Des Weiteren liegen Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP, Drucksache 5/8769 - Neudruck -, und ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und DIE LINKE, Drucksache 5/8818, vor.
Die Abgeordnete Stark freut sich bereits darauf, die Debatte für die SPD-Fraktion eröffnen zu können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz des Landes Brandenburg ist seit dem Jahr 1996 in Kraft. Im Großen und Ganzen hat es sich bewährt, soweit man das in dieser Lage einschätzen kann. Ich sage „im Großen und Ganzen“; denn in wenigen Punkten müssen wir nachsteuern. Das geschieht mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes.
Die Änderungen betreffen zum einen, dass im Ausnahmefall zum Beispiel bei drohender oder eingetretener Selbst- oder
Fremdverletzung - auch unmittelbarer Zwang angewendet werden kann, und zum anderen die Durchführung von Röntgenuntersuchungen der Lunge zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Bisher enthält das Abschiebungshaftvollzugsgesetz diesbezüglich keine ausreichende rechtliche Regelung.
Im Jahr 2008 ist vom Europäischen Parlament eine Richtlinie verabschiedet worden, die sogenannte Rückführungsrichtlinie. Sie sieht den Vollzug der Abschiebehaft in Justizvollzugsanstalten auch im Ausnahmefall nicht vor.
Ein in Abschiebehaft befindlicher Patient kann derzeit demnach nur in einem Krankenhaus und nur mit einer sehr personalintensiven Bewachung oder unter zeitweiliger Aufhebung des Haftbefehls behandelt werden. Beides hat sich aus unserer Sicht nicht bewährt und nicht als besonders praktikabel herausgestellt.
Für die Möglichkeit, Patienten, die sich in Abschiebehaft befinden, in der Krankenabteilung einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen, fehlt im Moment noch die rechtliche Grundlage. Das holen wir mit diesem Gesetz nach.
Außerdem kommt die Landesregierung der von vielen Seiten erhobenen Forderung nach, einen sogenannten externen Beirat einzurichten.
Mit unserem Entschließungsantrag, den wir zu diesem Gesetzentwurf vorlegen, bitten wir die Landesregierung sicherzustellen, dass unter anderem Minderjährige, Schwangere oder Menschen mit Behinderung von der Abschiebehaft ausgenommen werden. Wir wollen, dass den Ausreisepflichtigen die Alternativen bekanntgemacht werden und diese nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor der Anordnung einer Abschiebehaft umfassend geprüft werden. Der Innenminister hatte dem Parlament schon berichtet, dass es schon jetzt eine entsprechende Handlungsanweisung an die Kommunen gibt; es wird eigentlich schon so verfahren.
Wir wollen auch, dass Familien im Rahmen der Abschiebehaft nicht getrennt werden und Handlungsspielräume, die auf der Landesebene durchaus bestehen, zugunsten der Abschiebehäftlinge genutzt werden.
Da das Gesetz ohnehin angepackt wird, passen wir es auch noch sprachlich an, nämlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Mann und Frau.
Die Beschlussvorlage des Ausschusses für Inneres zu diesem Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Darin können Sie weitere Details nachlesen.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf und um Zustimmung zu dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben darüber schon in der 1. Lesung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes
debattiert: Aufgrund der Tatsache, dass der bisher im Ausnahmefall mögliche Vollzug der Abschiebehaft in einer Justizvollzugsanstalt im Wege der Amtshilfe nicht den Vorgaben der Richtlinie des Europäischen Parlaments entspricht, muss dieses Gesetz auf der Landesebene angepasst werden.
Der Gesetzentwurf beinhaltet drei große Schwerpunkte, wenn man so will, über die diskutiert wurde und die Gegenstand der Anhörung im Innenausschuss waren.
Die Anordnung der Röntgenuntersuchung der Lunge zur Feststellung von Tuberkuloseerkrankungen halte ich für dringend erforderlich und für verfassungskonform.
