Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Allgemeinen werden mit Kirchen und Religionsgemeinschaften nur Glaube und Religion assoziiert. Was und wie viel diese Einrichtungen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft leisten, wie hoch ihr soziales und kulturelles Engagement für die Menschen in unserem Land ist, wird in der öffentlichen Debatte selten in den Blick genommen und angemessen gewürdigt.
In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zum gesellschaftlichen Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften - für die Antwort bedanke ich mich ausdrücklich - wird deutlich, wie groß der Beitrag der Kirchen zum sozialen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens ist.
In der DDR wurde den Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre gesellschaftliche Bedeutung abgesprochen. Mehr noch: Sie wurden in ihrer Arbeit vom DDR-Regime systematisch behindert. In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es:
„Viele Christen wurden in der DDR durch administrative, strafrechtliche und andere Maßnahmen verfolgt und drangsaliert. Insbesondere die berufliche und akademische Entfaltung gläubiger Menschen wurde behindert.“
Ja, das habe ich selbst erlebt, als mir gesagt wurde, dass ich als sozialistische Lehrerin nicht mehr tragbar sei, wenn meine Tochter nicht zur Jugendweihe gehe, obwohl diese offiziell freiwillig war.
Für viele Menschen, die das System der DDR abgelehnt haben, wurden die Kirchen zu Zufluchtsstätten. Häufig waren sie der einzige Ort außerhalb der Privatsphäre, der diesen Menschen Raum für den freien Meinungsaustausch bot.
Denn es waren die Kirchen, insbesondere die evangelische Kirche, die bei Gebeten vor den Montagsdemonstrationen geradezu gebetsmühlenartig zum Gewaltverzicht aufgerufen haben. Dafür bin ich außerordentlich dankbar.
Aber nicht nur in der Vergangenheit war das Wirken der Kirchen und Religionsgemeinschaften von großer Bedeutung für unser Land. Die soziale und kulturelle Wertschöpfung, die sie heute für unser Land leisten, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Ich denke dabei insbesondere an die vielfältigen Leistungen in der Behindertenhilfe, der Krankenpflege, der Familien- und Altenhilfe, der Suchthilfe und der Hospizarbeit. Über 100 stationäre Pflegeeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft und 52 ambulante Pflegedienste kümmern sich um Pflegebedürftige und ihre Familien in Brandenburg. Mit 126 Einrichtungen stehen sie Menschen mit Behinderung zur Seite. In zahlreichen Sozialberatungsstellen unterstützen sie Menschen
in schwierigen Lebenslagen mit einem breitgefächerten Angebot, das von Schwangerschaftsberatung über Ehe- und Partnerschaftsberatung bis hin zu Schuldner- und Insolvenzberatung reicht. Nicht zu vergessen sind die umfangreichen Angebote in der Notfallseelsorge und die Unterstützungsangebote für straffällig gewordene, haftentlassene oder obdachlose Menschen.
All das sind wichtige Bereiche, mit denen die Kirchen und Religionsgemeinschaften den Menschen in Brandenburg Lebenshilfe leisten.
Dabei sind die vielfältigen, häufig ehrenamtlichen Angebote noch gar nicht berücksichtigt oder erfasst.
Ihre Leistungen beschränken sich dabei nicht auf die soziale Integration von Menschen, sondern äußern sich auch in einem breiten kulturellen Engagement, das unsere Kulturlandschaft auf vielfältige Art bereichert. Unzählige Lesungen, Ausstellungen, Musik- und Kunstprojekte wurden in der Kooperation von Kirchengemeinden und Kulturvereinen entwickelt und haben in den Städten und Dörfern ihren festen Platz. Zahlreiche Konzerte und Theateraufführungen, öffentliche Vorträge und Diskussionen lassen die Menschen in ihren Regionen zusammenkommen, um gemeinsam Kultur und Tradition zu pflegen. All dies ist Zeugnis der Ankerfunktion der Kirchen und Religionsgemeinschaften in unseren Kommunen.
Dass zunehmend mehr Menschen die vielfältigen Angebote der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu schätzen wissen, zeigt sich auch in der Wahrnehmung der Bildungsangebote. Nahmen im Jahr 2006 die Eltern von etwa 8 300 Kindern ein kirchliches Angebot wahr, so wurden im Jahr 2013 schon 13 500 Kinder in kirchlichen Kindertagesstätten betreut. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Schulen in kirchlicher Trägerschaft: Wurden im Jahr 2007 etwa 7 800 Schüler in diesen Einrichtungen unterrichtet, waren es im Jahr 2012 schon 11 100 Schüler.
