Protocol of the Session on February 27, 2013

Kalte Progression - ich gehe jetzt einmal tatsächlich auf den Antrag ein und erläutere auch unsere Position - ist die Bezeichnung für eine Steuermehrbelastung, die dann eintritt, wenn Lohnsteigerungen lediglich einen Inflationsausgleich bewirken und die Einkommensteuersätze nicht der Inflationsrate angepasst werden. Das ist so weit auch unbestritten und Konsens. Ohne Gegenmaßnahmen - Peer Jürgens hat schon darauf hingewiesen, dass sie stattgefunden haben, wie nämlich die Anhebung des Grundfreibetrages 2013 oder die Anpassung der Steuersätze 2010 -, ohne solche Gegenmaßnahmen führt die kalte Progression in der Tat zu einer relativen Mehrbelastung der niedrigen und mittleren Einkommen. Das hat aber eben nicht stattgefunden.

Das Durchschnittseinkommen liegt bei uns bei 30 000 Euro im Jahr. Für die Jahre 2011 bis 2014 hat die kalte Progression ohne Berücksichtigung der Anhebung des Grundfreibetrags zu einer Mehrbelastung von 450 Euro in drei Jahren geführt, sowohl für die Einkommensgruppe bis 20 000 als auch für die Einkommensgruppe bis 30 000 Euro. Der Unterschied ist: Bei 20 000 Euro macht es 5 % der Steuerlast aus, bei 30 000 Euro 2,5 % der Steuerzahlungen. Bei einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro sinkt die Belastung auf unter 1 %. Das sind in der Tat merkwürdige Effekte. Aber sie sind nicht so gravierend, dass man jetzt kontinuierlich jedes Jahr die kalte Progression dämpfen müsste.

Was man aber schon noch sehen muss, ist, jenseits der Effekte auf der Steuerzahlerseite, dass es Einnahmeverluste gibt - das ist angesprochen worden -, wenn der Abbau der kalten Progres

sion ohne Kompensation an anderer Stelle erfolgt. Der Abbau der kalten Progression würde allein bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums bundesweit über 17 Milliarden Euro Mindereinnahmen für den Staat - Bund, Länder und Gemeinden - bedeuten. Heruntergerechnet auf Brandenburg würde gemäß Steuerschätzung ein Betrag in dreistelliger Millionenhöhe fehlen.

Die resultierenden Mindereinnahmen der Länder würden also zu einem großen Teil zur Entlastung der Besserverdienenden führen und weitaus weniger der kleinen und mittleren Einkommen, wie es die FDP gern vorgibt. Ginge es der FDP tatsächlich um einen Inflationsausgleich, dann müsste sie mit gleicher Vehemenz beispielsweise die Anpassung des Hartz-IV-Regelsatzes fordern. Davon würden Menschen profitieren, die das Geld besonders nötig haben. Das würden wir auch ausdrücklich unterstützen.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt DIE LINKE)

Dennoch: Das spricht nicht gegen Maßnahmen zur Dämpfung der kalten Progression. Allerdings muss gelten: Wenn Ungerechtigkeiten im Einkommenssteuerrecht beseitigt werden sollen, braucht der Staat an anderer Stelle einen Ausgleich.

Aber was bedeutet der Vorschlag der FDP eigentlich konkret? Wie hoch müsste denn der Spitzensteuersatz sein, wenn man die kalte Progression ausgleichen wollte? Das Finanzministerium Schleswig-Holstein, wo die FDP übrigens im Januar dieses Jahres genau dieselbe Debatte initiiert hat, hat ausgerechnet, dass der Spitzensteuersatz im Ausgleich zu einem regelmäßigen Abbau der kalten Progression 2014 auf 47 % und 2015 bereits auf 53 % ansteigen müsste. Ist das die Steuerpolitik der FDP? Ein Spitzensteuersatz von 53 %? Aber nein. Von einem Ausgleich innerhalb des Steuersystems ist in dem Antrag überhaupt nicht die Rede. Zahlen sollen es am Ende diejenigen, die mangels eigenen Einkommens auch keine Einkommensteuer bezahlen und für die der Staat dann auch weniger Transferleistungen zur Verfügung hat. Leiden werden im Endeffekt die Menschen, die am meisten von einem starken Staat profitieren, und Länder und Kommunen, die beim Schuldenabbau vor neue Hürden gestellt werden. Übrigens, Schuldenabbau ist auch eine Forderung der FDP, die wir ausdrücklich unterstützen.

Der Vorschlag der FDP stellt daher mitnichten einen Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzpolitik dar. Aus Sicht der Grünen gehören die Verteilungswirkungen des Steuersystems insgesamt auf den Prüfstand. Für echte Verteilungseffekte und eine konjunkturankurbelnde Steuerpolitik, so diese nötig ist, muss vor allem beim Niedriglohnsektor nachgebessert werden. Der Abbau der kalten Progression kann für uns dazu gehören, jedoch nicht isoliert und ohne Gegenfinanzierung.