Im Lichte des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit ist diese Regelung auch verhältnismäßig. Zwar stellt die Röntgenuntersuchung einen Eingriff für die Abschiebehäftlinge dar, aber auf der anderen Seite müssen wir das Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer Menschen mit bewerten. Das ist klar. Gesetzgeberisch muss der Aufgabe und Pflicht, den Ausbruch von Tuberkuloseerkrankungen, von Tbc, zu vermeiden und vorbeugend tätig zu werden, Genüge getan werden. Es bedarf keiner weiteren Rücksprachen mit den Mitarbeitern vor Ort, um sich vorzustellen, wie groß die Bedenken und - man kann auch sagen - die Angst vor der Ansteckung mit Tbc sind. Warum müssen diese Menschen also der Gefahr ausgesetzt werden - diese Frage muss man sich schon stellen -, wenn eine einfache Röntgenuntersuchung das Risiko für sie erheblich mindert, nicht ausschließt, aber erheblich mindert? In der Anhörung ist ausgeführt worden - das habe ich gelernt -, dass die Strahlung, die von einer solchen Röntgenuntersuchung ausgeht, ungefähr der Strahlung entspricht, die man bei einem Mittelstreckenflug ausgesetzt ist. Damit wird klar, was in Sachen Verhältnismäßigkeit und Eingriffsintensität zu bewerten ist: Man muss die Gesundheit anderer eben nicht gefährden. Dieser Eingriff ist damit geeignet, erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne.
Auch die Regelung, über die diskutiert wurde, kranke Abschiebehaftvollzugshäftlinge in den Krankenabteilungen einer Justizvollzugsanstalt unterzubringen, halte ich für unbedenklich. Das sage ich ganz klar. Natürlich muss man sagen, dass das Trennungsgebot auch hierbei greift. Es kann aber nicht die Rede davon sein, dass sich Abschiebehäftlinge und Strafgefangene - um es einmal plastisch darzustellen - ein Krankenzimmer teilen oder Ähnliches. Es geht um die Unterbringung in einer Einrichtung einer Justizvollzugsanstalt. Hierbei stellt sich eben die Frage: Wie wollen Sie es denn anders praktisch gestalten? Bei einer Unterbringung in einem staatlichen Krankenhaus wäre eine 24-Stunden-Überwachung erforderlich. Wie soll dies personell ausstaffiert werden und wie sieht die Finanzierung einer solchen Rund-um-die-Uhr-Betreuung aus? All diese Fragen sind von denjenigen, die es kritisiert haben, nicht beantwortet worden. Im Ergebnis bleibt als einzig machbare Lösung die Unterbringung in der Krankenabteilung einer Justizvollzugsanstalt.
Ich weise vorsorglich darauf hin, dass es sich lediglich um den Zeitraum der stationären Behandlung handelt. Nur darüber reden wir hier. In der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt sind die Voraussetzungen für eine gute ärztliche Betreuung gegeben, auch für eine Überwachung ohne weiteren personellen und damit auch finanziellen Aufwand.
Es ist klar, dass sie dann nicht als Strafhäftlinge behandelt werden dürfen. Diesen Grundsatz, den das Trennungsgebot vorsieht, durchbricht die neue Regelung keinesfalls.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass mit dem Gesetzentwurf den Vorgaben der Richtlinie der EU entsprochen wird. Aus den vorgenannten Gründen werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. - Vielen Dank.
Während für die Linksfraktion der Abgeordnete Scharfenberg nach vorn kommt, begrüße ich unsere Gäste aus Schwarzheide und Lauchhammer und wünsche ihnen einen spannenden Nachmittag im Landtag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf wird die Abschiebehaft im Land Brandenburg neu geregelt. Es ist unstrittig, dass Abschiebehäftlinge unter diesem Freiheitsentzug ganz besonders leiden. Nicht zuletzt deswegen ist die Haft, wenn sie denn überhaupt angewendet werden muss, auf ein Minimum zu begrenzen.
