Mittlerweile gibt es gut 100 Willkommensinitiativen in Bran denburg. Es gibt Demonstrationen für Toleranz, es gibt Runde Tische für Integration, es gibt ungemein engagierte Kirchenge meinden und Sportvereine. Es gibt jede Menge guter Ideen und Projekte im ganzen Land Brandenburg. Dennoch, die Hände in den Schoß legen können wir nicht. Staat und Gesellschaft müs sen weiter klare Kante zeigen. Und das tun wir. Es gilt das Prinzip „Null Toleranz gegen Rechtsextremismus und Frem denhass“.
Dafür steht diese Landesregierung, und dafür steht unsere Brandenburger Zivilgesellschaft. Überall, wo rechtsextreme Aktivitäten bekannt werden, zeigt das demokratische Branden burg Flagge. Darauf, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir stolz sein,
auch, weil hier jahrelange Arbeit an der Basis Früchte trägt, et wa durch unser Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“.
Klare Kante gegen rechts heißt aber nicht, die aktuelle Situati on schönzufärben. Die Herausforderung durch die nicht abrei ßende Flüchtlingswanderung ist gewaltig und die Lage auch für Brandenburg dramatisch. Deshalb sage ich ganz deutlich: Wir werden diese Herausforderung nicht weglächeln, sondern wir sollten Probleme erkennen und benennen. Nur dann kön nen wir daran arbeiten, nur dann können wir das Beste aus der Situation machen - im Sinne der Flüchtlinge, die unsere Hilfe brauchen, und auch im Sinne unseres Landes.
Mittlerweile erwartet das Bundesamt für Migration und Flücht linge deutschlandweit 800 000 Asylsuchende allein für dieses Jahr. Kurzfristig heißt das für uns vor allem, dass wir Kapazi täten der Erstaufnahme stärker erweitern, als wir im Rahmen
der Haushaltsgesetzgebung beschlossen hatten. Denn eins steht fest: Kein Flüchtling, der in Brandenburg ankommt, darf auf der Straße landen.
Sie wissen: Nicht nur unsere Zentrale Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt ist seit Wochen am Limit. Mein Lob und Re spekt und mein großer Dank gilt daher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Aufnahmeeinrichtungen.
Ihre Arbeit ist wichtig, derzeit ganz besonders. Das Gleiche gilt für Hilfsorganisationen, Polizei, Bundeswehr, den BLB, die Wohnungsunternehmen, die Landkreise, Kommunen und die zahlreichen Tausenden freiwilligen Helfer. Sie alle sind einge spannt, sie alle leisten Großes, häufig an der Grenze der Belast barkeit.
Wenn man sieht, was auf vielen Bahnhöfen, auf dem Weg in die Erstaufnahmelager der Länder und auch in Eisenhütten stadt passiert, dann weiß man: Deutschland ist in einer Ausnah mesituation, und auch Brandenburg ist in einer Ausnahmesitu ation. Dieser Zustand, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf nicht zur neuen Normalität werden. Wir müssen dringend wieder zu einem geordneten Verfahren zurückkehren,
Ich sage ganz ausdrücklich: Deutschland muss seiner Verant wortung gegenüber diesen Menschen, die auf der Flucht vor Bürgerkrieg und Verfolgung sind, gerecht werden. Ich bin stolz darauf, dass wir ein offenes und humanistisches Land sind.
Aber ich sage auch: Deutschland wird diese Verantwortung nicht allein tragen können. Es kann nicht sein, dass wir in der Europäischen Union weiter über Kontingente diskutieren. Gestern Abend ist ein erster Schritt gemacht worden, aber es müs sen dringend weitere folgen. Wir brauchen ein übergreifendes und verbindliches europäisches Regelwerk, und dazu gehört ein gerechter Verteilungsmechanismus.
Auch wenn die Einführung von Grenzkontrollen an der Grenze zu Österreich umstritten ist, halte ich sie aktuell für richtig. Es kann hier nicht darum gehen - damit wir uns da nicht missver stehen -, Europa abzuriegeln. Das wäre zutiefst unmenschlich, und das ginge gegen jede politische Überzeugung, für die ich stehe.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen auch die Dynamik unter Kontrolle bringen, und wir müssen eu ropaweit zu einem geordneten Verfahren zurückkehren. Sonst -
das muss man auch klar sagen - sind alle Beteiligten langsam aber sicher überfordert. Das muss vor allen Dingen die Bun desregierung unseren europäischen Partnern klarmachen. Aber sie ist auch hier in Deutschland in der Pflicht. Denn was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung für das, was die Bundesregierung immer wieder gesagt hat: Wir stehen vor einer nationalen Herausforderung.
Meine Haltung ist klar: Der Bund darf Länder und Kommunen nicht länger alleine auf den Lasten der Flüchtlingsunterbrin gung sitzen lassen.
Was aus Berlin an Unterstützung kommt, gerade auch finanzi eller Natur, ist noch immer viel zu wenig. Morgen werden wir in Berlin ein weiteres Gespräch dazu mit der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin haben, und ich werde Ihnen am Frei tag hier an dieser Stelle ganz aktuell berichten.
Dazu kommt ein weiteres Problem, das noch immer nicht ge löst ist, auch wenn jetzt ein neuer Chef beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Herr Weise, ernannt worden ist: Wir müssen die Bearbeitungsdauer von Asylanträgen dringend verkürzen. Das ist wichtig für die Menschen, die Asyl beantra gen.