Deswegen: Der Antrag der FDP fällt bei zwei zentralen Kriterien durch: der ungerechten Verteilungswirkung und den durchschlagenden negativen Effekten für die öffentlichen Haushalte. Aus diesem Grund müssen wir den FDP-Antrag leider ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen mit dem

Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Görke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Vogdt, Sie fordern eine Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg zum Abbau der kalten Progression. Das Land Brandenburg hat bereits eine entsprechende Initiative ergriffen, die sich im Bundesratsverfahren befindet. Wir wollen durch Veränderung der Tarife und Abflachung der Steuerkurve die mittleren und die unteren Einkommensbereiche entlasten. Insofern ist Ihr Antrag nicht nur überflüssig. Er ist auch entbehrlich,

(Frau Vogdt [FDP]: Das ist dasselbe!)

weil er in keiner Weise die Gegenfinanzierung thematisiert. Zumindest drei Fraktionen - die der Koalition und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - sind darauf eingegangen. Insofern würde ich mich jetzt nur wiederholen.

Die Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg ist darauf ausgerichtet - a) -, das Ziel des Abbaus der kalten Progression zu erreichen und - b) - auch die Gegenfinanzierung im Bundesrat zu thematisieren. Die Landesregierung ist der Meinung, dass die aus dem Abbau resultierenden Steuermindereinnahmen durch eine stärkere Belastung von hohen und von Spitzeneinkommen gegenfinanziert werden müssen. Das ist nicht nur eine strukturell und langfristig wirkende, sondern auch eine gerechte Lösung. Deshalb setzt sich die Landesregierung für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ein. Sie prüft die Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie die Einführung der Finanztransaktionsteuer.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Nonnema- cher [B90/GRÜNE])

Das ist das, was zu diesem Antrag zu sagen ist. Insofern empfehle ich Ihnen, den Antrag zurückzuziehen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und des Abgeordneten Vogel [B90/GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Minister Görke. - Das Wort erhält noch einmal Frau Vogdt für die einbringende Fraktion.

Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stellen die Anträge, die wir stellen möchten, und wir ziehen Anträge zurück oder erhalten sie aufrecht, wie wir das möchten.

Es ist richtig, dass wir nicht zum ersten Mal über die kalte Progression sprechen. Aber schon die alten Römer wussten: Die Wiederholung ist die Mutter allen Lernens.

(Minister Dr. Markov: Das hat Lenin auch gesagt!)

Deswegen haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben.

Es war mir schon im Vorhinein klar, dass die Argumentation kommen würde, die wir dann hier gehört haben. Wer sich rühmt, Schulden zurückgezahlt zu haben, ohne die Ausgaben überprüft zu haben, und sich nur auf das Wirtschaftswachstum, das Ergebnis der Politik der alten Bundesregierung ist, verlässt, der ist auf das Abzocken der Steuerzahler angewiesen. - Danke.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Vogdt. - Wir sind am Ende der Aussprache angelangt und kommen nunmehr zur Abstimmung. Ihnen liegt in der Drucksache 5/9176 der Antrag der FDPFraktion unter dem Titel „Die Bundesregierung soll heimliche Steuererhöhungen umgehend zurücknehmen: Steuerzahler durch Abbau der kalten Progression entlasten - Leistungsgerechtigkeit für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen wiederherstellen!“ vor. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Stimmenthaltungen? - Bei einer deutlichen Anzahl von Stimmenthaltungen ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser im Land Brandenburg stärken

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP

Drucksache 5/9233

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter Büttner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auf Initiative der FDP-Fraktion hat sich der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie am 7. Mai mit dem Thema Mehrgenerationenhäuser beschäftigt. Hintergrund waren das Auslaufen des vom Bund initiierten Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser II zum Ende dieses Jahres und die von der Bundesregierung angekündigte Fortführung des Programms.

Im Rahmen eines Fachgesprächs sind wir mit Vertretern mehrerer Mehrgenerationenhäuser im Land Brandenburg, unter anderem des Hauses der Familie in Guben sowie der Landesarbeitsgemeinschaft Mehrgenerationenhäuser Brandenburg, über deren Arbeit ins Gespräch gekommen. Uns war es nicht nur wichtig zu erfahren, welche Profile die Häuser haben, sondern wir wollten darüber hinaus einen Eindruck davon gewinnen, wo Bund, Land und Kommunen bei der Ausgestaltung des neuen Programms nachsteuern müssen.

