Ganz herzlich begrüße ich zu unserer heutigen Sitzung Gäste aus Syrien, Tschetschenien, Eritrea, aus dem Tschad, aus Serbien, Afghanistan und Albanien. Herzlich willkommen bei uns!
Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Ich lade Sie ein, die Rede des Ministerpräsidenten und die Aussprache der Frak tionen heute mit uns hier im Plenarsaal anzuhören und zu er fahren, was das Land Brandenburg tun wird, um Flüchtlinge aufzunehmen.
Darüber hinaus begrüße ich Schüler und Schülerinnen der Käthe-Kollwitz-Oberschule Potsdam sowie alle weiteren Gäste und Zuschauer außerhalb des Saales, die unsere Plenarsitzung mitverfolgen. Schön, dass Sie alle da sind - herzlich willkom men!
Ich möchte Sie vor Eintritt in die Tagesordnung über einige Dinge informieren. Der Antrag in Drucksache 6/2304 ist vom Antragsteller zurückgezogen worden.
Folgende Abwesenheiten wurden mir gemeldet: Ganztägig ab wesend sind Frau Alter, Herr Bommert, Herr Bretz, Herr Folgart, Herr Kuhnert, Herr Dr. van Raemdonck und Herr Wiese. Frau Richstein und Frau Schade sind ab 16 Uhr abwesend.
Gibt es Vorschläge oder Bemerkungen zur Tagesordnung? - Dann lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer ihr fol gen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstim men? - Enthaltungen? - Damit ist diese Tagesordnung einstim mig beschlossen.
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg zu den Themen: 25 Jahre Land Brandenburg sowie zu den Herausforderungen für das Land mit Blick auf die aktuelle Asyl- und Flücht lingssituation
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hatte ich vor, heu te mit Ihnen über die 25 Jahre Land Brandenburg zu reden - über die vergangenen und die kommenden 25 Jahre. Aber es gibt Themen, die heute aktuell sind, deren Aktualität wir vor zwei oder drei Jahren noch anders gesehen haben, die aber die ses Land Brandenburg auch in den kommenden 25 Jahren be einflussen werden. Deshalb erlauben Sie mir, dass ich in mei ner Regierungserklärung nicht nur auf die letzten 25 Jahre ein gehe, sondern auch etwas zur aktuellen Situation sage.
Die aktuelle Situation sieht so aus: Heute ist vollkommen klar, dass unsere Zukunft von neuen Mitbürgern geprägt sein wird - von neuen Mitbürgern, die in unserem Land Sport treiben, de ren Kinder mit unseren Kindern und Enkeln in die Schule ge hen, von Menschen, die ihre Heimat verloren haben und bei uns eine neue Heimat finden wollen oder schon gefunden haben.
Lassen Sie mich zunächst kurz zurückblicken: Wenn ich an 25 Jahre Brandenburg denke, denke ich - wie sicher viele von uns - noch an die schwierigen Jahre des wirtschaftlichen Auf bruchs. Wir denken daran, wie Strukturen entstanden sind, die es in dieser Art und Weise vorher nicht gab - beispielsweise an die Gründung der Industrie- und Handelskammer Anfang 1990 sowie an viele Betriebsgründungen.
Wir denken an den Mut vieler Brandenburgerinnen und Bran denburger, sich selbstständig zu machen und nicht nur für sich selbst Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch vielen Men schen aus ihrer Region oder ihrer Stadt Arbeit zu geben.
Ich denke aber auch an die schwierige Treuhandpolitik und den harten Kampf um jeden einzelnen Industriebetrieb in unserem Land - Kämpfe, die wir zu oft verloren haben, aber, Gott sei Dank, auch einige Male gewinnen konnten.
Ich denke an erfolgreiche Privatisierungen wie die des PCK Schwedt im Februar 1991 oder an die Übernahme des Stand orts Schwarzheide durch die BASF schon im Jahr 1990. Ich denke an das EKO in Eisenhüttenstadt, an das Stahlwerk in Hennigsdorf und viele andere.