Mit Ihrem Entschließungsantrag, der nicht weit vom Antrag der Grünen - und jetzt auch der FDP - entfernt ist, machen die Koalitionsfraktionen deutlich, dass das Land Brandenburg mit seinen Möglichkeiten darauf hinwirken wird, den Einsatz des Mittels der Abschiebungshaft zu vermeiden. So soll durch Aufklärungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden, dass Alternativen zur Abschiebungshaft Anwendung finden.
Zur eindeutigen Klarstellung wird der Vollzug der Abschiebungshaft in Justizvollzugsanstalten im Wege der Amtshilfe aus dem bisherigen Gesetz gestrichen. Das ist notwendig, da dieser Weg bisher grundsätzlich immer noch möglich war. Es ist allerdings seit Langem selbstverständliche Praxis im Land Brandenburg, dass durch die Einweisung in eine separate Abschiebehafteinrichtung eine klare Trennung zu Justizstrafgefangenen gesichert ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vom Innenausschuss durchgeführten Anhörung sind verschiedene Kritikpunkte thematisiert worden. Dazu gehörte die stationäre Unterbringung von kranken Abschiebehäftlingen. Der Gesetzentwurf sieht auch die Möglichkeit einer solchen stationären Behandlung in der Krankenabteilung einer Justizvollzugsanstalt vor. Obwohl es sich dabei nur um wenige Fälle handeln wird, hat dieser Punkt wegen des Trennungsprinzips im Vorfeld zu Kritik geführt.
Das Innenministerium hat in der Sitzung des Innenausschusses auf meine Anfrage noch einmal ganz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass bei einer vorübergehenden Unterbringung auf der Krankenstation der JVA Brandenburg das Trennungsgebot immer zu beachten und stets zu gewährleisten ist. Ich denke, dass auch die vorher kritisch aufgeworfene Frage von verpflichtenden Röntgenuntersuchungen überzeugend und ohne Widerspruch geklärt werden konnte.
Ein echter Fortschritt besteht darin, dass ein externer Beirat für die Abschiebehafteinrichtung gebildet wird, der auf die Gestaltung des Vollzuges der Abschiebehaft und die Betreuung der Häftlinge Einfluss nehmen kann. Er orientiert sich in seiner voraussichtlichen Zusammensetzung und in seiner Arbeitsweise an einem vergleichbaren Gremium in Berlin.
Meine Damen und Herren! Mit unserem Entschließungsantrag bitten wir die Landesregierung, auf Bundesebene alle Initiativen zu unterstützen, mit denen Anlass und Dauer der Abschiebungshaft eingeschränkt werden. Wir erwarten, dass die Landesregierung sicherstellt, dass Personengruppen wie Schwangere, Alleinerziehende oder chronisch Kranke als besonders schützenswerte Gruppen generell von der Abschiebungshaft ausgenommen werden.
Weiter gehen wir davon aus, dass die auf Landesebene vorhandenen Handlungsspielräume bei der Gestaltung des Haftanordnungsverfahrens und der Haftdurchführung zugunsten der Abschiebungshäftlinge genutzt und gestaltet werden. Das alles sind für uns Schritte in Richtung einer Abschaffung der Abschiebehaft, die wir allerdings nicht allein durchsetzen können. Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir sind in den vergangenen Jahren mit steigenden Zahlen von Asylbewerbern, gerade auch hier in Brandenburg, konfrontiert worden. Das hat uns in manchem Punkt überrascht und führt auch zu Problemen.
Natürlich geht mit steigenden Asylbewerberzahlen einher, dass auch die Anzahl der Abschiebehäftlinge letztlich steigen wird. Die Frage ist, wie man sich dazu verhalten will; denn immerhin auch das ist deutlich - ist Abschiebehaft das letzte Mittel, das eingesetzt werden darf, um jemanden wieder außer Landes zu bringen. Voraussetzung ist, dass auf andere Weise keine Möglichkeit besteht, die Abschiebeverfügung durchzusetzen. Letztes Mittel heißt auch, dass die Abschiebung selbst unmittelbar bevorstehen muss und es also nicht möglich ist, Wochen oder Monate vorher jemanden in Abschiebehaft zu nehmen, weil er sich möglicherweise zu einem deutlich späteren Zeitpunkt der Abschiebung entziehen würde.
