Protocol of the Session on February 26, 2014

Bewährt hat sich - bei allem Vertrauen, das in den letzten Jahren gewachsen ist -, dass wir auch Unterschiede und divergierende Positionen aufgreifen und ansprechen. Ich erinnere an unsere Ausschussfahrt im letzten Jahr. Auch da wurde es ganz deutlich: Bei der Energiefrage - Atomkraft - gehen unsere Erfahrungen und Sichten auseinander. Für uns hier im Haus das haben wir beschlossen - ist Atomkraft keine Zukunftsoption. Wenn wir nicht wollen, dass für die Fracking-Methode weiter umfangreiche Bohrungen in Polen stattfinden, müssen auch wir hier um Alternativen ringen.

(Beifall DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Angesichts des Europawahlkampfs, in dem viele Themen aufeinanderstoßen - ich habe vom Alltag, vom Lebensalltag gesprochen -, müssen wir auch überlegen, wie wir weiter damit umgehen, dass in Deutschland trotz des § 218 StGB für Frauen die selbstbestimmte Schwangerschaft Normalität ist, in Polen aber Schwangerschaftsabbrüche verboten sind. Das ist zu diskutieren.

Nicht nur vor dem Hintergrund EU-weiter Debatten bleibt also genügend Diskussionsstoff und Regelungsbedarf.

Ich möchte zunächst einen Punkt machen mit dem PolnischLernen. Insofern bin ich sehr bei dem, was Kollegin Melior ausgeführt hat. Die Polinnen und Polen sind uns beim Sprachenlernen überlegen. Wir haben im Europaausschuss den Polski Express besprochen. Ich wünsche mir, dass wir das Projekt weiterverfolgen, auch wenn die Generation EU, die jetzt schon herangewachsen ist, als gemeinsame Sprache wahrscheinlich Englisch benutzen wird. Das ist auch in Ordnung so. Da müssen auch wir uns ein bisschen anstrengen.

Fakt ist aber eines: Polnisch bleibt als besondere Spezifik dieser Region sehr wichtig. Ehrlich gesagt - das sage ich als Sprachwissenschaftlerin -: Es gibt viele gute Gründe, eine Sprache zu lernen, erst recht Polnisch in der Oder-Region.

Am Ende hat sich schon erwiesen, dass die Unkenntnis der polnischen Sprache ein Hindernis auch für Unternehmen ist, sich an Ausschreibungen in Polen zu beteiligen.

Man kann nur froh sein, dass bei Projekten wie der Kita-Olympiade in Strausberg, wo sich die Kinder alljährlich treffen und zusammen Sport machen, die sprachliche Verständigung irgendwie funktioniert, ohne dass sie es vorher gelernt hätten. Vielleicht sollte man diese nicht vorhandenen Barrieren nutzen, um zu sehen, dass die Motivation, sich zu verständigen, da ist. Geben wir allen die Möglichkeit, zeitig und überall auch Polnisch zu lernen!

(Beifall DIE LINKE)

Der Abgeordnete Lipsdorf setzt für die FDP-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich außerordentlich, dass die Ukraine von Ihnen entdeckt wurde. Als wir noch die Große Anfrage der FDP-Fraktion zu den Nachfolgestaaten der UdSSR behandelt hatten, er

regte das bei Ihnen eher ein Lächeln. Aber es wandelt sich doch einiges in diesem Parlament - dank der politischen Lage in Europa.

Wenn Sie Herrn Steinmeier schon so loben, Frau Melior, müssen Sie natürlich auch sagen, dass der französische Kollege nicht mitgekommen wäre, wenn der polnische Kollege nicht sofort seinen Urlaub abgebrochen und gesagt hätte, ja, da komme ich mit.

Man kann an dieser Stelle vermuten: Rumsfeld hatte vielleicht mehr als die militärische Option im Sinn, als er sagte, wir hätten ein neues und ein altes Europa. Vielleicht müssen wir selbst uns in unserer Denkweise ein bisschen revidieren.

Es irrt, wer hier glaubt, dass die deutsch-polnischen Verhältnisse erst seit der Machtergreifung Hitlers oder seit dem Zweiten Weltkrieg im Argen lägen. Sie müssen schon ein bisschen weiter ausholen. Polen war immer das Land, das ein Keil zwischen russischen und deutschen Interessen war. Die polnische Krone war lange Zeit in deutschen Händen. Sie müssen also über die deutsche Expansionspolitik, die sehr lange zurückreicht, und über gutbürgerliche westliche Vorurteile gegenüber polnischen Bürgern reden. So manch ein großer Mann, den wir so loben, ist in polnischen Fragen nicht zitierfähig.

Ein kleines Gegenbeispiel: Bundesaußenminister a. D. Guido Westerwelle hatte seinen Antrittsbesuch in Warschau. Als Erstes hatte er Warschau besucht, nicht Paris. Er hatte eine Staatssekretärin zur Koordinatorin ernannt. Der amtierende Außenminister Steinmeier ist dem alten Schema wieder gefolgt: Ab nach Paris!

