Protocol of the Session on April 3, 2014

Nach wie vor fehlt es an landesweit gültigen fachlichen Standards für den Einsatz von Familienhebammen. Erst diese bilden aber die Grundlage dafür, dass alle werdenden und jungen Familien in unserem Land die gleiche Möglichkeit haben, die Leistungen der Familienhebammen in Anspruch zu nehmen. Dies ist gegenwärtig nicht der Fall. Hier müssen sich Landesregierung, Landkreise und kreisfreie Städte gleichermaßen Kritik an ihrem bisherigen Kurs gefallen lassen.

Wir erwarten, dass nun zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt fachliche Standards erarbeitet werden und landesweit Anwendung finden. Dass der Hebammenverband aktiv in die Erarbeitung eingebunden wird, sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Erarbeitung gemeinsamer fachlicher Kriterien besteht aus nur einem Baustein zur erfolgreichen Weiterführung der Arbeit der Familienhebammen. Um erfolgreich wirken und Familien niedrigschwellige Angebote unterbreiten zu können, muss dieses Hilfsangebot mit weiteren in der jeweiligen Region vorhandenen Hilfsangeboten vernetzt werden.

Nun wird die Landesregierung sicher sagen, die Vernetzung sei Sache der Akteure. Zu großen Teilen ist dies auch so. Das Land

kann als Geldgeber natürlich über Änderungen bei der Finanzierung entsprechender Hilfsangebote Einfluss ausüben und zur besseren Vernetzung beitragen - und genau dies sollte das Land bei Bedarf auch tun.

SPD und die Linke dürfen sich daher nicht länger vor den besagten Aufgaben drücken. Geld geben ist das eine, es an Auflagen und die Erfüllung von Kriterien zu koppeln eine andere, genauso sinnvolle und daher notwendige Maßnahme. Ich bitte Sie daher, unseren gemeinsamen Antrag zu unterstützen. Danke schön.

(Beifall FDP und CDU)

Als Nächster spricht der bereits angekündigte Abgeordnete Büchel für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kollege Tomczak, für den Einstieg. Als junger Vater, der sowohl in Vorbereitungskursen als auch bei der Geburt selbst und dann auch in der Nachbetreuung die gute Arbeit der Hebamme praktisch erleben konnte, kann ich nur noch einmal unterstreichen, dass es wirklich eine sehr wichtige und gute Arbeit ist, die die Hebammen leisten,

(Beifall DIE LINKE)

und es wäre schrecklich, wenn dieser Berufsstand wegbrechen würde.

Damit sind wir beim Thema Haftpflichtversicherung. Werte Kollegin Schier, Sie müssten es ja besser wissen: Wenn wir über die Hebammen im Zusammenhang mit der Geburt sprechen, dann ist das SGB V zuständig, auch was die Finanzierung und die Vergütung betrifft.

(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

Wenn wir über die Familienhebammen sprechen,

(Glocke des Präsidenten)

wo ich noch etwas tiefer einsteigen möchte, ist das KKG zuständig.

Das sind zwei unterschiedliche Sachen. Aber ohne Frage ist ein Teil der Hebammen, die auch im Land Brandenburg tätig sind, sogenannte Familienhebammen.

Ich möchte kurz auf das Problem der Haftpflichtversicherung zurückkommen, weil es von Ihnen angesprochen wurde. Das ist ein großes Problem. Es ist skandalös, dass die Versicherungen, die die Hebammen bisher versicherungstechnisch ausgestattet haben, gesagt haben, dass sie aussteigen wollen, und den Hebammen somit ab dem nächsten Jahr kein Versicherungsschutz mehr zur Verfügung steht. Die Hebamme aus meiner Region hat ganz klar gesagt: Das bedeute nicht, dass sie erst im nächsten Jahr nicht mehr tätig sein werde, sondern bereits ab Sommer dieses Jahres, in dem die Vorbereitung und Betreuung der werdenden Mütter beginnt, nicht mehr die Verantwortung übernehmen könnte.

Frau Ministerin Tack war für die rot-rote Landesregierung aktiv, indem im Bundesrat länderübergreifend - auch mit CDUgeführten Ländern - eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht worden ist. Frau Schier hat es im Ausschuss deutlich gesagt: Der Bund ist hier in der Verantwortung. Der Bund muss auch handeln. Der Bundesgesundheitsminister hat mehrmals angekündigt, eine Lösung vorzustellen. Ich hoffe, dass er es nun wirklich zeitnah tut, denn die Zeit rennt uns davon und das ist nicht gut.

