse Sprache.
Zweitens: Ist Ihnen bekannt, dass das Bundesland Bayern für den Ausbau der digitalen Infrastruktur, die mit Sicherheit nur ein Teilbereich dessen ist, was im Antrag angesprochen wird, 1,5 Milliarden Euro investiert?
Drittens: Empfinden Sie es nicht als dürftig, dass ein Vertreter der Regierungskoalition Argumente bringt, warum etwas nicht geht und wir uns einem Thema nicht widmen, und das dann auch noch als der Weisheit letzten Schluss verkündet? Ist das nicht ein bisschen dürftig für den Anspruch einer Regierungs partei, Herr Kollege?
Herr Kollege, wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie mit bekommen, dass ich nicht gesagt habe, wir müssten uns dem Thema nicht stellen. Ich habe lediglich gesagt, dass ein Master plan in der Art und Weise, wie er hier beschrieben ist, ein unge eignetes Instrument ist. Was den Ausbau der digitalen Infra struktur betrifft, so hat das Land in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen. Sie haben mit beschlossen, dass wir mit EU-Fördermitteln große Gebiete ausbauen. Wir wer den das auch zukünftig tun. Im Rahmen der Richtlinie werden wir als Land die Kofinanzierung vornehmen und darüber hi naus den Kreisen Mittel zur Verfügung stellen, die nicht in der Lage sind, Eigenmittel aufzubringen.
Das Thema digitale Infrastruktur ist von der Landesregierung und der Regierungskoalition positiv bearbeitet worden. Um auf die Zahlen zurückzukommen: Der Bund stellt für die Bundes republik 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Verglichen mit den Investitionen Bayerns heißt das im Klartext: Die Bundesregie rung gibt in etwa genauso viel Geld aus wie Bayern. Sie müs sen natürlich vergleichen: Die Wirtschaftskraft Bayerns ist eine andere als die Brandenburgs. Natürlich würden wir gern mehr Geld ausgeben, aber wir haben‘s nicht. Da es eine nationale Aufgabe ist, erwarte ich vom Bund, dass mehr Geld für eine Strukturänderung in die Hand genommen wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag greift das wichtige Thema der Digitalisie rung der Brandenburger Wirtschaft auf. Dies ist sehr zu begrü ßen, denn die Digitalisierung beschreibt den tiefgreifenden Wandel, der uns bevorsteht und der weltweit Einzug hält, und zwar nicht erst seit gestern.
Die Basis allerdings, um all die Chancen der Digitalisierung tatsächlich zu nutzen, ist ein flächendeckender Breitbandaus
bau. Da werden schon die ersten Probleme sichtbar. Die Lan desregierung hat im Jahr 2012 ein hervorragendes Konzept zur Entwicklung des Glasfasernetzes in Brandenburg bis 2020 er stellen lassen. Angesichts der hohen Qualität des Konzepts schätze ich, dass es nicht ganz preiswert war. Im Konzept ist zu lesen, dass Deutschland im internationalen Vergleich bei der flächenhaften glasfaserbasierten Breitbanderschließung auf den hinteren Plätzen liegt. Länder wie Südkorea, Japan und USA besitzen im Gegensatz zu Deutschland schon heute ein hochentwickeltes Breitbandnetz. Brandenburg ist hierzulande fast Schlusslicht.
Im Entwicklungskonzept von 2012 wird bereits darauf hinge wiesen, wie rasant sich die Datenströme entwickeln werden, wo sich Schwachstellen befinden und was am dringendsten voranzutreiben wäre. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, also erst heute, im Jahr 2015, einen IT-Gipfel als zentrale Plattform fordern, scheint mir das in der Tat mehr als nötig. Digitalisierung bedeutet schnellen Datentransport. Hier stehen wir im globalen Wettbewerb mit anderen Ländern und anderen Wirtschaftsräumen.
Bei einem kurzen Blick in die Geschichte stellen wir fest, dass wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand immer in engem Zusammenhang mit Handel und Warenaustausch standen. Des halb ist der Ursprung vieler Städte an Flüssen und Wegkreu zungen zu suchen. Denn eine gute Infrastruktur ermöglichte schon immer eine gute Erreichbarkeit, begünstigte den schnel len Transport von Waren und Gütern und schaffte damit un seren nachhaltigen Wohlstand.
