Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluss des Landtages aus dem Jahr 2011 hat die Landesregierung verpflichtet, eine Evaluation vorzulegen. Der Bericht liegt Ihnen vor, die Stellungnahme dazu auch.
Zu welchen Ergebnissen ist der Evaluator gekommen? Erstens: Die Auftraggeber kommen der Verpflichtung zur zivilvertraglichen Vereinbarung über die Einhaltung der Mindestlohnvorgaben nach. Zweitens: Befürchtungen, dass KMU sich weniger an Vergabeverfahren beteiligen, haben sich nach dieser Untersuchung nicht bestätigt. Es gibt den Wunsch, das Vergabegesetz einfacher zu fassen. Kritisiert wird die Aufteilung des Landesvergaberechts auf verschiedene Regelungswerke, und es wird eine Vereinheitlichung gewünscht.
Meine Damen und Herren! Es ist eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet worden, auf die ich gleich eingehe. Zunächst aber muss eines eindeutig gesagt werden - wir haben bereits mehrfach Debatten darüber geführt -: Da eine Regelung für einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn - hoffentlich - kurz vor der Verabschiedung steht, müssen wir davon ausgehen, dass das Auswirkungen auf unser Vergabegesetz haben wird. Wenn das Regelwerk auf Bundesebene vorliegt, wird zu prüfen sein, ob und wenn ja, inwieweit das Vergabegesetz des Landes Brandenburg durch das Bundesgesetz betroffen ist. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt: Sie wissen sicherlich, dass eine Vergaberechtsregelung aus Nordrhein-Westfalen dem EuGH zur Begutachtung vorliegt. Wir beobachten das Verfahren, gehen aber nicht davon aus, dass es europäischem Recht widerspricht. Aber wir müssen abwarten, welche Entscheidung letztlich gefällt wird. Wir sollten also in der weiteren Debatte über die Veränderung des Rechtsrahmens des Vergabegesetzes zumindest abwarten, bis das Bundesgesetz vorliegt.
Zu einer Reihe von Vorschlägen, die wir aufgenommen haben oder prüfen, zum Beispiel zur Einrichtung einer zentralen Kontrollgruppe oder zur sprachlichen Vereinfachung, werden wir den Landtag selbstverständlich unterrichten. Einen Teil der Empfehlungen haben wir bereits durch Vollzugshinweise aufgenommen und umgesetzt.
Insgesamt kann ich feststellen: Das Vergabegesetz hat einen Beitrag dazu geleistet, dass Lohndumping durch öffentliche Aufträge nicht mehr oder deutlich seltener stattfindet. Es hat seine Zielstellung erreicht und gibt den Vergabestellen Rechts
sicherheit, und zwar bei der Anwendung sowohl des Haushaltsals auch des Vergaberechts. Insofern ist die Entscheidung aus dem Jahr 2011 eine richtige gewesen. Ich gehe davon aus, dass wir uns in der weiteren Debatte, sollte es Veränderungsnotwendigkeiten geben, erneut darüber verständigen können. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Kosanke fort. Er spricht für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum 1. Januar 2012 ist das Brandenburgische Vergabegesetz in Kraft getreten. In einer Entschließung vom August 2011, also bei Verabschiedung des Gesetzes, wurde eine Evaluation im I. Quartal dieses Jahres beschlossen. Diese ist durchgeführt. Folgende Einschätzung kann man zusammenfassend treffen:
Ja, es ist so - die sprachliche Verständlichkeit ist eingeschränkt. Es kommt zu Schwierigkeiten und Missverständnissen. Es gibt auch eine gewisse Unübersichtlichkeit durch die Verteilung der Regelungsbestandteile auf verschiedene Rechtsnormen. Einige öffentliche Auftraggeber vertreten auch die Meinung, die Bagatellgrenze von 3 000 Euro sei zu niedrig.
Aber vor allem kommen die Evaluatoren zu der Einschätzung: Die Regelungen zu Mindestarbeitsentgelt und Tariftreue werden angewendet. Damit wird der Hauptzweck des Gesetzes erreicht.