Er hat dann unseren Ministerpräsidenten mehr oder weniger ehrenhalber als Koordinator ernannt und damit auf polnischer Seite für Unmut gesorgt. Das muss man ganz deutlich sagen.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie dort Ihren ersten Besuch abgestattet haben, dann ist das lobenswert. Sie haben zugegebenermaßen - mit guter Vorbereitung - auch die richtigen Worte gefunden und dort Wogen geglättet. Das ist sehr gut.

Herr Ministerpräsident, zum Wohle unseres Landes wünschen wir Ihnen in dieser Funktion natürlich Fortune und politisches Geschick, aber es ist ein schwieriger Weg, ein weiter Weg. Wie Sie das trotz der unerledigten Arbeiten in Brandenburg bewältigen wollen, bleibt uns ein Rätsel.

(Beifall FDP)

Ein Hauptziel ist laut Presseveröffentlichung der Jugendaustausch bzw. dessen Verbesserung. Natürlich müssen die Fremdsprachenkenntnisse verbessert werden. Das müssen Sie aber auch dem Bildungsministerium sagen. An Cottbuser Schulen, zum Beispiel am Humboldt-Gymnasium, gab es ein so starkes Interesse an Polnisch-Unterricht, dass zwei Klassen hätten gefüllt werden können. Das Schulamt hat es abgelehnt. Also ist noch einiges zu tun, auch administrativ.

Im Übrigen forderten wir Liberalen erst kürzlich, dass im Landtag Brandenburg Führungen auch auf Polnisch abgehalten werden. Ich warte noch auf das Ergebnis.

Wir haben auch ganz konkrete Forderungen - natürlich. Es bedarf großformatiger Visionen für die deutsch-polnische Grenzregion, für das deutsch-polnische Verhältnis, und diese Vision vermisse ich, auch in Ihren Anträgen.

Herr Ministerpräsident, ein guter Gesprächspartner vor Ort wäre vielleicht auch der Gubiner Bürgermeister Bartczak. Er hat nämlich Visionen. Eine davon ist, in diesem Bereich etwas zu etablieren, was Trier ein bisschen entgegenwirkt. Die Porta Nigra wie in Trier haben wir in Guben/Gubin nicht, aber wir haben dort eine Kultur „des neuen Bauens“, Beispiel: Mies van der Rohe. Das könnte man als Aufhänger nehmen - der kulturelle Austausch als Startpunkt.

Ein Thema ist - natürlich die innere Sicherheit, die von Frau Melior so hoch gelobt wurde, es sei doch alles so toll in der Zusammenarbeit. Nein, ist es eben nicht. Im Kleinen hakt es nämlich. Da muss noch etliches getan werden.

Polen ist kein Schurkenstaat und kein Land voller Krimineller, wird aber als Transitland missbraucht; das muss man ganz deutlich sagen. Hierbei müssen deutsche und polnische Teams im Sinne der inneren Sicherheit zusammenarbeiten.

Verkehr und Infrastruktur. Natürlich brauchen wir eine bessere Bahnanbindung: Zweigleisigkeit, höhere Geschwindigkeiten, überhaupt eine Anbindung des BER über Cottbus und Forst nach Wroclaw.

Wir brauchen natürlich auch in der Energiepolitik klare Worte. Wenn der polnische Tagebau bis an die deutschen Ortschaften kommt, dann ist das für die deutsch-polnische Region ein Problem. Das muss man ganz deutlich sagen. Fahren Sie bitte nach Groß Gastrose, die Bürger sind sehr aufgebracht.

Gehen wir weiter: Arbeitsmarktförderung - natürlich, klar, Frau Melior, das ist eine tolle Sache. Aber wie helfen wir denn der deutschen Wirtschaft, in Polen Fuß zu fassen bzw. sich dort wirklich zu etablieren? Das ist im Moment eher eine einseitige Angelegenheit.

Weiterhin ist natürlich die Forschung gefragt. Die Viadrina muss vielmehr gefordert werden, mehr zu tun.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir sehen weiterhin die Notwendigkeit, die strukturelle Zusammenarbeit zwischen Polen und Brandenburg zu verändern. Hierzu sollte eine Neujustierung des Aufgabenprofils des Partnerschaftsbeauftragten erfolgen. Diese muss in der Staatskanzlei angesiedelt sein, nicht beim MWE.

Damit vorerst genug. - Danke.

(Beifall FDP)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Es spricht Frau Niels.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Vielen herzlichen Dank, Herr Lipsdorf, das war ein wunderbarer Übergang zu dem, was ich sagen will.

Ich will mich in meiner Rede auf das konzentrieren, was ich hier ganz stark vermisse: die Stärkung der Rolle der Partnerschaftsbeauftragten, insbesondere der für Großpolen, Frau Menze.