Das Fachgespräch hat viele neue Erkenntnisse gebracht. Ich erinnere mich an die Aussage von Frau Leutert-Glasche vom Gubener Haus der Familie. Sie unterstrich, dass die generationenübergreifende Arbeit in den Häusern per se auch Thema der

Familienbildung sei. Gleichzeitig betonte sie, Generationensolidarität stelle eine soziale Kompetenz dar, die erlernt werden müsse. Dem kann ich nur zustimmen.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Mehrgenerationenhäuser Brandenburg betonte die Scharnierfunktion der Häuser zwischen der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und dem sozialen Bereich. Hervorgehoben wurden die niedrigschwelligen Zugänge zu den Häusern, die es insbesondere älteren Menschen, die zum Teil nur noch über wenige soziale Kontakte verfügen, ermöglichen, neue Bekanntschaften zu knüpfen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Aber: Nicht alles ist gut. Kritisch bewertet wurde die finanzielle Situation der Häuser, da nicht klar sei, wie die Grundfinanzierung nach Auslaufen der Bundesförderung sichergestellt werden könne. Zudem stütze sich die Arbeit der Häuser maßgeblich auf ehrenamtliches Engagement. Dies wiederum, so sehr wir es begrüßen, ist nicht grenzenlos vorhanden, und gerade bei neuen ehrenamtlichen Mitarbeitern bedarf es der Anleitung; diese muss im Zweifel von Festangestellten geleistet werden.

So sinnvoll und wirkungsvoll die Aktionsprogramme Mehrgenerationenhäuser I und II waren, so deutlich hat das Fachgespräch aber auch gemacht, an welchen Stellen mit Blick auf ein mögliches Aktionsprogramm III nachgearbeitet werden sollte. Die künftige Sicherstellung der Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser erfordert nicht nur Engagement des Bundes und der Kommunen. Wir erwarten, dass sich auch das Land Brandenburg in die Finanzierung einbringt. Immerhin profitiert Brandenburg von der Stärkung der sozialräumlichen Infrastruktur in den Landkreisen und Kommunen.

Zudem sind wir auf der Grundlage des Fachgesprächs zu der Erkenntnis gelangt, dass in allen 23 Mehrgenerationenhäusern im Land Brandenburg auch das Thema Familienbildung im Mittelpunkt stehen muss. In vielen Häusern ist dies bereits der Fall. Aufgabe ist es nun, gleich Standards an alle Einrichtungen anzulegen und damit die Qualität der generationenübergreifenden Familienbildung im Land zu verbessern.

Hingewiesen wurde im Fachgespräch auch auf die Notwendigkeit einer stärkeren Vernetzung der Mehrgenerationenhäuser mit den Freiwilligenagenturen. Bemängelt wurde, dass die Freiwilligenagenturen bei der Staatskanzlei angebunden sind, während die Mehrgenerationenhäuser in der Verantwortung von Bund und Gemeinden stehen. Diesen Einwand nehmen wir als FDP und CDU ernst. Wir möchten beide Angebote enger zusammenführen, haben aber bewusst darauf verzichtet, der Landesregierung konkrete Vorgaben zu machen, wie sie die Verknüpfung beider Modelle organisieren möchte.

Nicht zuletzt bieten die Mehrgenerationenhäuser - analog zu den Freiwilligenhäusern - auch Beschäftigungsimpulse. Langzeitarbeitslose Personen können im Rahmen der Arbeit praktische Fähigkeiten erlernen und soziale Kompetenzen schärfen diese Funktion sollten wir im Land noch deutlicher unterstreichen -, und zwar in Zusammenarbeit mit der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcentern in den Landkreisen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass das Erfolgsmodell Mehrgenerationenhäuser im

Land Brandenburg in der bewährten Qualität auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden kann! Unterstützen Sie uns dabei, dass ein wichtiger Anker in der Sozialstruktur vor Ort nicht abreißt, sondern dass die Brandenburgerinnen und Brandenburger auch künftig das Prinzip der Bürgergesellschaft in den Häusern leben können! Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Lehmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Bereits im Jahr 2006 hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser I ins Leben gerufen. Seit 2012 nehmen bundesweit 450 solcher Einrichtungen am laufenden Programm des Bundes teil.

Der Offene Treff ist das Herzstück jedes Mehrgenerationenhauses. Er bietet Menschen aller Altersgruppen den Raum und die Möglichkeit, sich unkompliziert und ungezwungen zu begegnen. Generationsübergreifende Angebote richten sich an Kinder und Jugendliche, an Erwachsene, an die sogenannten jungen Alten, aber auch an Hochbetagte.

Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben Mehrgenerationenhäuser auch ergänzende Betreuungsangebote, beispielsweise Notfall- und Randzeitenbetreuung. Insgesamt hat die erste Förderphase sieben Handlungsfelder für die Arbeit der Mehrgenerationenhäuser in den Fokus gestellt und damit auch die Vielfalt der Häuser und ihrer zahlreichen Aktivitäten verdeutlicht. Grundsätzlich jedoch arbeiten Mehrgenerationenhäuser bedarfsorientiert, bieten also genau das an, was vor Ort benötigt und gewünscht wird.

Mit Beginn des Jahres 2012 begann die zweite Förderphase. Der Bund hat für weitere drei Jahre, bis Ende dieses Jahres, das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser II aufgelegt. Gleichzeitig wurde die inhaltliche Arbeit der Mehrgenerationenhäuser erweitert um solche Themen wie Alter und Pflege, Integration und Bildung, haushaltsnahe Dienstleistungen - um nur einige zu nennen.