Nicht oder kaum angewendet werden sogenannte vergabefremde Kriterien im Hinblick auf soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte. Es gibt weiterhin Defizite bei der Überwachung bzw. Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes durch die Nachunternehmer, wobei das die Unternehmer selbst teilweise anders sehen. Das Kontrolldefizit muss man sich genauer anschauen. Es werden zu wenige Arbeitsentgeltkontrollen durchgeführt, ebenso zu wenige Vor-Ort-Kontrollen.
Wiederum gut zu funktionieren scheint das Verfahren der Kostenerstattung. Dieses Verfahren wird überwiegend als einfach dargestellt, auch wenn es bisher nur von wenigen Kommunen einen Erstattungsantrag gibt. Die Mehrheit hat dies wohl aber vor.
Zusammenfassend stelle ich fest: Das neue Gesetz funktioniert, kann aber durchaus verbessert bzw. nachgebessert werden. Die Landesregierung wird auch dies, so habe ich es verstanden, in Angriff nehmen. Dazu werden wir in Zukunft noch einiges hören.
Die eigentliche Zäsur - der Minister hat es schon angesprochen - wird es mit der Einführung des bundeseinheitlichen Mindestlohnes geben. Mit ihm wird - möglicherweise - das brandenburgische Landesgesetz an Bedeutung verlieren. Gerade wenn wir wollen, dass nicht nur Mindestlohn und Tariftreue, sondern auch die vorhin angesprochenen sogenannten vergabefremden Kriterien für eine verantwortungsbewusstere, nachhaltigere und somit letztlich erfolgreichere Wirtschaft in Brandenburg
sorgen, dann müssen wir unabhängig vom bundeseinheitlichen Mindestlohn dieses Gesetz in der nächsten Legislatur wieder anfassen. Da wir das wollen, werden wir uns über dieses Thema nicht zum letzten Mal unterhalten haben. - Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister Christoffers, ich finde es schon sehr interessant, wie Sie für die Landesregierung diese Evaluation bewerten. Das Vergabegesetz war ja eines Ihrer Leitprojekte, das Sie 2009 ausgerufen hatten. Es war, wie Sie wissen, eine schwere Geburt; es gab viele Durchführungsbestimmungen und viel politischen Streit.
Nun haben wir zum ersten Mal eine Evaluation vorliegen, und Sie haben dazu eine Stellungnahme abgegeben. Kommunen und betroffene Unternehmen haben aber eine ganz andere Sicht auf die Dinge als die, die Sie hier geäußert haben; sie halten nämlich dieses Leitprojekt des Wirtschaftsministers eher für ein Monster, ein Bürokratiemonster. Ich will mich hier nicht in Polemik ergehen, aber gestatten Sie mir bitte diesen Vergleich: Dieses Vergabegesetz erinnert mich an die berüchtigte Brandschutzanlage im BER: viel bürokratischer Qualm, wenig Wirkung, massive Probleme und kein Ende in Sicht.
Lieber Herr Minister Christoffers, wir haben Sie in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es erforderlich ist, ein schlankes Gesetz zu machen, zu entbürokratisieren sowie auf die Verbände und die Kommunen zu hören. Sie haben das nicht getan. Der Evaluierungsbericht, der kürzlich übermittelt wurde, hat doch einiges Erhellendes zutage gefördert.
Herr Minister Christoffers, Ihre Interpretation teile ich ganz und gar nicht. 95 % der öffentlichen Arbeitgeber bzw. Auftraggeber haben angegeben, dass sich der Verwaltungsaufwand durch den Vollzug des Vergabegesetzes erhöht habe. 53 % haben sogar angegeben, dass er sich erheblich erhöht habe. Wie passt das bitte damit zusammen, dass die Landesregierung in ihrem Mittelstandsbericht das Ziel ausgegeben hat, die Bürokratiekosten weiter zu senken?