Ein kurzer Zugriff meinerseits auf den Entschließungsantrag, der sieben Seiten umfasst: Wir hatten im Januar 2011 einen Bericht der Landesregierung zum Thema „Deutsch-Polnische Zusammenarbeit vertiefen“. Der Entschließungsantrag geht in keinem einzigen Punkt über diesen Bericht hinaus; er bleibt sogar dahinter zurück. Der Bericht der Landesregierung im Jahr 2011 war wesentlich konkreter.

Mich haben die Reden wirklich beeindruckt - von Frau Melior, von Frau Richstein, von Frau Kaiser und auch von Herrn Lipsdorf. Ich kann in meinen fünf Minuten Redezeit aber nicht auch noch etwas zur Ukraine sagen. Allerdings hätte man als SPD-Fraktion vielleicht einen anderen Antrag formulieren sollen, wenn man das Thema Ukraine hier im Landtag vertiefen möchte. Ich glaube, das wäre möglich gewesen.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Jedenfalls war Frau Menze - ich sage es noch einmal: die Partnerschaftsbeauftragte Brandenburgs für Großpolen - im März 2013 im Europaausschuss. Sie hat eines deutlich gemacht: Sie wurde im Jahr 2008 vom Ministerpräsidenten Platzeck ins Amt eingeführt. Seitdem wird ihr Wert, ihre Person, ihre Arbeit in Polen sehr hoch angesiedelt. Alle Inputs kommen vor allen Dingen von polnischer Seite.

Sie hat im Europaausschuss klargemacht, dass sie in der Ministerialhierarchie des Europaministeriums so weit hinten steht, dass sie sehr lange auf - übrigens nur schriftliche - Antworten warten muss. Sie wünscht sich dringend, dass sich neben den Verwaltungsstrukturen auch etwas anderes ändert; denn Publikationswege seien in Brandenburg nötig - wie sie sagte -, damit die Landkreise von ihrer Arbeit erfahren und damit all das, was zum Beispiel in dem Entschließungsantrag steht, auf fruchtbaren Boden fällt. Sie wollte auch einfach nur direkte Ansprechpartner in Brandenburg genannt haben, mit denen sie zu den Themen Wirtschaft, Energie, Arbeitsmarktpolitik direkt verhandeln kann.

Es scheint immer noch nichts passiert zu sein. Wir haben im Europaausschuss nach wie vor das gleiche Problem, dass wir als Abgeordnete Informationen brauchen, wo wir doch laut Entschließungsantrag künftig unterstützen sollen. Klar, Herr Woidke - wir unterstützen Sie auch. Die Abgeordneten, die im Europaausschuss sind, unterstützen die ganze Zeit die deutschpolnische Zusammenarbeit und sind sogar sehr stark eigeninitiativ. Auch wir werden vom Ministerium aber nicht rechtzeitig informiert. Man klagt dann gern, dass wir bei bestimmten Veranstaltungen nicht anwesend waren. So kann es nicht weitergehen.

Das Parlament braucht auch seitens des Ministeriums eine Stärkung. Die Idee von Herrn Lipsdorf, die Partnerschafts

beauftragte in der Staatskanzlei anzusiedeln, finde ich sehr gut; darüber sollte man auf jeden Fall noch einmal reden.

Es war ein etwas unkonkreter Entschließungsantrag, ich werde mich enthalten. Nichtdestotrotz möchte ich noch etwas sagen: Ich habe mich dem Text hermeneutisch gewidmet - Hermeneutik ist die Sprachanalyse. „Die Landesregierung wird ermutigt“ - da habe ich gedacht: Okay, Zugriff auf Gauck, Frau Melior hat es bestätigt, man dachte an ihn -, und zwar ermutigt, die Themen der Zusammenarbeit „auszudehnen“. Dabei wird aber die Energiepolitik gleich mitgenannt. Da frage ich mich auch, warum der entsprechende Antrag der CDU damals abgelehnt wurde und warum man nicht jetzt endlich Nägel mit Köpfen macht. Hallo?

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Wir haben jetzt Herrn Woidke mit einer neuen Funktion und brauchen keine Thinktanks mehr, wir brauchen keine Arbeitsgruppen. Da reicht es auch nicht, wenn man die Landesregierung bittet. Übrigens wird die Landesregierung immer dann „aufgefordert“ - also ein ganz konkretes Verb -, wenn es um die Verhandlungen mit dem Bund und der EU geht. Aber ich erwarte doch von einer Brandenburger Landesregierung und den entsprechenden Abgeordneten von Rot-Rot, dass sie konkrete Handlungsansätze in Brandenburg suchen und dann die Landesregierung entsprechend aufgefordert wird.

Dass man das Polizeiabkommen mit dem Bund in Bezug auf die Grenzkriminalität auffrischen will, ist ja alles richtig - das steht schon in allen vorherigen Berichten. Was konkret tun Sie denn in der nächsten Zeit für die Grenzregionen, auch für die Städtepartnerschaften?

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Das interessiert mich dann einmal in einem ganz toll ausformulierten Antrag; und ich kann nicht sagen, dass wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - die personelle Stärke hätten, Ihnen da die Arbeit abzunehmen.