Kommen wir zu den Familienhebammen, zu dem, was Ihren Antrag ausmacht. Ich habe gerade deutlich gemacht: Ja, ein Teil der niedergelassenen oder der freiberuflichen Hebammen sind auch sogenannte Familienhebammen, aber eben nicht nur. Es gibt auch Familienhebammen, die zum Beispiel in Landkreisen angestellt sind. Das ist arbeitsrechtlich ganz anders geregelt.

Sie selbst wissen: Die Ausgestaltung dieser Idee, dieses Projektes der Familienhebammen, liegt in der Verantwortung der Landkreise und der kreisfreien Städte und damit in kommunaler Verantwortung. Genau da ist das Problem. Da bin ich ganz bei Ihnen. Es ist natürlich schwierig, wenn jeder Landkreis sein eigenes Konzept und seine eigene finanzielle Ausstattung hat und personell damit unterschiedlich umgeht. Sie wissen aber auch, Frau Kollegin Schier - die Debatte führen wir im Ausschuss am Beispiel der Frühförderung - , wie schwierig es ist, wenn wir als Land die Landkreise, die Gelder und Verantwortung haben, gern dabei unterstützen wollen, Empfehlungen und Rahmenbedingungen umzusetzen, wie sie sich aktiv daran beteiligen. Daher ist es schwierig, wenn wir als Land sagen: Wir wollen. Wir müssen - was ohne Frage ein Thema ist. Wir wissen aber eben auch, wie die Landkreise unterwegs sind.

Auf welcher Grundlage arbeiten die Familienhebammen? Sie selbst haben es angesprochen. Es gibt eine Bundesinitiative eine Initiative des Bundes - für den Zeitraum 2012 bis 2015. In dieser Verwaltungsvereinbarung, die mit allen Bundesländern abgeschlossen ist, ist ganz klar definiert, was das Ziel dieser Bundesinitiative ist. Darin wird erstens nicht nur von den Familienhebammen gesprochen. Das ist ohne Frage ein wichtiger Baustein, eine wichtige Aufgabe. Es gibt auch den Punkt der sogenannten strukturellen Voraussetzungen: Rahmenbedingungen und Ausstattung von Netzwerken mit Zuständigkeit für Frühe Hilfen.

Der zweite Punkt sind die Familienhebammen. Der dritte Punkt betrifft die Möglichkeit und die Grenzen des Einbezuges ehrenamtlichen Engagements im Kontext der Frühen Hilfen. Das ist insgesamt diese Bundesinitiative.

Es ist schwierig, nur den Bereich der Familienhebammen herauszunehmen, weil die Aufgabe dieser Bundesinitiative ist, insgesamt genau zu prüfen. Es steht auch in Artikel 1, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung „mit Blick auf die Notwendigkeit der weiteren Ausgestaltung gesetzgeberischer Regelungen und die Überprüfung von bestehenden Gesetzen unter besonderer Berücksichtigung der Verschränkung von Kinder- und Jugendhilfe ausgewertet“ werden.

Ja, das muss gemacht werden, auch sehr kritisch gemacht werden, indem wir uns sehr kritisch mit den Landkreisen verständigen. Aber bitte, es ist in Verwaltungsvereinbarungen klar geregelt. Landkreise haben Verantwortung. Es ist für 2015 eine Auswertung verabredet. Da müssen wir natürlich auch diese

kritischen Punkte ansprechen. Es bringt doch nichts, wenn wir als Land vorpreschen, eigene Ideen haben, die möglicherweise die richtigen sind, wir aber erstens nicht weiterkommen, weil der Bund eine andere Idee hat, und wir zweitens nicht weiterkommen, weil die Landkreise nicht mitmachen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Die Abgeordnete Nonnemacher spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Büchel, langsam habe ich den Eindruck, dass Rot-Rot nichts anderes mehr einfällt, als die Zuständigkeit des Bundes zu beklagen,

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

und dann zu sagen, für den Vollzug seien immer nur die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zuständig. Wieso brauchen wir dann eigentlich Landesebenen?

(Büchel [DIE LINKE]: Das steht doch hier drin!)

Langsam frage ich mich wirklich, ob wir die Landesverwaltung nicht doch reduzieren könnten.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Schon im September 2012 haben die Abgeordneten Monika Schulz-Höpfner und Beate Blechinger nach einem Brandenburger Konzept für den Einsatz von Familienhebammen im Kontext der Frühen Hilfen gefragt. Die Antwort lautete, dass für den flächendeckenden Ausbau des präventiven Kinderschutzes der Einsatz der Familienhebammen geplant sei und in regionale Fachkonzepte integriert werde.