Für mehr als eine halbe Million Brandenburger haben Kirchen und Religionsgemeinschaften einen festen Platz in ihrem Leben. Mit ihren sozialen und kulturellen Angeboten stehen Kirchen und Religionsgemeinschaften allen Menschen offen und schaffen damit die Basis für einen Dialog zwischen Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen und Weltanschauungen. Dafür gebührt ihnen unser aller Wertschätzung. - Danke für die Aufmerksamkeit
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der CDU ausgesprochen dankbar für diese Große Anfrage, weil es auch mir ein großes Anliegen ist, den Kirchen Wertschätzung für das große Engagement, das sie hier in Brandenburg leisten, auszusprechen. Lernt Gutes tun, sorgt für Gerechtigkeit, helft den Unterdrückten - dieser Bibelvers Jesaja 1 Vers 17
könnte auch über dieser Großen Anfrage stehen, denn damit ist, glaube ich, einmal mehr das große gesellschaftliche Engagement der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Brandenburg beschrieben.
Mit mindestens 500 000 Personen gehören in Brandenburg mehr als 20 % der Bevölkerung einer Kirche oder Religionsgemeinschaft an. Davon entfallen etwa 413 000, die meisten, auf die vier evangelischen Landeskirchen, ca. 80 000 Menschen sind der katholischen Kirche zugehörig. Und auch das jüdische Leben kehrt Gott sei Dank nach Brandenburg zurück, wir haben inzwischen neun Gemeinden.
Zum sozialen Engagement, Frau Blechinger, haben Sie schon ausführlich gesprochen. Ich will noch einmal auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen eingehen. Im Grundgesetz Artikel 4 und in der Landesverfassung Artikel 36 bis 38 hat das Land Brandenburg seine Beziehungen zu den Kirchen in einzelnen Staatsverträgen und Vereinbarungen geregelt. Wie sehr das Land bemüht ist, diese Beziehungen mit Leben zu erfüllen, zeigt die erst unlängst geschlossene Vereinbarung zur universitären Rabbiner- und Kantorenausbildung. Mit der Eröffnung der School of Jewish Theology wurde die jüdisch-theologische Ausbildung erstmals den christlichen Theologien und den islamischen Studien gleichgestellt.
Zu den Bemühungen des Landes zählen aber auch die Bestrebungen, die Beziehungen mit den Kirchen langfristig rechtlich zu ordnen. So sind mit dem Nachtragshaushalt 2014 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von über 22 Millionen Euro eingestellt worden, um das sogenannte Kirchenpatronat im Raum Ziesar und Elbe-Elster abzulösen. Damit ist ein alter Zopf abgeschnitten und sind die rechtlich umstrittenen Pflichten einvernehmlich und abschließend geregelt worden. Mit der Vereinbarung wird zugleich ein großer Beitrag für die Erhaltung von historisch wertvollen kirchlichen Gebäuden geleistet.
Ungeachtet all dessen scheint mir der gesellschaftliche Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften vor allem aber im Engagement vor Ort zu bestehen, so zum Beispiel mit der Einladung zum lebendigen Gebrauch von Kirchengebäuden als Versammlungsort, insbesondere in den kleinen Dörfern. Dazu gibt es eine Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz unter dem Titel „Kirchen - Häuser Gottes für die Menschen“. Zu nennen ist auch der kulturelle Beitrag von Kirchenchören, Instrumentalkreisen, des Orgelsommers oder der Musik in Dorfkirchen. Die kirchlichen Gemeinden sind lebendiger Bestandteil der örtlichen Gemeinschaft.
Meine Damen und Herren, ich will unbedingt noch auf ein ganz wichtiges Jubiläum eingehen, das wir 2017 alle miteinander begehen werden, das ist das Reformationsjubiläum. Die Reformation ist das zentrale Ereignis in der Geschichte der christlich geprägten Welt und Auslöser für vielfältige religiöse, politische, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen. Auch hier arbeitet das Land Brandenburg mit den Kirchen gemeinsam, und auch andere tragen dazu bei, auch die Städte mit historischen Stadtkernen sind beteiligt und leisten einen ganz wichtigen Beitrag zur Verbindung dessen, was Reformation hier in Brandenburg ausgelöst hat und was unser tägliches Leben bis heute bestimmt.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir sehr, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften auch in Zukunft ihren großen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten können. Wir wollen einander auf Augenhöhe begegnen, einander achten und in gegenseitigem Respekt voreinander voneinander lernen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank zunächst an die CDU-Fraktion für die Große Anfrage zur Bedeutung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Land Brandenburg. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sind wichtige Institutionen in unserem Land, und wir als Liberale bekennen uns zur weltanschaulichen Neutralität des Staates. Aber wir halten eben auch am Kooperationsprinzip fest, nach dem Staat und Religionsgemeinschaften eigenständig und zugleich im Sinne des Gemeinwohls aufeinander bezogen sind.