Auch Sie erstatten den Kommunen ja die Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes entstehen. Das alles gilt ganz unabhängig davon, wie sinnvoll es überhaupt ist, ein Gesetz zu erlassen, bei dem man von vornherein weiß, dass die Kosten, die dabei entstehen, von den Betroffenen gar nicht geschultert werden können. Der Evaluierungsbericht zeigt eindeutig, dass das noch nicht einmal einigermaßen funktioniert. Die kommunalen Spitzenverbände bezeichnen das Kostenerstattungssystem als viel zu kompliziert für die Kommunen. Ich zitiere aus dem Evaluierungsbericht: Es „sei praxisfern, sehr zeitaufwendig und vor dem Hintergrund der …
Personalknappheit kaum handhabbar“. Viele Kommunen würden „davon abgehalten, die ihr nach der Rechtslage zustehenden Erstattungsansprüche auch tatsächlich geltend zu machen.“ Das Kostenerstattungssystem werde „nicht gelebt“. Der lapidare Kommentar unseres Ministers: Fehlende finanzielle Ressourcen können kein Argument sein. Punkt. Aus. Ende.
Ich frage mich: Wie passt das zu der Aussage der Landesregierung, dass durch einen kontinuierlichen Dialog mit Kammern, Verbänden und Sozialpartnern mehr Zielgenauigkeit und Akzeptanz in der Wirtschaftspolitik erreicht worden seien? Einfach nur zuzuhören reicht nicht aus; man muss seine Gesprächspartner wenigstens einigermaßen ernst nehmen.
Das sollten Sie wirklich einmal tun. Denn die Verbände bezweifeln nach einem guten Jahr Brandenburgisches Vergabegesetz ernsthaft, dass den Beschäftigten aufgrund des Vergabegesetzes überhaupt erhöhte Arbeitsentgelte gezahlt werden; denn dies kann von den Kommunen nicht wirksam kontrolliert werden. Das Fazit der Verbände ist vernichtend, Herr Minister Christoffers.
„In der geltenden Fassung ist das Brandenburgische Vergabegesetz ein Beispiel für symbolische Gesetzgebung und stellt ein ‚Bürokratiemonster‘ dar.“
Das sagen die brandenburgischen Kommunen, nicht Homeyer, nicht die CDU, Herr Christoffers. Weiter sagen die Kommunen:
„Es sollte - auch vor dem Hintergrund, dass auf Bundesebene ein allgemeiner Mindestlohn eingeführt werden soll - ersatzlos aufgehoben werden.“
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wissen dies alles, ignorieren aber die Einwände der Betroffenen, um weiterhin Symbolpolitik betreiben zu können. Letztlich war es ja auch Ihr Pilotprojekt, Ihr Leitprojekt. Nun wollen Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen: Es ist gescheitert.
Ihre Kommentare in der Bewertung zur Evaluierung, die Sie beauftragt haben - die Sie beauftragt haben! - und die Ihnen einige Hausaufgaben mit auf den Weg gibt, lauten: „Nicht nachvollziehbar“. „Kein Argument“. „Die Landesregierung lehnt die Forderung ab.“ Ignoranz und Selbstherrlichkeit regieren in Ihrem Haus, Herr Minister.
Die unabhängige Evaluierung - nicht die Verbände; das möchte ich nachdrücklich betonen - kommt zu dem Schluss, dass es fraglich ist, ob das zentrale Anliegen des Gesetzes - Verbesserung des Lohnniveaus für im Rahmen von öffentlichen Aufträgen Beschäftigte - optimal umgesetzt werden konnte. Ich übersetze es einfach mal und fasse zusammen: Bürokratiemonster geschaffen! Kommunen und Unternehmen über Gebühr belastet! Rot-Rotes Klassenziel trotzdem nicht erreicht!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da die CDU und die FDP weiterhin das Vergabegesetz kritisieren, obwohl der Evaluationsbericht eine sehr differenzierte Bewertung vornimmt und gute Hinweise zur Verbesserung gibt, die die Landesregierung auch aufgreifen wird, darf ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass 13 von 16 Ländern Landesgesetze haben, die die Tariftreue und teilweise auch Mindestentgeltregelungen enthalten. Aktueller Spitzenreiter bei der Höhe des Mindestlohns ist Schleswig-Holstein mit 9,18 Euro.
Es obliegt nunmehr der CDU und Ihnen, Herr Homeyer, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern zu erklären, warum Sie ein Mindestentgelt von 8,50 Euro für zu hoch halten. Warum werden in Schleswig-Holstein 9,18 Euro und in Berlin 8,50 Euro gezahlt? Was ist denn in diesen beiden Bundesländern anders als in Brandenburg?