Ja, es ist uns gelungen, wichtige industrielle Kerne in unserem Land zu erhalten. Es war mühsam, aber es war entscheidend für das Aufblühen unserer Wirtschaft in den späteren Jahren, und es ist nach wie vor die Grundlage unserer Brandenburger Wirtschaft. Es wird auch die Grundlage dessen sein, was wir bis 2040 erreichen wollen: mehr zu sein als das Umland von Berlin, aus eigener Kraft weiterzuwachsen, Arbeitsplätze für alle zu bieten, die arbeiten wollen und können, aber auch ein Ort zu sein, an dem unsere Kinder gut ausgebildet werden und eine Perspektive haben, und - auch das gehört dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren - als Land Brandenburg ein Ort zu sein, der für andere und anderes offen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz entscheidend war deshalb die Gründung der drei brandenburgischen Uni versitäten und der sechs Fachhochschulen im Jahre 1991. Das war der Start in die akademische Ausbildung in unserem Land. Davon profitieren wir heute - nicht nur die jungen Menschen, die an diesen Fachhochschulen und Universitäten eine hervorragende Ausbildung erhalten, sondern gerade auch unsere Hochtechnologieunternehmen wie Rolls-Royce und MTU. Anders gesagt: Unsere frühe Investition in kluge Köpfe wird heute durch Innovation und Wachstum für unser Land belohnt.
Das Thema Wachstum bringt mich auf das Jahr 2005. Es war - auch damals sehr umstritten - die Geburtsstunde der Förder strategie „Stärken stärken“.
Da nahm die Erfolgsgeschichte unserer Regionalen Wachstums kerne ihren Lauf. Von da an haben wir uns - später verstärkt auch gemeinsam mit Berlin - auf unsere Kompetenzen fokus siert. Zukunftsbranchen wie die schon erwähnte Luft- und Raumfahrtindustrie haben in erheblichem Maße davon profi tiert, aber nicht nur sie. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wirtschaftliche Entwicklung darf und soll kein Selbst zweck sein. Wirtschaft muss immer für die Menschen da sein.
Hinter all diesen Maßnahmen stand deshalb auch immer ein ar beitsmarktpolitisches Ziel, und das lautete: Arbeit statt Arbeits losigkeit finanzieren.
Arbeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist seit den 90er-Jahren das zentrale Thema in unserem Land; daran hat sich bis heute nichts geändert, und ich glaube, daran wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern.
Der Transformationsschock saß tief, Sie wissen das. Wir alle erinnern uns an Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Viele von uns waren es selbst und haben dem Land auf der Suche nach Arbeit den Rücken kehren müssen. Ich betone an dieser Stelle: Unser wirtschaftlicher und unser sozialer Aufbruch im Großen be steht bei genauer Betrachtung aus vielen, vielen Aufbrüchen im Kleinen. Es waren die Brandenburgerinnen und Branden burger, die in sehr schwierigen Situationen nicht aufgesteckt haben, die trotz unterbrochener Erwerbsbiografien, trotz teils jahrelanger Arbeitslosigkeit und mitunter mehrfacher Umschu lungen nicht aufgegeben haben. Mehr als 80 % aller Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer, die 1989/90 einen Beruf ausgeübt haben, mussten mindestens einen neuen Beruf erlernen, man che sogar zwei, einige sogar drei neue Berufe, um in dieser neu en Arbeitswelt anzukommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zahl zeigt beeindruckend, was die Basis unserer heutigen Stärke ist: Es sind der Mut, die Ausdauer und das Durchsetzungsvermögen der Menschen hier in unserem Land.
Schon in den ersten 15 Jahren wurde unter teilweise schwie rigen Bedingungen Großes geleistet. In diesen Jahren wurde der Grundstein für das starke Wirtschaftsland gelegt, das wir heute sind. Endgültig geplatzt aber ist der Knoten seit etwa einem Jahrzehnt. Seitdem hat unser Wirtschaftsstandort nicht nur regelmäßig Preise erlangt, sondern er hat sich über alle Maßen dynamisch entwickelt. Die Wirtschaft hat sich auch als robust erwiesen, als eine Finanz- und Wirtschaftskrise tobte, und die Arbeitslosigkeit konnte in den letzten Jahren von knapp 20 % auf weit unter 10 % gesenkt werden. Genau darum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht darum, dass wir Wohlstand erwirtschaften, und es geht darum, Men schen in gute Arbeit zu bringen und sie an diesem erwirtschaf teten Wohlstand angemessen teilhaben zu lassen.
Der Kreis schließt sich mit Beginn dieses Jahres mit der Ein führung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Ost und West. Auch dafür hat Brandenburg lange gekämpft. Wir haben
besonders darum gekämpft, dass Ostdeutschland nicht zu einem Billiglohnland wird. Auch dieser gesetzliche Mindest lohn trägt heute schon maßgeblich dazu bei, dass das Leben in unserem Land ein besseres Leben geworden ist.