Die Freiheit, einen religiösen Glauben zu leben und öffentlich zu bekennen - oder eben nicht -, gehört zu den Grundsätzen einer liberalen Politik.
Die Kirchen leisten nicht nur im privaten Bereich für jeden einzelnen Menschen sein persönliches Glaubensgerüst, welches aber nicht Gegenstand von Diskussionen in einem Plenum sein kann. Sie leisten insbesondere im sozialen und karitativen Bereich Erhebliches für unsere Gesellschaft.
Da vieles zu diesem Thema schon gesagt wurde, will ich mich auf drei Punkte beschränken. Insbesondere im Bereich der Kitas und der Schulen leisten die Kirchen, insbesondere natürlich auch aufgrund der Größe der evangelischen Kirche in BerlinBrandenburg, Erhebliches. Etwa 10 % aller brandenburgischen Kitas sind in Trägerschaft des Diakonischen Werkes und sonstiger der EKD angeschlossener Träger sowie in Trägerschaft der Caritas oder sonstiger katholischer Träger. Über 13 000 Kinder besuchen Kitas in kirchlicher Trägerschaft.
Allein diese Zahlen zeigen, welchen Beitrag die Kirchen für die Entwicklung unserer Kinder in diesem Bereich leisten. Aber kommunale und private Träger haben vielfach unterschiedliche Finanzierungsbedingungen, je nach Landkreis, die teilweise sehr erheblich unterschiedlich sind. Dies, meine Damen und Herren, wird den Leistungen dieser Träger nicht gerecht. Deswegen müssen Kitas gleichwertig unabhängig von der Trägerschaft finanziert werden.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Schulen in freier Trägerschaft, in der Trägerschaft der Kirchen bzw. kirchlicher Stiftungen. 52 Schulen befinden sich in solchen Trägerschaften mit über 11 000 Schülerinnen und Schülern. Natürlich eindeutig hervorzuheben ist hier die Schulstiftung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit ih
rer hervorragenden Arbeit. Hier gilt in der Finanzierung Gleiches wie eben gesagt. Wir haben in den vergangenen Jahren in dieser Legislaturperiode erheblich über die künftige Finanzierung von Schulen in freier Trägerschaft diskutiert, und ein entsprechendes Normenkontrollverfahren ist beim Landesverfassungsgericht noch anhängig. Mit diesen Kürzungen hat man eben auch den kirchlichen Trägern das Leben schwer gemacht, wie man auch erst kürzlich vom Bischoff der evangelischen Kirche noch einmal mit deutlichen Worten in Richtung Bildungsministerium hören konnte.
Diese Maßnahmen tragen eben nicht dazu bei, der wichtigen Arbeit der Kirchen in unserem Land gerecht zu werden.
Meine Damen und Herren, in der Pflege zeichnet sich ein sehr ähnliches Bild. Ohne die Pflegeeinrichtungen der Kirchen in unserem Land hätten wir ein deutlich größeres Problem in der pflegerischen Versorgung unserer Bevölkerung. Für die Arbeit der Kirchen mit den Menschen für die Menschen in jeder Lebenslage sei den Kirchen an dieser Stelle Dank gesagt.
Der kulturelle Beitrag der Kirchen in unserem Land ist ebenfalls ganz enorm. Wir alle wissen, dass der bauliche Zustand der Kirchen nach der politischen Wende in der DDR und damit auch auf dem Gebiet unseres Bundeslandes katastrophal war. In den letzten 24 Jahren ist erheblich - auch seitens des Landes investiert worden, insbesondere in den Erhalt der Dorfkirchen. Aber wir alle wissen: Hier ist noch einiges zu tun.
Kirchen sind vielfach Einrichtungen für kulturelle Veranstaltungen in unseren Gemeinden, insbesondere im ländlichen Raum, eben gerade auch in den kleinen Orten, wo sonst nur wenige kulturelle Veranstaltungen stattfinden.
Ich kenne den Zustand der Kirchen, insbesondere auch den unschätzbar wertvollen Orgelbestand in unseren Kirchen, sehr genau, da ich viel in den Kirchen eben selbige Orgeln spiele. Hier gibt es einen erheblichen Nachholbedarf. Ich sehe mit Sorge, dass, je länger die Zeit voranschreitet und weil aufgrund finanzieller Rahmenbedingungen zu wenig passiert, dieser wertvolle Kulturbestand weiter zerstört wird.