Was ist eigentlich seit Juni mit der Positionierung der CDU passiert? Was in Ihrem Antrag steht - die Schaffung von finan ziellen Anreizen -, sind Steuerungsmechanismen und damit ein direkter Zugriff auf die Hochschulen. Warum vertrauen Sie nicht darauf, dass die Fakultätsräte an unseren Hochschulen sehr wohl in der Lage sind, einzuschätzen, zu bewerten und festzulegen, welche Professuren Sie in Zukunft besetzen wol len? Wie diese dann zustande kommen und wie weit die Mitbe stimmung in den akademischen Gremien tatsächlich funktio niert, ist eine andere Frage; aber ich glaube, auch bei ihr finde ich kein Gehör bei der CDU.
Im Übrigen zeigt ein kurzer Exkurs in die preußische Wissen schaftsgeschichte, dass das Humboldt‘sche Bildungsideal im mer fest hinter der Freiheit von Wissenschaft stand. Das zeigte sich insbesondere bei der Auseinandersetzung zwischen Fried rich dem Großen und dem ersten Präsidenten der KöniglichPreußischen Akademie der Wissenschaften, in der es darum ging, wer an ihrer Spitze stehen sollte. Es setzte sich ein Wis senschaftler durch - um die Unabhängigkeit und die Hoch schulautonomie zu bestätigen. Aus diesem Grund gibt es für die Linksfraktion nur die Ablehnung dieses Antrags.
Danke schön. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem. Bitte schön.
Das hat Humboldt gesagt. Ja! Aber der Blick in die Geschichte zeigt, dass leider auch eine Zukunft hat, wer nicht aus der Ge schichte lernt. Umgekehrt steht dort nicht, dass die Vergangen heit zu kennen die alleinige Grundlage dafür wäre, Zukunft gut gestalten zu können.
Wenn wir über diesen Lehrstuhl reden, dann ist das klar - mei ne Vorrednerin hat es wunderschön formuliert - eine Frage von Hochschulautonomie. Was die Hochschule in Brandenburg an bietet, umfasst historische Epochen und Regionen. Wir haben eine neue W2-Professur mit dem Namen „Allgemeine Ge schichte der Neuzeit“. Der Wegfall des Lehrstuhls steht seit Anfang der Jahrtausendwende fest. Wenn das so wichtig ist, warum fällt es Ihnen erst jetzt auf?
Auch wir sind nicht der Meinung, dass die Politik in die Aus richtung einzelner Institute eingreifen soll. Etwas anderes schlagen Sie in Ihrem Antrag nicht vor. Wenn Sie von finanzi ellen Anreizen reden, bedeutet das genau das: konkret in die Ausrichtung von Instituten einzugreifen. Das haben wir schon ein paar Mal gemacht, aber an Punkten, wo wir etwas Zusätz liches wollten: zum Beispiel bei der Ausbildung zu Inklusion und bei den Jüdischen Studien. Das ist aus meiner Sicht etwas anderes, weil es nicht darum ging, das Fachgebiet einer Hoch schule umfassend zu strukturieren und entsprechende Lehr stühle anzubieten. In beiden Fällen ging es darum, einen zu sätzlichen Fachbereich zu implementieren. Aus unserer Sicht spricht schon allein die Wahrung der Hochschulautonomie da für, den Antrag abzulehnen.
Aber warum bräuchten wir eigentlich solch einen Lehrstuhl? Wir haben andere Lehrstühle und - zum Beispiel mit dem ZZF - hervorragende außeruniversitäre Forschungseinrich tungen. Herr Prof. Sabrow stand hier und Sie alle haben ihm gelauscht. Das hat er wunderbar gemacht; es war für uns inte ressant. Keiner wird sagen, wir hätten ein Defizit in Sachen Landesgeschichte. Wir haben die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und andere Einrichtungen, die das Erbe der Vergangenheit erschließen und sich gleichzeitig gesellschaftlichen Zukunftsfragen widmen.
Lehren aus der Vergangenheit, Identität und auch Grundlagen für die Zukunft vermitteln sich nicht ausschließlich aus der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch aus dem, was wir anders erfassen können: aus Kunst, Denkmalen, Gedenkstät ten. Auch da gibt es riesigen Investitionsbedarf. Die Hinrich tungsstätte in Brandenburg-Görden wartet seit langem auf eine würdige Gestalt. An das Kriegsgefangenenlager in Zehrensdorf bei Wünsdorf, wo während des Ersten Weltkrieges vielleicht bis zu 30 000 Muslime, Hindus und andere Kriegsgefangene saßen, erinnert heute fast gar nichts mehr. Eine Moschee gab es dort übrigens auch. Das Kaiserreich wollte Kriegsgefangene aus Kolonialstaaten dazu aufrufen, gegen andere Kolonial mächte einen Dschihad zu führen.