Das Land Brandenburg greift damit eine EU-Rückführungsrichtlinie auf - das finden wir gut -, dass auch Abschiebehäftlinge getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden. Abschiebehäftlinge sind eben keine Strafgefangenen, sie haben keine Straftaten begangen. Insofern ist es sehr gut, und wir finden es richtig, dass so verfahren wird.
Im Innenausschuss hat es zu diesem Thema eine Anhörung gegeben, aus der sich für uns ein Dilemma ergibt. Es ist festgestellt worden, dass zwar zunächst eine Anordnung der Abschiebehaft erfolgen muss, aber trotz dieser Anhörung in einer Vielzahl von Fällen die Anordnung der Abschiebehaft selbst rechts
widrig erfolgt ist, also Menschen gegen Recht und Gesetz sowie unter Verletzung der Grundrechte in Abschiebehaft genommen worden sind. Das ist für uns so nicht hinnehmbar.
Richtig ist das Trennungsgebot gerade auch bei Kranken. Aber hier stellt sich für uns auch die Frage, wenn wir sagen, dass Kranke auch in Justizvollzugs- bzw. Haftanstalten oder Haftkrankenhäusern untergebracht werden können, ob dort die Abschiebung wirklich noch direkt bevorstehen kann. Wenn jemand tatsächlich erkrankt ist und medizinischer Behandlung bedarf, dann kann das Ergebnis doch nicht sein, dass kurz danach eine Abschiebung erfolgt. Also meine ich, dass dort auch ein Anlass gegeben wäre, neu zu hinterfragen, wie mit dem Problem umgegangen wird.
Die Fraktionen der Grünen und der FDP haben gemeinsam einen Entschließungsantrag vorgelegt. Die Regierungskoalition hat nachgezogen, was den Antrag betrifft. Ich möchte einmal zwei Absätze daraus vorlesen, denn ich finde gar nicht so schlecht, was die rot-rote Regierungskoalition gemacht hat. Der Antrag der Grünen und der FDP lautete:
„Der Landtag fordert die Landesregierung auf: 1. durch konkrete Maßnahmen zur Haftvermeidung sicherzustellen, dass a) Minderjährige, Schwangere, Alleinerziehende, Eltern mit minderjährigen Kindern, psychisch und chronisch Kranke, Menschen mit Behinderung oder posttraumatischer Belastungsstörung und ältere Menschen über 65 Jahre als besonders schützenswerte Gruppen von der Abschiebungshaft ausgenommen werden.“
„Der Landtag bittet die Landesregierung: … durch konkrete Maßnahmen zur Haftvermeidung sicherzustellen, dass Minderjährige, Schwangere, Alleinerziehende, Eltern mit minderjährigen Kindern, psychisch und chronisch Kranke, Menschen mit Behinderung oder posttraumatischer Belastungsstörung und ältere Menschen über 65 Jahre als besonders schützenswerte Gruppen von der Abschiebungshaft ausgenommen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie stellen fest: Der rot-rote Regierungsantrag ist in diesem Punkt wörtlich mit dem identisch, was Grüne und FDP bereits vorgelegt hatten. Insofern, Kollege Dr. Scharfenberg und Frau Stark: Ich hatte im Innenausschuss angeboten, da sich eine gewisse Einigkeit abzeichnete, dass wir gern auch gemeinsam darüber nachdenken könnten, wie man einen Entschließungsantrag hierzu gestaltet, um die Abschiebungshaft im Land Brandenburg so auszugestalten, dass Grundrechte und Grundfreiheiten in größtmöglichem Maße auch für Abzuschiebende gewahrt werden; denn wir wissen aus dem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das gilt für jeden Menschen, nicht nur für Deutsche. Es gilt auch für Ausländer, auch für Abzuschiebende, die Deutschland um Asyl ersucht haben.