In den 90er-Jahren sind wir oft als „die kleine DDR“ verspottet worden, Brandenburg, die kleine DDR, die ein gut ausgebautes Kita-Netz hatte - damals sehr umstritten, vor allen Dingen in den westlichen Teilen der Bundesrepublik -, Brandenburg, das Land, das sich sehr für den Erhalt der Polikliniken eingesetzt hat - heute sind Ärztezentren in Krankenhäusern das Normalste der Welt, damals war das für viele Mediziner sozusagen ein Ta bubruch.
Regine Hildebrandt hat diese Diskussion an vorderster Stelle geführt. Regine Hildebrandt hat der Arbeitsmarkt- und Sozial politik einen anderen Anstrich verpasst, als viele Traditiona listen im Westen das gern gesehen hätten.
Sie hat als Erste klargemacht, dass wir keine und keinen verges sen dürfen. Sie hat dafür gesorgt, dass denen geholfen wird, die in Not sind. Regine Hildebrandt, meine sehr verehrten Damen und Herren - darauf können wir alle gemeinsam stolz sein -, war eine aus diesem Haus. Sie war eine von uns, und sie bleibt in unseren Herzen.
Sie hat definiert, was wir unter guter Sozialpolitik verstehen wollen. Ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger haben in ihrem Geiste Politik gestaltet. Vor allem jedoch: Sie hat sich auch et was getraut, und Risikobereitschaft, meine sehr verehrten Da men und Herren, passte auch sonst zu einem Land, das erst noch aus den Startlöchern herausmusste. Ja, wir haben oftmals das Risiko gewählt, im Sinne wirtschaftlicher Entwicklung, in der Hoffnung auf Arbeitsplätze in unserer Heimat, und meist sind wir belohnt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir an dieser Stelle aber auch einige Worte zu unserem größten Infra strukturprojekt, das in den letzten Tagen wieder die Schlagzei len dominiert hat.
Erstens: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Geschäftsfüh rung des Flughafens BER auf dem richtigen Kurs ist.
Zweitens: Ich bin ebenfalls fest davon überzeugt, dass poli tischer Druck zur Einhaltung von Eröffnungsterminen falsch ist, und ich gehe davon aus, dass der von der Geschäftsführung genannte Termin eingehalten werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Einschub war, glaube ich, nötig, weil er zeigt, dass wir nicht nur in den vergangenen Jahrzehnten Schwierigkeiten und Probleme hat ten. Es gibt viele Dinge, an denen sich die gute Entwicklung unseres Landes ablesen lässt. Wenn ich aber gefragt werde,
was der Charakter dieses Landes ist, sage ich: Schaut auf die Brandenburgerinnen und Brandenburger, und schaut vor allen Dingen darauf, wie sie mit der derzeitigen Flüchtlingssituation hier in unserem Land umgehen. - Nicht nur Städte und Infra struktur, nicht nur Wirtschaft und Arbeitsmarkt, nicht nur Natur und Landschaft haben in den letzten 25 Jahren gewonnen, nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die eigentliche Ge winnerin ist unsere Gesellschaft.
Wir Brandenburgerinnen und Brandenburger haben gelernt, dass Freiheit immer auch Verantwortung bedeuten muss. Viele von uns hatten jahrzehntelange staatliche Bevormundung in der DDR hinter sich, aber wir haben uns in den letzten 25 Jah ren als Gesellschaft neu erfunden. Es ist genau das entstanden, was man eine starke Zivilgesellschaft nennt, und diese starke Zivilgesellschaft - das freut mich ohne Ende - zeigt sich in die sen Tagen von ihrer besten Seite.
Mittlerweile gibt es gut 100 Willkommensinitiativen in Bran denburg. Es gibt Demonstrationen für Toleranz, es gibt Runde Tische für Integration, es gibt ungemein engagierte Kirchenge meinden und Sportvereine. Es gibt jede Menge guter Ideen und Projekte im ganzen Land Brandenburg. Dennoch, die Hände in den Schoß legen können wir nicht. Staat und Gesellschaft müs sen weiter klare Kante zeigen. Und das tun wir. Es gilt das Prinzip „Null Toleranz gegen Rechtsextremismus und Frem denhass“.