In Kummersdorf modert das zentrale militärhistorische For schungsgelände Deutschlands. An anderen Stellen gibt es historische Gebäude, Kunstwerke, Bodenschätze. Unzählige Kir chen rotten in diesem Bundesland vor sich hin. Auch sie haben etwas mit Landesgeschichte zu tun. Auch um das zu ändern, bräuchten wir Investitionen.
Man kann mir entgegnen, dass wir erstens nicht alles erhalten können, was einmal war. Zweitens finde ich es bei der Frage von Identität und Landesgeschichte auch wichtig, sich zu ver gegenwärtigen: Wenn wir Migrantinnen und Migranten in un sere Gesellschaft integrieren, ihnen auf Augenhöhe begegnen und eine gemeinsame neue Identität schaffen wollen, dann müssen wir uns nicht nur überlegen, wo wir, sondern auch, wo diese herkommen.
Auch ihre Geschichte müssen wir uns anhören. Wir müssen wissen, was Palmyra für die Syrer bedeutet. Um Zukunft rich tig gestalten zu können, gehört das Wissen um die Vergangen heit dazu - aber noch mehr. Willy Brandt hat gesagt:
Zurück zum Lehrstuhl: Nice to have. - Ja, das wäre schön. Aber die Entscheidung sollten wir der Universität überlassen und dafür keine Extralandesgelder fordern. Der Universität wünsche ich ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Lehrstühle und uns einen breiten Blick bei der Gestaltung der Zukunft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Las sen Sie mich zwei Aspekte voranstellen. Die Entscheidung, den Lehrstuhl für Landesgeschichte mit dem Schwerpunkt Brandenburgisch-Preußische Geschichte nach der Emeritie rung des Lehrstuhlinhabers nicht wiederzubesetzen, fällt erstens in die Autonomie der Universität Potsdam. Zweitens ist die Entscheidung, die Struktur der Professuren in der Ge schichte so zu entwickeln, wie sie jetzt realisiert wird, vor Jah ren - genauer gesagt: im Jahr 2001 - gefällt worden.
Im Rahmen der damaligen Aktualisierung der Universitätspla nung - unter CDU-Verantwortung übrigens - wurde die Profes sur für Landesgeschichte mit einem kw-Vermerk versehen. Es ging damals darum, die Anzahl der Professuren von 200 auf 190 zu reduzieren.
Heute verfügt das Historische Institut wieder über eine Voll ausstattung. In Kenntnis des kw-Vermerks hat die Universität bereits über Jahre bei Neuausschreibungen speziell von Profes suren im Historischen Institut darauf geachtet, dass Aspekte der Landesgeschichte angemessen vertreten sind. Besonders
„Schwerpunkte der Stelle bestehen in der Erforschung der Aufklärung in Brandenburg-Preußen und im Ausbau der Zusammenarbeit mit regionalen außeruniversitären Wissenschafts- und Kultureinrichtungen, die sich mit dem 18. Jahrhundert und seiner Wirkung beschäftigen, insbesondere mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, dem Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam und dem Rochow Museum Reckahn.“
Die Ausschreibung der Professur für Allgemeine Geschichte der Frühen Neuzeit, die gerade läuft, verlangt aufgrund der re gionalen Standorte der Professur die Bereitschaft, den Schwer punkt Staatsbildungsprozess Brandenburg-Preußen und die Geschichte der Reformation im Land auszubauen.
Ich möchte es mir aber nicht so einfach machen, allein aus der Perspektive der Eigenständigkeit der Hochschulen zu antwor ten. Ich mache es mir vor allem nicht so einfach, weil ich den Eindruck, den Sie in Ihrem Antrag erwecken, für einen voll kommen falschen halte. Ich würde sogar so weit gehen zu sa gen, dass Sie das Landesjubiläum, über das wir uns gemeinsam freuen, als Vorwand nutzen, um einen sachfremden Zusam menhang an dieser Stelle zu konstruieren.