Klar ist: Unabhängig von dem, was in Berlin oder Brüssel pas siert, wir müssen in Brandenburg jederzeit imstande sein, schnell und koordiniert zu handeln. Wir haben deshalb ein Asylkabinett ins Leben gerufen, und wir haben im Innenministerium einen Koordinierungsstab eingerichtet, der seitdem auf Hochtouren arbeitet. Wir haben auch einen regelmäßigen Dia logprozess mit Kommunen und Zivilgesellschaft in Gang ge setzt, und wir werden ihn fortführen.
Doch es geht längst nicht nur um Koordinierung. Es geht vor allem um schnelle und unbürokratische Hilfe. Zwei Dinge sind mir da besonders wichtig:
Erstens: Wir unterstützen die Kommunen bei der dauerhaften Bereitstellung von ausreichendem Wohnraum durch rechtliche Vereinfachung, aber auch durch Fördermittel. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau erhöhen wir von 40 auf 70 Millio nen Euro, um vor allem im Berliner Umland, wo wir schon heute eine angespannte Wohnungssituation haben, mehr be zahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen.
Zweitens: Wir unterstützen die zivile Willkommenskultur und Integrationshilfe. Wir werden unseren Fonds zur Unterstützung der Willkommensinitiativen weiter aufstocken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Brandenburg steht vor einer kolossalen Aufgabe. Jeden Tag kommen neue Men schen aus anderen Kulturkreisen zu uns. Viele von ihnen sind traumatisiert. Es gibt Sprachbarrieren, und es gibt noch andere Integrationshürden. Mancher wird sicher auch darunter sein, dem die Integration schwerer fallen wird als anderen.
Ja, es gibt auch Probleme. Und auch in Zukunft wird vielleicht nicht alles sofort reibungslos funktionieren. Eine rosa Brille wäre hier also fehl am Platz.
Wir dürfen Integrationsbereitschaft einfordern. Aber es ist unsere Pflicht, Integration auch zu ermöglichen - aus huma nistischer Überzeugung, aber vor allen Dingen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in unserem eigenen Inte resse.
Deshalb werden wir Geld in die Integration von Flüchtlingen investieren müssen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die wichtigste Investition in die Zukunft. So können wir in Zukunft nicht nur ins Portmonee schauen, sondern wir können auch in den Spiegel schauen.
Seit Jahren diskutieren wir hier an dieser Stelle den demo grafischen Wandel. Wir diskutieren die Schwierigkeiten bei der Fachkräftesicherung und viele andere Herausforde rungen für unser Land. Einwanderung, aber vor allem erfolg reiche Integration können uns helfen, beide Herausforde rungen in Zukunft besser zu meistern. Deshalb werden und dürfen wir eines nicht aus den Augen verlieren: Flüchtlinge und Asylbewerber gehören mitten in unsere Gesellschaft. Sie gehören in unsere Städte und Dörfer, Tür an Tür mit Bran denburgerinnen und Brandenburgern. Sie gehören auf die Nachbarschaftsfeste und in die Sportvereine. So werden Grenzen abgebaut, so werden Vorurteile überwunden. So kann Integration am besten gelingen, und daran müssen wir gemeinsam arbeiten.
Nein, es kommen nicht nur syrische Ärzte nach Brandenburg. Aber es kommen Menschen, die hochmotiviert sind, die moti viert sind, in unserem Land Fuß zu fassen, Menschen, die viel leicht heute noch keinen hohen Bildungsstand haben, aber ge willt sind, sich zu bilden und in diesem Land eine Rolle zu spielen. Also noch einmal: Was jetzt zählt, ist Integration, Inte gration und Integration.
Vor diesem Hintergrund arbeiten wir in der Landesregierung derzeitig an einer Novelle des Landesaufnahmegesetzes. Das Ziel lautet kurz gefasst: mehr Personal und mehr Geld für eine dauerhafte und erfolgreiche Integration.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird keine Auf gabe für die nächsten Monate sein, es wird eine Aufgabe für die nächsten Jahre und vielleicht sogar für die nächsten Jahr zehnte sein. Vor zwei Jahren waren es noch gut 1 100 schul pflichtige Kinder, die wir in unsere Schulen eingegliedert ha ben, in diesem Jahr sind es 4 300. Wir müssen deshalb zusätz liche Landesmittel in die entsprechende Beratung von Schulen, aber auch in Fortbildung für Lehrer und Betreuungskräfte flie ßen lassen. Gleichzeitig stellen wir natürlich ausreichend zu sätzliche Lehrer ein, und ich bitte Sie, liebe Pädagoginnen und
Meine Damen und Herren, wir konnten es ja heute Vormittag erleben: Auch in Brandenburg gibt es Ängste und Vorurteile. Auch in Brandenburg gibt es Übergriffe und Anschläge. Aber es gibt in Brandenburg eben auch eine übergroße Mehrheit der Anständigen und der Tüchtigen.
Diese Anständigen und Tüchtigen haben Brandenburg aufge baut. Auch sie üben hier und da Kritik, und das ist auch wich tig. Und doch haben sie einen klaren moralischen Kompass. Sie haben Selbstvertrauen, weil sie gelernt haben, Herausfor derungen zu meistern, und ich glaube, Sie werden mir in einem zustimmen: Wir lassen uns das, was wir hier aufgebaut haben, nicht kaputtmachen - wir lassen es uns nicht kaputtmachen von rechten Einfaltspinseln, wir lassen es uns nicht kaputtmachen von den Feinden dieser Gesellschaft und nicht von Rechtster roristen.