Heute bin ich sehr erschrocken, wie wenig überhaupt passiert ist. Was wurde getan, um die präventiven Ansätze zum Kinderschutz durch die professionellen Angebote der Familienhebammen zu stärken? Wo bleibt die Zusammenarbeit der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Geburtskliniken, Krankenhäuser, Frauen- und Kinderärztinnen- und -ärzte sowie Einrichtungen der Frühförderung und Ehrenamtsstrukturen mit den Familienhebammen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der regionalen Netzwerke Gesunde Kinder mit den Jugendämtern der Kreise und kreisfreien Städte in Bezug auf die Arbeit der Familienhebammen? Werden die Familienhebammen überhaupt eingesetzt und bezahlt oder werden ihre Dienste gar nicht angefordert?

Mich ärgert das Fehlen einer Gesamtkonzeption für den landesweiten Einsatz der Familienhebammen gewaltig. Wir wissen, in Brandenburg fehlen nicht nur freiberuflich tätige Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, sondern es fehlen uns auch Familienhebammen. Verstärkt wird die Situation durch die hier bereits mehrfach angesprochene Haftpflichtproblematik.

Der Bedarf für die Kommunen wurde auf circa 50 Hebammen geschätzt. In Kreisen und kreisfreien Städten wurden bisher lediglich zehn Hebammen eingesetzt und für ihre Arbeit bezahlt.

Obwohl das Geld da ist, die erwähnten 5 Millionen Euro aus den Mitteln des Bundeskinderschutzgesetzes für Frühe Hilfen und Familienhebammen bereitstehen und das Geld auch vom Land an die Kommunen weitergereicht wird, müssen wir feststellen, dass die Familienhebammen von den Kommunen selten beschäftigt werden. Frau Lieske, ich weiß nicht, mit welchen Hebammen Sie reden. Die, mit denen ich rede und mit denen unsere Fachgruppe Frühe Hilfen spricht, beklagen die Situation als absolut unzureichend.

(Beifall B90/GRÜNE)

Das ist schlichtweg inakzeptabel. Landesweite Handlungsempfehlungen und fachliche Standards sind dringend erforderlich.

Schon in der Handreichung des MBJS vom Oktober 2005 zur Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung, „Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen“ steht, dass die vorhandenen 28 Familienhebammen in Brandenburg in der Praxis, soweit ihre Tätigkeit zeitlich und inhaltlich über den Rahmen des SGB V hinausgeht, bislang nicht in allen Landkreisen bzw. kreisfreien Städten zum Einsatz kamen. Da gesicherte Erkenntnisse über ihre Einsatzmöglichkeiten kaum vorhanden sind, solle darauf hingewirkt werden, ihre intendierte Einbindung in die regionalen Netzwerke Frühe Hilfen zu bewerkstelligen. Das klingt sehr übervorsichtig.

Damit haben wir seit 2012 die Situation, dass die Kommunen die Arbeit der Familienhebammen selten anfordern und die Landesregierung ihrer Aufgabe nicht nachkommt und Vorgaben formuliert, wie die Kommunen die Aufgaben umsetzen können. Übrig bleiben viel zu viele Kinder und Eltern, die die ihnen zustehenden Hilfen nicht erhalten, weil ihr Anspruch keinen Adressaten findet.

Die Zuständigkeit für die Frühen Hilfen wurde im Rahmen des kinder- und familienpolitischen Programms oft genug auch hier im Plenum diskutiert. Die Landesregierung muss die Koordinationsfunktion für die Verzahnung der bestehenden Hilfsangebote übernehmen und fachliche Standards für den landesweiten Einsatz von Familienhebammen erstellen, sonst können Netzwerkstrukturen schnell zum undurchsichtigen Gestrüpp werden, in dem sinnvolle Ansätze verwelken.

Wir brauchen die Familienhebammen im Kontext Früher Hilfen, weil die Kinder vor Armut, Vernachlässigung und Gewalt geschützt werden müssen. Die Familienhebammen sind Schlüsselfiguren einer präventiven Familienfürsorge. Ihre Finanzierung muss auf gesicherte Füße gestellt werden. Wir brauchen die Familienhebammen und wir wollen Hebammen stärken, denn nur so können wir auch Familien stärken.

Wo Frühe Hilfen versagen bzw. überhaupt nicht stattfinden, beklagen wir später die Folgen für die Kinder und Eltern. Genau dafür wollten wir das Geld haben.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Frau Ministerin Münch spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frühe Hilfen - ich glaube, das haben wir alle auch betont - fördern die Kinder in

ihrer Entwicklung, sie stärken natürlich die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit und unterstützen besonders junge Familien. Wir haben im Land Brandenburg mit unserem Netzwerk Gesunde Kinder ein hervorragendes Instrument der Frühen Hilfen entwickelt, und das kommt mir in Ihren Beiträgen ein wenig zu kurz.

(Frau Schier [CDU]: Das eine schließt das andere doch nicht aus!)