Richtig ist: Die Erforschung der Landesgeschichte, ihre Ver mittlung in der wissenschaftlichen Lehre und ihre breite Prä sentation in der Öffentlichkeit sind geradezu zentrale Schwer punkte des Landes. Sie schlagen sich natürlich im Profil der Universität Potsdam nieder. Ganz aktuell zum Beispiel gründet die Universität darüber hinaus ein Forschungszentrum, das sich ausgehend vom historischen Erbe der brandenburgischpreußischen Geschichte um Zukunftsfragen der Wissensgesell schaft kümmert. Beteiligt sind die Stiftung Preußische Schlös ser und Gärten und mehrere Geschichtsprofessuren.
Es ist aber nicht nur dieses wegweisende, interdisziplinäre Pro jekt, das beispielhaft die Verknüpfung universitärer Expertise mit der einer herausragenden Institution des Denkmalschutzes und der Bewahrung unserer kulturellen Erbestätte im Land Brandenburg angeht. Selbstverständlich findet die Landesge schichte auch weiterhin ihren Niederschlag in der Struktur des Historischen Instituts.
Die Gliederung der Professuren folgt einer epochalen Eintei lung. Das heißt, die einzelnen Professuren haben jeweils Schwerpunkte entlang der Zeitphasen, wie sie in der histo rischen Forschung definiert sind. Beispiele sind Mittelalter, Frühe Neuzeit, Neuere Geschichte und Neueste Geschichte so wie Zeitgeschichte. Darüber hinaus gibt es besondere Schwer punkte im Bereich der Kulturgeschichte. Landesgeschichtliche Inhalte sind damit allemal nicht in die Besenkammer gescho ben, wie der Antrag der CDU-Fraktion suggerieren möchte. Der aktuellen Struktur entsprechend sind Forschung und Lehre im Bereich der Landesgeschichte ganz im Gegenteil Quer schnittsaufgaben von mehreren Lehrstühlen.
„Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“ - so ha ben Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihren Antrag überschrieben. Ich habe versucht deutlich zu ma
chen: Im Land Brandenburg haben wir ein umfassendes Netz an wissenschaftlichen Institutionen, die uns Kenntnisse über die Landesgeschichte vermitteln. Nicht nur, aber auch deswe gen muss uns um ihre Zukunft nicht bange sein. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zukunft braucht Herkunft! Das haben wir hier über Jahre vom ehemaligen Mi nisterpräsident gehört. Ich glaube, es ist an der Zeit, sich daran auch in schwierigen Situationen zu erinnern.
Frau Ministerin, Sie sagen, ich hätte hier etwas konstruiert. Ge rade weil ich in diesem Jahr durch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam geworden bin, dass dieser Lehrstuhl in diesem Land aufgegeben wird, habe ich mich engagiert. Das passt auch so wunderbar in dieses Bild, wenn wir auf der einen Seite 25 Jahre Brandenburg feiern und auf der anderen Seite so sträf lich mit unserer eigenen Landesgeschichte umgehen.
Ich glaube eben nicht, dass ein Querschnitt von Geschichte den Rahmen füllt, den ich mir und den ich den Menschen in Bran denburg wünsche, wenn es darum geht, Studierende auszubil den, die sich explizit mit der Landesgeschichte beschäftigen.
Deswegen meinen wir: Wir sehen mitnichten eine Anstrengung der Landesregierung. Ich will hier sehr deutlich machen, dass ich nicht in die Autonomie der Hochschulen eingreifen will. Lesen Sie meinen Antrag! Hören Sie zu, was ich vorhin gesagt habe!
Es geht darum, dass wir uns als Parlament, als Souverän dafür entscheiden, diesen Lehrstuhl als prioritär anzusehen. Mir ist wichtig - wie wir es beispielsweise bei den Pflegewissenschaf ten, mit dem Gesundheitscampus oder mit den Jüdischen Studi en gemacht haben -, der Universität das, was uns in diesem Land wichtig ist, extra zu finanzieren. Das soll nicht einer einzigen Universität obliegen. Deswegen habe ich diesen Antrag gestellt.
Es ist kein Angriff auf die Autonomie der Hochschulen, son dern wir als Union sagen: Die Autonomie der Hochschulen ist uns wichtig. Deshalb werbe ich sehr stark für diesen Lehrstuhl und dafür, ihn hier im Land Brandenburg zu implementieren, so wie es andere Länder auch tun. - Herzlichen Dank.
Wir stimmen über den Antrag der CDU-Fraktion in Drucksa che 6/2573 ab: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zu kunft“ - Lehrstuhl für brandenburgisch-preußische Landesge schichte erhalten.
Wer diesem Antrag der CDU-Fraktion seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthal tungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung und zur Änderung weiterer besoldungs- und versor gungsrechtlicher Vorschriften 2015 im Land Bran denburg