Setzen wir den Rückblick in die Geschichte fort, sehen wir, dass zur Zeit der Industrialisierung die Orte im Vorteil waren, die beizeiten an das Schienennetz angeschlossen waren. Sie konnten sich dadurch wirtschaftlich wesentlich schneller ent wickeln als Städte, die zögerten oder die Entwicklung ver schlafen haben. Das heißt, eine gute digitale Infrastruktur be günstigt den Transport der Waren und Dienstleistungen der Zukunft, nämlich der Bits und Bytes. Wer diesen Prozess ver schläft, wird wirtschaftlich nachhaltig abgehängt. Nehmen Sie nur die Datenentwicklung durch Cloudcomputing und ver netztes Arbeiten. Die Daten lagern nicht nur auf eigenen Rech nern, sondern werden über das Netz abgerufen. Mit neuen Pro duktionsverfahren wie dem 3D-Druck ist es möglich, Autos, sogar Häuser kostengünstig und effizient zu produzieren, aber dies ist eben auch äußerst datenintensiv.
Im Gesundheitswesen, im Energiesektor, im Bildungsbereich, in der Verwaltung, einfach überall sehen wir das starke Wach sen der Datenströme. Wurden vor 20 Jahren lediglich E-Mails gesendet, so sind es zukünftig ganze Festplatteninhalte. Vor die sem Hintergrund mutet die Zielsetzung einer flächendeckenden Versorgung mit bis zu 50 Mbit/s bis 2020 schon jetzt antiquiert an. Wir müssen schon heute in Größenordnungen von 500 bis 1 000 Mbit/s und in neuen Technologien denken. Wir müssen der Vision folgen, schnelle Datenautobahnen bereitzustellen.
Machen wir uns mit einem weiteren Thema, das eng mit der Digitalisierung verbunden ist, vertraut: der Datensicherheit. Auch hier scheinen wir den Anschluss verpasst zu haben, denn Geheimdienste spionieren deutsche Unternehmen aus. Die Da ten des höchsten deutschen Parlaments werden angezapft, und es scheint, dass es der Bundesregierung egal ist, denn ich habe von keiner wirklichen Strafverfolgung gehört.
Meine Damen und Herren! Hier ist der Einsatz der Politik und der Landesregierung gefragt. Sie müssen sich auf EU- und Bundesebene dafür einsetzen, dass die Datensicherheit ge währleistet ist, dass einheitliche Standards definiert werden, dass aber auch die Abhängigkeit von einzelnen Technologiean bietern verhindert wird. Warten Sie nicht darauf, dass die Bun desregierung tätig wird, sondern schauen Sie, wo in unserem Land das Thema Datensicherheit als Hemmnis für neue Unter nehmensansiedlungen an der Tagesordnung ist. Seien wir Vor reiter bei der Datensicherheit. Ziehen wir damit neue Unter nehmen nach Brandenburg. Wir haben gute Universitäten und Forschungseinrichtungen, die sich mit diesem Thema beschäf tigen können.
Zurück zum CDU-Antrag: Ich gebe Ihnen Recht, meine Da men und Herren der CDU-Fraktion, die Nutzer der digitalen Welt müssen unabhängig vom Alter lernen, mit dieser Welt qualifiziert umzugehen. Um die Angebote optimal nutzen zu können, müssen die Chancen, aber auch mögliche Gefahren und Risiken bekannt sein. Das ist ein Bildungsauftrag der Lan desregierung, den es anzunehmen gilt, und zwar jetzt und nicht erst wieder Jahre später.
Zu den im Antrag geforderten speziellen Förderprogrammen für den digitalen Wandel sage ich: Bevor wir wieder nach För derung schreien, sollten wir zunächst einmal schauen, dass dem digitalen Wandel keine grundsätzlichen die Wirtschaft be hindernden Gesetze im Wege stehen. Denn grundsätzlich brau chen wir beim Thema Digitalisierung eine einheitliche Stoß richtung für das Land. Der Fahrplan liegt mit dem Konzept 2020 vor.
Ja. - Ich wollte das Konzept noch einmal kurz erwähnen, weil es so gut war. Es gilt jetzt, dieses Konzept auf allen Ebenen gemeinsam mit den Institutionen und Initiativen umzusetzen, und zwar schnell. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU! In Ihrem Antrag „Chancen der Digitalisierung nutzen“ finden sich eine Menge Schlagwörter: Brandenburg 4.0, Globalisie rung, digitale Souveränität, Digitalisierung und - in der Be gründung - auch der flächendeckende Breitbandausbau.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist insgesamt, um es mit Fontane zu sagen, ein sehr weites Feld, und ich glau be, hier geht einiges durcheinander. Ich möchte den Versuch unternehmen, ein wenig zu sortieren.
Zum Stichwort Breitbandversorgung ist schon einiges gesagt worden. Es stimmt aber nicht alles. Es ist mitnichten so, dass wir in Brandenburg die rote Laterne haben. Wir hatten unlängst im Landtag eine Debatte hierzu. Es gab einen CDU-Antrag mit einstimmigem Beschluss, den wir im Wirtschaftsausschuss be arbeiten werden. Ich will an das sich in den letzten Zügen be findliche Konzept Glasfaser 2020 und das besagte Förderpro gramm des Bundes mit einem Umfang von 2,7 Milliarden Euro erinnern. Wir werden Ende nächsten Jahres weit mehr als 50 % der Haushalte mit über 50 Mbit/s versorgt haben. Damit sind wir bei weitem nicht diejenigen, die die rote Laterne tragen.
Mit Brandenburg 4.0 meinen Sie, liebe Kollegin - das haben Sie in Ihrer Rede selbst gesagt -, eigentlich Industrie 4.0, das heißt die Kommunikation von Maschinen und die vollständige Automatisierung der Produktion. Ich möchte daran erinnern, dass wir in Brandenburg dazu bereits geeignete Instrumente gefunden haben. Die BTU Cottbus hat nicht nur einen entspre chenden Lehrstuhl, sondern das Thema wird auch jährlich auf den Industriekonferenzen aufgegriffen und bearbeitet.
Die Globalisierung als ein fortschreitender Prozess der welt weiten Arbeitsteilung begleitet uns seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts genauso wie die Digitalisierung, sprich der Vor gang, analoge Daten aufzubereiten, zu verarbeiten und letztlich digital zu speichern.
Ich komme zu Ihren Forderungen. Sie wollen einen Branden burger IT-Gipfel als zentrale Plattform für den digitalen Wan del. Sehr verehrte Damen und Herren, ich bin sehr skeptisch, ob man dem Anspruch damit tatsächlich gerecht wird. Sie wollen einen Diskurs aktiv fördern und entsprechende Veranstaltungs formate auf den Weg bringen. Ich glaube, Sie wissen selbst nicht so recht, was Sie wollen. Sie wollen sicherstellen, dass die Menschen aller Altersklassen geeignete Angebote finden. Ich finde, viel schwammiger kann man sich kaum ausdrücken.
Der letzte Punkt: Sie wollen spezielle Förderprogramme für den digitalen Wandel. Es mangelt Brandenburg nicht an Förderpro grammen. Die von Ihnen geforderten digitalen Lotsen gibt es bereits. Schauen Sie sich auf der Seite www.mittelstand-digital. de einmal an, wo sich die e-Business-Lotsen befinden: nämlich unter anderem in Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus. Sie sind bei den Industrie- und Handelskammern angesiedelt.
(Beifall DIE LINKE - Genilke [CDU]: Schwammig wart ihr! Gott sei Dank gibt es die IHK, da könnt ihr euch ja zurücklehnen!)
Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten von Halem fort. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, was für ein schöner Antrag! Ein wunderschöner Antrag.
Wir haben darüber nachgedacht, ihn mit einzubringen, aber zwei Punkte haben mich davon abgehalten, meiner Fraktion dies zu empfehlen: erstens die Tatsache, dass dieser Antrag nur im Futur formuliert ist. Wo waren Sie denn in den letzten Jah ren? Frau Ludwig hat es bei der Vorstellung des Antrags ein bisschen zurechtgerückt. Es ist schon einiges passiert: ara bischer Frühling, NSA, Edward Snowden, Web 2.0, 3.0 und jetzt 4.0 - wir sind also mittendrin.
Der zweite Punkt ist, dass Sie nur mit einem lapidaren Neben satz erwähnen, dass Brandenburg ein digitales Entwicklungs land ist. Der Kollege Bretz hat es bereits gesagt, und auch ich wollte an Matthias Platzeck erinnern, der schon 2009 verspro chen hatte, die weißen Flecken bei der Internetversorgung zu beseitigen. Daraus ist nichts geworden.